Aktenzeichen Au 7 S 16.30627
Leitsatz
Ein Asylantrag wird nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen, wenn ein Asylbewerber über seine Identität und Staatsangehörigkeit täuscht, indem er vorgibt, syrischer Staatsangehöriger zu sein. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der 1990 geborene Antragsteller, ein tunesischer Staatsangehöriger mit arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischem Glaubensbekenntnis, reiste nach eigenen Angaben am 23. November 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. Januar 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei der Asylantragstellung hat der Antragsteller angegeben, syrischer Staatsangehöriger zu sein.
Bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 29. Oktober 2015 führte der Antragsteller im Wesentlichen aus:
In seinem Heimatland habe er einen Reisepass und einen Personalausweis besessen, die jedoch im Dorf … bei … in Syrien verbrannt seien. Sein Heimatland Syrien habe er im Oktober 2014 per Pkw verlassen und sei nach Deutschland gereist. Die Reise habe er zum Teil selbst finanziert, daneben habe er Geld von seinem Vater, Onkel und Freunden geliehen. Zugtickets oder Grenzübertrittspapiere könne er nicht vorlegen; er sei illegal gereist. Seine Eltern würden in …/Libanon leben. Jetzt habe er keine Verwandten mehr in Syrien. Manche seien in die Türkei und mache in den Libanon geflohen. Nach der Schule habe er weder eine Ausbildung gemacht noch einen Beruf ergriffen. Er habe ein bisschen im Handel gearbeitet. Militärdienst habe er nicht geleistet.
Früher sei er noch nicht in Europa gewesen. Er sei weder in der Schweiz gewesen noch habe er dort einen Asylantrag gestellt. Er stamme auch nicht aus Tunesien.
In Syrien habe es Krieg gegeben, da sei er einfach abgehauen. Direkt sei ihm nichts passiert. Er wolle leben und arbeiten, deshalb habe er sein Heimatland verlassen.
Er würde gerne die Chance auf Lernen und Arbeit bekommen.
Weder er selbst noch seine Familie hätten in Syrien Probleme mit der Polizei, der Justiz, mit Ämtern und Behörden gehabt. Er wisse nicht, was geschehe, wenn er in sein Heimatland zurückkehren werde.
Wenn sein Antrag abgelehnt werde, reise er aus.
Da das Bundesamt erhebliche Zweifel an der vom Antragsteller angegebenen syrischen Staatsangehörigkeit hatte, wurde vom Bundesamt eine Sprach- und Textanalyse durchgeführt. In dem Gutachten vom 13. November 2015 ist als Ergebnis der Sprachanalyse festgehalten worden, dass der Antragsteller zweifellos aus Tunesien stamme. Die durchgeführte Analyse ermögliche eine sprachliche Zuordnung des Antragstellers mit Sicherheit auf das Herkunftsland Tunesien.
Mit Bescheid vom 29. April 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1), ebenso den Asylantrag (Ziffer 2). Subsidiärer Schutz wurde nicht zuerkannt (Ziffer 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4). Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Tunesien angedroht, falls er die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung verlasse (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
Der Bescheid wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 9. Mai 2016 zugestellt.
Mit dem am 17. Mai 2016 eingegangenen Schreiben erhob der Antragsteller Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg gegen den Bescheid des Bundesamts vom 29. April 2016.
Die Klage wird bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 16. 30626 geführt..
Gleichzeitig wurde ein Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sinngemäß dahingehend gestellt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Das Bundesamt legte am 8. Juni 2016 die Bundesamtsakte vor, äußerte sich aber nicht zur Sache.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) fristgemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des angegriffenen Bescheides anzuordnen, ist aber unbegründet.
Bei der Überprüfung der Abschiebungsandrohung ist eine über die bloße summarische Prüfung hinausgehende erschöpfende – wenn auch nur für das Eilverfahren verbindliche – Prüfung vorzunehmen, ob das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B. v. 25.4.1994 – 2 BvR 2002/93 – juris). Allein diese Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes stellt sicher, dass lediglich derjenige Asylbewerber in Befolgung der ihm vom Bundesamt mitgeteilten Ausreisepflicht das Bundesgebiet verlassen muss, dem das sich aus Art. 16 a Abs. 1 GG in Verbindung mit § 55 Abs. 1 AsylG ergebende vorläufige Bleiberecht – auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – tatsächlich nicht mehr zusteht und bei dem es daher verantwortet werden kann, ihn das Hauptsacheverfahren ohne weitere persönliche Anwesenheit im Inland betreiben zu lassen. Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gilt nichts anderes.
Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG grundsätzlich nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.
Dies ist hier nicht der Fall.
Das Bundesamt hat mit dem angegriffenen Bescheid vom 29. April 2016 die Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 1 des Bescheides) sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2 des Bescheides) zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
Gemäß § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Die Beurteilung als offensichtlich unbegründet ist dann gerechtfertigt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt. Erweist sich der Asylantrag als nicht offensichtlich, sondern lediglich schlicht unbegründet, hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – Rn. 3, juris; BVerfG, Beschluss vom 28.4.1994 – 2 BvR 2709/93 – Rn. 20, juris).
Nach Maßgabe dieser Kriterien begegnet die im streitgegenständlichen Bescheid getroffene Entscheidung hinsichtlich der Ablehnung der Asylanerkennung gemäß Art. 16a Abs. 1 GG und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AsylG) keinen rechtlichen Bedenken.
Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert. Aufgrund der bestehenden Zweifel hinsichtlich der vom Antragsteller angegebenen syrischen Staatsangehörigkeit wurde eine Sprachaufnahme des Antragstellers angefertigt und ein Gutachten hinsichtlich seiner Herkunft eingeholt. Letzteres kommt widerspruchsfrei und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller, nicht wie behauptet, aus Syrien stammen kann. Die durchgeführte Analyse ergab eine sprachliche Zuordnung des Antragstellers mit Sicherheit auf das Herkunftsland Tunesien.
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter liegen schon deshalb offensichtlich nicht vor, weil der Antragsteller auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 AsylG von vornherein ausgeschlossen.
Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für die Gewährung von subsidiärem Schutz liegen in der Person des Antragstellers aufgrund der falsch angegebenen Staatsangehörigkeit und der im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Asylgründe ausschließlich in Bezug auf den angeblichen Herkunftsstaat Syrien offensichtlich nicht vor. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass dem Antragsteller in seinem tatsächlichen Herkunftsstaat Tunesien ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG droht.
Schließlich kommt auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers auch die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG ersichtlich nicht in Betracht.
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes im Bescheid vom 29. April 2016 Bezug genommen.
Nach allem war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
…