Aktenzeichen 3 ZB 13.1665
BayBeamtVG Art. 31 Abs. 1 S. 1, Art. 46 Abs. 1 S. 1
ZPO § 412 Abs. 1
Leitsatz
1 Nach Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBeamtVG erhält ein Beamter, der wegen dauernder Dienstunfähigkeit infolge eines Dienstunfalls in den Ruhestand versetzt wird, Unfallruhegehalt. Maßgeblich hierfür ist, ob der Dienstunfall zumindest die wesentlich mitwirkende Teilursache für die Dienstunfähigkeit war. Dies ist nicht der Fall, wenn eine erst eineinhalb Jahre nach dem Unfall auftretende Thrombose im Gehirn maßgeblich auf einer angeborenen Gerinnungsstörung und nicht auf dem Dienstunfall beruht. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein amtsärztliches Gutachten genießt wegen der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes im Gegensatz zu einem Privatarzt Vorrang. (redaktioneller Leitsatz)
3 Liegt dem Gericht bereits ein Gutachten vor, muss es ein zusätzliches Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme erkennbare Mängel aufweist (BVerwG BeckRS 2013, 48597). (redaktioneller Leitsatz)
4 Es obliegt dem anwaltlich vertretenen Beteiligten durch Stellung eines Beweisantrages auf eine aus seiner Sicht notwendige Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken; unterlässt er dies, kann er mit Erfolg keine Aufklärungsrüge erheben, außer dem Gericht hätte sich eine weitere Sachaufklärung aufdrängen müssen (BVerwG BeckRS 2010, 47843). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
12 K 12.3934 2013-06-27 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 12.047,76 €festgesetzt.
Gründe
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel) und des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Gewährung von Unfallruhegehalt gemäß Art. 53 BayBeamtVG für die 1963 geborene Klägerin, die bis zu ihrer Pensionierung als Regierungsinspektorin (BesGr A 9) beim Landesamt für Verfassungsschutz im Dienst des Beklagten stand, zu Recht abgewiesen. Es hat zutreffend einen Zusammenhang zwischen dem mit Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 29. April 2009 anerkannten Dienstunfall der Klägerin i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, der nach Art. 100 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG einem Dienstunfall i. S. d. Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG gleichsteht, vom 19. Juli 2007, bei dem sich die Klägerin am linken Sprunggelenk verletzte, und der mit Ablauf des 31. Oktober 2010 erfolgten Versetzung der Klägerin in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit, für den die Klägerin die materielle Beweislast trägt, verneint.
1.1 Nach Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG erhält eine Beamtin, die wegen dauernder Dienstunfähigkeit infolge eines Dienstunfalls in den Ruhestand versetzt wird, Unfallruhegehalt. Maßgeblich hierfür ist, ob der Dienstunfall zumindest die wesentlich mitwirkende Teilursache für die Dienstunfähigkeit war (BVerwG, U. v. 11.3.2007 – 2 A 9.04 – juris Rn. 7). Das Verwaltungsgericht ist auf Grundlage der polizeiärztlichen Stellungnahmen von Dr. H. vom 11. Mai 2009, 10. März 2010 sowie 7. Juli 2010 und deren Erläuterung in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2013 rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die für die Ruhestandsversetzung maßgeblichen gesundheitlichen Gründe der Klägerin nicht wesentlich auf den Dienstunfall zurückzuführen sind. Die bei ihr festgestellten psychischen Beschwerden wurden mit Bescheid vom 28. Januar 2011 bestandskräftig nicht als Dienstunfallfolge anerkannt. Polizeiarzt Dr. H. ist unter Auswertung aller vorliegenden Unterlagen, der Dienstunfallakten, der Angaben der Klägerin und deren Untersuchung schlüssig und nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass die erst eineinhalb Jahre nach dem Unfall aufgetretene Sinusvenenthrombose im Gehirn – anders als die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unfall stehenden Thrombosen im linken Bein – und die hiermit verbundenen Folgen (Kopfschmerzen und eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit) maßgeblich auf einer angeborenen Gerinnungsstörung und nicht auf dem Dienstunfall beruhen.
1.2 Die hiergegen innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände der Klägerin begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.
1.2.1 Soweit die Klägerin rügt, dass sich das Verwaltungsgericht bei seinem Urteil nur auf die Ausführungen des Polizeiarztes Dr. H. gestützt habe, der in einem engen Näheverhältnis zum Beklagten stehe und daher nicht unabhängig sei, werden damit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dargelegt. Der Vorrang der amtsärztlichen Beurteilung findet seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der ggf. bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt von der Aufgabenstellung her seine Beurteilung unbefangen und unabhängig vor. Er steht so Beamten und Dienstherrn gleichermaßen fern. Konkrete Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit von Dr. H. oder an der Stimmigkeit und Nachvollziehbarkeit seiner Ausführungen geben würden, trägt die Klägerin nicht vor (BVerwG, B. v. 28.12.2012 – 2 B 105.11 – juris Rn. 8).
1.2.2 Soweit die Klägerin moniert, dass das Verwaltungsgericht die Einholung des von ihr beantragten Sachverständigengutachtens nicht für notwendig gehalten habe, zeigt sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils auf. Ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn sich das Gericht zur Klärung einer entscheidungserheblichen Frage mit einer amtsärztlichen Stellungnahme begnügt, die wegen fachlicher Mängel nicht verwertet werden kann. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn die Stellungnahme auch für den Nichtsachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gibt (BVerwG, B. v. 20.3.2014 – 2 B 59.12 – juris Rn. 10). Solche Mängel trägt die Klägerin nicht vor. Sie legt auch nicht dar, dass andere Gutachter über neue oder überlegenere Forschungsmittel bzw. größere Erfahrung verfügen würden (BVerwG, B. v. 3.2.2012 – 7 B 35.09 – juris Rn. 12). Daher musste sich dem Verwaltungsgericht auch nicht die Einholung eines weiteren ergänzenden Gutachtens aufdrängen. Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO). Die unterbliebene Einholung eines zusätzlichen Gutachtens kann dabei nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegt dem Gericht bereits ein Gutachten vor, muss es ein zusätzliches Gutachten deshalb nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme erkennbare Mängel aufweist (BVerwG, B. v. 25.2.2013 – 2 B 57.12 – juris Rn. 5).
Die Aufklärungsrüge stellt auch kein Mittel dar, um die unterlassene Stellung eines förmlichen Beweisantrags im Berufungsverfahren zu heilen. Es hätte der anwaltlich vertretenen Klägerin oblegen, durch Stellung eines Beweisantrags (§ 86 Abs. 2 VwGO) auf eine aus ihrer Sicht notwendige Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Jedenfalls hat die Klägerin nicht dargelegt, weshalb sich dem Verwaltungsgericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B. v. 5.3.2010 – 5 B 7.10 – juris Rn. 9).
Wenn die Klägerin darauf hinweist, dass eine Thromboseneigung angeborene wie erworbene Ursachen haben könne und die Entwicklung einer Thrombose zumeist aus dem Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren resultiere, mag dies allgemein zwar so zutreffen. Damit legt sie aber keine ernstlichen Zweifel an der Einschätzung dar, dass die für die Ruhestandsversetzung maßgeblichen gesundheitlichen Gründe der Klägerin nicht wesentlich auf den Dienstunfall zurückzuführen sind. Die Klägerin setzt sich auch nicht mit den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander, dass selbst für den Fall, dass der Dienstunfall Auslöser für die eineinhalb Jahre später aufgetretene Sinusvenenthrombose war, dies nicht die Beurteilung widerlegt, dass wesentliche Ursache hierfür die angeborene Gerinnungsstörung der Klägerin darstellt. Nicht wesentlich im Rechtssinn sind sog. Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine nur rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkung bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zu demselben Erfolg geführt hätte (BVerwG a. a. O. Rn. 8). Dies gilt auch für den Fall, dass der Dienstunfall ggf. der Auslöser für die aufgetretene Erkrankung i. S. d. „letzten Tropfens, der das Fass zum Überlaufen bringt“ war, weil er insoweit lediglich von untergeordneter Bedeutung für eine Krankheit war, die früher oder später ohnehin ausgebrochen wäre (BVerwG, B. v. 29.12.1999 – 2 B 100.99 – juris Rn. 6).
2. Aus den unter 1. dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass das Urteil nicht auf einem Verfahrensmangel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beruht.
3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).