Verwaltungsrecht

Tierschutzrechtliche Anordnungen für Rinder- und Pferdehaltung

Aktenzeichen  9 C 16.2602

Datum:
23.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 111593
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2 Nr. 1, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1
VwGO § 166 S. 1, S. 2 Nr. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Beamteten Tierärzten wird hinsichtlich der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Bloßes Bestreiten der fachlichen Beurteilung durch einen beamteten Tierarzt ist regelmäßig nicht ausreichend; vielmehr ist zur Entkräftung seiner Beurteilung ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 K 16.588 2016-12-05 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihre Klage vom 15. April 2016 gegen den Bescheid des Landratsamts F …- … vom 8. März 2016, mit dem mehrere tierschutzrechtliche Anordnungen für ihre Rinder- und Pferdehaltung getroffen worden sind.
Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 5. Dezember 2016 mangels hinreichender Erfolgs-aussichten der Klage ab. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zu Recht abgelehnt, weil die Klage gegen den Bescheid vom 8. März 2016 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Zwar dürfen im Rahmen der Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert und die Anforderungen nicht überspannt werden (BVerfG, B.v. 28.1.2013 – 1 BvR 274/12 – juris Rn. 12). Der Erfolg muss nicht gewiss sein; es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso infrage kommt, wie ein Unterliegen (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 26). Hinreichend ist die Erfolgsaussicht jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2016 – 9 C 15.2201 – juris Rn. 8). Die Klärung strittiger Rechts- oder Tatsachenfragen hat grundsätzlich nicht im Prozesskostenhilfeverfahren, sondern im Hauptsacheverfahren zu erfolgen; sofern eine Beweiserhebung ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Klägerin ausgehen wird, ist grundsätzlich Prozesskostenhilfe zu gewähren (BVerfG, B.v. 28.8.2014 – 1 BvR 3001/11 – juris Rn. 12, 13). Nach diesen Maßstäben bietet die Rechtsverfolgung der Klägerin hier jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die tierschutzrechtlichen Anordnungen vom 8. März 2016 finden in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 TierSchG eine ausreichende rechtliche Grundlage. Das Verwaltungsgericht hat in Bezug auf diese Rechtsgrundlage bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage darauf abgestellt, dass beide Kühe überlange Klauen hatten, die Hufe der drei Pferde ausgewachsen waren und den Rindern kein sauberes, hygienisch einwandfreies Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung stand. Diese Missstände sind am 16. Februar 2016 und 7. März 2016 von dem beamteten Tierarzt und der Amtstierärztin festgestellt und als nicht tierschutzgerecht gewertet worden. Diesen Feststellungen und fachlichen Beurteilungen kommt ein besonderes Gewicht zu, da beamteten Tierärzten bei der hier maßgeblichen Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt wird (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.2694 – juris Rn. 10 m.w.N.). Bloßes Bestreiten der fachlichen Beurteilung ist dabei regelmäßig nicht ausreichend. Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (BayVGH, B.v. 23.12.2014 – 9 ZB 11.1525 – juris Rn. 9). Ein solches lässt sich hier aber weder dem Klagevorbringen, noch dem Beschwerdevorbringen entnehmen. Insbesondere ist die Interpretation der sich in den Behördenakten befindlichen, anlässlich der Kontrollen vom Landratsamt gefertigten Lichtbilder durch die Klägerin nicht geeignet, die Feststellungen des beamteten Tierarztes zur Klauenlänge und zum Hufzustand in Zweifel zu ziehen oder gar eine tierschutzgerechte Huf- bzw. Klauenpflege zu belegen.
Ebenso wenig substantiiert sind auch die Ausführungen der Klägerin in Bezug auf die Feststellung der Amtstierärztin, dass das den Kühen im Barren angebotene Wasser mit Futterresten, Schmutz und Heu verunreinigt gewesen sei und kein sauberes, hygienisch einwandfreies Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung gestanden habe. Hinreichende Erfolgsaussichten der Klage gegen die Anordnung, Selbsttränkebecken einzubauen, sind somit auch insoweit nicht ersichtlich, zumal die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur generellen Ungeeignetheit einer Tränkung über einen Futterbarren nicht substantiiert angegriffen werden.
Soweit die Klägerin weiterhin vorträgt, der Beklagte habe „keine Möglichkeit, die Barhufpflege durch eine andere Person als einen staatl. geprüften Hufschmied zu verbieten“, kann ihre Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg haben. In Nummer 1 c des Bescheids vom 8. März 2016 wurde nämlich gerade nicht gefordert, dass jegliche Verrichtung am Huf nur von einem geprüften und staatlich anerkannten Hufbeschlagsschmied ausgeübt werden darf. Vielmehr wurde nur gefordert, dass „die überlangen Hufe“ von einem „qualifizierten Hufschmied oder Hufpfleger“ behandelt werden. Diese Anordnung hat ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 TierSchG und steht in Einklang mit der Entscheidung des BVerfG vom 3. Juli 2007 (1 BvR 2186/06 – BVerfGE 119, 59).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen im Fall der Zurückweisung der Beschwerde kostenpflichtig (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 9 C 16.96 – juris Rn. 8). Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Satz 1 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO).
Eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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