Verwaltungsrecht

Tierschutzwidrige Unterbringung eines Papageis in Zoohandlung während Urlaubsreise des Tierhalters

Aktenzeichen  9 ZB 15.187

Datum:
17.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105354
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Hinsichtlich der Frage, ob grobe und wiederholte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen, kommt der fachlichen Einschätzung beamteter Tierärzte eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die wiederholte tierschutzwidrige Unterbringung eines Papageis in einer Zoohandlung kann nicht mit einer Urlaubsreise gerechtfertigt werden, denn die Beachtung von § 2 TierSchG steht nicht im Belieben eines Tierhalters, sondern verpflichtet ihn, auch für die Dauer seiner lediglich vorübergehenden Abwesenheit für eine tierschutzgerechte Unterbringung des von ihm gehaltenen Tieres Sorge zu tragen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 K 13.2112 2014-12-09 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Landratsamts P … vom 11. Februar 2014, mit dem die Fortnahme, anderweitige Unterbringung bzw. amtliche Veräußerung ihres Graupapageis „Jaccoline“ angeordnet und zugleich eine mündliche Fortnahmeanordnung vom 18. Oktober 2013 bestätigt wurde.
Ihr Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz blieb sowohl beim Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RN 4 E 13.1829) als auch beim Verwaltungsgerichtshof (Az. 9 CE 14.461) erfolglos.
Mit Urteil vom 9. Dezember 2014 wies das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 11. Februar 2014 hinsichtlich der Anordnung der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung ab. Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg.
Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht hat die Fortnahme und anderweitige Unterbringung des Papageis nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Papagei während des Urlaubs der Klägerin in einer Zoohandlung unter Verstoß gegen § 2 TierSchG untergebracht war und schwerwiegende Verhaltensstörungen aufwies, deren Grund bei einer Rückkehr des Papageis in den häuslichen Bereich der Klägerin nicht entfallen würde. Dies ist im Ergebnis nicht ernstlich zweifelhaft.
Das Verwaltungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung auf die Feststellungen der beamteten Tierärztin anlässlich einer Routinekontrolle der Zoohandlung „Z …“ in P … am 15. Oktober 2013 gestützt, wie sie sich aus deren Stellungnahme vom 28. Oktober 2013 ergeben. Bei dieser Kontrolle wurde der Graupapagei der Klägerin zufällig vorgefunden. Aus der Stellungnahme lässt sich insbesondere entnehmen, dass der Papagei einen absolut tierschutzrelevanten Zustand aufwies, weil das komplette Brustgefieder einschließlich der Schwanzfedern fehlte und der Vogel bereits begann, sich die Federn im Rückenbereich zu rupfen. Nach der fachlichen Einschätzung der beamteten Tierärztin, der nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine vorrangige Beurteilungskompetenz hinsichtlich der Frage, ob grobe und wiederholte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen, zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 9 C 16.2022 – juris Rn. 13), ist das vom Graupapagei gezeigte Federrupfen Ausdruck einer schwerwiegenden Verhaltensstörung, die aus einer massiven Bewegungseinschränkung und der fehlenden Möglichkeit, arteigenes Verhalten ausüben zu können, resultiert. Sie hat darauf verwiesen, dass diese Verhaltensstörung des Papageis bereits seit längerer Zeit besteht und sich sein Zustand ausweislich einer bei der Klägerin erfolgten Nachkontrolle vom 1. Juli 2013 seit der Erstkontrolle im Juli 2011 nicht verbessert hat. Das Zulassungsvorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, diese fachliche Beurteilung zu entkräften.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, das Verwaltungsgericht gehe entgegen dem Landratsamt von einer Verschlechterung des Zustands des Papageis im Zeitraum von Juli 2011 bis Oktober 2013 aus, ist ihr zwar zuzugeben, dass weder aus den Gerichtsakten noch aus den Verwaltungsakten ohne weiteres ersichtlich ist, worauf das Verwaltungsgericht diese Aussage stützen könnte. Dies ändert aber nichts daran, dass nach der fachlichen Beurteilung der beamteten Tierärztin bereits die festgestellte länger anhaltende Dauer der Verhaltensstörung des Papageis dessen Fortnahme und anderweitige Unterbringung rechtfertigt, weil im Zeitraum von Juli 2011 bis Oktober 2013 insoweit keine Verbesserung des Zustands des Papageis eingetreten ist. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht entgegengetreten.
Der Einwand der Klägerin, es habe sich bei der Unterbringung während des Urlaubs nur um eine Ausnahmesituation gehandelt, die nicht die Grundlage der weitreichenden Ermessensentscheidung bilden könne, ist ebenso wenig geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu begründen. Die wiederholte tierschutzwidrige Unterbringung des Papageis in der Zoohandlung kann die Klägerin nicht mit einer Urlaubsreise rechtfertigen, denn die Beachtung von § 2 TierSchG steht nicht im Belieben eines Tierhalters, sondern verpflichtet ihn, auch für die Dauer seiner lediglich vorübergehenden Abwesenheit für eine tierschutzgerechte Unterbringung des von ihm gehaltenen Tieres Sorge zu tragen. Das Vorbringen der Klägerin zeigt nach wie vor insoweit starke Bagatellisierungstendenzen auf und lässt auch für die Zukunft ein Umdenken und die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen nicht erwarten (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.2014 – 9 CS 14.1115 – juris Rn. 12).
Soweit die Klägerin vorträgt, dass ihr das Verwaltungsgericht die fehlende Vergesellschaftung ihres Papageis nicht als Mangel in der Tierhaltung vorwerfen dürfe, weil es in einem früheren Verfahren die Verpflichtung zur Vergesellschaftung ihres Papageis mangels Erforderlichkeit aufgehoben hat, trifft dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat nämlich im Urteil vom 19. März 2013 (Az. RN 4 K 12.1389) keineswegs darauf abgestellt, dass eine Vergesellschaftung des Papageis nicht erforderlich ist. Vielmehr hat es die dort angeordnete Verpflichtung zur Vergesellschaftung des Papageis nur mit der Begründung aufgehoben, dass Privatpersonen nicht in der Lage seien, eine Vergesellschaftung durchzuführen.
Auch der weitere Vortrag der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei der Kontrolle bei der Klägerin am 1. Juli 2013 dem Papagei nicht ständig ausreichend Beschäftigungsmaterial zur Verfügung gestanden habe, ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu begründen. Wie dem Urteil des Verwaltungsgerichts entnommen werden kann, war diese Beanstandung nicht entscheidungserheblich für die Beurteilung der Frage, ob eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Graupapageis in der häuslichen Umgebung der Klägerin nach deren Urlaubsrückkehr sichergestellt wäre. Das Verwaltungsgericht hat hierzu vielmehr auf die schwerwiegende Verhaltensstörung verwiesen, die dem entgegensteht.
Ob das Landratsamt bereits unmittelbar nach der häuslichen Kontrolle bei der Klägerin am 1. Juli 2013 einen Bescheid zur Fortnahme und anderweitigen Unterbringung des Graupapageis erlassen hätte können, ist hier nicht entscheidungserheblich. Dass es mit dem Erlass eines solchen Bescheids – zugunsten der Klägerin – noch solange abgewartet hat, bis weitere Erkenntnisse vorlagen, die eine solche Fortnahme rechtfertigen können, lässt keine Rechtsfehler erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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