Aktenzeichen M 22 K 15.4369
EMRK EMRK Art. 10
LStVG LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
OWiG OWiG § 118 Abs. 1
StGB StGB § 218, § 218c
Leitsatz
Ein Totalverbot jeglicher Gehsteigberatung schwangerer Frauen vor einer Abtreibungsklinik ist grundsätzlich rechtswidrig. Es muss Raum bleiben für ein sensibles und die besondere Situation der Frau berücksichtigendes Ansprechen der Frau auf die Abtreibungsproblematik und ein Zeigen entsprechenden Informationsmaterials verbunden mit dem Angebot einer weitergehenden Beratung und Übergabe von Informationsmaterial einschließlich des Aufzeigens von Hilfen bei einer Entscheidung für das Leben des Ungeborenen (sog. sensibles Beratungsmodell). (amtlicher Leitsatz)
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 1. September 2015 rechtswidrig gewesen ist.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig und auch begründet.
Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht, wenn sich ein Verwaltungsakt – nach Erhebung der Anfechtungsklage – erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
1. Der Bescheid vom 1. September 2015 hat sich in seiner Hauptsacheentscheidung, nämlich dem Verbot des Betretens des Gehwegs vor der Abtreibungsklinik, nach Erhebung der Anfechtungsklage vom 1.10.2015 mit der – unbestrittenen inzwischen erfolgten – Schließung der Klinik im Sinne von Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG auf sonstige Weise und damit auch im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erledigt, da der Bescheid das Verbot nur für die Öffnungszeiten der alten Abtreibungsklinik ausspricht und diese Zeiten nunmehr weggefallen sind. Ebenfalls erledigt hat sich die mit der Hauptsacheentscheidung im unmittelbaren akzessorischen Zusammenhang stehende Androhung eines Zwangsgeldes bei Verstoß gegen das Betretungsverbot (siehe hierzu Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 2015, § 113 Rn. 82; BVerwG NVwZ 1991, 570). Erledigt hat sich auch die Kostentragungs- und Kostenfestsetzungsentscheidung des Bescheids. Nach bayerischem Kostenrecht führt die Rechtswidrigkeit der Hauptsacheentscheidung eines Verwaltungsakts unmittelbar kraft der gesetzlichen Bestimmung des Art. 16 Abs. 5 BayKG zu einem Verbot der Erhebung von Kosten für diesen Verwaltungsakt (vgl. hierzu Schoch/Schneider/Bier a. a. O.., BVerwG a. a. O..), ohne dass es dazu noch der förmlichen Aufhebung der kostenrechtlichen Nebenentscheidungen bedürfte. Umgekehrt führt die Rechtmäßigkeit der Hauptsacheentscheidung auch zur Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung, wenn wie hier gegen diese keine spezifisch kostenrechtlichen Einwände (etwa zur Höhe der Kosten) erhoben werden. Da die Rechtmäßigkeit der Hauptsacheentscheidung im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage geklärt wird, hat sich auch die Anfechtungsklage gegen die Kostenentscheidung erledigt. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage gegen den Bescheid ist damit nachträglich insgesamt fortgefallen.
Der Kläger kann aber aus Ausfluss der Dispositionsmaxime zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO durch einen entsprechenden Antrag an das Gericht übergehen, ohne dass dieser umstellende Antrag eine Klageänderung nach § 91 VwGO darstellen würde und der Zustimmung der Gegenpartei oder einer Sachdienlichkeitsbejahung durch das Gericht bedürfte (Schoch/Schneider/Bier a. a. O.., Rn. 79 ). Einen solchen Antrag hat der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellt.
2. Der Kläger besitzt das für die umgestellte Klage erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Bescheids.
Die Rechtsprechung hat bestimmte Fallgruppen eines sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresses herausgearbeitet (statt aller siehe Schoch/Schneider/Bier a. a. O.., Rn. 91 ff.). Anerkannt ist unter anderem das Interesse wegen Wiederholungsgefahr, wenn also die hinreichend konkrete Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Bescheid ergehen wird (Schoch/Schneider/Bier a. a. O.., Rn. 93 ff.). Zu Recht beruft sich der Kläger auf dieses Feststellungsinteresse. Der Inhaber der bisherigen Praxis wird diese an anderer Stelle in … fortsetzen. Adresse und Telefonnummer der neuen Praxis in … finden sich bereits im Internet, und zwar im medizinischen Bewertungsportal …, wo auch die bisherigen Bewertungen des Praxisinhabers zu sehen sind. Die neue Praxis liegt in einem Ärztezentrum, das durch öffentliche Gehwege erschlossen ist. Der Kläger hat bereits angekündigt, auch dort oder an anderen Abtreibungsstätten in München Gehsteigberatungen durchzuführen. Die Beklagte hat sich nicht gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr und gegen eine Feststellungsklage gewandt. Beide Parteien sind an einer gerichtlichen Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen einer Gehsteigberatung interessiert, um ihr künftiges Verhalten danach ausrichten zu können.
3. Der streitgegenständliche Bescheid vom 1. September 2015 ist rechtswidrig gewesen.
Die Beklagte stützt das im Bescheid verfügte generelle Betretungsverbot zu Unrecht auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 118 Abs. 1 OWiG. Auch andere Rechtsgrundlagen vermögen den Bescheid nicht zu tragen (siehe hierzu unten Buchstabe c).
Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG können die Sicherheitsbehörden, wie hier die Beklagte, bei fehlender anderweitiger gesetzlicher Ermächtigung im Einzelfall Anordnungen, die in die Rechte anderer eingreifen, zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden. Nach § 118 Abs. 1 OWiG (Belästigung der Allgemeinheit) handelt ordnungswidrig, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.
a. Zunächst wird der streitgegenständliche Bescheid dahingehend ausgelegt, dass das angeordnete Verbot jeglichen Betretens des Gehsteigs vor der Klinik nur in dem Sinne zu verstehen ist, dass das untersagte Betreten in einem Zusammenhang mit einer Gehsteigberatung des Klägers stehen soll, der Bescheid also nur ein Verbot jeglicher Gehsteigberatung aussprechen will. Ansonsten wäre der Bescheid von Vornherein offensichtlich rechtswidrig. Diese Auslegung des Bescheids lässt sich vor allem mit Blick auf die Beschränkung des Betretungsverbots auf die Öffnungszeiten der Klinik rechtfertigen. Durch diesen Passus, die Bescheidsbegründung und den allen Beteiligten bekannten Kontext des Bescheides ist der erforderliche Zusammenhang mit der beratenden Tätigkeit des Klägers hergestellt. Auch der Kläger selbst hat diese, im Bescheidsspruch nur unvollkommen zum Ausdruck gebrachte, Regelungsintention nicht verkannt und nicht problematisiert. Ebenfalls keine Bedenken sieht das Gericht darin, dass der Bescheid den Kläger, der keine natürliche Person, sondern als Verein eine juristische Person ist, verpflichtet. Sicherheitsrechtlich verantwortlich nach Art. 9 LStVG kann nämlich auch eine juristische Person jedenfalls des Privatrechts sein (Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2015, Rn. 487). Der Kläger haftet für seine Mitglieder oder für solche Personen, die er mit der Beratung beauftragt hat.
b. Grundsätzlich tragen weder die Rechtsgrundlage des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 118 Abs. 1 OWiG – noch eine sonstige Rechtsgrundlage (siehe hierzu unten Buchstabe c) – ein Totalverbot jeglicher Gehsteigberatung schwangerer Frauen vor einer Abtreibungsklinik.
Es muss vielmehr Raum bleiben für ein sensibles und die besondere Situation der Frau berücksichtigendes Ansprechen der Frau auf die Abtreibungsproblematik und ein Zeigen entsprechenden Informationsmaterials verbunden mit dem Angebot einer weitergehenden Beratung und Übergabe von Informationsmaterial einschließlich des Aufzeigens von Hilfen bei einer Entscheidung für das Leben des Ungeborenen, so wie es etwa dem Modell entspricht, das das Gericht zusammen mit dem Vorgängerverein des Klägers und der Beklagten am 15.3.2012 entwickelt hatte und das bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 1. September 2015 Grundlage für die Gehsteigberatung gewesen ist (sog. sensibles Beratungsmodell).
Die Gehsteigberatung in der Art dieses Beratungsmodells kann nicht unter § 118 Abs. 1 OWiG subsumiert werden. Sie ist keine grob ungehörige Handlung, die geeignet wäre, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen.
Die Norm des § 118 Abs. 1 OWiG ist wegen der Vielzahl der in ihr verwendeten und sich teilweise in ihrem Bedeutungsgehalt überschneidenden unbestimmten Rechtsbegriffe nicht leicht zu handhaben (siehe hierzu Senge in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 2014, § 118 Rn. 4). Rechtsprechung und Literatur haben die Tatbestandsmerkmale näher konturiert. Danach ist „grob ungehörig“ eine Handlung, wenn sich das Tun oder Unterlassen bewusst nicht in die für das gedeihliche Zusammenleben der jeweiligen Rechtsgemeinschaft erforderlichen Ordnung einfügt und dadurch im deutlichen Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung steht; grob ungehörig ist die Handlung erst dann, wenn sie in einer Weise gegen die anerkannten Regeln von Sitte, Anstand und Ordnung verstößt, dass dadurch eine unmittelbare psychische oder physische Belästigung oder Gefährdung der Allgemeinheit und gleichzeitig eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung in Betracht kommt (siehe Senger a. a. O., Rn. 6 mit weiteren Hinweisen zu Rechtsprechung und Literatur). Beim Merkmal der „öffentlichen Ordnung“ handelt sich um ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, dem die Aufgabe zukommt, den Anwendungsbereich der Norm insbesondere in Fällen der psychischen Belästigung der Allgemeinheit, die zu keiner sichtbaren Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung geführt hat, einzuschränken; das Merkmal meint die Gesamtheit der sozialen Normen über das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach – durch die grundrechtlichen Wertmaßstäbe geprägter – mehrheitlicher Anschauung unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen und menschlichen Zusammenlebens ist (Senger a. a. O.., Rn. 18). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20.6.2014 (Az. 1 BvR 980/13, juris) zum Tatbestandsmerkmal der „öffentlichen Ordnung“ in § 118 Abs. 1 OWiG ausgeführt, es sei für diesen Begriff „kennzeichnend, dass er auf ungeschriebene Regeln verweist, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes angesehen wird“. Das Bundesverfassungsgericht fordert dabei weiter, dass die Normen des Straf- wie auch des Ordnungswidrigkeitsrechts unter „Beachtung der Wertentscheidungen der Grundrechte auszulegen und anzuwenden“ sind. Die staatlichen Organe haben die grundrechtsbeschränkenden Gesetze im Lichte der grundlegenden Bedeutung der Grundrechte (im entschiedenen Fall des BVerfG des Grundrechts der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG) auszulegen und sich bei Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger andere Rechtsgüter notwendig ist; konfligierende Grundrechte und Wertvorstellungen müssen im konkreten Einzelfall durch Abwägung zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden.
Bei der Beurteilung, ob eine Gehsteigberatung als Ordnungswidrigkeit nach § 118 Abs. 1 OWiG eingestuft werden kann, kommt es also ganz wesentlich auf die dabei berührten Wertvorstellungen des Grundgesetzes und insbesondere die Grundrechte an. Die bei der Anwendung des § 118 Abs. 1 OWiG vorzunehmende Wertebetrachtung führt hier zu folgendem Ergebnis.
aa. Höchstwert des Grundgesetzes ist die Achtung vor dem Leben und der Schutz des Lebens, so wie es das Grundgesetz mit der fundamentalen Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG und noch einmal in der Lebensschutzgarantie des Art. 2 Abs. 2 GG zum Ausdruck bringt (siehe hierzu Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Rn. 9 ff., Rn. 44). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt schon dem ungeborenen Leben Menschenwürde und Lebensrecht zu (BVerfG, Urteil vom 28.5.1993, Az. 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92, BVerfGE 88, 203, juris). Das Lebensrecht des Ungeborenen ist ein eigenständiges Lebensrecht, das nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet wird (BVerfG a. a. O..). Die Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Leben besteht auch gegenüber der Mutter (BVerfG a. a. O..). Der Schwangerschaftsabbruch muss für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein (BVerfG a. a. O..). Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden (BVerfG a. a. O..). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bindet gemäß § 31 BVerfGG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.
Um den Einsatz für das ungeborene Leben geht es dem Kläger. Das ist sein eigentliches Anliegen, das er aus christlicher Überzeugung in Ausübung seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 4 GG verfolgt (zur grundrechtlichen Stützung dieser Aktivität siehe unten Doppelbuchstabe bb). Erst in zweiter Linie geht es dem Kläger um die Betätigung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, auf die der streitgegenständliche Bescheid aber im Wesentlichen abstellt (siehe hierzu unten Doppelbuchstabe cc).
Der Einsatz für das ungeborene Leben ist nicht gehindert durch das bestehende, ganz wesentlich auf die Beratung der Frau aufbauende gesetzliche Schutzkonzept für das Ungeborene in den §§ 218 ff. StGB sowie im Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes (SchKG) und den Ausführungsgesetzen der Länder, wie z. B. dem Bayerischen Schwangerenberatungsgesetz (BaySchwBerG). Dieses gesetzliche Schutzsystem regelt lediglich die von Verfassung wegen gebotenen, aus Art. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 1 Abs. 3 GG fließenden staatlichen Schutzpflichten für das Ungeborene, verhält sich aber nicht zum privaten Einsatz für das Ungeborene und lässt diesen Einsatz unberührt. Privates Engagement kann den Schutz des Ungeborenen verstärken. Jedenfalls macht der gegenwärtige Zustand des gesetzlichen Schutzsystems private Initiative nicht von Vornherein überflüssig und beraubte sie von daher jeglicher Legitimität. Es gibt gewichtige Stimmen, die das derzeitige Abtreibungsrecht im Hinblick auf den Schutz des Ungeborenen sehr kritisch sehen (siehe Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Rn. 44; Starck NJW 2000, 2714; Fischer, StGB, 2013, Vor §§ 218 – 219b).
Ist der Einsatz Privater für das ungeborene Leben verfassungsrechtlich legitim, so heiligt der Zweck nicht jedes Mittel zu seiner Erreichung. Die angewandten Methoden zur Hilfe für das Ungeborene müssen im Einklang mit der Wertordnung des Grundgesetzes stehen. Hier sind die Belange der schwangeren Frau in den Blick zu nehmen. Sie ist Trägerin des aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG fließenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Frau hat legitimen Anspruch darauf, dass ihre besondere psychische Belastungssituation unmittelbar vor der straflosen Abtreibung berücksichtigt und dass ihr mit der gebotenen Sensibilität begegnet wird.
Das dargestellte sensible Beratungsmodell nimmt diese spezifische Befindlichkeit der Frau hinreichend auf und führt zu einem schonenden Ausgleich der betroffenen Interessen und grundgesetzlichen Wertvorstellungen. Ein höheres Maß an Berücksichtigung kann die Frau nicht verlangen und die Behörde nicht anordnen. Die Frau hat auf ihrem Weg zu einer Abtreibungsklinik kein Recht darauf, vor jeglicher Konfrontation mit der Thematik Abtreibung oder vor jeglicher Ansprache darauf verschont zu bleiben.
Zunächst kann es die Frau im öffentlichen Straßenraum ohnehin kaum vermeiden, Kindern oder Babys oder entsprechenden Abbildungen etwa auf Werbeflächen zu begegnen und so in ihrer Konfliktsituation zusätzliche psychische Belastung zu erfahren. Wer sich in den öffentlichen Raum begibt, wird auch Teil der in einer freiheitlichen Gesellschaft selbstverständlichen kommunikativen Struktur dieses Raumes. Eine offene, demokratische und pluralistische Gesellschaftsordnung wie die des Grundgesetzes, für die die Meinungsfreiheit „schlechthin konstitutiv“ ist (siehe hierzu Grabenwarter in Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 5 Rn. 1 bis 9; BVerfGE 7, 198, 208; BVerfGE 82, 272, 281), verträgt grundsätzlich keine diskursfreien Zonen. Öffentliche Bereiche, in denen die Begegnung mit anderen Ansichten und Vorstellungen staatlicherseits von Vornherein in der Art einer „Bannmeile“ tabuisiert wird, widersprechen dem grundlegenden freiheitlichen Konzept einer integrativen Bewältigung von Konfliktlagen, auch wenn dies im vorliegenden Fall für die Frau in ihrer spezifischen Situation eine zusätzliche Belastung darstellen sollte. Deshalb kann ein Totalverbot, Frauen auf diese Situation anzusprechen und sie mit einer bestimmten Haltung zur Abtreibung zu konfrontieren, vor dem Hintergrund dieses Freiheitsverständnisses nur in extremen Ausnahmesituationen gerechtfertigt werden; für eine solche Ausnahmelage war im konkreten Fall des Klägers nichts ersichtlich (Näheres hierzu unten Buchstabe d).
Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt. Das Gesetz mutet es der Frau selbst in der Phase unmittelbar vor dem Abbruch zu, von dem abbrechenden Arzt nach den Gründen für ihre Entscheidung befragt und über die Bedeutung des Eingriffs beraten zu werden. Nach § 218c StGB macht sich der Arzt strafbar, wenn er eine Schwangerschaft abbricht, „ohne der Frau Gelegenheit gegeben zu haben, ihm die Gründe für ihr Verlangen nach Abbruch der Schwangerschaft darzulegen“ (§ 218c Abs. 1 Nr. 1 StGB) und „ohne die Schwangere über die Bedeutung des Eingriffs, insbesondere über Ablauf, Folgen, Risiken, mögliche physische oder psychische Auswirkungen ärztlich beraten zu haben“ (§ 218c Abs.1 Nr. 2 StGB). Diese Darlegungs- und Beratungspflichten unmittelbar vor der Abtreibung bestehen für jede der drei in § 218a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 StGB geregelten Abbruchvarianten. Im Fall einer Abtreibung nach der sog. Fristenlösung des § 218a Abs. 1 StGB, nach welcher etwa 96,4 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland stattfinden (siehe die Informationsbroschüre von Pro Familia e.V. „Schwangerschaftsabbruch, Was Sie wissen sollten – was sie beachten müssen“, 2015, S. 5), bestehen sie zusätzlich zu der Beratungspflicht der Schwangeren nach § 218a Abs. 1 StGB i. V. m. § 219 StGB; darauf weist die Beratungsbescheinigung nach § 7 SchKG ausdrücklich hin (siehe das amtliche Formular der Beratungsbescheinigung nach § 219 Abs. 2 StGB in Anlage 1 zu Art. 10 BaySchwBerG). Die Beratungspflicht des abbrechenden Arztes nach § 218c StGB ist keine Formalie, sondern ein wesentliches Element des gesetzlichen Konzepts des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes des Ungeborenen (BVerfGE 88, 203, 289, 290; Fischer, StGB, 2013, § 218c Rn. 1). Sie geht „über die rein medizinischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs hinaus“ und umfasst die Pflicht des Arztes „den Schwangerschaftskonflikt, in dem die Frau steht, im Rahmen ärztlicher Erkenntnismöglichkeiten zu erheben“ (BVerfGE 88, 203, 290). „Etwaige tieferliegende Ursachen des Schwangerschaftskonflikts soll er in Erfahrung zu bringen suchen“ (BVerfGE 88, 203, 290). „Vor allem hat der Arzt sein Augenmerk darauf zu richten, ob die Frau tatsächlich den Schwangerschaftsabbruch innerlich bejaht oder ob sie insbesondere Einflüssen unterlegen ist, die von ihrem familiären oder weiteren sozialen Umfeld – etwa dem Ehemann, dem Partner, den Eltern oder dem Arbeitgeber – ausgegangen sind“ (BVerfGE 88, 203, 290). Zur Beratung gehört zwingend die Pflicht des Arztes, „ein hinreichendes Wissen davon zu vermitteln und zur Sprache zu bringen, dass der Schwangerschaftsabbruch menschliches Leben zerstört“ (BVerfGE 88, 203, 290; darauf besonders hinweisend Fischer, StGB, 2013, § 218c Rn. 4). Nach dem Willen der Verfassung und des Gesetzes wird also die Frau unmittelbar vor der beabsichtigten Abtreibung mit ihrer bisherigen Entscheidung für die Abtreibung sowie dem Lebensrecht ihres ungeborenen Kindes konfrontiert und zur näheren Darlegung ihrer Gründe für einen Abbruch veranlasst. Von dieser durchaus intimen Rechenschaft ist eine Gehsteigberatung nach dem dargestellten Modell weit entfernt. Bei diesem Vergleich übersieht das Gericht nicht, dass die ärztliche Beratung nach § 218c StGB im Hinblick auf die Qualitätssicherung nicht von Vornherein mit einer Beratung durch einen privaten Verein gleichgesetzt werden kann. Das Handeln eines Arztes ist durch staatliches Recht und Standesrecht reglementiert und unterliegt einer institutionalisierten Kontrolle, was bei einem privaten Verein nicht der Fall ist. Eine Parallele kann aber jedenfalls dann gezogen werden, wenn dem privaten Berater nach dessen Beratungskonzeption und Beratungspraxis nicht die Zuverlässigkeit für ein korrektes Verhalten im Sinne des Beratungsmodells abgesprochen werden kann. Das ist beim Kläger der Fall (siehe dazu unten Buchstabe d).
Vor diesem Hintergrund verletzt die sensible Gehsteigberatung nicht das Persönlichkeitsrecht der Frau, sondern nimmt es im Gegenteil ernst. Wichtiger Bestandteil des Modells ist die Frage an die Frau, ob sie eine Befassung zum Thema Abtreibung wünscht oder nicht. Der Frau wird hier die volle Entscheidungsfreiheit eingeräumt. Sie hat die Wahl einer Auseinandersetzung mit der Problematik. Das Modell achtet und stärkt das Selbstbestimmungsrecht der Frau auf Erhalt von Informationen und Hilfe. Demgegenüber würde ein behördliches Totalverbot jeglichen Ansprechens der Frau dieser die Möglichkeit nehmen, selbstbestimmt eine andere Entscheidung zu treffen. Der Kläger hat eine Reihe von Schreiben vorgelegt, in denen Mütter ihre große Dankbarkeit darüber bekunden, dass sie der Kläger in dieser entscheidenden Phase nicht allein gelassen und zu einer Bejahung des Lebensrechts ihres Kindes geführt hat.
bb. Der Einsatz für das ungeborene Leben findet im Fall des Klägers zusätzlich zu der dargestellten, aus dem verfassungsrechtlichen Höchstwert des Lebens nach Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG resultierenden Legitimation grundrechtliche Stütze im Grundrecht auf Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG. Der Kläger ist ein christlicher Verein, dessen Zweck die Gehsteigberatung ist. Diese Tätigkeit vollzieht er im Rahmen eines von einem römisch-katholischen Priester gegründeten Helfer-Weltapostolats für das ungeborene Leben, also eines spezifisch auf die Sorge um das Ungeborene bezogenen christlichen Sendungsauftrags. Leiter des Apostolats in Deutschland ist der vom Gründer eingesetzte Vereinsvorsitzende des Klägers, dem von einem römisch-katholischen Bischof hierzu Sendung und apostolischer Segen erteilt wurde (Näheres zum Apostolat siehe die Website …, Menü „wir über uns“). Die Anbindung an die Religionsausübung nach Art. 4 GG zeigt sich auch in dem spezifischen Beratungszuschnitt durch den Kläger. An der Gehsteigberatung wird der eigentliche Berater stets von einem etwas abseits stehenden sog. stillen Beter begleitet, der um das ungeborene Kind, die Mutter und die Ärzte betet, da es nach Auffassung des Apostolatsgründers und des Klägers letztlich nur Gott selbst ist, der helfen kann.
Mit seiner Haltung gegenüber der Abtreibung befindet sich der Kläger in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche, die die Abtreibung als „abscheuliches Verbrechen“ bezeichnet (so Papst Franziskus in einer Ansprache vom 11.4.2014, www.katholisches.info/2014/04/11); Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Acta Apostolicae Sedis (AAS) 1966, S. 465 Nr. 51, amtliche deutsche Übersetzung siehe unter www.vatican.va/archive; Papst Johannes Paul II., Enzyklika „Evangelium vitae“ über den Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens vom 25.3.1995, AAS 1995, S. 401, 465, 466 Nr. 57 und Nr. 58, amtliche deutsche Übersetzung wie oben; in dieser Enzyklika ruft der Papst alle Gläubigen weiter dazu auf, ausreichende und wirksame Formen der Begleitung des werdenden Lebens in die Tat umzusetzen).
Selbstverständlich besitzt die Lehre der katholischen Kirche für den weltlich-staatlichen Bereich keine Geltung. Sie macht aber bei der im Rahmen des § 118 Abs. 1 OWiG anzustellenden Wertebetrachtung deutlich, dass es bei der Gehsteigberatung durch den Kläger als christlich-katholischer Gemeinschaft um die Vertretung anerkannter Glaubensinhalte im Rahmen des Grundrechts nach Art. 4 GG geht, und sie zeigt das Gewicht auf, das diesem Grundrecht gerade beim Thema Abtreibung zukommt (zur Bedeutung des Selbstverständnisses einer Religionsgemeinschaft bei der Erfassung der nach Art. 4 GG geschützten Glaubensinhalte siehe von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 2006, S. 55 ff.; Classen, Religionsrecht, 2015, Rn. 84, 163 und 164).
Das Grundrecht der Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG weist eine spezifische Wirkungsdimension auf. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt:
„Nach dem Selbstverständnis der katholischen und evangelischen Kirche umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit in der Welt, wie es der religiösen und diakonischen Aufgabe entspricht. Die tätige Nächstenliebe ist nach dem Neuen Testament eine wesentliche Aufgabe für den Christen und wird von der katholischen wie von der evangelischen Kirche als Grundfunktion verstanden“ (BVerfGE 24, 236, 248; BVerfGE 53, 366,739; BVerfGE 70, 138, 163).
Die Gehsteigberatung des Klägers stellt sich in diesem Sinne als glaubensgeleitetes, vom Schutz der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 GG umfasstes Handeln dar. Das Totalverbot der Gehsteigberatung trifft den Kläger in seinem von Art. 4 GG garantierten Recht, sich in tätiger Nächstenliebe der Mutter und ihrem ungeborenen Kind zuzuwenden.
Freilich ist nicht jegliche Art und Weise dieses Wirkens von Vornherein vom Schutzbereich des Art. 4 GG umfasst. Auch aus der Lehre der katholischen Kirche lassen sich über die allgemeine Aufforderung zur tätigen Sorge für das Ungeborene hinausgehend keine zwingenden Vorgaben für konkret zu verfolgenden Methoden der Umsetzung entnehmen. Festzuhalten bleibt aber die prinzipielle grundrechtliche Relevanz eines in die Welt wirkenden Anliegens des Klägers in der Abtreibungsfrage nach Art. 4 GG und damit die Relevanz bei der Wertebetrachtung in Anwendung des § 118 Abs. 1 OWiG.
Wie dargelegt muss das dem Kläger zustehende Grundrecht auf Glaubensfreiheit in Konkordanz mit dem ebenfalls grundrechtlich gestützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Frau gebracht werden. Art. 4 Abs.1 GG kennt zwar keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt, es ist aber selbstverständlich und anerkannt, dass die Glaubensfreiheit des Art. 4 GG Einschränkungen durch gegenläufige Rechtsgüter mit Verfassungsrang, hier des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Frau, unterliegen kann (siehe etwa Classen a. a. O.., Rn. 190 ff.). Das dargestellte Beratungsmodell leistet diese Aufgabe des Ausgleichs; hierzu kann auf die obigen Ausführungen unten Doppelbuchstabe aa verwiesen werden.
cc. Der Kläger kann sich bei der Gehsteigberatung weiter auf sein Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG berufen. Zwar geht es dem Kläger, wie ausgeführt, nicht primär um die Ausübung dieser grundrechtlichen Freiheit, sondern – auf der legitimierenden Basis des Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 GG – zentral um die Rettung ungeborenen Lebens unmittelbar vor der Abtreibung durch Beratung und Information der Mutter sowie das Aufzeigen hilfegestützter Alternativen zur Abtreibung. Mit diesem Vorgehen bringt der Kläger aber auch seine Meinung und seinen Standpunkt in der Abtreibungsfrage zum Ausdruck. Das Bundesverfassungsgericht hat die Aktionen des bekannten Abtreibungsgegners Günter Annen, der vor Abtreibungskliniken Flugblätter gegen Abtreibung verteilte und auch Passanten und Passantinnen mit dem Ziel ansprach, sie zu einer Überprüfung ihrer Haltung zur Frage der Abtreibung zu bewegen, ohne Weiteres tatbestandlich als vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 GG umfasst angesehen (siehe BVerfG, Beschluss vom 8.6.2010, Az. 1 BvR 1745/06, NJW 2011, 47), ebenso wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Hinblick auf die parallele Gewährleistung der Freiheit der Meinungsäußerung nach Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) getan hat (EGMR, Urteil vom 26.11.2015, No. 3690/10, in dem Verfahren der Individualbeschwerde des Herrn Annen gegen die Bundesrepublik Deutschland, juris, Näheres siehe im Tatbestand oben).
Das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern steht gemäß Art. 5 Abs. 2 GG unter der Schranke der allgemeinen Gesetze. Die beschränkenden Gesetze sind wiederum im Lichte der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts ihrerseits einzuschränken (zu dieser Wechselwirkung siehe Grabenwarter in Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 5 Rn. 114 ff., 139 ff.). Das parallele Menschenrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 10 Abs. 1 EMRK findet nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 EMRK seine Grenzen. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 5 GG von allen nationalen Behörden und Gerichten zu berücksichtigen (BVerfG, Urteil vom 14.10.2004, 2 BvR 1481/04 – Sache Görgülü; siehe auch Grabenwarter a. a. O.., Rn. 13 – 18). So berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht bei der Abwägung zwischen den Freiheiten des Art. 5 GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht die Wertungen und Schranken des Art. 10 EMRK (siehe Grabenwarter a. a. O.., Rn. 18). Den Freiheiten nach Art. 10 EMRK und denen des Art. 5 GG kommt dort besonderes Gewicht zu, wo es um einen Gegenstand von öffentlichem Interesse geht (EGMR, Urteil vom 26.11.2015, No. 3690/10, juris Rn.53; ständige Rspr. des EGMR; BVerfG, Beschluss vom 8.6.2010, 1 BvR 1745/06, juris Rn. 22). In diesen beiden Entscheidungen haben der EGMR und das BVerfG hohe Hürden für die Einschränkbarkeit der Meinungsfreiheit von Abtreibungsgegnern gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Abtreibungsärzten aufgestellt, die in den zugrunde liegenden Fällen nicht erfüllt waren. Die Grundsätze können für das hier inmitten stehende Verhältnis der Meinungsfreiheit zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht der durch die Gehwegberatung angesprochenen Frauen fruchtbar gemacht werden. Der EGMR (a. a. O.. Rn. 52) führt unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ganz allgemein aus, dass selbst Meinungsäußerungen, die beleidigen, schockieren oder verstören, vom Tatbestand nach Art. 10 Abs. 1 EMRK umfasst sind (EGMR a. a. O.., Rn. 52). In der Abtreibungsdiskussion sehen der EGMR und das BVerfG eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse (EGMR a. a. O.., Rn. 53, 64; BVerfG a. a. O.. Rn. 22), so dass Meinungsbeiträge in dieser Debatte nur ganz ausnahmsweise unterbunden werden dürfen. Setzt man diese Wertungen des EGMR zu Art. 10 EMRK, denen auch Bedeutung für die parallel anzustellende Wertebetrachtung nach Art. 5 GG zukommt, in Beziehung zu dem dargestellten Modell der sensiblen Gehsteigberatung, wird deutlich, dass dieses Modell eindeutig unter den Schutzbereich von Art. 5 GG und Art. 10 EMRK fällt.
c. Das Gericht hat erwogen, ob die streitgegenständliche Verfügung von einer anderen Rechtsgrundlage als dem in der Bescheidsbegründung genannten Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 118 Abs. 1 OWiG getragen werden könnte.
Das setzt zunächst voraus, dass im gerichtlichen Verfahren dem Bescheid eine solche andere Rechtsgrundlage überhaupt unterlegt werden dürfte. Gegenstand eines Anfechtungsprozesses ist ein Bescheid, der aus der Regelung in seinem Tenor und den wesentlichen Erwägungen für diese Regelung in den Bescheidsgründen besteht. Ein „Austausch der Rechtsgrundlage“ eines angefochtenen Bescheids, zumal wenn es um Ermessenserwägungen geht, kann deshalb nicht beliebig vonstattengehen (zum Problem des Austausches der Rechtsgrundlage von Verwaltungsakten siehe etwa BVerwG, Urteil vom 31.3.2010, Az. 8 C 12.09, NVwZ-RR 2010, 636).
Die Frage kann jedoch dahinstehen. Denn eine andere Rechtsgrundlage, nach der selbst das dargestellte sensible Beratungsmodell untersagt werden könnte, ist nicht ersichtlich.
Die sicherheitsrechtliche Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ist nicht einschlägig, da sie nur Eingriffe zugunsten der in der Vorschrift enumerativ und abschließend aufgeführten Rechtsgüter erlaubt, nämlich zugunsten von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder Sachwerten, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint (siehe zu dieser Rechtsgüterbeschränkung Gallwas/Lindner/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2015, Rn. 322 ff.). Schutzgut der Generalklausel ist nicht die gesamte öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere nicht das hier einschlägige allgemeine Persönlichkeitsrecht der von der Gehsteigberatung betroffenen Frau. Damit unterscheidet sich die bayerische Rechtslage vom Sicherheitsrecht in anderen Ländern, die umfassendere Generalklauseln kennen, z. B. in Baden-Württemberg (siehe § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BaWü i. V. m. § 3 PolG BaWü, wo die gesamte öffentliche Sicherheit und Ordnung geschützt wird). Im Übrigen müssen auch bei Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gegenläufige Wertvorstellungen des Grundgesetzes und Grundrechte des Klägers Berücksichtigung finden. Bei dem dargestellten sensiblen Beratungsmodell wäre das Ergebnis der Abwägung kein anderes als bei der Rechtsgrundlage nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 118 Abs. 1 OWiG.
Ebenfalls keine Handhabe bietet das Straßenrecht über das Verbot unerlaubter Sondernutzung (siehe etwa Art. 18a des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes). Bei der Gehsteigberatung handelt es sich nicht um eine Sondernutzung des Straßenraums, sondern um erlaubnisfreien Gemeingebrauch, der – wie oben unter Doppelbuchstabe aa ausgeführt – eine kommunikative Komponente besitzt (zutreffend VGH Mannheim, Urteil vom 11.10.2012, Az. 1 S 36/12, juris Rn. 42; Wiebe ZfL 2013, 49, 50). Die Gehsteigberatung ist weiterhin keine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts (so zutreffend VGH Mannheim a. a. O.., Wiebe a. a. O..). Nach Art. 2 Abs. 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) ist eine Versammlung eine Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Darum geht es bei der Gehsteigberatung nicht. Schon die verschiedenen Rollen von stillem Beter und Berater schließen die Gemeinschaftlichkeit einer Erörterung oder Kundgabe aus. Außerdem ist die Gehsteigberatung auf eine solche Erörterung oder Kundgabe nicht gerichtet, sondern auf die Rettung von ungeborenem Leben in der konkreten Situation vor Ort. Die Versammlung wäre im Übrigen nicht öffentlich im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayVersG, da die Teilnahme auf einen individuell feststehenden Personenkreis beschränkt ist, nämlich auf die vom Verein für die jeweiligen Einsatzzeiten genau bestimmten Beter und Berater. Eine versammlungsrechtliche Eingriffsermächtigung (siehe Art. 15 BayVersG) scheidet also aus. Im Übrigen bestimmen die Vorschriften des Straßen- und Versammlungsrechts keinen absoluten Vorrang der durch diese Vorschriften geschützten Belange, sondern sind offen für den Abgleich mit kollidierenden Wertevorstellungen des Grundgesetzes und den Grundrechten des Klägers; das Ergebnis der Abwägung wäre bei dem dargestellten Beratungsmodell dasselbe wie oben.
d. Ist nach den obigen Ausführungen ein auch das dargestellte sensible Beratungsmodell umfassende Totalverbot jeglicher Gehsteigberatung vor Abtreibungskliniken grundsätzlich rechtlich nicht darstellbar, so sind doch besondere Umstände denkbar, die ganz ausnahmsweise als ultima ratio ein generelles Verbot der Gehsteigberatung rechtfertigen können.
Das wäre der Fall, wenn sich das Beratungsmodell in der Praxis als untauglich, weil nicht effektiv umsetzbar, erweisen würde. Für die Annahme einer solchen Situation müssten mehrfache, gravierende und sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Verstöße des Klägers gegen das Modell und die Rechte der Frau vorliegen, die den Schluss auf einen systematischen Missbrauch des Modells zulassen. Die Verstöße müssten von der Behörde weiter hinreichend belastbar vorgetragen und im Bestreitensfall voll bewiesen werden; die Behörde trägt die Beweislast. Weiter wäre erforderlich, dass die Behörde auf der Rechtsdurchsetzungsebene, also insbesondere mit den Mitteln des Verwaltungszwangs oder der Ahndung nach dem Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht oder durch eigene Kontrollen vor Ort oder durch Formen des kooperativen Handelns, alle zumutbaren Maßnahmen zur Herstellung geordneter Verhältnisse ausgeschöpft hat und keine Besserung der Situation zu erwarten ist. Es muss quasi ein sicherheitsrechtlicher Notstand herrschen. In einer derartigen extremen Lage stößt das Konzept integrativer Bewältigung von Konfliktlagen an seine Grenze und erfordert eine alternative Entscheidung dahingehend, ob die Situation zulasten der Frau hingenommen werden soll oder nicht. Die Entscheidung kann rechtmäßig zugunsten eines Totalverbots getroffen werden, weil eine Beratung, die in der dargestellten qualifizierten Weise gegen das Beratungsmodell verstößt, nicht hinnehmbar wäre.
Vom Vorliegen eines derartigen sicherheitsrechtlichen Notstands durfte die Beklagte bei der Beratungstätigkeit des Klägers nicht ausgehen:
aa. Die Beklagte blieb es schuldig, auch nur einen einzigen Verstoß des Klägers oder seines Rechtsvorgängers gegen das sensible Beratungsmodell vom 15.3.2012 konkret und belastbar vorzutragen:
– So wird dem Kläger ein Vorfall vom 3.6.2015 auf dem Gehsteig vor der Abtreibungspraxis zur Last gelegt, bei dem der Vorsitzende des Klägers und ein weiterer Berater, Herr P., verwickelt gewesen sein sollen. Nach den Ausführungen der Beklagten sei die Polizei gerufen und „einschlägiges Informationsmaterial“ festgestellt worden. Nach dem Polizeibericht vom …6.2015 (siehe Bl. 207 der Gerichtsakte) bietet sich indes folgendes Bild. Danach musste die vom Mitteiler, Herrn W., gerufene Polizei eben diese Person auffordern, sein Verhalten gegenüber den Beratern zu beenden. Auch der Praxisinhaber kam zu den Polizisten hinzu. Die beiden Berater wurden von den Polizisten näher befragt. Das Polizeiprotokoll schließt mit den Worten: „Vor Ort wurde keine Straftat festgestellt“. Weiter hält das Protokoll fest, dass zwei Broschüren, nämlich der blaue und rosa Flyer (Anm. des Gerichts: zulässige Informationsmittel im Sinne des Beratungsmodells, s.o.), kopiert und dem Bericht beigelegt wurden. Aus diesem Vorgang vom 3.6.2015 kann dem Kläger offensichtlich kein Vorwurf gemacht werden.
– Weiter wird dem Kläger ein Vorfall vom 1.6.2015 zur Last gelegt. An diesem Tag habe der Vorsitzende des Klägers ein afrikanisches Ehepaar unangemessen bedrängt. Nach Aussage des Inhabers der Abtreibungsklinik habe die Frau die Klinik in aufgelöstem Zustand erreicht und sei „weder ansprech- noch behandelbar“ gewesen. Demgegenüber führt der Vorsitzende des Klägers in einer eidesstattlichen Erklärung (Bl. 200 der Gerichtsakte) aus, dass er das Ehepaar freundlich angesprochen und mit ihm etwa zwanzig Minuten gesprochen habe, bevor das Ehepaar in die Klinik gegangen sei. Er habe zuvor das Ehepaar eingeladen, zu einem vertiefteren Gespräch in das benachbarte … zu kommen. Dies sei nach einer halben Stunde auch geschehen. Die Frau habe sich für das Kind entschieden. Er habe dem Ehepaar sofortige Hilfen vermitteln können. Das Ehepaar habe ihn später am 9.7.2015 sogar in seinem privaten Zuhause besucht. Angesprochen auf die Vorwürfe der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 3.7.2015 habe das Ehepaar klar bekundet, dass die Darstellung der Beklagten völlig unzutreffend sei. Die Darstellung der Beklagten fußt ganz wesentlich auf der informellen Aussage des Inhabers der Praxis, bei dem ein gewisses Eigeninteresse naturgemäß nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Demgegenüber ist die Erklärung des Vorsitzenden des Klägers an Eides Statt versichert und enthält eine Reihe von verifizierbaren Elementen, die einem Beweis zugänglich sind, z. B. durch Vernehmung des afrikanischen Ehepaars, das namentlich bekannt ist (siehe Bl. 36 Buchstabe e der Gerichtsakte). Bei dieser Sachlage kann der Vorwurf der Beklagten nicht als hinreichend abgesichert und belastbar qualifiziert werden.
– Weiter wird dem Kläger vorgeworfen, dass am 23.6.2015 eine „offensichtlich im Eingangsbereich des Grundstücks … vergessene Tasche, die ihrem Inhalt nach (Plastik-Embryonen sowie einschlägiges Informationsmaterial) mutmaßlich den Beauftragten des Vereins zugeordnet werden kann“, vom Inhaber der Praxis gefunden worden sei. Damit ist kein Verstoß gegen das Beratungsmodell behauptet. Denn nach diesem Modell ist es erlaubt, nach der Erstansprache mit Zustimmung der Frau in einem Zweitgespräch weitergehendes Informationsmaterial als bei der Erstansprache erlaubt anzubieten. Der Vorsitzende des Klägers erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass der Inhalt der Tasche nicht zur Verwendung für die Erstansprache bestimmt gewesen sei.
– Dem Kläger wird weiter vorgeworfen, dass sich nach Mitteilung einer – nicht näher benannten – Anwohnerin „Mitglieder eines christlichen Vereins während der Woche den ganzen Tag auf dem Gehweg aufhalten und Passanten ansprechen“ sollen. Die Anwohnerin selbst habe klar gestellt, nicht angesprochen werden zu wollen. Damit ist ein Verstoß gegen das Beratungsmodell nicht dargetan. Es kommt nämlich darauf an, in welcher Weise das Ansprechen erfolgt. Geschah das Ansprechen in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Modells, gibt es insoweit nichts zu erinnern.
– Auch die weiteren Vorwürfe im Bescheid sind nicht belastbar vorgetragen. Sie beruhen zum größten Teil auf Mitteilungen von Mitarbeiterinnen des …, der im direkt am Gehweg liegenden Vordergebäude zur Abtreibungsklinik untergebracht ist. Die Mitarbeiterinnen beschweren sich darüber, dass sie oder Besucherinnen unangemessen angesprochen worden seien. Hier fehlt es an einer näheren Substantiierung und die Benennung klarer Fakten sowie an formellen Beweisangeboten; es sei auf die detaillierten Gegendarstellungen des Klägers, auch zur angeblichen Versperrung des Zugangs zur Klinik durch den Berater Herrn P. am 23.6.2015 zwischen 13 und 14 Uhr, verwiesen (Bl. 29 – 46; Vorfall mit Herrn P. auf Bl. 45, 46).
– Schließlich trägt auch der Vorwurf im Bescheid, die stillen Beterinnen oder Beter würden Bilder eines Embryos oder eines Babys zeigen, nicht. Allerdings hat das Verwaltungsgericht früher darin einen Verstoß gegen das Beratungsmodell vom 15.3.2012 gesehen (VG München, Urteil vom 19.9.2013, Az. M 22 K 12.6098 und M 22 K 12.6099). Gegen das genannte Urteil hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung „wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils“ zugelassen (BayVGH, B. v. 19.9.2013, Az. 10 ZB 13.2334). Nach nochmaliger Überprüfung gibt das Gericht seine frühere Ansicht nunmehr ausdrücklich auf. Das Gericht hatte die seit jeher bestehende Sonderrolle des stillen Beters gegenüber der Beratungstätigkeit der Berater übersehen. Im inzwischen bestandskräftigen Bescheid vom 13.5.2011, zu dem der Kompromiss vom 15.3.2012 gefunden wurde, wird in Nr. 2.5 Absatz 4 festgehalten: „…ebenso wenig wird das stille Beten in irgendeiner Form eingeschränkt“ sowie weiter in Nr. 2.5 Abs. 7 geregelt: „Das stille Beten unmittelbar vor der Klinik ist weiterhin möglich“. Zu dem danach zulässigen stillen Beten gehörte aber seit jeher das stille Zeigen von Embryo- oder Babybildern durch den stillen Beter. Dieser traditionelle Zuschnitt des stillen Betens war allen Beteiligten bekannt und wurde zu keinem Zeitpunkt problematisiert. Gegenstand des Kompromisses vom 15.3.2012 war lediglich die Tätigkeit der Beraterinnen und Berater.
Das Verhalten des Vorgängervereins des Klägers ist diesem nicht zuzurechnen, da es sich um zwei getrennte Rechtssubjekte handelt. Es sei aber an dieser Stelle festgehalten, dass auch gegen den Vorgängerverein kein einziger Vorwurf konkret und belastbar vorgetragen worden ist (zu den Vorwürfen siehe den Untersagungsbescheid vom 10.2.2015 und das inzwischen eingestellte Verwaltungsstreitverfahren Az. M 22 K 15.967).
Der Kläger braucht sich demnach bei der Gehsteigberatung bislang keine Vorwürfe gefallen zu lassen. Der Kläger hat sogar auf freiwilliger Basis einen speziellen Verhaltenscodex entwickelt, den alle stillen Beter und Berater schriftlich anerkennen müssen und der die strikte Einhaltung der Regelungen vom 15.3.2012 gewährleisten soll. Selbstverständlich ist damit ein Fehlverhalten Einzelner nicht auszuschließen. Es zeigt aber das Bemühen des Klägers um strikte Beachtung der getroffenen und seinem Selbstverständnis entsprechenden Vereinbarungen vom 15.3.2012.
bb. Selbst wenn – wie nicht – nicht hinnehmbare Zustände bei der Gehsteigberatung vorgelegen hätten, hätte es an den oben aufgezeigten vorrangigen Maßnahmen der Beklagten zur Behebung der angeblichen Missstände gefehlt. Es ist nicht recht nachvollziehbar, warum die Beklagte über Jahre hinweg gegenüber dem Kläger bzw. seinem Vorgängerverein den Vorwurf erhebt, deren Verhalten erfülle den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 118 Abs. 1 OWiG (Belästigung der Allgemeinheit), und auf diese Annahme die sicherheitsrechtlichen Verbotsbescheide stützt, es aber vorher unterlässt, die behaupteten Ordnungswidrigkeiten entsprechend § 118 Abs. 2 OWiG mit Geldbußen zu ahnden, obwohl sie nach § 36 Abs. 1 Nr. 2a OWiG i. V. m. §§ 1, 3 Abs. 3 der Bayerischen ZuVOWiG zuständige Verfolgungsbehörde für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 118 Abs. 1 OWiG ist.
4. Nach alledem war der Klage stattzugeben. Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.