Aktenzeichen Au 3 K 17.1270
SchBefV § 1, § 2
BayEUG Art. 9
Leitsatz
1. Die nächstgelegene Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 SchBefV kann auch eine Schule außerhalb des Wohnort-Bundeslandes sein. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die normativen Vorgaben zur Erstattung von Schulwegkosten stehen mit höherrangigem Recht in Einklang. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Erstattung von Schulwegkosten handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Staates; ein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf kostenfreien Transport zur Schule besteht hingegen nicht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierauf übereinstimmend verzichtet haben (§ 102 Abs. 2 VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Übernahme der Schülerbeförderungskosten durch den Beklagten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Aus den einfachrechtlichen Regelungen des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (SchKfrG) i.V.m. der Verordnung über die Schülerbeförderung (SchBefV) ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht.
a) Nach Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (SchKfrG) i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die Schülerbeförderung (SchBefV) ist die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Realschulen, Gymnasien, Berufsfachschulen (ohne Berufsfachschulen in Teilzeitform), zweistufigen Wirtschaftsschulen und dreibzw. vierstufigen Wirtschaftsschulen bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 und bei Vollzeitunterricht an Berufsschulen sowie – wenn die Beförderungskosten die Familienbelastungsgrenze übersteigen – bei öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Gymnasien, Berufsfachschulen (ohne Berufsfachschulen in Teilzeitform) und Wirtschaftsschulen ab Jahrgangsstufe 11, für Schülerinnen und Schüler an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Fachoberschulen und Berufsoberschulen sowie für Schülerinnen und Schüler im Teilzeitunterricht an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Berufsschulen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 SchKfrG) Aufgabe der kreisfreien Gemeinde oder des Landkreises des gewöhnlichen Aufenthalts der Schülerin oder des Schülers (Aufgabenträger).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlunterricht der nächstgelegenen Schule. Dies kann auch eine außerbayerische Schule sein. Ein Anspruch auf die Erstattung der Beförderungskosten zu einer außerbayerischen Schule setzt allerdings voraus, dass die außerbayerische Schule mit einer bayerischen Schule vergleichbar ist. Entscheidend für die Beurteilung, ob zwei infrage stehende Schulen hinsichtlich Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung vergleichbar sind, ist, wenn eine der Schulen im Bundesgebiet außerhalb von Bayern liegt, ob sich die Schulen ohne Rücksicht auf alle Einzelheiten in den wesentlichen, für die Einbeziehung der Beförderungspflicht tragenden Eigenschaften entsprechen, insbesondere, ob zu einer gleichartigen Schule innerhalb Bayerns eine Beförderungspflicht bestünde. Dies bedeutet, dass ein Kostenerstattungsanspruch bei Besuch einer außerhalb Bayerns gelegenen Schule grundsätzlich nur dann in Frage kommt, wenn der Besuch der Schule auch in Bayern gefördert werden könnte (BayVGH, U.v. 17.6.2005 – 7 B 04.1558 – juris Rn. 13). Ergibt sich aus dem Vergleich, dass außerhalb Bayerns ein neuer Schultyp bzw. eine neue Schulart oder eine neue Ausbildungsrichtung besucht wird, den oder die es in Bayern nicht gibt, besteht keine Pflicht der öffentlichen Hand, die Schülerbeförderungskosten zu der jeweils gewünschten Schule in einem anderen Bundesland zu übernehmen (BayVGH, a.a.O. Rn. 14).
b) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs handelt es sich bei dem …-Gymnasium in … im von der Tochter der Kläger besuchten Profil „Bildende Kunst“ und …-Gymnasium im sprachlichen Zweig in … um Schulen derselben Schulart und Ausbildungsrichtung.
Der Begriff der Ausbildungsausrichtung an Gymnasien ist in Art. 9 Abs. 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen in der Fassung vom 22. Juli 2014 (BayEUG) definiert. Danach können die vier in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BayEUG genannten Ausbildungsrichtungen eingerichtet werden, u.a. das sprachliche Gymnasium (Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayEUG), das naturwissenschaftlich-technologische Gymnasium (Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayEUG) sowie das musische Gymnasium (Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BayEUG). In Baden-Württemberg untergliedert sich das Gymnasium im Wesentlichen in zwei Schultypen, nämlich den naturwissenschaftlichen und den sprachlich-musischen Schultyp (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung des Kultusministeriums über die Schultypen des Gymnasiums in der Fassung vom 12. März 2014). Nach § 1 Abs. 3 dieser Verordnung kann im sprachlich-musischen Schultyp ein verstärkter Unterricht z.B. im Fach Bildende Kunst erteilt werden. Am …-Gymnasium wurde hiervon ausweislich der Stundentage der Schule für den „Kunstzug“ Gebrauch gemacht. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das …-Gymnasium im gewählten Profil dem sprachlich-musischen Schultyp zuzuordnen ist und keine eigenständige Ausbildungsrichtung darstellt (VG Augsburg, U.v. 28.6.2001 – Au 9 K 00.991 – juris). Damit handelt es sich beim …-Gymnasium in … und beim …-Gymnasium in … um Schulen der gleichen Schulart und Ausbildungsrichtung.
Die Beförderungspflicht besteht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV zur nächstgelegenen Schule. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SchBefV ist die nächstgelegene Schule diejenige der gleichen Schulart und Ausbildungsrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Dies ist vorliegend jedoch das …-Gymnasium, da der Beförderungsaufwand hierfür nur 31,50 EUR im Gegensatz zu 43,20 EUR für den Weg zum …-Gymnasium beträgt.
c) Nichts anderes würde sich auch ergeben, wenn man davon ausginge, dass das Profil „Bildende Kunst“ nicht der Ausbildungsrichtung des sprachlichen Gymnasiums im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayEUG entspricht, weil dessen Stundentafel in den Jahrgangsstufen 8 bis 10 jeweils vier Wochenstunden für eine dritte Fremdsprache vorsieht, während im Profil „Bildende Kunst“ keine dritte Fremdsprache vorgesehen ist und stattdessen in den Jahrgangsstufen 5 und 8 bis 10 vier Wochenstunden bzw. in den Jahrgangsstufen 6 und 7 drei Wochenstunden Bildende Kunst unterrichtet werden. Stellte man nämlich in dieser Weise auf eine vergleichende Betrachtung der Stundentafeln ab, ergibt sich, dass in keiner der Ausbildungsrichtungen gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 1 eine entsprechende Zahl von Stunden an Bildender Kunst vorgesehen ist. Dies gilt insbesondere auch für das musische Gymnasium, vgl. die Anlage zu § 15 Abs. 1 BayEUG, an dem nicht in vergleichbarer Intensität Kunstunterrichtet erteilt wird, sondern durch verstärkten Unterricht im musikalischen Bereich geprägt wird.
Vielmehr wäre dann davon auszugehen, dass in Bayern eine dem Profil „Bildende Kunst“ an sprachlich-musischen Gymnasien in Baden-Württemberg entsprechende Ausbildungsrichtung nicht besteht und in Folge dessen eine Pflicht der öffentlichen Hand, die Schülerbeförderungskosten zu der gewünschten Schule in einem anderen Bundesland zu übernehmen, nicht besteht (BayVGH, U.v. 17.6.2005 – 7 B 04.1558 – juris Rn. 13 f.).
2. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 4 SchBefV. Im Hinblick auf § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV ergibt sich dies schon daraus, dass der Beförderungsaufwand von 43,20 € die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule (31,50 €) um mehr als 20 von Hundert übersteigt. Auch im Übrigen sind Anhaltspunkte dafür, dass die vom Beklagten getroffene Entscheidung, die Erstattung der Beförderungskosten abzulehnen ermessensfehlerhaft wäre, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3. Diese Ergebnis steht auch mit höherrangigem Recht in Einklang. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVerfGH, E.v. vom 7.7.2009 – Vf. 15-VII/08 – juris Rn. 41; E.v. 28.10.2004 – Vf. 8-VII-03 – juris Rn. 25) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, B.v. vom 24.2.2017 – 7 ZB 16.1642 – juris Rn. 10), dass die normativen Vorgaben zur Erstattung von Schulwegkosten mit höherrangigem Recht in Einklang stehen. Dem schließt sich das Gericht auch im vorliegenden Verfahren an.
Grundsätzlich handelt es sich bei der Erstattung von Schulwegkosten um eine freiwillige Leistung des Staates. Ein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf kostenfreien Transport zur Schule besteht hingegen nicht (vgl. BayVerfGH, E.v. vom 7.7.2009 – Vf. 15-VII/08 – juris Rn. 41; E.v. 28.10.2004 – Vf. 8-VII-03 – juris Rn. 25). Weder aus der Bayerischen Verfassung noch aus dem Grundgesetz ergibt sich ein allgemeiner Anspruch auf Subventionierung von Ausbildungskosten (BayVerfGH, E.v. 20.4.1990 – Bv. 28-VI-89 – BayVBl 1991, S. 17 m.w.N).
II.
Der Ausspruch über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.