Aktenzeichen W 3 E 19.1570
ZPO § 182 Abs. 1 S. 2
SGB VIII § 35a, § 41
SGB IX § 90, § 112 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine Fernschule im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige.
Die am … … 2001 geborene Antragstellerin leidet nach den vorgelegten fachärztlichen Gutachten an einer chronischen Depression (ICD 10 F33.1) bei Zustand nach schwerer depressiver Episode mit psychotischen Symptomen (ICD 10 F32.3). Es besteht eine chronische allgemein herabgesetzte alltägliche Belastungsfähigkeit mit rascher Erschöpfung, erhöhtem Schlafbedarf und verminderter Konzentrationsfähigkeit.
Der Antragstellerin wurde mit Bescheid des Versorgungsamts Würzburg vom 16. Oktober 2019 ein Grad der Behinderung von 50, zunächst befristet bis Oktober 2024, zuerkannt.
Die Antragstellerin besuchte zunächst die Grundschule und anschließend das Gymnasium.
Die 7. Klasse musste die Antragstellerin wiederholen; im Schuljahr 2016/2017 erreichte sie in der 8. Jahrgangsstufe das Klassenziel nicht. Sie wechselte in die 8. Klasse Realschule und erhielt zum Ende des Schuljahrs 2017/2018 – aufgrund von häufigen Fehltagen wegen Krankheit hatten nicht in allen Fächern Noten gebildet werden können – die vorläufige Erlaubnis zum Besuch der Jahrgangsstufe 9 der Realschule. Das Halbjahreszeugnis für das Schuljahr 2018/2019 weist nicht in allen Fächern Noten aus, das Jahreszeugnis weist keine Noten aus, dies aufgrund einer längerfristigen Erkrankung. Die Erlaubnis zum Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe erhielt die Antragstellerin nicht. Mit Schreiben vom 8. Juli 2019 bestätigte die S.-Realschule, dass sich die Antragstellerin im 12. Schulbesuchsjahr befinde und sie damit ihre Schulpflicht erfüllt habe.
Am 1. Juli 2019 wandte sich die Mutter der Antragstellerin telefonisch an den Antragsgegner mit der Bitte um Übernahme der Kosten für eine Online-Beschulung ihrer Tochter. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass die volljährige Tochter selbst einen solchen Antrag stellen müsse.
Mit Formblatt des Antragsgegners vom 16. Juli 2019 beantragte die Antragstellerin bei der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Sch. (im Folgenden: Arbeitsagentur) die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Online-Beschulung bei der Web-Individualschule … Mit Schreiben vom 25. Juli 2019 leitete die Arbeitsagentur diesen Antrag an den Antragsgegner weiter mit der Begründung, bei der beantragten Leistung handle es sich nicht um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern um Eingliederungshilfe, für welche der Antragsgegner zuständig sei. Deshalb werde im Rahmen des § 14 Abs. 1 SGB IX der Antrag weitergeleitet.
Der Versuch des Antragsgegners, auf der Grundlage von § 14 Abs. 3 SGB IX den Antrag an den Bezirk Unterfranken weiterzuleiten, dies mit der Begründung, aufgrund der Schwerhörigkeit der Antragstellerin liege eine Mehrfachbehinderung vor, schlug wegen fehlenden Einvernehmens des Bezirks Unterfranken fehl.
Die Antragstellerin legte dem Antragsgegner ein Konzept der Web-Individualschule vor und begründete ihren Antrag damit, es sei ihr Wunsch, die Mittlere Reife zu erwerben. Infolge der begrenzten psychischen Belastungsfähigkeit sei es ihr jedoch nicht möglich, eine reguläre Schule zu besuchen. Demgegenüber entspreche der von der Web-Individualschule angebotene individuell angepasste Aufbau des Unterrichts und der Anforderungen dem Bedarf und den Möglichkeiten der Antragstellerin.
Die Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. R. rechnete in einem kinder- und jugendpsychiatrischen Gutachten vom 18. September 2019 die Antragstellerin dem Personenkreis gemäß § 35a SGB VIII zu, da sie seit vielen Jahren an einer chronischen seelischen Behinderung leide. Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sei seit vielen Jahren deutlich beeinträchtigt.
Eine sozialpädagogische Stellungnahme des Amtes für Jugend und Familie des Antragsgegners vom 17. Oktober 2019 kam zu dem Ergebnis, dass aus sozialpädagogischer Sicht eine Teilhabebeeinträchtigung nach § 35a SGB VIII im Sinne der Jugendhilfe nicht vorliege.
Auf der Grundlage einer Fallteambesprechung lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin auf Kostenübernahme einer Online-Beschulung an der W. I. GmbH mit Bescheid vom 25. Oktober 2019 ab. Die Antragstellerin sei zwar dem Personenkreis des § 41 i.V.m. § 35a SGB VIII zuzuordnen, allerdings sei eine Teilhabebeeinträchtigung im Sinne des § 35a Abs. 1 SGB VIII nicht erkennbar. Die Antragstellerin sei kommunikativ, aktiv und in verantwortungsvoller und leitender Position als Trainerin bei der Stadtgarde tätig. Sie könne sich selbst versorgen und ihr stünden aus ihrem familiären Umfeld sowie aus ihrem Freundeskreis umfangreiche Ressourcen zur Verfügung. Sie habe mit zwölf Schulbesuchsjahren die Schulpflicht erfüllt; der Erwerb eines mittleren Schulabschlusses sei nicht unabdingbar, um am beruflichen Leben teilzuhaben. Berufspraktische Erprobungen als Hinführung zu einer überbetrieblichen Ausbildung böten ebenso eine geeignete Möglichkeit für die berufliche Integration. Ein mittlerer Schulabschluss könne somit auch im Rahmen eines Ausbildungsabschlusses erlangt werden.
Die Antragstellerin ließ im Verfahren W 3 K 19.1569 am 29. November 2019 Verpflichtungsklage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, die Kosten für die Beschulung durch die Web-Individualschule ab Antragstellung für das Schuljahr 2019/2020 zu bewilligen. Gleichzeitig ließ sie im vorliegenden Verfahren beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die für die Antragstellerin anfallenden Beschulungskosten durch Besuch der Web-Individualschule … bis zum rechtskräftigen Abschluss in der Hauptsache zu übernehmen.
Der Antrag wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Antragstellerin sei seit März 2019 nicht mehr in der Lage gewesen, eine Präsenzschule zu besuchen. Bereits im Schuljahr 2013/2014 sei es zu längeren krankheitsbedingten Ausfällen gekommen. Aufgrund der Erfüllung der Schulpflicht bestehe gegenüber dem Staatlichen Schulamt kein Anspruch auf Bildung mehr. Der angestrebte Realschulabschluss durch Besuch der Fernschule sei als angemessene Schulbildung zu sehen und ermögliche eine anschließende Berufsausbildung zur Tierpflegerin und damit eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Der Erwerb eines mittleren Schulabschlusses sei unabdingbar, um am beruflichen Leben teilzuhaben. Die Antragstellerin sei nicht dazu in der Lage, eine überbetriebliche Ausbildung in Form eines Präsenzunterrichts zu absolvieren. Eine Nachholung des versäumten Unterrichts sei im schulischen Bereich nicht möglich. Bei der Web-Individualschule handle es sich um eine besondere Form der Beschulung, die mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln eine Beschulung für Schüler anbiete, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht an einer Regelschule unterrichtet werden könnten. Die Schule sei bestens geeignet, Schüler mit psychischen Problemen zu behandeln, vorhandene Wissenslücken aufzuarbeiten, mit der Stammschule abgestimmte Lerninhalte zu vermitteln und auf einen Schulabschluss vorzubereiten sowie eine soziale Reintegration zu ermöglichen. Eine Alternative zur der Web-Individualschule sei vorliegend nicht mehr gegeben.
Zwar sei die Antragstellerin sozial gut eingebunden, die Beeinträchtigung im Bereich Schule und Ausbildung sei hiervon auszunehmen. Deshalb empfinde es die Antragstellerin als emotional belastend, dass sie die allgemeinbildende Schule ohne Schulabschluss habe verlassen müssen und sie befürchte, dass ihr der Zugang zu einer geeigneten Berufsausbildung verwehrt werde. Selbst für vermeintlich einfache Ausbildungen werde arbeitgeberseitig ein bestmöglicher Abschluss erwartet. Die von der Antragstellerin angestrebte Ausbildung zur Tierpflegerin bedürfe deshalb zwingend eines Realschulabschlusses. Zu einer überbetrieblichen Ausbildung mit berufspraktischer Erprobung sei die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage. Sie könne keine Präsenzschule und damit auch keine Berufsschule besuchen. Der Antragsgegner setze sich zudem nicht mit den Empfehlungen der Fachärztin auseinander.
Die Antragstellerin und deren Eltern seien wirtschaftlich nicht in der Lage, die Maßnahme vorzufinanzieren. Auf eine diesbezügliche eidesstattliche Versicherung werde Bezug genommen. Wegen Zeitablaufs sei eine Nachholung der versäumten Förderung im schulischen Bereich nicht möglich. Die Voraussetzungen für eine zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache lägen vor.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Der Bescheid vom 25. Oktober 2019 sei am 28. Oktober 2019 zugestellt worden. Die Klage vom 29. November 2019 sei verfristet und der Antrag auf einstweilige Anordnung daher unbegründet. Darüber hinaus bestehe kein Anspruch aus § 41 i.V.m. § 35a SGB VIII. Die Antragstellerin sei zwar dem Personenkreis zugeordnet worden; die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sei allerdings nicht beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung sei nicht zu erwarten. Die Antragstellerin sei sozial bestens integriert. Sie habe das Angebot der beruflichen Neuorientierung und der Verselbständigung im Rahmen einer Erziehungsbeistandschaft gemäß § 41 i.V.m. § 30 SGB VIII abgelehnt. Die Antragstellerin sei volljährig und habe ihre Schulpflicht erfüllt. Der Antragsgegner habe verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, eine Berufsausbildung zu erhalten, die abgelehnt worden seien. Es fehle auch am Anordnungsgrund, da die Web-Individualschule jederzeit gestartet werden könne.
Die Antragstellerin ließ unter Hinweis auf die angemessene Schulbildung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII darauf verweisen, dass sie krankheits- und behinderungsbedingt keine angemessene Ausbildung habe erreichen können. Die angestrebte Maßnahme sei daher ohne Alternative.
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten, auf den Inhalt der Gerichtsakte im Verfahren W 3 K 19.1569 und den der Behördenakten des Antragsgegners, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
II.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Verfahrens nach § 123 VwGO die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Online Schule durch den Antragsgegner im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache.
Der auf eine Regelungsanordnung gerichtete Antrag ist zulässig, insbesondere ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag gegeben. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag würde fehlen, wenn die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig wäre (Happ in Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 43). Die Verpflichtungsklage im Verfahren W 3 K 19.1569 ist nach der im Verfahren der einstweiligen Anordnung gebotenen und möglichen Prüfung nicht unzulässig, insbesondere nicht verfristet. Die Klage vom 29. November 2019 wäre verfristet, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrungnicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids erhoben worden wäre. Auf der Postzustellungsurkunde, mit der der Bescheid vom 25. Oktober 2019 der Antragstellerin zugestellt worden ist, ist zwar das Datum 28. Oktober 2019 notiert, so dass hiernach die Klage zu spät eingelegt worden sein könnte. Die Postzustellungsurkunde enthält allerdings keine Unterschrift des Zustellers, sondern im vorgesehenen Feld lediglich einen Strich. Die Urkunde erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 182 Abs. 2 Nr. 8 ZPO, wonach die Zustellungsurkunde Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers enthalten muss. Die Postzustellungsurkunde entfaltet daher nicht die Wirkung einer öffentlichen Urkunde und nicht die Beweiskraft nach § 418 i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO, sondern es ist im Freibeweis festzustellen, wann die Zustellung erfolgt ist (Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 182 Rn. 16; Reichold, ebenda, § 418 Rn. 5; VG Berlin, B.v. 17.9.2019 – VG 35 L 284.19 A – MILo). Auf dem vom Bevollmächtigten der Antragstellerin in Kopie vorgelegten Briefumschlag ist das Datum 29. Oktober 2019 vermerkt. Daneben befindet sich offenbar das Kürzel des Zustellers. Daher kann nicht angenommen werden, dass die Zustellung des Bescheids bereits am 28. Oktober 2019 erfolgt ist und die Klage verfristet wäre.
Der Antrag ist allerdings unbegründet.
Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zu treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, also die Eilbedürftigkeit, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 45 ff.). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 54, 51). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anordnungsanspruchs ist derjenige der Entscheidung des Gerichts (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 46 i.V.m. § 113 Rn. 55).
Es entspricht dem Wesen der einstweiligen Anordnung, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt und der Antragsteller nicht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das erhalten soll, worauf sein Anspruch in einem Hauptsacheverfahren gerichtet ist; das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll also nicht die Hauptsache vorwegnehmen. Das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – BeckRS 2016, 44855 Rn. 4; B.v. 18.2.2013 – 12 CE 12.2104 – juris Rn. 38; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 14; Happ in Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a).
Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können. Es ist nicht erkennbar, dass sie gegen den zuständigen Sozialleistungsträgers einen entsprechenden Anspruch auf Hilfe für junge Volljährige nach § 41 i.V.m. § 35 a Achtes Buch Sozialgesetzbuch i.d.F. vom 11. September 2012 (BGBl I S. 2022), zuletzt geändert durch Art. 36 Gesetz vom 12. Dezember 2019 (BGBl I S. 2652) – SGB VIII – haben könnte. Im vorliegenden Fall ist der Antragsgegner gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016, BGBl I S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 8 Gesetz vom 14. Dezember 2019 (BGBl I S. 2789), – SGB IX – aufgrund der entsprechenden Weiterleitung des Antrags vom 16. Juli 2019 durch die Arbeitsagentur der zuständige Sozialleistungsträger. Dies ergibt sich auch daraus, dass in der telefonischen Anfrage der Mutter der Antragstellerin vom 1. Juli 2018 noch kein konkreter Antrag der jungen Volljährigen selbst zu sehen ist (Joussen in LPK-SGB IX, 4. Aufl. 2019, § 14 Rn. 6). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Antragstellerin für ihren Antrag an die Arbeitsagentur ein Formblatt des Antragsgegners verwendet hat.
Jungen Volljährigen soll nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist.
Dies bedeutet, dass die individuelle Situation des jungen Menschen durch Einschränkungen in der Persönlichkeitsentwicklung und in der Fähigkeit, ein eigenständiges Leben zu führen, gekennzeichnet sein muss. Mangelnde Kompetenzen zur Gestaltung einer eigenverantwortlichen Lebensführung ergeben sich nicht nur aus individuellen Beeinträchtigungen, sondern auch aus sozialen Benachteiligungen. Bezogen auf die Altersgruppe der jungen Menschen liegen solche Benachteiligungen vor, wenn die altersgemäß übliche individuelle Entwicklung oder gesellschaftliche Integration unzureichend bzw. unterdurchschnittlich gelungen ist. Dies kann auch der Fall sein bei fehlenden oder nicht hinreichenden schulischen und beruflichen Ausbildungsgängen oder wenn eine Eingliederung in die Arbeitswelt aufgrund schulischer, beruflicher oder sonstiger Abbrüche bisher nicht erreicht werden konnte oder gefährdet erscheint (Tammen in Münder/Meysen/Trenczek in Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2018, § 41 Rn. 4 bis 6; von Koppenfels-Spies in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 41 SGB VIII (Stand: 25.9.2019), Rn. 11). Die begehrte Hilfe muss nicht nur notwendig, sondern auch geeignet für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung sein (Kunkel/Kepert in LPK-SGB VIII; 7. Aufl. 2018, § 41 Rn. 3).
Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten nach 41 Abs. 2 SGB VIII u. a. § 35a (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche) und § 36 SGB VIII (Aufstellung eines Hilfeplans). Damit wird eine derartige Hilfe nicht (selbständig) als Eingliederungshilfe, sondern als integrierter Bestandteil der Hilfe für junge Volljährige erbracht (BayVGH, B.v 18.11.2019 – 12 C 18.2541 – n.v.). Damit müssen sowohl die Voraussetzungen des § 41 SGB VIII als auch diejenigen des § 35a SGB VIII vorliegen (Kunkel/Kepert, a.a.O., § 41 Rn. 13 und § 35a Abs. 7).
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 41 i.V.m. § 35a SGB Abs. 1 SGB VIII ist damit zusätzlich zu der Notwendigkeit einer Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung, dass die seelische Gesundheit nach einer Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich gemäß § 41 i.V.m. § 35a Abs. 3 SGB VIII u.a. nach § 90 und nach den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch Behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
Die Leistung soll den Leistungsberechtigten nach § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eine individuelle Lebensführung ermöglichen und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördern; nach Satz 2 der Vorschrift soll die Leistung die Leistungsberechtigten befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich vornehmen zu können. Nach § 90 Abs. 4 SGB IX ist es besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (1) Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, wobei die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben, und (2) Hilfen u.a. zur schulischen Ausbildung für einen Beruf. Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen Beruf schließen nach § 112 Abs. 3 SGB IX (1) Hilfen zur Teilnahme am Fernunterricht, (2) Hilfen zur Ableistung eines Praktikums, das für den Schulbesuch oder für die Berufszulassung erforderlich ist, und (3) Hilfen u.a. zur Teilnahme an Maßnahmen zur Vorbereitung auf die schulische Ausbildung für einen Beruf ein.
Auch wenn dem Grunde nach auf der Basis von § 41 SGB VIII auch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe für junge Volljährige in Form der Eingliederungshilfe vorliegen sollten, verpflichtet dies den Träger der Jugendhilfe nicht automatisch zu einer bestimmten Hilfemaßnahme.
Bei der Frage, welche Hilfe im konkreten Fall als geeignet und erforderlich anzusehen ist, besteht vielmehr ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum des Jugendhilfeträgers (BVerwG, U.v. 24.6.1999 – 5 C 24/98 – juris Rn. 39, BVerwGE 109, 155; BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 12 CE 12.2136 – juris Rn. 29). Bei der Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen, von sozialpädagogischer Fachlichkeit geprägten Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des betroffenen Hilfeempfängers und mehrerer Fachkräfte, das nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern nur eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich daher darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet wurden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind. Die Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist damit nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (BVerwG, U.v. 24.6.1999 – 5 C 24/98 – juris Rn. 39, BVerwGE 109, 155; BayVGH, B.v. 28.10.2014 – 12 ZB 13.2025 – juris Rn. 19).
Will ein Betroffener wie die Antragstellerin die Verpflichtung des Trägers der Jugendhilfe zur Durchführung einer bestimmten Hilfemaßnahme im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erwirken, muss er darlegen und glaubhaft machen, dass – jedenfalls derzeit – allein die beanspruchte Hilfemaßnahme zur Deckung des Hilfebedarfs erforderlich und geeignet ist (BayVGH, B.v. 2.8.2011 – 12 CE 11.1180 – juris Rn. 46; B.v. 6.10.2014 – 12 CE 14.1703 n.v.).
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass sie Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung deshalb benötigt, weil sie durch die fehlende schulische Bildung benachteiligt sei, dies aufgrund einer seelischen Behinderung. Glaubhaft für das Gericht und zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Antragstellerin tatsächlich zum Kreis der seelischen behinderten junge Volljährigen gehört. Dies ergibt sich auch aus den entsprechenden fachärztlichen Unterlagen, insbesondere aus derjenigen der Fachärztin Dr. R. vom 18. September 2019. Weiterhin ist für das Gericht glaubhaft, dass diese seelische Behinderung ursächlich dafür ist, dass die Antragstellerin nicht diejenige schulische Bildung erhalten hat, die ihren Fähigkeiten und Leistungen entspricht. Denn sie hat wegen krankheitsbedingter Ausfälle und Einschränkungen nicht denjenigen Unterricht erhalten, den sie ohne die seelische Behinderung hätte erhalten können.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass dieser Sachverhalt sie in der Persönlichkeitsentwicklung und in der Fähigkeit, ein eigenständiges Leben zu führen, einschränkt. Damit behauptet sie der Sache nach, dass ihre individuelle Entwicklung und ihre gesellschaftliche Integration nur unzureichend gelungen sind. Damit sind die personellen Voraussetzungen für § 41 SGB VIII vorhanden, da eine Eingliederung in die Arbeitswelt aufgrund des schulischen Abbruchs bisher nicht erreicht werden konnte (Tammen in Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 8. Aufl. 2018, § 41 Rn. 6).
Nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat die Antragstellerin dagegen, dass die Bewilligung der Kosten für die Beschulung durch die Web-Individualschule im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII notwendig ist und gegenwärtig die allein erforderliche und geeignete Hilfemaßnahme darstellt, um den Hilfebedarf zu decken.
Dies gilt zunächst für den Bereich der beruflichen Bildung. Diesbezüglich ist nicht glaubhaft gemacht worden, dass die begehrte Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und die eigenverantwortliche Lebensführung der Antragstellerin in Form der Übernahme der durch den Besuch der Web-Individualschule anfallenden Schulkosten als Hilfe zur Vorbereitung auf eine berufliche Ausbildung im Sinne des § 41 Abs. 1, 2 i.V.m. mit § 35a Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 112 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 SGB IX notwendig ist.
Die Antragstellerin trägt im Rahmen der Glaubhaftmachung ihre Befürchtung vor, ohne einen Schulabschluss – sie nennt in diesem Zusammenhang den Realschulabschluss – keine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Berufsausbildung absolvieren zu können. Sie hebt dabei konkret auf den Beruf der Tierpflegerin ab. Diesbezüglich ist es für das Gericht jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass hierfür die Übernahme der Kosten für die Web-Individualschule als Hilfe zur Teilnahme am Fernunterricht gemäß § 112 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX zur Erlangung eines Schulabschlusses erforderlich ist, dies unabhängig von der Frage, ob diese Vorschrift tatsächlich regelmäßig einen Anspruch auf die Übernahme der finanziellen Kosten für die Fernschule im Auge hat oder lediglich Leistungen gewährt, die die Teilnahme an einer Fernschule unterstützen (Zinsmeister in Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, Kommentar, 5. Aufl. 2019, § 112 Rn. 4)
Rechtlich ist für die Ausbildung zur Tierpflegerin keine bestimmte Schulbildung, insbesondere kein mittlerer Bildungsabschluss, vorgeschrieben (vgl. Verordnung über die Berufsausbildung zum Tierpfleger/ zur Tierpflegerin vom 3. Juli 2003 (BGBl I S. 1093); Bundesagentur für Arbeit, BERUFENET, Steckbrief Tierpfleger/in der Fachrichtung Tierheim und Tierpension, Steckbrief Tierpfleger/in der Fachrichtung Zoo, Steckbrief Tierpfleger/in der Fachrichtung Forschung und Klinik – https://berufenet.arbeitsagentur.de -). Die Ausbildung zur Tierpflegerin setzt insofern keinen Schulabschluss voraus. Dass in Betracht kommende Ausbildungsbetriebe ausnahmslos einen entsprechenden Abschluss verlangen, ist nicht glaubhaft gemacht.
Aber auch unabhängig von diesem konkreten Berufswunsch ist es für das Gericht nicht glaubhaft gemacht worden, dass derzeit die Erlangung eines Schulabschlusses erforderlich ist, um im Rahmen eines Berufes entsprechend den Fähigkeiten und Leistungen am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Zwar hat die Antragstellerin mittels entsprechender ärztlicher Gutachten glaubhaft gemacht, dass sie gut bis überdurchschnittlich intelligent ist (vgl. Gutachten Dr. R. vom 18.9.2019); allerdings ist es für das Gericht nicht erkennbar, dass sie diese Intelligenz trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen dazu befähigt, nach Erreichen eines schulischen Abschlusses eine entsprechende Berufsausbildung zu absolvieren. Hier ist insbesondere der Vortrag der Antragstellerin zu berücksichtigten, dass bei ihr aufgrund ihrer seelischen Erkrankung eine chronische allgemein herabgesetzte alltägliche Belastungsfähigkeit mit rascher Erschöpfung, erhöhtem Schlafbedarf und verminderter Konzentrationsfähigkeit besteht. Deshalb ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erkennbar, dass ein Schulabschluss für die Antragstellerin im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in beruflicher Hinsicht notwendig und geeignet ist. Vielmehr steht konkret zu befürchten, dass die Antragstellerin im Rahmen einer ihrer Intelligenz entsprechenden Berufsausbildung – ebenso wie zuvor im Bereich des Schulbesuchs – wiederum die Anforderungen an einen von außen vorgegebenen Lernrhythmus und an ein vom Arbeitgeber vorgegebenes Arbeitsleben nicht bewältigen könnte. Dass insbesondere für die Bewältigung eines geregelten Arbeitslebens angemessene Möglichkeiten für die Antragstellerin mit ihren seelischen Einschränkungen bestehen könnten, hat ihr Bevollmächtigter nicht glaubhaft gemacht.
Auch der Gedanke, dass die begehrte Hilfe eine Teilhabebeeinträchtigung deshalb beheben könnte, weil sie zu einer seelischen Gesundung der Antragstellerin führen könnte mit der Folge, dass sie künftig entsprechend ihren Fähigkeiten an jeglicher beruflichen Bildung ohne oder zumindest mit weniger Einschränkungen als bisher teilhaben könnte, führt nicht weiter. Denn gerade im Gegenteil hat die Antragstellerin vortragen lassen, dass sie nicht in der Lage ist, eine Präsenzschule und damit eine Berufsschule zu besuchen. Der begehrte Besuch der Web-Individualschule ist nach dem Vortrag der Antragstellerin gerade nicht deshalb das Mittel ihrer Wahl, weil er hernach eine uneingeschränkte berufliche Bildung ermöglichen würde; vielmehr wird ihr eine solche auf Dauer nicht möglich sein.
Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass – wie es im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlich wäre – der Besuch der Web-Individualschule zum Zweck der Erreichung eines Schulabschlusses die allein geeignete und erforderliche Hilfemaßnahme zur Deckung des Hilfsbedarfs zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im beruflichen Bereich ist. Vielmehr hat der Antragsgegner bereits im Rahmen des Verwaltungsverfahrens (vgl. sozialpädagogische Stellungnahme vom 17.10.2019) und auch im angefochtenen Bescheid vom 25. Oktober 2019 eine berufspraktische Erprobung als Hinführung zu einer überbetrieblichen Ausbildung als geeignete Möglichkeit für eine berufliche Integration benannt. Für das Gericht ist die Sinnhaftigkeit des Ansinnens, zunächst in der Praxis zu erproben, zu welchen beruflichen Leistungen die Antragstellerin trotz ihrer seelischen Behinderung mit den entsprechenden Folgen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit in der Lage ist, nachvollziehbar. Demgegenüber hat die Antragstellerin nichts vortragen lassen, was diesen Weg für sie als nicht gangbar erkennen lassen würde.
Damit ist nicht glaubhaft gemacht worden, dass der Antragstellerin auf der Ebene der beruflichen Bildung ein entsprechender Anordnungsanspruch zustehen würde.
Auch im Bereich der schulischen Bildung hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die begehrte Maßnahme die allein erforderliche und geeignete zur Deckung ihres Hilfebedarfs ist, dass also die begehrte Übernahme der durch den Besuch der Web-Individualschule anfallenden Schulkosten als Hilfe zu einer allgemeinen Schulbildung im Sinne des § 41 Abs. 1, 2 i.V.m. mit § 35a Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX notwendig ist.
Hilfen zur Schulbildung im Rahmen des § 112 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX werden „insbesondere“ im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen gewährt. Dies bedeutet, dass eine derartige Hilfe auch in Betracht kommen kann, wenn die allgemeine Vollzeit-Schulpflicht bereits erfüllt ist (BayVGH, B.v. 18.10.2016 – 12 CE 16.2064 – juris; VG München, U.v. 13.3.2013 – M 18 K 11.1577 – juris Rn. 50).
Auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Leistungen zur Teilhabe an Bildung prinzipiell lediglich unterstützenden Charakter. Sie sind grundsätzlich weder auf die Finanzierung der Bildungsmaßnahme selbst noch auf die Gestaltung deren pädagogischen Kernbereichs gerichtet. Dies bedeutet, dass z.B. Schulgelder und Kursgebühren grundsätzlich nicht in das Leistungsspektrum des Rehabilitationsträgers fallen. Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die Fälle des Systemversagens, wenn z.B. einem Kind der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder zumutbar ist. Solange der Schulträger seinem Versorgungsauftrag nicht nachkommt, muss der Eingliederungshilfeträger dann die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung durch vorläufige Finanzierung der Bildungsmaßnahme (z.B. Schulgeld für eine Privatschule) sicherstellen. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Hilfe zu einer Schulbildung eine Leistungspflicht hinsichtlich der eigentlich dem Kernbereich der Schule zugewiesenen Maßnahme beispielsweise dann besteht, wenn die Förderung in der Schule nicht ausreichend ist und das Kind von der Schulpflicht befreit ist (BVerwG, B.v. 17.2.2015 – 5 B 61/14 – juris Rn.4; Zinsmeister in Dau/Düwell/Joussen, Beck-Online-Kommentar, SGB IX, 5. Aufl. 2019, § 112 Rn. 4 i.V.m. § 75 Rn. 7 und 8; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, Stand: 5.12.2019, § 112 Rn. 30 f., Rn. 49; Kepert/Dexheimer in LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, S 35a Rn. 56; Frankfurter Kommentar, § 35a Rn. 65; vgl. auch zur alten, insoweit inhaltlich vergleichbaren Rechtslage: Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 54 Rn. 47; BayVGH, B.v. 18.10.2016 – 12 CE 16.2064 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Darüber hinaus kann unter bestimmten Umständen eine Leistungspflicht hinsichtlich des Kernbereichs schulischen Handelns dann bestehen, wenn die allgemeine Schulpflicht erfüllt ist, in deren Rahmen dem Hilfsbedürftigen jedoch die durch die allgemeine Schulpflicht festgelegte zeitliche Menge an Unterricht mit bestimmten fachlichen Inhalten nicht erteilt werden konnte. Konnte demnach dem Hilfsbedürftigen aus Gründen seiner Hilfsbedürftigkeit Unterricht in dem Umfang, wie er durch die allgemeine Schulpflicht vorgesehen ist, bis zu deren Ende nicht erteilt werden, kann auf der Ebene des Kinder- und Jugendhilferechts ein Anspruch darauf bestehen, dass dies nachgeholt wird (BVerwG, U.v. 30.4.1992 – 5 C 1/88 – juris Rn. 17 f.; Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, Stand: 5.2.2019, § 112 Rn. 35; anderer Ansicht wohl BSG, U.v. 21.9.2017 – B 8 SO 24/15R – juris Rn. 18). Dies gilt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O. Rn. 17) „jedenfalls in Fällen einer besonders schweren Behinderung“. Im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall ging es um ein blindes, spastisch gelähmtes, geistig behindertes und verhaltensgestörtes Kind, das krankheitsbedingt und wegen Lehrermangels insgesamt nur etwa zwei Jahre Einzelunterricht in Form von Hausunterricht erhalten hat.
Im vorliegenden Fall trifft die begehrte Maßnahme den Kernbereich schulischen Handelns, denn es geht darum, dass im Rahmen der Web-Individualschule die jeweiligen Lerninhalte individuell auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Antragstellerin abgestimmt werden (BSG, U.v. 9.12.2016 – B 8 SO 8/15 R – juris Rn. 25; vgl. auch Kepert/Dexheimer in LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 35a Rn. 56). Damit ist vom Grundsatz her ein Anspruch gegen den Antragsgegner als Sozialleistungsträger ausgeschlossen. Demgegenüber macht die Antragstellerin einen Ausnahmefall geltend, um die Übernahme einer Hilfe im Kernbereich schulischen Handelns durch den Jugendhilfeträger zu rechtfertigen. Denn die Antragstellerin hat nicht nur die neunjährige Vollzeit-Schulpflicht nach Art. 35 Abs. 3, Art. 37 Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl 2000, 414), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2019 (GVBl 2019, 737), erfüllt, sondern darüber hinaus auch die Berufsschulpflicht nach Art. 35 Abs. 3, Art. 39 BayEUG. Insofern hat die Antragstellerin auch keinen Anspruch (mehr) gegen staatliche Stellen auf Aufnahme in eine staatliche Schule. Dies ergibt sich aus Art. 38 Satz 1 BayEUG für die Mittelschule; hiernach kann die Schule in besonderen Ausnahmefällen auch den weiteren Besuch in einem 12. Schulbesuchsjahr genehmigen. Hieraus ergibt sich, dass ein weiteres Schulbesuchsjahr in der Mittelschule nicht zulässig ist. Für die Realschule ergibt sich dies aus Art. 55 Abs. 1 Nr. 6 BayEUG. Hiernach endet der Schulbesuch bei anderen Schulen als Pflichtschulen mit Ablauf des Schuljahrs durch Überschreitung der Höchstausbildungsdauer, die für die einzelnen Schularten in der Schulordnung festgelegt ist. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Die S.-Realschule hat am 8. Juli 2019 bescheinigt, dass sich die Antragstellerin im 12. Schulbesuchsjahr befindet. Die Höchstausbildungsdauer beträgt nach § 15 Abs. 8 der Schulordnung für die Realschulen (RSO) vom 18. Juli 2017 (GVGl S. 458), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juni 2018 (GVBl S. 556) acht Schuljahre, wobei nach Satz 2 der Vorschrift für die Berechnung u.a. alle an öffentlichen Realschulen oder Gymnasien verbrachten Schuljahre zählen. Nach § 15 Abs. 2 RSO gilt die Höchstausbildungsdauer auch dann als überschritten, wenn feststeht, dass der Abschluss der Schule nicht mehr innerhalb der Höchstausbildungsdauer erreicht werden kann. Dies trifft auf die Antragstellerin, die die neunte Klasse Realschule wiederholen müsste, zu. Hieraus ergibt sich, dass die Antragstellerin keiner Schulpflicht mehr unterworfen ist und dass sie zudem keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in eine Mittelschule oder Realschule hat. Denn der Träger der Eingliederungshilfe ist an die Entscheidung der Schulverwaltung über die Erfüllung der Schulpflicht sowie über eine bestimmte Schulart gebunden (BGS, U.v. 23.8.2013 – B 8 SO 10/12 R – juris Rn. 21). Damit besteht kein diesbezüglicher Anspruch auf staatliche Bildung mehr. Deshalb macht die Antragstellerin im Rahmen des § 41 SGB VIII eine soziale Benachteiligung geltend.
Auf dieser Grundlage wäre es denkbar, dass die Antragstellerin gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Erteilung von Unterricht, wie er ihr im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht an einer staatlichen Schule erteilt worden wäre, als Maßnahme der Hilfe für junge Volljährige so lange hat, bis das auf unverschuldeten Versäumnissen beruhende Unterrichtsdefizit ausgeglichen ist (BVerwG, U.v. 30.4.1992 – 5 C 1/88 – juris Rn. 19). Voraussetzung wäre, dass – wie oben dargestellt – „jedenfalls“ ein Fall einer besonders schweren Behinderung vorliegt. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre zu prüfen, ob die genannte Rechtsprechung auch auf Fälle einer nicht „besonders schweren Behinderung“ übertragbar wäre. Diese Fragen müssen vorliegend jedoch nicht entschieden werden, weil es nicht auf ihre Beantwortung ankommt.
Denn es ist für das Gericht schon nicht erkennbar und von der Antragstellerin auch nicht dargelegt und glaubhaft gemacht worden, in welchem zeitlichen Umfang sie aufgrund ihrer seelischen Behinderung Unterricht im Rahmen der staatlichen Schulpflicht versäumt hat. Die Antragstellerin hat lediglich angegeben, es sei mehrfach zu krankheitsbedingten Ausfällen gekommen, ohne dass sie einzelne konkrete Zeiträume benannt und auf die seelische Behinderung zurückgeführt hat. Aus den vorgelegten Zeugnissen (vgl. Bl. 8, Bl. 9 und Bl. 66 der Behördenakten) ist lediglich erkennbar, dass aufgrund von Erkrankungen (teilweise) keine Noten gebildet werden konnten. Ob es sich hierbei um die seelische Erkrankung der Antragstellerin handelt und welchen zeitlichen Umfang diese Erkrankungen hatten, ist nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass es gemäß der Begründung der Klage und des Antrags nicht Ziel der Antragstellerin ist, lediglich versäumten Unterricht nachzuholen; vielmehr kommt es ihr in erster Linie auf die Ablegung eines Schulabschlusses, konkret der Mittleren Reife, an. Demgegenüber ist ein Anspruch auf die Ermöglichung einer den Fähigkeiten und Leistungen entsprechenden Schulbildung nach Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht als Anspruch auf Teilnahme an entsprechendem Unterricht an sich zu sehen und nicht als Anspruch darauf, zu einem bestimmten gewünschten Ergebnis, also zu einem bestimmten Schulabschluss zu gelangen.
Unabhängig hiervon ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin – wie sie vortragen lässt – deshalb in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist, weil sie keinen Schulabschluss vorweisen kann. In diesem Zusammenhang ist nicht darauf abzustellen, dass sie hierdurch – wie sie vorträgt – ihre Möglichkeiten zur Berufswahl als eingeschränkt sieht; diese Problematik ist allein im Bereich des § 41, § 35a SGB VIII i.V.m.§ 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IX zu berücksichtigen (vgl. hierzu die Ausführungen oben). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der aufgrund ihrer seelischen Behinderung fehlende Schulabschluss an sich zu Defiziten in der Persönlichkeitsentwicklung und bei der eigenverantwortlichen Lebensführung führt und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft individuell beeinträchtigt. Dies ist indes für das Gericht nicht erkennbar.
Aus der fachärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. R. vom 24. Juni 2019 ergibt sich hinsichtlich der Frage der Teilhabebeeinträchtigung lediglich die Einschätzung, dass aus fachärztlicher Sicht die Teilnahme an einer Fernstudium Schule zur Erlangung des Realschulabschlusses eine sehr sinnvolle und empfehlenswerte Option wäre, die ohne schulische Anwesenheit die Chance einer selbstorganisierten und flexiblen Stoffaneignung erlaube und somit das Risiko einer Überforderung und Überlastung durch unflexible Schulalltagsanforderungen abwende.
Dieselbe Ärztin führt im kinder- und jugendpsychiatrischen Gutachten vom 18. September 2019 aus, die Antragstellerin sei „gemäß § 35a SGB VIII dem Personenkreis zuzurechnen, die seit vielen Jahren an einer chronischen seelischen Behinderung“ leide. Ihre seelische Gesundheit weiche bereits seit 2012 von dem für das Lebensalter typischen Zustand deutlich ab und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sei seit vielen Jahren deutlich beeinträchtigt bei der gesamten Alltagsbewältigung (Schule und Ausbildungsperspektive, Freundeskreis, Freizeitaktivitäten, Familienleben). Die Antragstellerin habe aufgrund ihrer psychischen Erkrankung aktuell den Schulbesuch abbrechen müssen und keinen Schulabschluss erlangen können. Die Teilnahme der Antragstellerin an einer Fernstudium Schule zur Erlangung des Realschulabschlusses wäre aus fachärztlicher Sicht eine sehr sinnvolle und sehr empfehlenswerte Option, um die sehr gut begabte und leistungswillige Schülerin angemessen für eine künftige Ausbildungs- und Berufsperspektive zu unterstützen. Hierbei würden weitere wiederkehrende Überforderungen und Überlastungen durch unflexible Schulalltagsanforderungen abgewendet werden, stattdessen würde die Chance der selbstorganisierten Stoffaneignung mit Möglichkeit von flexiblen bedarfsorientierten Regenerationszeiten die Antragstellerin mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit zu einem erfolgreichen Schulabschluss führen.
Die Diplom-Sozialpädagogin S., Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Antragsgegners, führt in einer sozialpädagogischen Stellungnahme vom 17. Oktober 2019 hinsichtlich der Teilhabebeeinträchtigung aus, die Antragstellerin habe im familiären Umfeld viele Ressourcen. Sie könne ihre Probleme derzeit gut mit ihren Eltern und einer Tante besprechen. Sie habe einen guten Freundeskreis und sie sei im Karnevalsverein als Tänzerin und als Trainerin einer Kindergruppe tätig. Sie könne für ihre Alltagsangelegenheiten selbst sorgen und benötige auch keine Unterstützung bei lebenspraktischen Tätigkeiten, ebenso nicht im Bereich Mobilität. Auch nehme sie an Freizeitaktivitäten teil. Der Antragstellerin gehe es gesundheitlich besser, seitdem sie aus dem schulischen Leistungssystem ausgestiegen sei. Sie sei der Meinung, dass sie infolge ihrer begrenzten psychischen Belastungsfähigkeit nicht an einer ganztägigen berufsbildenden Maßnahme teilnehmen könne. Die Sozialpädagogin bewertet den fehlenden Schulabschluss als für die Antragstellerin emotional belastend. Sie hält berufspraktische Erprobungen als Hinführung zu einer überbetrieblichen Ausbildung aus sozialpädagogischer Sicht für eine geeignete Möglichkeit für eine berufliche Integration.
All dies macht deutlich, dass die Tatsache, dass die Antragstellerin keinen Schulabschluss hat, für sich gesehen ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht beeinträchtigt. Zwar sieht die Fachärztin Dr. R. hinsichtlich der gesamten Alltagsbewältigung eine deutliche Beeinträchtigung; sie macht hierzu jedoch keine nachvollziehbaren Ausführungen und stellt insbesondere nicht die Behauptung in den Raum, dass die von ihr gesehene Teilhabebeeinträchtigung durch die Erlangung eines Schulabschlusses an sich zum Positiven gewendet werden könnte. Demgegenüber sind die Ausführungen der Sozialpädagogin R. gut nachvollziehbar. Sie werden von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht substanziiert in Frage gestellt. Hieraus wird deutlich, dass der wegen der seelischen Behinderung der Antragstellerin fehlende Schulabschluss an sich nicht zu einer Teilhabebeeinträchtigung führt.
Zudem ist zu beachten, dass eine Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41, § 35a SGB VIII immer eine Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung sein soll. Die von der Antragstellerin begehrte Hilfe ist auf dieser Grundlage nicht für das genannte Ziel geeignet. Es ist nicht erkennbar, inwieweit der Besuch der Web-Individualschule mit dem Ziel der Erlangung eines Schulabschlusses unabhängig von der Frage nach der Berufswahl und der Erfüllung der Schulpflicht (dies wurde separat geprüft) zur Verselbständigung der Antragstellerin beitragen kann. Vielmehr hat die Antragstellerin deutlich gemacht, dass ihr nicht an einer Verselbständigung gelegen ist. Dies ergibt sich aus der Ergänzung der Sozialpädagogischen Stellungnahme vom 17. Dezember 2019, nach welcher die Antragstellerin im Rahmen eines Gesprächs das Angebot der Unterstützung bei der beruflichen Neu-Orientierung und Verselbständigung im Rahmen einer Erziehungsbeistandschaft „erbost“ abgelehnt hat.
Demgegenüber hat der Antragsgegner im Rahmen seines Beurteilungsspielraums der Antragstellerin eine aus seiner Sicht geeignete Hilfemaßnahme angeboten, nämlich auf der Grundlage von § 41 i.V.m. § 30 SGB VIII die Bewilligung eines Erziehungsbeistandes mit den Zielen einer Motivation zu einer ausbildungsförderlichen selbständigen Alltagsstruktur, einer Angleichung der sozialen und psychischen Ressourcen an die Anforderungen im Beruf, einer Entwicklung von Flexibilisierung im Umgang mit Anforderungen, einer Entwicklung von Anstrengungsbereitschaft durch Motivation, eines Entspannungstrainings zum Vorbeugen von Überforderung und einer Entwicklung einer positiven Selbstwahrnehmung und Förderung des Selbstbewusstseins. Dies erscheint angesichts der seelischen Behinderung der Antragstellerin mit der Folge einer chronischen allgemein herabgesetzten alltäglichen Belastungsfähigkeit mit rascher Erschöpfung, erhöhtem Schlafbedarf und verminderter Konzentrationsfähigkeit eine geeignete Hilfe zu sein; diese Sichtweise entspricht zudem dem psychologischen Kurzbericht des Universitätsklinikums Würzburg, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 22. November 2012. Hier ist von selbstinduziertem Leistungsdruck die Rede und es wird die Empfehlung ausgesprochen, die Antragstellerin im Hinblick auf ihren überhöhten Leistungsanspruch und ihre Leistungsangst zu betreuen.
Auf dieser Grundlage ist nicht erkennbar, dass die von der Antragstellerin begehrte Hilfe die einzig notwendige und geeignete, mithin also die einzig fachlich vertretbare wäre (BayVGH, B.v. 2.8.2011 – 12 CE 11.1180 – juris Rn. 46).
Damit hat die Antragstellerin schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können.
Im Übrigen begehrt die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners, die für die Antragstellerin anfallenden Schulkosten durch Besuch der Online Schule bis zum rechtskräftigen Abschluss in der Hauptsache zu übernehmen und damit der Sache nach insoweit eine Vorwegnahme der Hauptsache.
Vor diesem Hintergrund wurde nicht glaubhaft gemacht, dass ohne Erlass der einstweiligen Anordnung gravierende, unzumutbare Nachteile entstünden. Auch eine bestehende besondere Dringlichkeit konnte nicht glaubhaft dargelegt werden.
Der Antragsgegner hat wie von ihm dargelegt andere Möglichkeiten für die Persönlichkeitsentwicklung und eigenverantwortliche Lebensführung aufgezeigt und konkret angeboten (berufspraktische Erprobungen als Hinführung zu einer überbetrieblichen Ausbildung), denen die Antragstellerin nicht nahegetreten ist. Die Antragstellerin kann zudem eine Ausbildung zur Tierpflegerin auch ohne mittleren Schulabschluss aufnehmen.
Im Übrigen spricht – wie sich aus obigen Ausführungen ergibt – auch gerade kein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache. Damit kommt die Schaffung vollendeter Tatsachen durch die Stattgabe des vorliegenden Antrags nicht in Betracht.
Daneben ist auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden.
Denn die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie bzw. ihre Eltern die Schulkosten nicht zumindest vorläufig selbst übernehmen könnten. Die eidesstattlichen Versicherungen, dass sie hierzu finanziell nicht in der Lage seien, genügen insofern (allein) ohne nähere Angaben hierzu nicht.
Denn bei der Versicherung, die Antragstellerin bzw. deren Eltern seien finanziell nicht in der Lage, die Kosten für den Besuch der Web-Individualschule … zu finanzieren, handelt es sich lediglich um eine Bewertung und nicht um die Angabe von Tatsachen, aus denen das Gericht den Schluss ziehen könnte, dass die Bewertung der Richtigkeit entspricht. Diesbezüglich wäre eine Offenlegung der finanziellen Verhältnisse zumindest insoweit erforderlich gewesen, dass erkennbar wird, dass tatsächlich nicht hinreichend Einkommen und/oder Vermögen zur Verfügung steht, um die für den Schulbesuch anfallenden Kosten tragen zu können (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 12 CE 12.2136 – juris Rn. 26; B.v. 17.8.2015 – 12 AE 15.1691 – juris Rn. 26).
Insofern ist auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Auf der Grundlage dieser Erwägungen konnte der vorliegende Antrag keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO in Angelegenheiten der Jugendhilfe nicht erhoben.