Verwaltungsrecht

Überschreitung der Förderungshöchstdauer für Leistungsstarke

Aktenzeichen  AN 2 K 16.00111

Datum:
19.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 7 Abs. 1a, § 9, § 15 Abs. 3, § 15a
BAföG-VwV Tz. 15a 1.2

 

Leitsatz

Bachelor- und Master-Studiengänge sind, auch wenn sie aufeinander aufbauen, grundsätzlich als eigene Ausbildung im Sinne des BAföG und damit getrennt voneinander zu betrachten. (redaktioneller Leitsatz)
Allgemein ehrenamtliches oder soziales Engagement fällt nicht unter die Privilegierung des § 15 Abs. 3 Nr. 3 BAföG. (redaktioneller Leitsatz)
Das freiwillige Absolvieren zusätzlicher, von der Prüfungsordnung nicht geforderter Module stellt keinen anzuerkennenden Grund für eine Verzögerung im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG dar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem die Klägerseite hierauf mit Schriftsatz vom 29. April 2016 und der Beklagte mit Schriftsätzen vom 1. Februar 2016 und 20. Mai 2016 verzichtet haben.
Die Klage wird durch Urteil der Einzelrichterin entschieden, da der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 6 Abs. 1 VwGO).
Eine Aussetzung des Rechtsstreits analog § 94 VwGO zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG bedarf es nicht, da das Gericht diese Vorschrift nicht – wie von der Klägerseite gerügt und beantragt – für verfassungswidrig hält (s. im Folgenden). Eine Vorlage an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof kommt von vorneherein nicht in Betracht, da Bundesrecht (BAföG) bayerisches Verfassungsrecht nicht verletzen kann.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) mit dem Ziel der Feststellung der Förderfähigkeit dem Grunde nach zulässig, jedoch unbegründet und deshalb abzuweisen. Nicht Klagegegenstand ist Frage der Gewährung eines Studienabschlussdarlehens nach § 15 Abs. 3a BAföG.
Der Klägerin steht für das klagegegenständliche Wintersemester 2015/2016, in dem sie im 5. Fachsemester des Master-Studiengang Life Science Engineering an der … eingeschrieben ist, keine Regel-Ausbildungsförderung mehr zu.
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG wird diese grundsätzlich nur bis zum Ende der Förderungshöchstdauer geleistet. Die Förderungshöchstdauer entspricht nach § 15a Abs. 1 BAföG der Regelstudienzeit. Diese beträgt für das Master-Studium der Klägerin unstreitig vier Semester. Ein 5. Fachsemester kann damit grundsätzlich nicht gefördert werden.
Das Wintersemester 2015/2016 kann im Falle der Klägerin auch nicht deshalb gefördert werden, weil sie im Wintersemester 2013/2014 das 1. Master-Fachsemester parallel zum letzten Bachelor-Fachsemester absolviert hat. Weder kann wegen dieses Umstandes das 5. Master-Fachsemester als noch förderfähiges 4. Fachsemester angesehen werden, noch kann in Form einer Zusammenschau beider Studiengänge auf das Einhalten der Regelstudienzeit insgesamt abgestellt werden.
Bachelor- und Master-Studiengänge, sind, auch wenn sie aufeinander aufbauen, grundsätzlich als eigene Ausbildung im Sinne des BAföG und damit getrennt voneinander zu betrachten. Bereits der Bachelor-Abschluss stellt einen berufsqualifizierenden Ausbildungsabschluss dar, der zu einer Berufsausübung befähigt. Die Förderung eines fortsetzenden Master-Studiengangs nach dem BAföG beruht nicht etwa auf einer förderrechtlich vorzunehmenden Gesamtbetrachtung beider Studiengänge, sondern auf der Regelung des § 7 Abs. 1a BAföG, der in dieser Konstellation ausnahmsweise die Förderung eines zweiten Hochschulstudiums zulässt. Für die Förderungshöchstdauer kommt es deshalb auf das nominelle Fachsemester des aktuell und allein betriebenen Master-Studiums an.
Eine Weiterförderung käme deshalb nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 BAföG in Frage. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch nicht vor.
Das ehrenamtliche Engagement der Klägerin für den caritativen Jugendclub … fällt nicht unter den Tatbestand des § 15 Abs. 3 Nr. 3 BAföG. Ein Jugendclub oder eine caritative Einrichtung stellen kein Gremium oder Organ der Hochschule dar. Alleine die Mitarbeit in einer hochschuleigenen oder -nahen Einrichtung ist jedoch entsprechend privilegiert, nicht allgemein ehrenamtliches oder soziales Engagement.
Das freiwillige Absolvieren zusätzlicher, von der Prüfungsordnung nicht geforderter Module, stellt keinen anzuerkennenden Grund für eine Verzögerung im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG dar. Derart eigenverantwortlich geschaffene Gründe bilden grundsätzlich keinen schwerwiegenden Grund. Von einem Studierenden, der Ausbildungsförderung begehrt, wird erwartet, dass er vorrangig alle Anstrengungen unternimmt, sein Studium innerhalb der vorgesehenen Regelstudienzeit abzuschließen und andere (wenn auch im Prinzip anerkennungswürdige soziale und berufsqualifizierende) Ziele dahinter zurückstellt.
Die zusätzlich absolvierten Module waren auch nicht etwa Voraussetzung für die Master-Prüfung, jedenfalls wurde dies von der Klägerseite nicht substantiiert dargelegt und ergibt sich dies auch nicht aus der einschlägigen Studien- und Prüfungsordnung. Aus der Fachprüfungsordnung für den Bachelor- und Masterstudiengang Life Science Engineering an der Technischen Fakultät der …Universität … (FPOLSE) vom 24. September 2007, insbesondere § 41 FPOLSE ergibt sich vielmehr, dass zwar für den Zugang zum Masterstudium bestimmte Anforderungen und Prüfungen nachzuweisen sind, nicht aber, dass diese studienbegleitend nachgereicht werden könnten.
Dass ein zusätzliches 5. Master-Fachsemesters wegen des Doppelstudiums im 7. Bachelor- und 1. Master Fachsemesters notwendig geworden wäre, kann zum einen ebenfalls nicht angenommen werden. Vielmehr ergaben sich die zusätzliche Belastung der Klägerin und die zeitliche Verzögerung ihres Studiums wohl maßgeblich aus den freiwillig absolvierten Modulen. Zum anderen liegt die Verantwortung für die Gestaltung des Studiums ausschließlich beim Studierenden selbst und ist letztlich mit einer unkonventionellen Studienplanung aus Sicht des Studierenden regelmäßig auch ein (subjektiver) Vorteil verbunden. Hierfür die damit verbundenen Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, erscheint deshalb auch nicht unangemessen, rechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.
Der Klägerin ist auch kein zusätzliches Fachsemester anzuerkennen, weil ihre Situation mit derjenigen des § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG vergleichbar wäre. Nach dem Wortlaut § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG ist eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer beim erstmaligen Nichtbestehen einer Abschlussprüfung möglich. Es überschreitet jedoch den Wortlaut der Vorschrift und widerspricht der Systematik und dem Sinn und Zweck des Ausbildungsförderungsrechts, im Fall des nicht rechtzeitigen Antritts zur Prüfung ebenfalls Ausbildungsförderung weiter zu gewähren.
Ebenso wenig ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer „erst recht“ leistungsstarken Studenten zu gewähren. Die Vorschrift ist nicht durch erweiternde Auslegung oder analog auf die vorliegende Sachverhaltsgestaltung anzuwenden. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) ist darin nicht zu erblicken. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verlangt keine schematische Gleichbehandlung, verbietet lediglich willkürliche Ungleichbehandlung und fordert nur, dass gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden. Vorliegend handelt es sich zum einen schon um zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte, zum anderen ist im Rahmen derjenigen Leistungsverwaltung, für die es keinen verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf die beantragte Leistung gibt, die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers von vorneherein weit gespannt. Es ist von der Intention des Ausbildungsförderungsrechts her, jedem Auszubildenden unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen einen Ausbildungsabschluss zu ermöglichen, keinesfalls zu beanstanden, dass leistungsstarken Studenten keine zusätzliche Förderung zuteil wird. Die Intention des BAföG ist nicht eine Begabtenförderung.
Der Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2015 ist nach alledem rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klage ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO.

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