Aktenzeichen AN 1 S 16.30045
DVAsyl DVAsyl § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 5
Leitsatz
1 Asylbewerber haben unter Beachtung der des öffentlichen Interesses an einer gleichmäßigen Verteilung der mit der Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden verbundene Lasten grundsätzlich keinen Anspruch auf Zuweisung zu und Aufenthalt an einem bestimmten Ort. (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Ermessensentscheidung über die Umverteilung sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen, d.h. von Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern sowie sonstige humanitäre Gründe zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gegenstandswert beträgt 5.500 EUR.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind kosovarische Staatsangehörige und betreiben in Deutschland ein Asylverfahren. Sie wenden sich gegen ihre Umverteilung in die „Ankunfts- und Rückführungseinrichtung II Bayern“ (ARE II) in Bamberg.
Die Antragsteller haben am 5. Mai 2015 Asylanträge gestellt, über die noch nicht entschieden wurde.
Mit Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 15. Dezember 2015 für alle Antragsteller, dem Antragsteller zu 1. gegen Empfangsbekenntnis wohl am 17. Dezember 2015 zugestellt, wurde ihnen als künftiger Wohnsitz die ARE II in Bamberg zugewiesen. Sie wurden zum Umzug in die Unterkunft spätestens ab dem 29. Dezember 2015 verpflichtet und die Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang wurde angedroht. Zur Begründung wurde angeführt, die Entscheidung beruhe auf § 50 AsylG, § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 DVAsyl i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 AufnG und § 47 Abs. 1a AsylG. Es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl daran, die Antragsteller von der Anschlussunterbringung in die zuständige Aufnahmeeinrichtung umzuverteilen und dadurch der Wohnpflicht des § 47 Abs. 1a AsylG Geltung zu verschaffen. Die ARE II in Bamberg verfüge über freie Kapazitäten und die Anschlussunterbringung solle vor allem Asylbewerbern zum Aufenthalt dienen, die nicht aus sichereren Herkunftsländern im Sinne des § 29a AsylG stammten. Das Vertrauen der Antragsteller auf Verbleib in der Anschlussunterbringung müsse angesichts des dargelegten erheblichen öffentlichen Interesses zurücktreten. Gründe, von einer Verteilung abzusehen, seien nicht ersichtlich; ein soziales, medizinisches und gegebenenfalls adäquates unterrichtliches Angebot sei auch in Bamberg sichergestellt.
Am 28. Dezember 2015 haben die Antragsteller durch ihre Bevollmächtigten entsprechend der im Bescheid enthaltenen Rechtsbehelfsbelehrung beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage erheben und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen lassen. Mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 7. Januar 2016 (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO) und 11. Januar 2016 (Hauptsache) wurden die Verfahren an das Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller zu 1. sei psychisch schwer erkrankt und leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die therapeutisch und medikamentös behandelt werde.
Der Antragsgegner sei nicht zuständig, weil es sich um eine Maßnahme im Asylverfahren handle, rechtliches Gehör sei nicht gewährt worden und der Antragsgegner hätte die schwere Erkrankung des Antragstellers zu 1. berücksichtigen müssen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Vollzugsinteresse überwiege das Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Auf die Begründung des Bescheids werde verwiesen, insbesondere sei eine ordnungsgemäße Ermessenausübung erfolgt. Die ärztliche Versorgung sei auch am Standort Bamberg ausreichend sicher gestellt. Das vorgelegte Attest äußere sich nicht zur Behandlung am jetzigen Wohnort, sondern gebe nur eine Meinung zur Rückführung in die Heimat des Antragstellers zu 1. ab. Wegen des neu hinzu gekommenen Kindes sei die zugleich übermittelte Ergänzung erfolgt. Hinsichtlich der Anhörung werde auf § 50 Abs. 4 Satz 2 AsylG verwiesen. Zugleich werde zugesichert, bis zu einer gerichtlichen Entscheidung auf die Anwendung unmittelbaren Zwangs zu verzichten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Ausländerakte (Eingang beim Verwaltungsgericht Ansbach am 26. Januar 2016) Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der fristgerecht erhobenen Klage gegen den Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 15. Dezember 2015 anzuordnen, ist zulässig.
Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Eine derartige Regelung ist in § 75 Abs. 1 AsylG getroffen worden. Danach hat eine Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 AsylG sowie der §§ 73, 73 b und 73 c AsylG aufschiebende Wirkung. Vorliegend wird von den Antragstellern eine auf § 50 AsylG gestützte Umzugsaufforderung angegriffen.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache, das über die Streitigkeit aus dem Asylgesetz (vgl. BayVGH, Beschl. v. 9.12.2015, Az. 21 CS 15.30249) gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG durch den Einzelrichter entscheidet, auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 Abs. 1 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 15. Dezember 2015 und dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs.
Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Die Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten des Antragsgegners aus, weil die Klage gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2015 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil sich der Umverteilungsbescheid als rechtmäßig darstellt.
Die Zuständigkeit der Regierung von Oberfranken für die Umverteilung ergibt sich aus § 50 Abs. 2 AsylG i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl, weil sie nach Bamberg mithin in den Zuständigkeitsbereich der Regierung von Oberfranken erfolgt. Einer Anhörung bedurfte es nach § 50 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht. Das nach § 8 Abs. 2 Satz 3 DVAsyl erforderliche Einvernehmen wurde – unabhängig von der Frage, ob diese Vorschrift drittschützend ist und sich die Antragsteller auf eine eventuelle Verletzung berufen könnten – nach Auskunft des Antragsgegners im Parallelverfahren AN 1 S 16.30019 dadurch hergestellt, dass die Regierung von Oberfranken zuvor bei den jeweils zuständigen Ausländerbehörden angefragt hat, welche Personen für eine Umverteilung in Betracht kommen. Mit tabellarischer Übermittlung wurde somit konkludent für diese Personen das Einvernehmen erteilt.
Die Umverteilung durfte auf § 50 AsylG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl gestützt werden, nachdem ein öffentliches Interesse i. S.v. § 8 Abs. 5 DVAsyl i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 AufnG vorliegt (vgl. auch VG Regensburg, Beschl. v. 29.12.2015, Az. RO 7 S 15.32072, S. 4). Die Verpflichtung der Antragsteller, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ergibt sich aus § 47 Abs. 1a AsylG in der seit 24. Oktober 2015 geltenden Fassung, weil sie aus einem sicheren Herkunftsstaat i. S. d. § 29a AsylG stammen (Kosovo, vgl. § 29a Abs. 2 AsylG, Anlage II zu § 29a AsylG) und noch keine Entscheidung des Bundesamtes über die Asylanträge der Antragsteller vom 5. Mai 2015 getroffen wurde.
Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG haben unter Beachtung des öffentlichen Interesses an einer gleichmäßigen Verteilung der mit der Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden verbundenen Lasten um Asyl nachsuchende Ausländer grundsätzlich keinen Anspruch auf Zuweisung zu und Aufenthalt an einem bestimmten Ort. Einfachgesetzlich ist jedoch in § 50 Abs. 4 Satz 5 AsylG angelegt, dass humanitäre Gründe und – speziell – die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne von § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG, d. h. von Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern, zu berücksichtigen sind und die Ermessensausübung beeinflussen müssen (vgl. VG Köln, Beschl. v. 11.08.2015, Az. 16 L 1855/15.A, Rdnr. 8, juris); eine gleichlaufende Berücksichtigung findet sich in § 8 Abs. 6 DVAsyl. Vorliegend wurde diesen Gesichtspunkten i. S.v. §§ 50 Abs. 4 Satz 5, 26 Abs. 1 bis 3 AsylG und § 8 Abs. 6 DVAsyl vom Antragsgegner Rechnung getragen, indem für das inzwischen geborene weitere Kind der Antragsteller zu 1. und 2. eine Erweiterung des Bescheids erfolgte.
Auch aus dem Attest vom 27. Oktober 2015 für den Antragsteller zu 1. ergibt sich keine besondere Härte durch die Umverteilung, nachdem nach Aussage des Antragsgegners ohnehin die ordnungsgemäße ärztliche Versorgung am Standort Bamberg sichergestellt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 30 Abs. 1 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).