Aktenzeichen Au 5 K 17.34574
Leitsatz
1 In Mali besteht im Süden des Landes einschließlich der Hauptstadt Bamako die Möglichkeit internen Schutzes iSv § 3e AsylG. (Rn. 23 – 24) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Anders als im Norden Malis bestehen im Süden des Landes keine bürgerkriegsähnlichen Zustände, selbst wenn in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht; die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besitzt insoweit keine Indizwirkung (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 52985). (Rn. 24) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Alleinstehende, gesunde junge Männer können im Süden Malis ihren Lebensunterhalt sicherstellen, selbst wenn hierfür mehr als die Sicherung des Existenzminimums gefordert wird. (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Anhaltspunkte dafür, dass Asylbewerber bei einer Abschiebung nach Mali befürchten müssten, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK besteht, liegen nicht vor, obwohl die allgemeine wirtschaftliche Lage in Mali als schlecht einzuschätzen ist. (Rn. 29) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte wurde zur mündlichen Verhandlung form- und fristgerecht geladen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 24. August 2017 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger besitzt aber auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
a) Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden. In Übereinstimmung mit der Beklagten hat der Kläger eine politische Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Selbst wenn man dem Vortrag des Klägers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2017 Glauben schenkt, ist der Kläger jedenfalls unverfolgt aus Mali ausgereist. Beim Bundesamt hat der Kläger im Wesentlichen darauf verwiesen, dass er in der Stadt … gelebt habe und es dort in den Jahren 2006 bis 2011 anhaltende Kämpfe mit terroristischen Gruppierungen gegeben habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nochmals vorgetragen, dass er Mali wegen der allgemeinen unsicheren Lage und der Angst vor einer möglichen Zwangsrekrutierung durch terroristische Organisationen verlassen habe. Eine individuelle Betroffenheit hat der Kläger sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch gegenüber dem erkennenden Gericht hingegen nicht geltend gemacht. Sein Vortrag erschöpft sich im Wesentlichen im Verweis auf die allgemein unsichere und instabile Lage im Norden Malis (…). Wenn man jedoch mit dem Kläger davon ausgeht, dass dieser Mali erst im August 2014 verlassen hat, fällt auf, dass der Vortrag des Klägers und dessen Befürchtung vor einer möglichen Zwangsrekrutierung nicht glaubhaft erscheint. Die Stadt … wurde nämlich von malischen Soldaten mit Unterstützung von Franzosen sowie Militärs aus Niger und dem Tschad am 26. Januar 2013 von den Islamisten zurückerobert. Inwieweit also die vom Kläger geschilderte Ausreise im August 2014 mit kriegerischen und anarchistischen Zuständen in … im Zusammenhang stehen soll, ist für das Gericht nicht erkennbar.
Letztlich bedarf dies alles keiner vertiefenden Betrachtung, da der Vortrag des Klägers jedenfalls nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG anknüpft. Selbst wenn man dem Vortrag des Klägers Glauben schenken wollte, war dieser in Mali keiner asylrechtlich relevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Eine irgendwie geartete politische Verfolgung hat der Kläger hingegen nicht erlitten bzw. geltend gemacht. Nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung fürchtet der Kläger im Übrigen im Wesentlichen bei einer Rückkehr nach Mali eine Perspektivlosigkeit aufgrund der humanitären Lage des Landes. Dies zugrunde gelegt ist keine asylrechtlich relevante Verfolgungsfurcht im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG zu erkennen.
b) Zudem steht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts im Süden Malis eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung (§ 3e AsylG).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Auch der vom Bevollmächtigten des Klägers bezeichnete Angriff vom 17. Januar 2017 mit 60 (80) Toten ereignete sich in … im Norden Malis. Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung keine Indizwirkung zu (vgl. BVerwG, B.v.27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris; BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 13a ZB 16.30684 – juris Rn. 7).
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender, gesunder junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Zwar kann der Kläger keine Schulbildung vorweisen. Er hat sich jedoch in Mali bereits mit dem Verkauf von selbst angebauten Feldfrüchten (Tomaten etc.) ein Leben am unteren Rand der Gesellschaft finanzieren können. Überdies hat der Kläger während seines Aufenthalts in Libyen ein halbes Jahr auf einer Plantage im Orangenanbau gearbeitet. Auch dies legt es für das Gericht nahe, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Mali erneut eine landwirtschaftliche Tätigkeit wenigstens als Hilfskraft zuzumuten ist. Der Kläger ist in Mali aufgewachsen und hat dort sein bisheriges gesamtes Leben verbracht. Er ist mit den Verhältnissen der malischen Gesellschaft durchaus vertraut. Mittlerweile hat der Kläger sich auch Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben in Deutschland angeeignet. Diese kann er in seinem Heimatland gewinnbringend einsetzen. Daher geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger eine Rückkehr nach Bamako oder eine andere größere Stadt im Süden Malis wie beispielsweise Mopti, Sikasso oder Kayes zumutbar ist. Überdies dürfte sich auch die Mutter des Klägers nach wie vor in … aufhalten. Nachdem es zu einer Befriedung der Situation in … nach dem Jahr 2013 gekommen ist, ist auch eine Rückkehr nach … für den Kläger vorstellbar, zumal dieser Mali allein aufgrund der vorgetragenen instabilen Lage verlassen hat, nicht jedoch aufgrund einer geltend gemachten fortdauernden individuellen Bedrohung.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vorliegen, ist der Kläger, soweit er eine Gefährdung in seiner Heimatregion befürchtet, wie bereits ausgeführt, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG).
3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Mali befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es, wie bereits ausgeführt, nicht. Obwohl die wirtschaftliche Lage nach wie vor schlecht ist (Auswärtiges Amt, Mali: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stand: April 2016), geht das Gericht, wie ausgeführt, davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Belastbare ärztliche Atteste für beim Kläger vorhandene gesundheitliche Einschränkungen sind im Verfahren nicht vorgelegt worden.
4. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig. Das Bundesamt hat in seiner Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen.
5. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.