Aktenzeichen W 5 K 16.31236
Leitsatz
1 Derjenige Asylbewerber, der in einem Drittstaat verfolgt worden ist, jedoch den Schutz des Staates in Anspruch nehmen kann, dem er angehört, bedarf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG nicht (BVerwG BeckRS 9998, 44943). (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Taliban dem Sohn eines ehemaligen Angehörigen der afghanischen Streitkräfte, der sich selbst in keiner Weise am Kampf gegen sie beteiligt hat, eine abweichende politische Überzeugung iSv § 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG zuschreiben. Weiter kann auch nicht angenommen werden, dass Angehörige afghanischer Regierungsmitarbeiter oder Sicherheitskräfte einer bestimmten sozialen Gruppe iSv § 3b Abs.1 Nr. 4 AsylG zugerechnet werden können, da es einer derartigen Gruppe an einer abgrenzbaren Identität fehlt. (Rn. 23) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Afghanische Staatsangehörige sind bei einer Rückkehr in die Provinz Kabul nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben iSv § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt (wie BayVGH BeckRS 2016, 50804). (Rn. 28) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSv Art. 3 EMRK dar. Für alleinstehende männliche arbeitsfähige Afghanen verstößt eine Abschiebung daher nicht ohne Weiteres gegen Art. 3 EMRK (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 49252). (Rn. 31) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Aus der aktuellen Erkenntnislage zu Afghanistan folgt derzeit nicht, dass ein alleinstehender, arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartig extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Dies gilt grundsätzlich auch für Rückkehrer, die über keine Berufsausbildung und über keinen aufnahmefähigen Familienverband verfügen (wie BayVGH BeckRS 2017, 103943).. (Rn. 35) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die auch in Abwesenheit von Beteiligten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 1. August 2016 ist – soweit er angefochten wird – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
1.1 Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG (in der ab 6.8.2016 geltenden Fassung des Art. 6 des Integrationsgesetzes v. 31.7.2016, BGBl I S. 1939 ff; § 77 AsylG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Aus-schlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Das AsylG setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) – im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen. Schutz vor Verfolgung kann gemäß § 3d AsylG nur geboten werden vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz zu bieten. Der Schutz muss gemäß § 3d Abs. 2 AsylG wirksam und nicht nur vorübergehender Art sein. Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3e AsylG jedoch nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat, sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Bei Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes diese Voraussetzungen erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 AsylG die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der RL 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Nach Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet somit die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11/09 – juris).
1.2 Ausgangspunkt für die Prüfung, ob dem Kläger ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht, ist die Frage, ob ihm in dem Land seiner Staatsangehörigkeit Verfolgung droht. Dagegen ist es unerheblich, ob er in einem Drittstaat, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Verfolgung befürchten muss. Denn eines Schutzes vor Verfolgung bedarf es zur Erreichung des mit § 3 AsylG verfolgten Zieles nicht, wenn derjenige, der in einem Drittstaat verfolgt worden ist, den Schutz des Staates in Anspruch nehmen kann, dem er angehört (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1983 – 9 C 158.80 – BVerwGE 68, 106). Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Eine Prüfung des § 3 AsylG erfolgt daher nur insoweit, ob dem Kläger in Afghanistan beachtliche Gefahren drohen, nicht jedoch in Bezug auf den Iran. Insofern kommt dem klägerischen Vortrag dahingehend, dass sich sein Leben im Iran in Gefahr befinde, weil er von dort in den Syrienkrieg gegangen und in Syrien noch vor der Teilnahme an Kämpfen desertiert sei, für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung zu, da dieser Vortrag in keiner Weise geeignet ist, eine Verfolgungsgefahr in Afghanistan zu begründen.
Betreffend Afghanistan hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG.
1.3 Der Ausländer muss die geltend gemachten Verfolgungsgründe glaubhaft machen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich der Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befindet, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung des Gerichts eine gesteigerte Bedeutung zu. Ein Anspruch auf der Grundlage des § 3 AsylG setzt voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Hierbei ist es seine Sache, unter Angaben von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141.83 – Buchholz § 108 VwGO, Nr. 147). An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht, sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnisse entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärungen erst sehr spät in das Verfahren einführt (BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BVR 1095/90 – InfAuslR 1991, 94,95; BVerwG, U.v. 30.10.1990 – 9 C 72.89 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; s. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95 EU).
1.4 Dies zugrunde gelegt hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG. Aus dem Vortrag des Klägers in seiner Anhörung beim Bundesamt am 18. Juli 2016 ergibt sich nicht, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Afghanistan eine solche Verfolgung erlitten hat oder von einer solchen Verfolgung unmittelbar bedroht war. Auf die Frage, ob es selbst von den Taliban bedroht wurde, antwortete der Kläger, er habe mit ihnen nichts zu tun gehabt. Ein ihn betreffendes Verfolgungsschicksal ist seinen Angaben vor dem Bundesamt nicht zu entnehmen.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger erneut zu seinen persönlichen Verhältnissen und seinen Fluchtgründen befragt. Der Kläger wiederholte und vertiefte hierbei seinen Vortrag vor dem Bundesamt. Er schilderte hierbei die Ereignisse in Afghanistan, im Iran und in Syrien anschaulich, nachvollziehbar und ausreichend substantiiert. Von seinem persönlichen Eindruck her erschien der Kläger dem Gericht glaubwürdig; er legte die Gründe für die Ausreise seiner Familie aus Afghanistan und für seine Flucht nach Deutschland ohne Übertreibungen dar.
Dem Vorbringen des Klägers ist zusammenfassend zu entnehmen, dass der Ausreise der Familie des Klägers aus Afghanistan ein Anschlag der Taliban auf den Militärkonvoi, mit dem sein Vater unterwegs war, zugrunde lag. Sein Vater überlebte das Gefecht schwer verletzt und ging, nachdem er für seine Behandlung und die Ausreise den Grundbesitz der Familie verkauft hatte, mit der Familie in den Iran. Der Kläger berichtete vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung weder von konkreten Bedrohungen der Taliban vor der Ausreise, die sich persönlich gegen seinen Vater als Mitglied der afghanischen Streitkräfte richteten, noch von Repressalien gegen ihn selbst als Familienangehörigen. Er gab in der mündlichen Verhandlung auch an, der Vater sei im Rahmen des Gefechtes nicht in die Hände der Taliban gefallen, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass den Taliban die Identität des von ihnen Verwundeten überhaupt bekannt geworden ist. Nachdem der Kläger und seine Familie nach dem Anschlag auch noch längere Zeit unbehelligt in Afghanistan lebten, ist der Kläger unverfolgt aus Afghanistan ausgereist.
Es bestehen auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland Afghanistan Verfolgung i.S.d. § 3a AsylG, die sich auf einen der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG bezieht, zu erwarten hätte. Nachdem die Taliban am Kläger vor seiner Ausreise kein Interesse hatten, sein Vater und auch seine Onkel, wovon zwei sich noch in der Provinz Kabul befinden, mittlerweile nicht mehr bei der afghanischen Armee tätig sind und diese Tätigkeit auch bereits längere Zeit zurückliegt, ist die Gefahr einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wie die Taliban i.S.d. § 3a AsylG nicht beachtlich wahrscheinlich.
Darüber hinaus würden Verfolgungsmaßnahmen, selbst wenn diese zu befürchten wären, was nach Überzeugung des Gerichts nicht der Fall ist, nicht an einen der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG anknüpfen. Insbesondere kann nach der Überzeugung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Taliban einem Sohn eines ehemaligen Angehörigen der afghanischen Streitkräfte, der sich selbst in keiner Weise am Kampf gegen die Taliban beteiligt (hat), eine abweichende politische Überzeugung i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG zuschreiben. Die Ziele der Taliban sind insoweit auch nicht eindeutig politischer Natur, sondern weisen eine diffuse Gemengelage aus politischen, religiösen und wirtschaftlich-sozialen Motiven auf. Allein aus dem Umstand der Verwandtschaft und der Tatsache, dass die Taliban ihre Verfolgungsmaßnahmen auch auf Verwandte desjenigen erstrecken, dem wegen seiner Tätigkeit für den afghanischen Staat eine bestimmte politische Überzeugung zugeschrieben wird, lässt sich nicht ableiten, dass eine Verfolgung des Angehörigen gleichfalls an dieses Merkmal anknüpft. Selbst wenn die Taliban den Mitarbeitern der afghanischen Sicherheitskräfte eine bestimmte politische Überzeugung zuschreiben, gilt dies nicht für die ebenfalls bedrohten Angehörigen dieser Mitarbeiter. Ein dem Mitarbeiter zugeschriebenes Merkmal wirkt insofern nicht in der Person seines Angehörigen fort. Zumal das Gericht davon ausgeht, dass Zweck der Verfolgung von Angehörigen die Einschüchterung der Mitarbeiter und das Ansinnen sind, diese von ihrer Tätigkeit abzuhalten. Darin liegt indessen keine Verfolgung auf Grund eines der Person des verfolgten Angehörigen zugeschriebenen Verfolgungsgrundes. Es kann darüber hinaus auch nicht angenommen werden, dass Familienangehörige von Personen, die für die afghanische Regierung oder die Sicherheitskräfte arbeiten, einer bestimmten sozialen Gruppe nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG zuzurechnen sind. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Gruppe eine deutlich abgegrenzte Identität hätte, da bereits völlig unklar ist, wie weit man den Begriff der Familienangehörigen bei den in Afghanistan häufig anzutreffenden Großfamilien und Clanstrukturen überhaupt fassen sollte. Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine solche Gruppe von der sie umgebenden afghanischen Gesellschaft als andersartig betrachtet würde. Es handelt sich letztlich um nur eine Berufsgruppe unter sehr vielen und die Angehörigen von in dieser Berufsgruppe Tätigen.
Nach alledem ist das Gericht der Überzeugung, dass der Kläger unverfolgt aus Afghanistan ausgereist ist und auch im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan keine begründete Furcht vor Verfolgung zu erwarten ist. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des hilfsweise begehrten subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Der Kläger konnte nicht glaubhaft machen, dass er durch die Taliban eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hat. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG in vollem Umfang verwiesen werden. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist nicht ersichtlich.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dem Kläger in seiner Herkunftsregion, der Provinz Kabul, ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG droht, somit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, liegen nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob in der Provinz Kabul ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht. Denn für den Kläger bestünde nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, Opfer eines solchen Konflikts zu werden.
Die obergerichtliche Rechtsprechung geht auf Grundlage der verfügbaren Erkenntnismittel davon aus, dass afghanische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in die Provinz Kabul nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind (vgl. BayVGH, U.v. 17.8.2016 – 13a ZB 16.30090, B.v. 30.5.2016 – 13a ZB 16.30053, B.v. 5.2.2015 – 13a ZB 14.30172 – alle juris; OVG NRW, B.v. 20.7.2015 – 13 A 1531/15.A – juris). Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch wenn man bei Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel (insbesondere Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 4; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.4.2016; UNHCR-Anmerkungen zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, Dezember 2016; Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage – vom 30.9.2016; amnesty international, Amnesty Report 2016 und 2017; EASO, Afghanistan Security Information, November 2016) davon ausgeht, dass die Sicherheitslage in Gesamtafghanistan und auch in der Zentralen Region weiterhin angespannt bleibt und sich teilweise auch verschlechtert hat, ergibt sich bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Kabul einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der unzureichenden medizinischen Versorgungslage in Afghanistan, die eine Notfallbehandlung schwer Verletzter nur eingeschränkt ermöglichen dürfte. Nach dem Jahresbericht der UNAMA (Annual Report 2016 v. Februar 2017, u.a. S. 11) hat sich die Zahl der zivilen Opfer in Gesamtafghanistan 2016 im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Jedoch liegt das Risiko, als Angehöriger der Zivilbevölkerung verletzt oder getötet zu werden, immer noch im Promillebereich. In der Zentralregion, zu der die Provinz Kabul gehört, wurden im Jahr 2016 2.348 Zivilpersonen getötet oder verletzt. Grund für diese deutliche Erhöhung gegenüber dem Vorjahr, als 1.753 zivile Opfer gezählt wurden, waren Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe in der Stadt Kabul (vgl. UNAMA Annual Report 2016 v. Februar 2017, S. 11, 21). Gleichwohl lag die Anschlagswahrscheinlichkeit für die Zentrale Region im Jahr 2016 bei deutlich unter 1 : 800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris). Individuelle gefahrenerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht erkennbar. Auch wenn Familienangehörige von Mitarbeitern der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.4.2016 ein potenzielles Risikoprofil aufweisen (vgl. dort S. 47), so hängt doch auch hier die Schutzbedürftigkeit von den besonderen Umständen des einzelnen Falles ab, nach denen beim Kläger nicht von einer signifikanten Erhöhung des Risikos auszugehen ist. Der Kläger lebte vor seiner Ausreise unbehelligt, obwohl sein Vater und seine Onkel für die afghanischen Streitkräfte tätig waren. Sonstige individuelle gefahrerhöhende Umstände hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht.
Damit ist die für § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche kritische Gefahrenschwelle nicht erreicht.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die weiterhin hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
3.1 Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger bei Rückkehr keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. In Konstellationen wie der Vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; VG München, U.v. 8.5.2014 – M 15 K 12.30903 – juris Rn. 37). Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Fallgestaltung. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, hat der Kläger nicht vorgetragen. Derartige Umstände sind auch nicht anderweitig erkennbar.
3.2 Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte.
Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Dies gilt grundsätzlich auch für Rückkehrer, die keine Berufsausbildung haben und über keinen aufnahmefähigen Familienverband verfügen. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 13a ZB 17.30016 – juris; BayVGH, B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris m.w.N.; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Das Gericht schließt sich für das vorliegende Verfahren dieser Rechtsprechung an. Auch aus den aktuellen Erkenntnismitteln lässt sich darüber hinaus nichts Gegenteiliges herleiten (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Oktober 2016; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 30.9.2016, S. 20 ff.). Hiernach stellt sich die allgemeine Lage in Afghanistan wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familienbzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5%. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80% der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25% des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46% der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40% seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger nicht alsbald nach seiner Rückkehr nach Afghanistan einer extremen Gefahr für Leib und Leben im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG ausgesetzt wäre. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan als Angestellter in einem Lebensmittelladen und im Iran als Angestellter in einem Modegeschäft gearbeitet hat. Weiterhin hat der Kläger bereits im Iran Kickboxen betrieben, was er in Deutschland erfolgreich ausgebaut hat. Auch aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Sprachkenntnisse befindet sich der Kläger daher in einer vergleichsweise guten Position. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). Der Umstand, dass der Kläger die letzten Jahre im Iran verbracht hat, steht der Annahme, er könne sich notfalls in Kabul oder Herat auf sich allein gestellt „durchschlagen“, ebenfalls nicht entgegen. Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich nicht an einem (langjährigen) Aufenthalt in Europa oder in Drittländern, z.B. in Pakistan oder dem Iran. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Ein spezielles „Vertraut-Sein mit den afghanischen Verhältnissen“ mag die Sicherung des Lebensunterhaltes vereinfachen. Anhaltspunkte, dass dies erforderlich sein könnte, sind jedoch nicht ersichtlich (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris m.w.N.). Der Kläger ist in Afghanistan aufgewachsen und spricht eine der Landessprachen Afghanistans. Davon abgesehen ist auch davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Rückkehr nach Afghanistan noch mit familiärer Unterstützung rechnen kann. Der Kläger wäre wohl nicht mittellos auf sich allein gestellt. Nach seinen Angaben leben noch zwei Onkel in der Provinz Kabul. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwandten den Kläger – zumindest im Falle einer Notlage – nicht aufnehmen oder zumindest unterstützen würden.
4. Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung (Nr. 5 des Bescheides) bestehen im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
5. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6 des Bescheides) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Die Klage konnte keinen Erfolg haben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.