Verwaltungsrecht

Unbegründeter Asylantrag wegen fehlenden Nachweises der eritreischen Staatsangehörigkeit

Aktenzeichen  M 12 K 17.38327

Datum:
15.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15191
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Die Prüfung der Staatsangehörigkeit unterliegt dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO. Es besteht keine Beweisregel des Inhalts, dass der Nachweis der Staatsangehörigkeit nur durch Vorlage entsprechender Papiere dieses Staates geführt werden kann; vielmehr ist das erkennende Gericht nach § 173 VwGO iVm § 293 ZPO verpflichtet, ausländisches Recht unter Nutzung aller ihm zugänglichen Erkenntnisquellen von Amts wegen zu ermitteln. (Rn. 33) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Die Geburt auf eritreischem Gebiet im Jahr 1987 vermittelt keine eritreische Staatsangehörigkeit, da zu diesem Zeitpunkt der Staat Eritrea noch nicht bestanden hat, sodass Bewohner der damaligen Provinz Eritrea die äthiopische Staatsangehörigkeit innehatten. Die Gründung des Staates Eritrea erfolgte erst im Mai 1993. (Rn. 37) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Im Ausland lebende Eritreer können, auch wenn sie eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen, als eritreische Staatsangehörige anerkannt werden, wenn sie ihre Abstammung nachweisen oder Zeugen dafür benennen können. (Rn. 40) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Äthiopien ist als eines der ärmstem Länder der Welt im Falle von Ernteausfällen auf die Unterstützung internationale Hilfsorganisationen angewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer nach Äthiopien keine Lebensmittelhilfen erhalten, bestehen nicht. (red. LS Clemens Kurzidem)
5. Die Stellung eines Asylantrags im Bundesgebiet bzw. die illegale Ausreise aus Äthiopien besitzen keine asylrechtliche Relevanz. (Rn. 50) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2019 entschieden werden, obwohl außer dem Kläger und seiner Prozessbevollmächtigten niemand erschienen ist. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Verfahrensgegenstand ist der Bescheid des Bundesamtes vom 21. April 2017 und ob der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG, hilfsweise auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gem. § 4 AsylG und hilfsweise Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hat (vgl. Antrag der Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom … April 2017 und in der mündlichen Verhandlung).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG. Zudem liegen beim Kläger keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG vor. Auch liegen keine Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juni 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention – GK), wenn er sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 1) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2).
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – keine Abweichung zulässig ist, oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist (vgl. § 3a Abs. 1 AsylG). Als Verfolgung in diesem Sinne können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt oder unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung gelten (vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 1 und 3 AsylG). Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Eine nähere Umschreibung der Verfolgungsgründe enthält § 3b AsylG. Demnach ist unter dem Begriff der politischen Überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die politischen Merkmale aufweist, sofern ihm diese Merkmale von seinen Verfolgern zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).
Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG kann ausgehen von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (vgl. § 3c AsylG). Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam sein und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (vgl. § 3d Abs. 2 AsylG).)
Gemäß § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (sog. „interner Schutz“, vgl. § 3e Abs. 1 AsylG).
Nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte von der Notwendigkeit erfasst, stichhaltige Gründe dafür dazulegen, dass sich die verfolgungsbegründeten Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.2009 – 10 C 5/09, juris Rn. 23).
Die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU kommt dem vorverfolgten Antragsteller dabei auch bei der Prüfung zugute, ob für ihn im Gebiet einer internen Schutzalternative keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2009 – 10 C 21/08 -, juris Rn. 24 f).
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt überdies voraus, dass zwischen der Verfolgungshandlung und der späteren Ausreise („Flucht“) ein objektiver Zusammenhang besteht. Zwar ist nicht nur derjenige i.S.d. Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG verfolgt ausgereist, der noch während der Dauer eines Pogroms oder individueller Verfolgung seinen Herkunftsstaat verlässt. Dies kann vielmehr auch bei einer Ausreise erst nach dem Ende einer Verfolgung der Fall sein. Die Ausreise muss dann aber unter Umständen geschehen, die bei objektiver Betrachtungsweise noch das äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck der erlittenen Verfolgung stattfindenden Flucht ergeben. Nur wenn ein durch die erlittene Verfolgung hervorgerufenes Trauma in einem solchen äußeren Zusammenhang eine Entsprechung findet, kann es als beachtlich angesehen werden. In dieser Hinsicht kommt der zwischen dem Abschluss der Verfolgung und der Ausreise verstrichenen Zeit eine entscheidende Bedeutung zu. Je länger der Ausländer nach erlittener Verfolgung in seinem Heimatland unbehelligt verbleibt, umso mehr schwindet der objektive äußere Zusammenhang mit seiner Ausreise dahin. Daher kann allein schon bloßer Zeitablauf dazu führen, dass eine Ausreise den Charakter einer unter dem Druck einer früheren Verfolgung stehenden Flucht verliert. Daraus folgt, dass ein Ausländer, dessen Verfolgung in der Vergangenheit ihr Ende gefunden hat, grundsätzlich nur dann als verfolgt ausgereist angesehen werden kann, wenn er seinen Heimatstaat in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der Verfolgung verlässt. Das bedeutet nicht, dass er zwangsläufig stets sofort oder unmittelbar danach ausreisen müsste. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Ausreise zeitnah zur Beendigung der Verfolgung stattfindet. Welche Zeitspanne in dieser Hinsicht maßgebend ist, hängt von den Umständen der jeweiligen Verhältnisse ab (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.1990 – 9 C 60/89 – juris; VGH BW, U.v. 7.3.2013 – A 9 S 1873/12 -, juris; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 59 ff.).
Bei der individuellen Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz sind alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevant sind, einschließlich der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Herkunftslandes und der Weise, in der sie angewandt werden, sowie die maßgeblichen Angaben des Antragstellers und die von ihm vorgelegten Unterlagen, einschließlich Informationen zu der Frage, ob er verfolgt worden ist bzw. verfolgt werden könnte (Art. 4 Abs. 3 Buchst. a und b RL 2011/95/EU). Weiterhin sind zu berücksichtigen die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, um bewerten zu können, ob in Anbetracht seiner persönlichen Umstände die Handlungen, denen er ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, einer Verfolgung gleichzusetzen sind (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. c RL 2011/95/EU).)
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss auch in Asylstreitigkeiten das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrscheinlichkeit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
Das Tatsachengericht darf dabei berücksichtigen, dass die Befragung von Asylbewerbern aus anderen Kulturkreisen mit erheblichen Problemen verbunden ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 a.a.O. Rn. 4). Der Asylbewerber befindet sich typischerweise in Beweisnot. Er ist als „Zeuge in eigener Sache“ zumeist das einzige Beweismittel. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 121). Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984, Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, U.v. 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; B.v. 21.7.1989, Buchholz a.a.O., Nr. 113).
In Anwendung dieser Grundsätze ist dem Kläger keine Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Eritrea oder Äthiopien oder er im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien landesweit von Verfolgung gem. § 3 AsylG betroffen war bzw. bedroht sein würde.
Der Kläger hat zu seiner Vorverfolgung weder flüchtlingsrelevante noch glaubhafte Gründe vorgetragen.
Für die Ausreise aus Eritrea im Alter von sechs Monaten hat der Kläger keine flüchtlingsrelevanten Gründe vorgetragen. Er trug nur vor, er erinnere sich an nichts, es seien Unruhen in Eritrea gewesen (Bl. 40 BA). Dabei handelt es sich nicht um konkretes flüchtlingsschutzrelevantes Vorbringen.
Der Kläger macht zwar Flüchtlingsschutz hinsichtlich einer auf Eritrea bezogenen Verfolgungsfurcht geltend; das Gericht geht aber davon aus, dass der Kläger nicht die eritreische Staatsangehörigkeit hat, sondern die äthiopische.
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt nach § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 1A Nr. 2 GFK nur bei Verfolgung im Staat der Staatsangehörigkeit oder – bei de jure Staatenlosen – im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 26. 2. 2009 – 10 C 50/07 – juris; U.v. 8. 2. 2005 – 1C 29.03 – juris).
Die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine Person innehat, bestimmt sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des in Frage kommenden Staates, weil Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit grundsätzlich durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geregelt werden. Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit findet der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung Anwendung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dementsprechend gibt es keine Beweisregel des Inhalts, dass der Nachweis der Staatsangehörigkeit eines Staates nur durch Vorlage entsprechender Papiere dieses Staates geführt werden kann. Es ist nämlich gerade Sinn und Zweck der freien Beweiswürdigung, das Gericht nicht an starre Regeln zu binden, sondern ihm zu ermöglichen, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden (BVerwG, U.v. 8.2.2015 – 1 C 29/03 – juris). Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit verpflichtet § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 293 ZPO das erkennende Gericht, ausländisches Recht unter Ausnutzung aller ihm zugänglichen Erkenntnisquellen von Amts wegen zu ermitteln.
Dass der Kläger mit Blick auf die geltend gemachte Verfolgungsfurcht tatsächlich eritreischer Staatsangehöriger ist, hat der darlegungs- und nach Kräften beweisbelastete Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft machen können.
Der Kläger konnte keine Dokumente vorlegen, die seine eritreische Staatsangehörigkeit beweisen würden.
Er trug vor, im Jahr 1987 in …Eritrea geboren zu sein und Eritrea im Alter von sechs Monaten verlassen, 12 Jahre in Äthiopien und danach 15 Jahre im Sudan gelebt zu haben (Bl. 39 BA). Der Vater sei vor der Ausreise aus Eritrea gestorben, die Mutter lebe im Sudan, die Personalien des Großvaters väterlicherseits kenne er nicht (Bl. 39, 40 BA).
Mit der Geburt auf eritreischem Gebiet im Jahr 1987 hat der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit nicht erworben, weil es zum Zeitpunkt seiner Geburt weder den Staat Eritrea noch die eritreische Staatsangehörigkeit gegeben hat. Diese hat es erst mit Gründung des Staates Eritrea im Mai 1993 gegeben. Vorher war das Gebiet Eritreas eine äthiopische Provinz, deren Bewohner die äthiopische Staatsangehörigkeit hatten (Stellungnahme G* … S* … an VG Kassel vom 20.6.2017, Seite 13). Insofern konnten die Eltern des Klägers im Jahr 1987 an den Kläger keine eritreische Staatsangehörigkeit weitergeben, allenfalls die äthiopische.
Durch die Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992 (abgedruckt in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, August 2005; im Folgenden: Proklamation) hat der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit nicht erworben. Nach Art. 2 Abs. 1 der Proklamation ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt, wer in Eritrea oder im Ausland als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren ist. „Eritreischer Abstammung“ ist gem. Art. 2 Abs. 2 der Proklamation, wer 1933 seinen Aufenthalt in Eritrea hatte. Grund für das Abstellen auf das Jahr 1933 war, dass die damalige Kolonialmacht Italien in jenem Jahr eine umfassende Registrierung der örtlichen Bevölkerung begann. Der Begriff der „eritreischen Abstammung“ in Art. 2 Abs. 2 der Proklamation ist also nicht mit der eritreischen Volkszugehörigkeit identisch, sondern verlangt den Aufenthalt einer Person im Gebiet des heutigen Eritrea im Jahr 1933 (VGH Baden Württemberg, U.v. 21.1.2003 – A 9 S 397/00 -juris). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift muss es auch ausreichen, wenn die Eltern der Eltern des Klägers im Jahr 1933 auf dem Gebiet von Eritrea gelebt haben (VG Münster, U.v. 22.7.2015 – 9 K 3488/13.A – juris; Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Eritrea v. 25.2.2018, V.3.).
Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass Vorfahren der Eltern auf dem Gebiet Eritreas gelebt haben. Die Einlassung des Klägers zu Verwandten in Eritrea, der Vater sei gestorben, die Mutter lebe im Sudan und die Personalien des Großvaters väterlicherseits kenne er nicht, genügt dafür nicht. Die vorgetragenen Umstände sprechen eher dafür, dass die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers die äthiopische Staatsangehörigkeit hatten, da … bis zur Unabhängigkeit Eritreas im Mai 1993 innerhalb einer äthiopischen Provinz lag (siehe oben). Hätten seine Eltern 1993 eine eritreische ID-Karte erhalten, wäre der Kläger als minderjähriges Kind in den Unterlagen der eritreischen Behörden automatisch als eritreischer Staatsbürger eingetragen worden. Für die Ausstellung einer eigenen ID-Karte hätte der Kläger bei der für seinen Wohnort zuständigen Stelle vorsprechen müssen und die ID-Karte beantragen müssen (G* … s* …, Stellungnahme v. 20.6.2017 an das VG Kassel, Rn. 39).
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger nachträglich die eritreische Staatsangehörigkeit erworben hat. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit gem. Art. 2 Abs. 5 oder Art. 3 ff. der Proklamation erworben hat. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er oder seine Eltern einen Antrag an das eritreische Innenministerium zum Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit gerichtet haben, Art. 2 Abs. 5 der Proklamation. Auch durch Einbürgerung, Adoption oder Eheschließung hat der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit offenbar nicht erworben, Art. 3 ff. der Proklamation. Aus einer Auskunft des Auswärtigen Amtes an den VGH Baden-Württemberg vom 21.11.2001 ergibt sich, dass im Ausland lebende Eritreer, auch wenn sie eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen, als eritreische Staatsangehörige anerkannt werden, wenn sie ihre Abstammung nachweisen oder Zeugen dafür benennen können. Üblicherweise würden Eritreer bei der jeweiligen Auslandsvertretung vorsprechen und eine ID-Card oder einen eritreischen Pass beantragen. Mit diesem Antrag müssen Nachweise über die eritreische Abstammung eingereicht werden bzw. Zeugen, die die Abstammung bestätigen können, benannt werden (VGH Baden-Württemberg, U.v. 21.1.2003 – A 9 S 397/00 – juris). Auch das Auswärtige Amt (o.g. Lagebericht, V.1.4) geht davon aus, dass geflüchtete Eritreer im Ausland problemlos eritreische Pässe erhalten, wenn sie die geforderte Aufbausteuer entrichten. Dies hat der Kläger offensichtlich nicht getan.
Auch die übrigen Umstände sprechen nicht für eine eritreische Staatsangehörigkeit. Der Kläger kann über das Land, dessen Staatsangehöriger er sein will, so gut wie nichts sagen (Bl. 40, 41 BA).
Der Kläger ist seiner Darlegungs- und Beweislast daher nicht nachgekommen; es spricht nichts dafür, dass er die eritreische Staatsangehörigkeit besitzt. Das Gericht geht davon aus, dass er die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzt.
Für die Ausreise aus Äthiopien im Alter von 12 Jahren (also ca. im Jahr 1999/2000) hat der Kläger einen flüchtlingsrechtlich irrelevanten und unglaubhaften Sachverhalt vorgetragen. Er trug vor, es sei nicht „sein Land“, die Eritreer seien rausgeschmissen worden. Seine Mutter sei im Sudan gewesen. Er habe in Äthiopien keine Familie (Bl. 41 BA). Dabei handelt es sich nicht um konkretes den Kläger betreffendes Verfolgungsgeschehen.
Unglaubhaft ist auch, dass der Kläger in Äthiopien keine Personaldokumente erhalten hätte und versteckt habe leben müssen (Vortrag in der mündlichen Verhandlung). Seit dem Jahr 2004 können Eritreer – selbst wenn der Kläger ein solcher wäre, wofür nichts spricht (siehe oben) – sich in Äthiopien entweder einbürgern lassen oder erhalten auf Wunsch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Sie können eine äthiopische Identitätskarte beantragen, auf der ihre eritreische Staatsangehörigkeit vermerkt wird, ebenso wie einen äthiopischen Fremdenpass. Als weiteres „Privileg“ können sie ihre (im Ausland erfolgte) Geburt nachregistrieren lassen und damit auch Geburtsurkunden beantragen. Das Verfahren läuft problemlos (Lagebericht des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2012, II., 1.3). Unter der vorgenannten Direktive von Januar 2004 hätte der Kläger also in einem Zeitraum von wenigen Monaten eine Klärung seiner Nationalität durchführen können. Als deren Folge hätte er entweder die Anerkennung als äthiopischer Staatsbürger oder eine Einstufung als eritreischer Staatsbürger mit Dauerwohnrecht in Äthiopien erhalten können (G* … s* …, Stellungnahme vom 20. Juni 2017 an das VG Kassel, Rn. 14). Dies hat der Kläger offenbar nicht getan; er hätte dies auch vom Sudan aus veranlassen können oder nach Äthiopien zurückkehren können.
Insgesamt hat der Kläger zu seiner Vorverfolgung einen irrelevanten bzw. unglaubhaften Sachverhalt vorgetragen, von dem das Gericht annimmt, dass er sich nicht ereignet hat. Es spricht alles dafür, dass der Kläger aus wirtschaftlichen Gründen Äthiopien und den Sudan verlassen hat.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot zugunsten ders Klägers ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist – auch nach den Angaben des Klägers – nicht ersichtlich, dass ihm bei einer Rückkehr nach Äthiopien Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG; § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.) drohen könnte. Zu der behaupteten Vorverfolgung hat der Kläger irrelevante und unglaubhafte Angaben (siehe oben) gemacht.
Ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG liegt offensichtlich nicht vor.
Beim Kläger liegt auch kein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Der Kläger kann keinen Abschiebungsschutz wegen der harten Existenzbedingungen in Äthiopien beanspruchen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er bei seiner Rückkehr einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle der Abschiebung dorthin gleichsam „sehenden Auges“ dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würden (vgl. BVerwG vom 12.7.2001, InfAuslR 2002,52/55). Davon ist jedoch nicht auszugehen. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in Äthiopien nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert. Die Existenzbedingungen in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, sind für große Teile insbesondere der Landbevölkerung äußerst hart und, bei Ernteausfällen, potentiell lebensbedrohend. In diesen Fällen ist das Land auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen. Ca. 3,2 Mio. Äthiopier waren in 2014 auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, Die Hilfskosten wurden für 2014 auf 451,9 Mio. US-$ beziffert, darin enthalten sind neben der reinen Nahrungsmittelhilfe auch Non Food Items wie Kosten für Hygiene und Gesundheit. Zusätzlich werden 7.8 Mio. Menschen über das Productive Safety net Programme unterstützt, die sonst auch Nothilfe benötigen würden (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 4.3.2015, IV.1.1.1 und vom 24.5.2016., IV.1.11). Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten, bestehen nicht. Für Rückkehrer bieten sich schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung. Vor allem für Rückkehrer, die über Qualifikationen und Sprachkenntnisse verfügen, besteht die Möglichkeit, Arbeit zu finden oder sich erfolgreich selbständig zu machen. Der Kläger hat vier Jahre lang die Schule besucht (Bl. 40 BA). Er hat im Sudan bei einer …firma geabeitet (Bl. 40 BA). Er wird im Bundesgebiet etwas Deutsch lernen können. Es ist dem Kläger zuzumuten, sich in Äthiopien eine Arbeit zu suchen, wofür er als Rückkehrer gute Chancen hat; er kann auch an die von ihm ausgeübte Tätigkeit als …kraft anknüpfen und in einem ähnlichen Beruf in Äthiopien arbeiten. Mit seiner Arbeit kann er auch den Lebensunterhalt für seinen Sohn und die Kindsmutter erwirtschaften, wie andere äthiopische Eltern auch. Erwerbstätigkeiten in Äthiopien bestehen grundsätzlich auch für Personen ohne abgeschlossene Ausbildung.
Die Stellung eines Asylantrags im Bundesgebiet bzw. die illegale Ausreise aus Äthiopien bleiben ohne Konsequenzen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes über Äthiopien vom 24.5.2016, II.,1.9 und vom 6. 3. 2017, IV. 2).
Die nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 und des § 36 Abs. 1 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt keine Aufenthaltsgenehmigung und sind auch nicht als Asylberechtigter/Schutzberechtigter anerkannt.
Die im Bescheid gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ist nach Maßgabe des § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Über die Länge der Frist wird gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden, wobei die Befristung im Regelfall fünf Jahre nicht überschreiten darf. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensausübung sind nicht erkennbar, zumal die Klägerseite diesbezüglich keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und insbesondere kein fehlerhaftes Ermessen gerügt hat.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit vergibt such aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO.

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