Aktenzeichen B 3 K 17.33538
Leitsatz
1 Beruft sich ein irakischer Asylbewerber erstmals im Asylfolgeverfahren auf seine ihm seit seinem 16. Lebensjahr bewusste Homosexualität, erscheint dies nicht glaubhaft, da es nahegelegen hätte, diesen Umstand, der in seiner Herkunftsregion zu heftigen Anfeindungen führen kann, bereits bei seiner Anhörung im Erstverfahren dem Bundesamt vorzutragen. (Rn. 29) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass einem irakischen Asylbewerber bei seiner Rückkehr in den Irak nach Sulaymaniya ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung) iSv § 4 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 AsylG droht. (Rn. 34) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Obwohl im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt stattfindet, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint, kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt nicht gesprochen werden. (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Die derzeitigen humanitären Bedingungen in den kurdisch kontrollierten Gebieten des Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung eines Asylbewerbers dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. (Rn. 40) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehöriger mit Ausnahme von Straftätern nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebestopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, sodass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bedarf (vgl. VG München BeckRS 2016, 113130). (Rn. 44) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.1 Die Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG scheitert im Übrigen bereits daran, dass der Kläger auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, was gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG zur Folge hat, dass er sich nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen kann, weil die Bundesrepublik Deutschland von Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften umgeben ist. Im Übrigen sind die Voraussetzungen zur Anerkennung als Asylberechtigter im Wesentlichen die Gleichen wie zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, so dass auf die Ausführungen dazu (siehe unten) Bezug genommen werden kann.
1.2 Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt Folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 16.04.1985, Az.: 9 C 109.84). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U. v. 16.04.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 20.02.2013, Az.: 10 C 23/12; VG Augsburg, U. v. 11.07.2016, Az.: Au 5 K 16.30604).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von einer solchen Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.
Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es -unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U. v. 27.08.2013, Az.: A 12 S 2023/11; Hess. VGH, U. v. 04.09.2014, Az.: 8 A 2434/11.A).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes. Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Auch in der mündlichen Verhandlung vermochte der Kläger keine Verfolgungssituation glaubhaft darzulegen.
Seine Angabe, dass sein Vater, weil er Angehöriger der Peschmerga sei und eine Waffe besitze, nicht bedroht werde, legt die Annahme nahe, dass auch dessen Familienangehörigen, seine neue Ehefrau mit den Kindern, genauso wenig bedroht werden, zumal der Kläger weder beim … noch in der mündlichen Verhandlung hiervon berichtete. Wenn jedoch diese keiner Gefährdungslage ausgesetzt sind, obwohl sie im Irak greifbar wären, dann ist keinesfalls plausibel, warum ausgerechnet und ausschließlich das Leben des Klägers gefährdet sein soll.
Seine Schilderung von zweimaligen Schüssen, die angeblich im zweiten Monat seines Aufenthalts im Irak auf ihn abgegeben worden sein sollen, war beim … als auch in der mündlichen Verhandlung auffällig detailarm und ohne jegliche Darlegung der näheren Umstände, so dass das Gericht nicht davon ausgehen kann, dass solches tatsächlich vorgefallen ist. Gleiches gilt für angebliche Bedrohungen.
Soweit der Kläger erstmalig im Folgeverfahren seine Homosexualität als Verfolgungsgrund geltend macht, ist dies für das Gericht nicht glaubhaft. Auf die ausführliche Begründung hierzu im streitgegenständlichen Bescheid, denen sich das Gericht vollumfänglich anschließt, wird Bezug genommen Ergänzend ist anzumerken, dass es schon nicht nachvollziehbar und plausibel erscheint, warum der Kläger bei seiner ersten Anhörung, nachdem er sich seiner anderen Veranlagung und Homosexualität bereits seit seinem 16. Lebensjahr bewusst gewesen sein will, das … hiervon nicht informiert. Denn würde tatsächlich eine solche Veranlagung vorliegen, die im Heimatland seinen Angaben zufolge zu heftigen Anfeindungen führen kann, hätte es nahegelegen, gerade das … hiervon schnellstmöglich in Kenntnis zu setzen. Die Tatsache, dass er das nicht getan hat, lässt erkennen, dass es ihm offensichtlich nicht so wichtig gewesen ist. Diese Einstellung lässt wiederum erhebliche Zweifel an der Behauptung seiner Homosexualität aufkommen. Soweit er dazu auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung angab, dass er sich dessen geschämt habe, ist dies wenig glaubhaft, da es sich dabei immerhin um einen maßgeblichen Asylgrund handelt.
Der Umstand, dass er beim … noch erklärt hatte, erst ab dem 17. Lebensjahr und nicht ab dem 16. Lebensjahr, wie er in der mündlichen Verhandlung angegeben hatte, sein Anderssein verspürt zu haben, lässt die Zweifel nicht geringer werden. Auch die Schilderung, wie sein Vater Kenntnis von seiner Homosexualität erhalten haben und auf die kompromittierenden Fotos in seinem Mobilphone gestoßen sein will, glaubt ihm das Gericht nicht. Wenn er bereits weiß, dass sich entsprechende Fotos auf seinem Mobilphone befinden, und er darüber hinaus sich dessen bewusst ist, dass sein Vater sich durchaus das Recht herausnimmt, sein Smartphone zu kontrollieren, wie er es in der mündlichen Verhandlung als „übliche Verhaltensweise“ von Eltern im Irak darstellte, dann ist es umso weniger glaubhaft, wenn er sein Smartphone ohne besondere Schutzvorkehrungen für jeden einsehbar herumliegen lässt. Anzumerken ist hierzu, dass eine solche Vorgehensweise im Gefängnis nicht gerade ungefährlich wäre.
Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die Behauptung einer Homosexualität nur aus asyltaktischen Gründen vorgetragen wurde, nachdem sein erstes Asylverfahren erfolglos verlaufen war. Hierfür spricht auch, dass der Kläger sich nach den Äußerungen beim … offenbar eher um seine berufliche Zukunft und Erwerbseinkommen als um sein Leben als Homosexueller im Irak sorgt.
Das Gericht geht deshalb davon aus, dass der Kläger ein weiteres Mal den Irak unverfolgt verlassen hat und auch Nachfluchtgründe nicht vorliegen.
1.3 Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG, noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.
Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass ihm bei einer Rückkehr in den Irak nach Sulaymaniya ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.
Im Hinblick auf die Schutzregelung nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, wonach einem Ausländer subsidiärer Schutz zusteht, wenn er in seinem Herkunftsland als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, verweist das Gericht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.04.2010 – 10 C 4/09. Dabei muss der den bestehenden Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht haben, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei ihrer Rückkehr in den Irak oder in die von dem bewaffneten Konflikt betroffene Region allein durch ihre dortige Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. dazu auch BVerwG, U. v. 14.07.2009, Az.: 10 C 9.08; U. v. 24.06.2008, Az.: 10 C 43.07). Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.2008, Az.: 10 C 43/07). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U. v. 24.06.2008 a.a.O.).
Dass nicht gleichsam jede Zivilperson im Irak allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist, folgt im Übrigen bereits daraus, dass bei einer Gesamtbevölkerung mit etwa 32 bis 34 Millionen Einwohnern (vgl. www.asienauf-HYPERLINK „http://einenblick.de/irak/„einenblick.de/irak/, www.auswaertigesamt.de/DE/ Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Irak.html) die Zahl der zivilen Todesopfer im Jahr 2016 mit 16.350 zivile Todesfälle (vgl. https://www.iraqbodycount.org/database/) (2015: insgesamt 17.502, 2014: 20.169) angegeben ist. Die Wahrscheinlichkeit unter diesen Voraussetzungen um Leben zu kommen liegt bei 0,051%. Auch wenn eine gleiche Anzahl als Dunkelziffer von nicht erfassten zivilen Todesopfern (16.350) sowie ein Vierfaches von verletzten Zivilpersonen (16.350*4) berücksichtigt wird, reicht die abstrakte Gefahr, angesichts von Kampfeshandlungen in einigen Bereichen im Irak Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht aus. Sie läge nach diesen Maßgaben bei 0,26%. Auch damit wird die erforderliche abstrakte Gefahr im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht erreicht.
Von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak nicht gesprochen werden. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht. Der Kläger muss daher dort nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, so dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil bzw. Landesteilen aufhält. Die Provinz Sulaymaniya liegt im KRI-Gebiet und ist von den Kampfhandlungen im restlichen Irak weitgehend verschont geblieben. Vielmehr suchen und finden viele Flüchtlinge in diesem Gebiet Schutz (vgl. Bayer. Verwaltungsgerichtshof vom 09.01.2017, Az. 13a ZB 16.30689, in juris, VG München vom 22.12.2016, Az. M 4 K 16.33437). Gegen eine maßgebliche individuelle Gefahr spricht zudem, dass sich nach den Erkenntnissen des UNHCR seit Mitte 2015 eine zunehmende Anzahl irakischer Staatsangehöriger dafür entschieden hat, aus Europa in den Irak zurückzukehren, einschließlich nach Bagdad, Erbil, Sulaymaniya, Basra und Nadschaf (vgl. UNHCR-Position zur Rückkehr in den Irak vom 14.11.2016, S. 22).
1.4 Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen.
a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt.
Die derzeitigen humanitären Bedingungen in den kurdisch kontrollierten Gebieten des Iraks führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Eventuelle schlechte humanitäre Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem Kläger nach einer Rückkehr mit Hilfe der Familienangehörigen nicht gelingen könnte in Kurdistan zumindest eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen.
b) Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG, die dem Kläger bei Rückkehr in den Irak drohen könnten, wurden nicht (glaubhaft) vorgetragen und liegen auch nach Erkenntnissen des Gerichts nicht vor.
c) Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind im Übrigen Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – juris; VG München, U.v. 22.12.2016 – M 4 K 16.33226 – juris). Sonstige Gefahren i.S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind nicht ersichtlich.
Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das … im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde. Damit sind die Empfehlungen des UNHCR vom 14.11.2016 (UNHCR-Position zur Rückkehr in den Irak vom 14.11.2016, S. 25 f.) umgesetzt.
1.5 Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
1.6 Soweit entgegen § 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht befristet wurde, lässt dies die Rechtmäßigkeit des Bescheides im Übrigen unberührt. Die Befristung kann noch bei der Ab- oder Zurückschiebung festgesetzt werden (§ 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.