Verwaltungsrecht

Unbegründeter Eilantrag gegen Abschiebungsandrohung in den Senegal

Aktenzeichen  M 11 S 16.30631

Datum:
10.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3e, § 26a Abs. 1, § 29a Abs. 2, § 34 Abs. 1, § 36
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es Rebellenorganisationen gäbe, die im gesamten Staatsgebiet aktiv wären. Dem Antragsteller steht eine Rückkehr in andere Landesteile offen. (redaktioneller Leitsatz)
Auch unter Berücksichtigung der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Senegal kann einem jungen Mann die Rückkehr und die Aufnahme einer Arbeit zugemutet werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben senegalesischer Staatsangehöriger mit der Volkszugehörigkeit Wolof und geboren am … Januar 1994. Er habe sein Heimatland im Jahr 2013 per Auto Richtung Mali verlassen. Von dort sei er über Burkina Faso und den Niger nach Libyen gelangt, wo er ca. 8 – 9 Monate geblieben sei. Anschließend sei er dann über Italien nach Deutschland eingereist.
Am 7. Juli 2014 stellte er einen Asylantrag.
Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) – Außenstelle … – am 1. Dezember 2015 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er habe 13 Jahre in … gelebt und dort habe er manchmal jemandem im Wald geholfen, Sachen von einem LKW zu laden. Dann seien die Rebellen in den Wald gekommen und er habe fliehen müssen. Man könne nur im Wald Geld verdienen, seitdem es zu Ausschreitungen zwischen Rebellen und Militär gekommen sei, sei er geflohen. Auf die Frage, ob er überlegt habe, nach Medina oder in einen anderen Teil des Senegal zu gehen, gab der Antragsteller an, daran habe er nicht gedacht. Es handele sich „um ein Problem von ganz Senegal“, die Regierung könne das nicht lösen. Auf die Frage, welches Problem er meine, gab der Antragsteller an: „die Ausschreitungen“. Weil „sie“ den Fahrern geholfen hätten, Holz zu laden, hätten „sie“ sich bei den Rebellen unbeliebt gemacht. Er selbst habe die Rebellen nie gesehen. Einer habe davon erzählt und dann seien „sie“ geflohen. Politisch aktiv sei er im Senegal nicht gewesen, ebenso habe er keine Probleme mit Staat, Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt. Er fürchte nur die Rebellen. Bevor diese ihn umbrächten, wolle er sich in Deutschland verstecken.
Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die Anhörung Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 8. März 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) jeweils als offensichtlich unbegründet ab. Der Antrag auf subsidiären Schutz wurde abgelehnt (Nr. 3) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Andernfalls werde er in den Senegal abgeschoben (Nr. 5).
Im Übrigen wird auf den Bescheid und seine Begründung Bezug genommen.
Der Bescheid wurde mit Begleitschreiben vom 15. März 2016 an den Bevollmächtigten des Antragstellers übersandt. Einen Zustellungsnachweis enthält die Behördenakte nicht, jedoch einen Ab-Vermerk (Bl. 77 der Bundesamtsakte), demzufolge der Bescheid als Einschreiben am 21. März 2016 zur Post gegeben wurde.
Der Antragsteller ließ mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 24. März 2016, beim Gericht eingegangen per Telefax am selben Tag, Klage (Az. des Klageverfahrens: M 11 K 16.30630) erheben und beantragen, den Bescheid aufzuheben sowie die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen sowie die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 – 7 AufenthG vorliegen.
Ferner ließ der Antragsteller mit demselben Schriftsatz beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird auf das mündliche Vorbringen der Antragspartei bei Verwaltung und Behörden verwiesen. Auf den Schriftsatz wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 24. März 2016, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am 1. April 2016, legte das Bundesamt die Akten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten – auch im Klageverfahren – und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Asylgesetz – AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I, S. 390), das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern sowie zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I, S. 394) und das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl I, S. 1939) geänderten Fassungen zur Anwendung.
Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i. V. m. § 75 AsylG sowie § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG). Er ist jedoch unbegründet.
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz – GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht Stand halten wird (BVerfG, U.v.14.05.1996 – 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 (194) = NVwZ 1996, 678 = juris Rn. 99). Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
Die Androhung der Abschiebung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet (§ 34 Abs. 1 i. V. m. § 36 Abs. 1 AsylG). Das Gericht hat daher die Einschätzung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Maßgeblich ist dabei, ob sich diese Einschätzung im Ergebnis als tragfähig und rechtmäßig erweist. Darüber hinaus hat das Gericht – gemessen am Maßstab der ernstlichen Zweifel – auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint hat (vgl. zum Ganzen: Marx, Kommentar zum AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 36 Rn. 43, 56 f. – jeweils m. w. N.). Zu berücksichtigen ist hinsichtlich des Asylantrags und des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ob Umstände vorliegen, die eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen können. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat aufgeführt.
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides vom 8. März 2016. Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt hat. Dem Antragsteller droht offensichtlich weder im Hinblick auf die allgemeine Situation im Senegal noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine asylerhebliche Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 8. März 2016 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
1. Der Antragsteller kann gemäß Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 AsylG schon deshalb offensichtlich nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, weil er nach eigenem Vortrag über Italien eingereist und daher über einen sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 GG i. V. m. § 26a Abs. 2 AsylG nach Deutschland gelangt ist.
2. Auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG) kommt ganz offensichtlich nicht in Betracht.
Hinsichtlich der geltend gemachten Bedrohung durch nicht näher bezeichnete Rebellen – wobei der Antragsteller ausdrücklich angegeben hat, die Rebellen selbst nie gesehen zu haben, er wisse von ihnen nur vom Hörensagen -, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in diesem Fall – insofern liegt eine behauptete Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure vor – ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht und damit interner Schutz zur Verfügung steht (§ 3e AsylG). Es steht außer Frage, dass der Antragsteller nach einer Rückkehr in den Senegal in einen anderen Landesteil ziehen könnte, wo er von den angeblichen Rebellen mit asylrechtlich hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht ausfindig gemacht werden kann. Die entsprechende Angabe des Antragstellers in der Anhörung, er könne, um den Rebellen aus dem Wege zu gehen, nicht in einen anderen Teil des Senegal gehen, ist unter Berücksichtigung des Berichts im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG (Stand: 08/2015) vom 21. November 2015 weder nachvollziehbar noch glaubhaft. In diesem Bericht ist keine Rede davon, dass es irgendeine Rebellenorganisation gäbe, die im gesamten Staatsgebiet des Senegal aktiv wäre, geschweige denn in der Lage, gegen eine einzelne Person wie den Antragsteller vorzugehen.
Soweit der Antragsteller geltend macht, dass er in dem Dorf … in der Casamance gelebt habe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn man als zutreffend unterstellt, dass in der Region Casamance die Möglichkeit besteht, dass der Antragsteller von Rebellen behelligt würde, steht ihm jederzeit und ohne irgendeine Einschränkung eine Rückkehrmöglichkeit in andere Landesteile des Senegals offen (vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 12 des Berichts im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG (Stand: 08/2015) vom 21. November 2015 unter 3. „Ausweichmöglichketen“).
3. Subsidiärer Schutz (§ 4 AsylG) oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheiden schon deshalb ebenso eindeutig und offensichtlich aus, weil hinsichtlich der vom Antragsteller vorgebrachten Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure – wie eben ausgeführt – eine inländische Fluchtalternative und damit interner Schutz zur Verfügung steht.
4. Soweit vom Antragsteller zumindest indirekt auf die schlechte wirtschaftliche Situation im Senegal eingegangen wird, ergibt sich daraus nichts anders.
Aus diesem Vorbringen folgt schon im Ansatz ganz offensichtlich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass bei dem Antragsteller eine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen könnte.
Insbesondere bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller im Falle einer Rückkehr in den Senegal in eine derart schlechte wirtschaftliche Lage kommen könnte, dass ausnahmsweise in seinem außergewöhnlichen Einzelfall aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen bzw. einer mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht zu ziehen wäre (dazu: BVerwG, U.v.31.01.2013 – 10 C 15/12 -, juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38). Auch unter Berücksichtigung der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Senegal reicht hierfür der bloße Verweis auf problematische Armutsverhältnisse und soziale Probleme ganz offensichtlich nicht aus. Der Antragsteller, ein junger Mann, kann nach seiner Rückkehr in den Senegal ohne weiteres eine Arbeit aufnehmen und hiervon seinen Lebensunterhalt in asylrechtlich hinreichender Weise bestreiten. Selbst wenn die Schilderungen des Antragstellers zutreffen sollten, und er deswegen möglicherweise in der Gegend, in der er bisher gelebt und gearbeitet hat, eine entsprechende Erwerbstätigkeit nicht mehr finden würde, steht ihm der ganze übrige Senegal hierfür ohne weiteres und ohne irgendeine Einschränkung zur Verfügung.
5. Das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes ist – gemessen an dem Vorstehenden – gerechtfertigt gemäß § 29a AsylG und gemäß § 30 Abs. 1, Abs. 2 AsylG. Vom Antragsteller sind, wie oben ausführlich ausgeführt, keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der als offensichtlich unbegründet.
6. Auch die übrigen Verfügungen im streitgegenständlichen Bescheid (Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 sowie § 11 Abs. 1 AufenthG) sind – soweit sich der Antrag nach § 80a Abs. 5 Satz 1 VwGO hiergegen richten sollte – nicht zu beanstanden, unabhängig davon, ob für diesen Antrag insofern ein Rechtsschutzbedürfnis besteht bzw. die statthafte Antragsart gewählt ist.
Nach alledem ist der gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreie Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen