Verwaltungsrecht

Unbegründeter Eilantrag gegen eine Abschiebungsandrohung

Aktenzeichen  M 21 S 17.42877

Datum:
23.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 394
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Art. 21, Art. 34

 

Leitsatz

Das Bundesamt kann mit Hilfe des Info-Request nach Art. 21 Dublin II-VO bzw. Art. 34 Dublin III-VO in zureichender Weise die Auskunft einholen, ob in einem sicheren Drittstaat ein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen worden ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben ein lediger, in Agulu geborener Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria.
Er stellte am 13. Juli 2016 bei der Außenstelle des Bundesamts für … (kurz: Bundesamt) in München einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens gab der Antragsteller am 13. Juli 2016 gegenüber dem Bundesamt insbesondere an, ihm sei in Österreich am 4. Mai 2012 internationaler Schutz zuerkannt worden. Neue Gründe und Beweismittel, die nicht in dem früheren Verfahren geltend gemacht worden seien und die ein neues Asylverfahren rechtfertigten, habe er nicht.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in München am 14. Oktober 2016 äußerte sich der Antragsteller zu seinem Verfolgungsschicksal und gab insbesondere an, zweieinhalb Jahre in Österreich geblieben zu sein, bis er dort abgelehnt worden sei. In Nigeria habe er einen Akt der Homosexualität begangen, sei aber heterosexuell.
Am 17. November 2016 übermittelte das Bundesamt der zuständigen österreichischen Behörde ein auf Art. 34 Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl EG Nr. L 180 S. 31) – Dublin III-VO – gestütztes Informationsersuchen hinsichtlich des Antragstellers.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2017 (Bl. 65 ff. der Bundesamtsakte) teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich dem Bundesamt insbesondere mit, der Antragsteller habe in Österreich am 4. Mai 2012 internationalen Schutz beantragt. Die negative Entscheidung hierüber sei in zweiter Instanz am 26. Juni 2015 rechtskräftig geworden.
Mit Schreiben vom 10. April 2017 teilte das Bundesamt dem Antragsteller mit, nach den vorliegenden Erkenntnissen habe er bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Das weitere Vorgehen richte sich nach dem Ergebnis dieses Verfahrens in dem anderen Mitgliedstaat. Daher werde binnen zwei Wochen um Mitteilung des Sachstands dieses Verfahrens und um Vorlage aller vorhandenen Dokumente zu diesem Verfahren gebeten.
Im diesbezüglichen, englischsprachigen Fragebogen kreuzte der Antragsteller unter dem 28. April 2017 an, sein Antrag auf internationalen Schutz sei abgelehnt worden. Zudem fügte er ein Attest der Dres. T. und Kollegen vom 21. April 2016 bei, demzufolge sich der Antragsteller dort damals wegen chronischer Oberbauchschmerzen in allgemein-medizinischer Behandlung befunden habe.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1.), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 2.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Nigeria an (Ziffer 3.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Republik Österreich habe dem Bundesamt mit Schreiben vom 16. Januar 2017 mitgeteilt, dass das Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich erfolglos abgeschlossen worden sei. Daher handle es sich bei dem erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik um einen Zweitantrag. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn wie hier im Falle eines Antrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Wiederaufgreifensgründe lägen nicht vor. Der Antragsteller habe Asylgründe vorgetragen, die zeitlich vor der Ausreise aus seinem Heimatland lägen und an denen sich seit seinem Verfahren in Österreich nichts geändert habe. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei nach § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 34 Abs. 1 AsylG und § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 29. Mai 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 23. Mai 2017 aufzuheben.
Zur Klagebegründung wurde durch Schriftsatz vom 29. Mai 2017 auf das Vorbringen des Antragstellers im Asylverfahren Bezug genommen.
Über die Klage (M 21 K 17.42876) ist noch nicht entschieden.
Am 29. Mai 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gesondert beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Die durch Schriftsatz vom 29. Mai 2017 angekündigte Antragsbegründung erfolgte bislang nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Eilantrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Wird in einer „Zweitantragssituation“ ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, so darf die Aussetzung der Abschiebung im Rahmen eines Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen §§ 71a Abs. 4, 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts, hier der Abschiebungsandrohung, bestehen. Solche „ernstlichen Zweifel“ liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99). Eine solche Einschätzung ist hier nicht gerechtfertigt.
§ 34 AsylG, der den Erlass einer Abschiebungsandrohung regelt, ist über § 71a Abs. 4 AsylG nur dann entsprechend anzuwenden, wenn eine „Zweitantragssituation“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG vorliegt und ein weiteres Asylverfahren rechtmäßiger Weise nicht durchgeführt wird. Nur dann ist der Asylantrag auch nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abzulehnen. Nach hinreichender Sachverhaltsermittlung hat das Bundesamt hier eine „Zweitantragssituation“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG annehmen dürfen.
Ein asylrechtlicher Zweitantrag, der bei Fehlen neuen Vorbringens ohne Sachprüfung als unzulässig abgelehnt werden kann, setzt gemäß § 71a Abs. 1 AsylG ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat voraus (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Leitsatz 2). Es obliegt dem Bundesamt, den negativen Abschluss des Erstverfahrens im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu belegen. Bei der Prüfung nach § 71a Abs. 1 AsylG, ob ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat vorliegt, darf sich das Bundesamt nicht allein auf die Angaben der Antragsteller zum Verlauf von Asylverfahren in anderen Mitgliedstaaten stützen. Denn diese haben in aller Regel den Verfahrensablauf nicht durchschaut und können dazu deshalb auch keine verlässlichen Angaben machen (vgl. nur BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 u.a. – juris Rn. 22 m.w.N.). Mit dem vom Bundesamt grundsätzlich zu nutzenden, sogenannten Info-Request nach Art. 21 Dublin-II-VO bzw. Art. 34 Dublin-III-VO ist unter den Mitgliedstaaten ein beschleunigtes Informationsaustauschsystem eingeführt worden, dessen Möglichkeiten zur Informationsgewinnung den Verwaltungsgerichten nicht offen stehen (vgl. nur BayVGH, U.v. 20.10.2016 – 20 B 14.30320 – juris Rn. 29, 41 m.w.N.).
Zudem kann das Bundesamt das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen nur beurteilen, wenn es Kenntnis des Vorverfahrens, der dort angeführten Gründe und des dortigen Verfahrensablaufs einschließlich der jeweiligen Entscheidungen besitzt (vgl. nur Schönenbroicher/Dickten in Beck´scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand 1. November 2017, § 71a AsylG Rn. 2 m.w.N.).
Demnach beruht die Annahme des Bundesamts, es liege der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat vor, auf zureichender Tatsachenbasis.
Die Antwort des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich auf das Informationsersuchen des Bundesamts belegt, dass dort hinsichtlich des Antragstellers bereits ein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen worden ist.
Zudem liegen die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71a Abs. 1 Halbs. 1 AsylG nicht vor.
Der Antragsteller kann insbesondere keinen Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 VwVfG für sich in Anspruch nehmen. In der Tat bezieht sich sein Vorbringen gegenüber dem Bundesamt auf Umstände, die sich bereits im Herkunftsland ereignet haben sollen. Damit können diese Umstände mit Blick auf das in Österreich erfolglos abgeschlossene Asylverfahren insbesondere keine nachträgliche Änderung der Sachlage zugunsten des Antragstellers begründen. Er selbst hat zudem zur Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 13. Juli 2016 gegenüber dem Bundesamt insbesondere angegeben, neue Gründe und Beweismittel, die nicht in dem früheren Verfahren von ihm geltend gemacht worden seien und die ein neues Asylverfahren rechtfertigten, habe er nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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