Aktenzeichen M 11 S 16.34171
Leitsatz
Die Rücknahmefiktion des § 33 Abs. 1 AsylG setzt nach § 33 Abs. 4 AsylG voraus, dass der Asylbewerber auf die sich aus § 33 Abs. 1 und 3 AsylG ergebenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hingewiesen wurde. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Oktober 2016 (…) wird angeordnet.
II.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 24. Juli 2014 einen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 stellte das Bundesamt unter der gleichzeitigen Feststellung, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, das Asylverfahren ein (Nummer 1). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden verneint (Nummer 2). Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Somalia aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen (Nummer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nummer 4).
Das Bundesamt führte zur Begründung von Nummer 1 des Bescheids aus, dem Antragsteller sei der 13. September 2016 als Anhörungstermin mitgeteilt worden. Der Antragsteller sei ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen. Es werde deshalb vermutet, dass er das Verfahren nicht betreibe.
Der Antragsteller ließ am 11. November 2016 Klage erheben und beantragen,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Es wird insbesondere geltend gemacht, dass der Antragsteller keine Einladung zu einer Anhörung erhalten habe.
Das Bundesamt hat die elektronische Behördenakte vorgelegt, sich inhaltlich aber nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Er ist statthaft, da die Klage nicht schon kraft Gesetzes nach § 75 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung hat. Die Entscheidung des Bundesamts unterfällt nicht § 38 Abs. 1 AsylG. Die vom Bundesamt angenommene – fiktive – Rücknahme des Asylantrags ist nach summarischer Prüfung als eine von § 38 Abs. 2 AsylG erfasste Fallgestaltung anzusehen.
b) Der Antrag unterliegt nicht der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG, da es sich nicht um eine von § 36 Abs. 1 AsylG erfasste Fallgestaltung handelt. Im Übrigen enthält die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung keine Belehrung über den Lauf dieser Frist (vgl. § 36 Abs. 3 Satz 2 und 3 AsylG).
c) Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ergibt sich aus § 33 Abs. 5 Satz 2, 4, 5 und 6 AsylG, dass der Antragsteller beim Bundesamt die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen kann und das Bundesamt das Verfahren in dem Verfahrensabschnitt wieder aufnehmen muss, in dem die Prüfung eingestellt wurde. Das ändert aber nichts daran, dass der Antragsteller infolge des Bescheids vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist und damit grundsätzlich mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechnen muss. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage verbessert insoweit die Rechtsposition des Antragstellers, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
2. Der Antrag ist begründet, weil der Bescheid aller Voraussicht nach rechtswidrig ist.
Nach § 33 Abs. 4 AsylG muss der Asylbewerber auf die sich aus § 33 Abs. 1 und 3 AsylG ergebenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hingewiesen werden. Diese Vorschrift ist nach summarischer Prüfung keine bloße Ordnungsvorschrift. Vielmehr dürfte es ausscheiden, einen Asylantrag als fiktiv zurückgenommen zu behandeln, wenn zuvor kein den Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 AsylG genügender Hinweis ergangen ist.
Im vorliegenden Fall fehlt wohl ein diesen Erfordernissen genügender Hinweis.
Die Erstbelehrung vom 24. Juli 2014, die der Antragsteller unterschrieben hat, beruhte noch auf dem damals geltenden Recht und genügt den Erfordernissen des § 33 Abs. 4 AsylG n. F. nicht. Der Antragsteller wurde damals nur darauf hingewiesen, dass es nachteilige Folgen haben könne, wenn er der Anhörung fernbleibe. Außerdem wurde er darauf hingewiesen, dass der Asylantrag als zurückgenommen gelten könne, wenn der Antragsteller die Mitteilung über einen Wohnungswechsel unterlasse. Der nach § 33 Abs. 4 AsylG n. F. erforderliche ausdrückliche Hinweis, dass der Asylantrag nicht nur im Falle der Nichtmitteilung eines Wohnungswechsels sondern allgemein im Falle des Nichtbetreibens des Verfahrens als zurückgenommen gilt, ist der damaligen Belehrung nicht zu entnehmen.
Das in den Akten enthaltene Anschreiben vom 7. September 2016 über den anberaumten Anhörungstermin enthält zwar eine Belehrung, die wohl inhaltlich den Erfordernissen des § 33 Abs. 4 AsylG genügt. Es fehlt jedoch die von § 33 Abs. 4 AsylG wohl zwingend geforderte Empfangsbestätigung des Antragstellers. Der Antragsteller bestreitet, dieses Schreiben erhalten zu haben. In den Akten befindet sich kein Zustellungsnachweis, geschweige denn eine Empfangsbestätigung des Antragstellers. Dem Text des Anschreibens kann noch nicht einmal entnommen werden, dass das Bundesamt überhaupt eine Empfangsbestätigung verlangt hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).