Aktenzeichen AN 1 S 18.30714
AsylG § 25 Abs. 1, § 30 Abs. 3 Nr. 5
RL 2013/32/EU Art. 31 Abs. 8, Art. 32 Abs. 2
Leitsatz
Es spricht viel dafür, dass § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG unionsrechtskonform dahin auszulegen ist, dass bei einer Verweigerung jeglicher Angaben bei der Anhörung eine offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrages nicht angenommen werden darf. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2016 wird die aufschiebende Wirkung der am 29. November 2016 erhobenen Klage gegen Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2016, Geschäftszeichen …, rückwirkend ab dem 29. November 2016 angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge iranischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit, reiste am 3. November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 24. März 2016 einen Asylantrag.
Bei der Erfassung der Daten des Antragstellers war das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) von einer persischen Volkszugehörigkeit und von Farsi-Sprachkenntnissen des Klägers ausgegangen. Bei der Antragstellung wurden dem Kläger verschiedene Merkblätter auf Farsi ausgehändigt, deren Empfang er mit dem Hinweis auf diese Sprache am 24. März 2016 mit seiner Unterschrift bestätigte. Im Formblatt „Datenabgleich zur Aktenlage“ (Blatt 20 der Bundesamtsakte) ist ein Vermerk enthalten, der Antragsteller habe sich nicht in der persischen Sprache geäußert. Als bevorzugte Sprache für die Anhörung wurde persisch angegeben. In der „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende“ vom 11. November 2015 (Blatt 21 der Bundesamtsakte) sind als Sprachkenntnisse Farsi und Arabisch genannt.
Der Antragsteller wurde zur Anhörung am 16. November 2016 in Zirndorf geladen (Zustellung der Ladung am 12. Oktober 2016). Zunächst sollte die Anhörung mit dem Dolmetscher Herrn … erfolgen, dieser teilte jedoch mit, dass eine Verständigung in der persischen Sprache nicht möglich sei. Nachfolgend wurde der Dolmetscher Herr … hinzugezogen. Die Entscheiderin Frau … fertigte anschließend folgenden Aktenvermerk:
„[Der Antragsteller] war am 16.11.2016 zur Anhörung seines Asylverfahrens im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Zirndorf geladen. Es war eine Verständigung mit dem Dolmetscher, Herr …, möglich. Jedoch bin ich mit dem Dolmetscher nicht einverstanden. Ich wünsche einen Dolmetscher der Arabisch als Muttersprache spricht. Ich wurde darauf hingewiesen, dass ich keine Auswahlmöglichkeit bei einem Dolmetscher habe. Der Asylantrag kann ohne Anhörung entschieden werden.
Nachdem der Dolmetscher den Aktenvermerk übersetzt, ist der Antragsteller nicht einverstanden den Aktenvermerk zu unterzeichnen. Der Antragsteller ist weiterhin nicht bereit mit dem Dolmetscher die Anhörung durchzuführen. Die Anhörung wurde um 12:50 Uhr begonnen und um 13:10 Uhr abgebrochen.“
Der Aktenvermerk wurde unterschrieben von der Entscheiderin Frau … und dem Dolmetscher Herrn … Mit Bescheid vom 16. November 2016, dem Kläger gegen Zustellungsurkunde am 22. November 2016 zugestellt, wurden durch das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Anderenfalls wurde ihm die Abschiebung in den Iran angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe keine Gründe für die Annahme vor-getragen, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden drohe, aus der Akte ließen sich ebenfalls keine Gründe erkennen. Darüber hinaus sei gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG der unbegründete Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, weil der Antragsteller sich trotz Möglichkeit geweigert habe, seine Asylgründe vorzutragen und somit die Mitwirkungspflicht nach § 25 Abs. 1 AsylG gröblich verletzt habe.
Hiergegen ließ der Antragsteller mit einem am 29. November 2016 eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom gleichen Tage Klage erheben mit dem Antrag,
unter entsprechender Aufhebung des Bundesamtsbescheids die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Flüchtling nach § 3 AsylG anzuerkennen,
hilfsweise subsidiären Schutz zuzusprechen,
hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Zugleich wurde der Antrag gestellt,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, der Antragsteller habe nicht zu verantworten, dass zu-nächst eine Volkszugehörigkeit als „persisch“ in die Akte eingetragen wurde. Auf die eidesstattliche Erklärung des Klägers vom 28. November 2016 werde verwiesen. Der Aktenvermerk zum Termin vom 16. November 2016 sei mehr als bezeichnend und weise überhaupt nicht auf, zu welchen Sprachen Dolmetscher zur Verfügung gestanden hätten. Der Kläger habe auch versucht, seine Bescheinigung der „Ahwazi Democratic-Popular Front“ zu übergeben. Sie sei nach seiner Darstellung nicht angenommen worden. Es sei leicht bei Wikipedia nachzulesen, dass in der Region …, bzw. … am Golf seit längerem eine arabische Separatistenbewegung existiere, die von der Teheraner Zentralregierung seit Jahren stark unterdrückt werde. Da ein Interview nicht durchgeführt worden sei, sei es beim Bundesamt nachzuholen.
Der Klage war folgende Versicherung an Eides statt, unterschrieben durch den Antragsteller am 28. November 2016, beigefügt:
„Eidesstattliche Versicherung
Ich, …, geb. …1994 in …Iran (richtiges Geburtsdatum …1990), wh. …, … … – in Kenntnis der Folgen einer falschen Versicherung an Eides statt – versichere die Richtigkeit nachfolgender Angaben.
Bei der Anhörung beim Bundesamt am 16.11.2016 hat mir die Behörde keinen Dolmetscher in meiner Muttersprache „Arabisch“ zur Verfügung gestellt.
Ich gehöre im Iran zur arabischen Minderheit und spreche kein „farsi“.
Am 16.11.2016 wurde mir erst einen Dolmetscher für „farsi“ vorgestellt, dann einer für die „kurdische“ Sprache. Beide Sprachen beherrsche ich nicht.
Der Vermerk des Bundesamtes über den Verlauf der Anhörung beim Bundesamt vom 16.11.2016 ist folglich sachlich falsch.
Die Angabe meiner Sprache auf der Niederschrift zur Asylantragstellung vom 24.3.2016 ist nicht durch meine Angabe zustande gekommen. Ich hatte bereits an diesem Tag angegeben zur arabischen Minderheit zu gehören. Der angebotene Dolmetscher sprach aber nur „farsi“.
Die Fortführung meines Asylverfahrens hier ist elementar wichtig für mich.
Vorstehende Erklärung habe ich aufgrund einer Übersetzung in die arabische Sprache verstanden und für richtig befunden.“
Die Erklärung wurde vom Kläger persönlich unter dem Datum 28. November 2016 unterschrieben. Zudem war beigefügt ein Dokument unter dem Briefkopf der „… Democratic-Popular Front“, unterschrieben vom Generalsekretär …, aus der sich die Ziele dieser Organisation im Allgemeinen und ihr Unabhängigkeitsstreben ergeben. Der Antragsteller selbst wird in dem Schreiben nicht erwähnt.
Das Bundesamt beantragte mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2016, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde Bezug auf die angegriffene Entscheidung genommen.
Auf Nachfrage des Gerichts übersandte das Bundesamt am 6. Dezember 2016 eine ergänzen-de Stellungnahme der Entscheiderin vom gleichen Tage. Diese teilte folgendes mit:
„1. Herr … hatte in der Sprache Arabisch übersetzt. Ausgerufen im Warteraum wurde der Dolmetscher wohl in Kurdisch, da der Name kurdisch klinge (diese Info habe ich vom Dolmetscher).
2. Eine Verständigung mit dem Dolmetscher Herr … war in der arabischen Sprache möglich. Dies hat mir der Dolmetscher mehrfach bestätigt.
3. Am Morgen hat meine Kollegin, Frau …, gemeinsam mit dem Dolmetscher Herr … den Dolmetscher holen wollen. Herr … hat mitgeteilt, dass eine Verständigung in der persischen Sprache nicht möglich sei. Der Antragsteller hat gewünscht einen arabischen Dolmetscher zu bekommen. Daraufhin hat Frau … einen anderen Antragsteller zunächst angehört. Nach Absprache mit der Dolmetscherplanung wurde dann auf den arabischsprechenden Dolmetscher Herr …, welcher ab 12:30 Uhr verfügbar war, zurückgegriffen. (Hinweis: In dieser Woche haben Frau … und ich gemeinsam angehört und uns mit den Anhörungen abgewechselt.).
Noch kurz zum Sachverhalt:
Der erste Dolmetscher wurde im Warteraum abgelehnt (Persisch). Mit dem zweiten Dolmetscher war eine Verständigung in Arabisch möglich. Der Antragsteller hat sich mehrfach darauf berufen einen Dolmetscher aus seiner Region zu bekommen. Daraufhin habe ich telefonisch Rücksprache mit Herrn … gehalten und nach Absprache folgendes durchgeführt. Ich habe den Antragsteller mehrfach darauf hingewiesen, dass es kein Auswahlmöglichkeit bei den Dolmetschern gibt, sofern eine Verständigung möglich ist. Außerdem habe ich auf die Folgen aufmerksam gemacht und das dies die einmalige Gelegenheit eine Anhörung durchzuführen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass ansonsten nach Aktenlage entschieden werde. Der Antragsteller hat sich uneinsichtig gezeigt trotz dreimaliger Nachfrage, ob die Anhörung doch geführt werden solle immer wieder abgelehnt. Eine Aussage des Antragstellers war auch: „Nein, dann gehe ich eben in ein anderes Land“. Zum Schluss sagte der Antragsteller im lauten Ton, dass er jetzt gehen will. Nachdem ich den Aktenvermerk angefertigt habe, wollte er diesen auch nicht unterzeichnen (Inhalt der MARiS-Akte).“
Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilte mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2016 mit, der dem arabisch sprechenden Antragsteller angebotene Übersetzer, Herr …, sei Kurde und dies sei dessen Muttersprache. Der Antragsteller trage vor, dessen Kenntnisse in der arabischen Sprache seien sehr beschränkt. Die Entscheiderin berufe sich einzig und allein auf diese Angaben des Herrn …, offenbar sei es ihr egal, welcher Sprachen dieser tatsächlich mächtig sei. Ob eine Verständigung in der arabischen Sprache möglich gewesen sei, könne die Entscheiderin überhaupt nicht aus eigener Kenntnis überprüfen. Indirekt werde nur eingeräumt dass der Name … „kurdisch“ klinge – warum wohl? Die Beklagte solle vorsorglich die Herkunft des Dolmetschers und dessen Qualifikation für die arabische Sprache vorlegen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 12. Dezember 2016 wurde der Bevollmächtigte des Antragstellers darauf hingewiesen, dass der Dolmetscher Herr … gegenüber dem Gericht telefonisch bestätigt habe, dass er bei der fraglichen Anhörung anwesend gewesen sei und mit dem Antragsteller auf Arabisch habe sprechen können. Das Gericht teilte zugleich mit, dass der Dolmetscher, Herr …, regelmäßig als Dolmetscher für die Sprache Arabisch beim Verwaltungsgericht Ansbach auftrete und dass deshalb von einer Verständigungsmöglichkeit ausgegangen werde.
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2016 äußerte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers und legte eine Stellungnahme des Antragstellers vor. Diese lautet:
„Mir wird vom BAMF vorgeworfen, dass ich den Dolmetscher aus nichtigen Gründen abgelehnt habe. Allerdings ist das nicht richtig. Der Dolmetscher, der mir zur Verfügung gestellt wurde, hat kein gutes Arabisch gesprochen und daher habe ich ihn abgelehnt. Der Mann (vermutlich Herr …) hat einen anderen arabischen Dialekt gesprochen und das auch nicht gut, und deshalb wollte ich einen anderen Übersetzer. Es mag sein, dass der Übersetzer für andere Araber gut verständlich ist (da das BAMF meint, dass dieser Mann auch öfters als Arabisch-Übersetzer eingesetzt wird), für mich war das nicht der Fall. Ich bin Iraner aus dem …-Gebiet und meine Muttersprache ist Arabisch. Ich konnte den Übersetzer nicht gut verstehen. Deshalb habe ich auf einem anderen Übersetzer bestanden. Er sollte nicht unbedingt aus meinem Gebiet sein aber ich muss mich mit ihm verständigen können. Ich verstehe die meisten arabischen Muttersprachler sehr gut sie mich auch, aber für mich war die Verständigung mit diesem Mann nicht möglich. Ich wünsche mir nur, dass mein Anliegen Verständnis findet und mir die Möglichkeit zur Darlegung meiner Fluchtursachen in einem zweiten Termin gegeben wird.“
Hierzu führte der Bevollmächtigte aus, dieser Ansicht sei zu folgen. Laut einem Wikipedia-Eintrag sprächen 1,2 Millionen Menschen aus der arabisch geprägten Herkunftsregion des Antragstellers das sogenannte „Mesopotamisch-Arabisch“. Dies dürfte für den aus der weitaus nördlicheren Region stammenden kurdischstämmigen Dolmetscher nicht zutreffen. Das Gericht könne aus eigener Kenntnis lediglich bezeugen, dass der Dolmetscher in Fällen arabischer Sprache der Kläger übersetzte, nicht aber wie und für welche arabischen Sprachgruppen. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Beiziehung eines Dolmetschers, mit dem er sich hinreichend verständigen könne (vgl. VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 6.9.2016, VG 4 L 451/16. A).
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Zur Begründung wurde ausgeführt:
„[…] Der Antrag war im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag nach § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist. Insbesondere liegt ein Fall der gröblichen Verletzung von Mitwirkungspflichten nach § 25 Abs. 1 AsylG vor und der Antragsteller muss diese Pflichtverletzung auch vertreten. Auch liegt kein Ausschluss wegen wichtiger Gründe vor.
Die Weigerung des Antragstellers, die Anhörung unter Mithilfe des Dolmetschers … durchzuführen, weil dieser nicht aus nach Heimatregion stamme und kurdischer bzw. nicht arabischer Volkszugehörigkeit sei, stellte eine gröbliche Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 25 Abs. 1 AsylG dar, weil eine Verständigung in der Muttersprache des Antragstellers möglich war und sich der Antragsteller dennoch geweigert hat, dem Bundesamt im Zusammenhang mit der Anhörung seine Fluchtgründe zu nennen (vgl. im Ergebnis auch VG München, Beschluss vom 5.4.2016, M 5 S 16.30491, Rdnr. 15, juris). Somit hat das Bundesamt die Pflicht zur Bereitstellung eines Dolmetschers aus § 17 Abs. 1 AsylG und damit auch – anders als im dem Beschluss des VG Frankfurt/Oder vom 6.9.2016 (VG 4 L 451/16.A) zugrunde liegenden Fall – die Anforderungen an ein faires Verfahren erfüllt.
Auf die Frage, ob auch eine Verständigung mit den zunächst angebotenen Dolmetscher für die persische Sprache möglich gewesen sei, kommt es daher nicht mehr entscheidend an.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der dem Antragsteller zur Verfügung gestellte Dolmetscher zur Durchführung der Anhörung im Einzelfall nicht geeignet gewesen wäre und der Antragsteller seine Verweigerung der Anhörung damit nicht zu vertreten hätte.
Nachdem das Bundesamt zunächst davon ausgegangen war, dass der Antragsteller Farsi spreche, wurde am gleichen Tag Herr … als Dolmetscher für Arabisch hinzugezogen. Das Gericht hat diesbezüglich keine Zweifel, dass eine Verständigung in arabischer Sprache zwischen dem Antragsteller und dem Dolmetscher möglich war, wie es von Dolmetscher und der Entscheiderin auch bestätigt und schriftlich festgehalten wurde.
Die arabischen Sprachkenntnisse des Dolmetschers stehen für das Gericht außer Frage, nachdem dieser für diese Sprache auch allgemein vereidigt ist und auch häufig vom Verwaltungsgericht Ansbach als Dolmetscher für Arabisch herangezogen wird.
Soweit der Antragsteller in seiner eidesstattlichen Versicherung angegeben hat, dieser zweite Dolmetscher hätte lediglich Kurdisch gesprochen, kann dem nicht gefolgt werden, nachdem dieser den Antragsteller zwar zunächst auf Kurdisch angesprochen hatte, nach Aufklärung des Missverständnisses allerdings auf arabischer Sprache die Unterredung fortsetzte. Insoweit setzt sich der Antragsteller auch zu seinen eigenen Angaben aus der eidesstattlichen Versicherung in Widerspruch, wenn er mit am 14. Dezember 2016 eingegangener Stellungnahme behauptet, der Dolmetscher habe „kein gutes arabisch gesprochen. […]“.
Da das Klageverfahren derzeit noch beim Verwaltungsgericht Ansbach anhängig ist, stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 29. Mai 2018, beim Verwaltungsgericht per Telefax eingegangen am selben Tag, einen Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 15. Dezember 2016.
Er beantragte,
1. Im Namen des Antragstellers „beantragen wir gemäß § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO, den Beschluss des Einzelrichters der 1. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Dezember 2016, Az. AN 1 S 16.32043, zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2016, Geschäftszeichen … rückwirkend ab dem 29. November 2016 (Datum der Antragstellung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO) anzuordnen,
hilfsweise:
den Beschluss des Einzelrichters der 1. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach vom 15. Dezember 2016, Az. AN 1 S 16.32043, zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2016, Geschäftszeichen … anzuordnen.
2. Hilfsweise zu Ziffer 1 wird gemäß § 80 Abs. 7 S. 1 VwGO angeregt, dass der Beschluss des Einzelrichters der 1. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach vom 15. Dezember 2016, Az. AN 1 S 16.32043, von Amts wegen geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2016, Geschäftszeichen … rückwirkend ab dem 29. November 2016 (Datum der Antragstellung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO) angeordnet wird.“
Zur Begründung trug der Bevollmächtigte vor, dass der Antrag zulässig sei, da das Verwaltungsgericht Ansbach als Gericht der Hauptsache zuständig und der Antragsteller als unterlegene Partei im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO antragsberechtigt sei. Der Antrag sei statthaft, weil Gründe im Sinne des § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO vorlägen. Der Antragsteller sei ohne eigenes Verschulden daran gehindert gewesen, innerhalb der Frist des Paragrafen 36 Abs. 3 Satz 1 VwGO den Antrag nach Paragraf 80 Abs. 5 VwGO so zu begründen, dass er Aussicht auf Erfolg haben könne. Dies sei in der vom Einzelrichter des Verwaltungsgerichts gesetzten Frist nicht möglich gewesen. Bezugnehmend auf den Verfahrenslauf vor Ergehen des verfahrensgegenständlichen Beschlusses habe der damalige Vertreter des Antragstellers Stellung genommen zu dem Schreiben des Bundesamtes vom 6. Dezember 2016 sowie zum gerichtlichen Schreiben vom 12. Dezember 2016, nicht aber zur Furcht des Antragstellers vor Verfolgung im Falle einer Abschiebung in sein Herkunftsland Iran. Aufgrund der grob rechtswidrigen Verfahrensgestaltung durch das Bundesamt, die als Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens zu werten sei, sei dem Antragsteller eine sachgerechte Stellungnahme nicht möglich gewesen und kein effektiver Rechtsschutz gewährleistet. Bezugnehmend auf die Kommentierung zu § 36 AsylG in Bergmann/Dienelt, Kommentar zum Ausländerrecht, und in Marx, Kommentar zum AsylG, sei das in § 36 AsylG enthaltene Schutzregime wegen der darin enthaltenen Beschleunigungselemente schon für sich betrachtet verfassungsrechtlich sehr bedenklich und bedürfe rechtsschutzverstärkende Korrekturen. Auch sei die Wochenfrist des § 36 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 und 5 AsylG mit Art. 46 Abs. 4, UA 1 S. 2 der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU (VRL) kaum vereinbar. Bestünden bereits erhebliche verfassungs- und europarechtliche Bedenken grundsätzlicher Art, so gelte dies im konkreten Einzelfall erst recht, wenn das Bundesamt das Asylverfahren eines Schutzsuchenden unfair gehandhabt und zu dessen Lasten gegen elementare Verfahrensgrundsätze verstoßen habe. Neben den in §§ 24, 25 AsylG enthaltenen Verfahrensregelungen seien auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie unter anderem das Gebot eines fairen Verfahrens und das Recht auf Anhörung, sowie die unmittelbar anwendbare EU-Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU zu beachten. Die Regelungen in Art. 15, 16 und 17 der Asylverfahrensrichtlinie seien bislang nicht vollständig in bundesdeutsches Recht umgesetzt worden. Bezüglich der für EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Verfahrensstandards für Asylverfahren als auch für die im bundesdeutschen Recht niedergelegten Verfahrensregeln lägen gravierende Verfahrensfehler vor. Der verfahrensgegenständliche Bundesamtsbescheid sei bereits am Tag der versuchten Anhörung erlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe das Bundesamt keine Niederschrift über den Anhörungsversuch vom gleichen Tag aufgenommen, die die wesentlichen Angaben des Klägers enthielten. Der Aktenvermerk sei nicht objektiv, da dem Kläger die Bestätigung abverlangt worden sei, dass eine Verständigung mit dem Dolmetscher möglich gewesen sei, was aus Sicht des Klägers aber gerade nicht der Fall gewesen sei. Außerdem enthalte er nicht alle wesentlichen Vorgänge, was sich aus dem Vergleich mit der E-Mail des Bundesamtes im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergebe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass dem Kläger dieser Aktenvermerk mitgegeben oder zusammen mit der Entscheidung zugestellt worden sei. Somit liege ein Verstoß gegen § 25 Abs. 5 und 7 AsylG vor, da in dem Falle, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folge, von einer persönlichen Anhörung abgesehen werden könne, dem Ausländer aber Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben sei. Wenn schon einem Antragsteller, der zu einer Anhörung unentschuldigt gar nicht erscheine, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu geben sei, dann müsse dies erst recht gelten, wenn der Antragsteller erscheine, er aber eine Zusammenarbeit mit einem Dolmetscher verweigere, da aus seiner Sicht eine angemessene Verständigung nicht möglich sei. Eine sofortige Entscheidung sehe das deutsche Asylverfahrensrecht den Fall nicht vor. § 30 AsylG sei keine Verfahrensnorm die eine sofortige Entscheidung als Sanktion für einen nicht durchgeführte Anhörung rechtfertige, sondern regle die materiellen Voraussetzungen des Offensichtlichkeitsurteil und setze besondere Anforderungen bei der Sachverhaltsermittlung voraus. Das Bundesamt hätte daher dem Antragsteller entsprechend § 25 Abs. 5 S. 2 AsylG die Möglichkeit zu einer schriftlichen Stellungnahme geben müssen. Auch hätte dem Antragsteller Gelegenheit gegeben werden müssen, sich zu fehlenden Angaben zu äußern. Daher hätte wegen § 25 Abs. 7 AsylG bzw. Art. 17 Abs. 1, 3 und 5 und Art. 16 VRL eine objektive Niederschrift über die Vorgänge am 16. November 2016 aufgenommen und dem Antragsteller ausgehändigt werden müssen. Dies müsse erst recht gelten wenn überhaupt keine Anhörung stattgefunden habe. Bei einem ordnungsgemäßen Verfahren hätte der Antragsteller die Gründe, die aus seiner Sicht für seine Verfolgungsfurcht wesentlich seien und die zwischenzeitlich in der Klagebegründung vom 18. April 2018 im Hauptsacheverfahren vorgetragen worden seien, im Asylverwaltungsverfahren unterbreiten können, so das eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet nicht erfolgt wäre. Damit stehe fest, dass der Antragsteller aufgrund der grob verfahrenswidrigen Vorgehensweise des Bundesamtes ohne eigenes Verschulden daran gehindert gewesen sei, Gründe für sein Ende Verfolgungsfurcht vorzubringen. Dahinstehen könne daher, dass das Bundesamt auch insofern gegen die Asylverfahrensrichtlinie verstoßen habe, als es die Weigerung des Klägers mit dem Dolmetscher zusammen zu arbeiten, als Verstoß gegen dessen Mitwirkungspflicht gewertet habe. Das Bundesamt habe verkannt, dass Arabisch nicht gleich Arabisch sei. Jeder, der aus dem großen arabischen Sprachraum komme, wüßte, dass ein Arabisch sprechender Iraner und ein Arabisch sprechender irakischer Kurde bzw. ein Tunesier und ein Syrer sich nicht notwendigerweise sprachlich verstünden, weil sie zwar jeweils Arabisch, aber völlig unterschiedliche Dialekte sprächen und verstünden. Daher habe der aus dem iranischen … stammende und den dort vorherrschenden dialektsprechende Kläger den aus dem irakischen Kurdistan stammenden und den Dialekt, der dort gesprochen werde, sprechenden Dolmetscher nicht verstanden. Dies könne der Dolmetscher, Herr …, denknotwendig nicht abschließend beurteilen, erst recht nicht das Bundesamt und das Verwaltungsgericht. Das Defizit des Asylverwaltungsverfahrens habe sich im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO fortgesetzt. Da das Verwaltungsgericht das grob verfahrensfehlerhafte Vorgehen des Bundesamtes, etwa durch Einräumung einer großzügig großzügigeren Stellungnahmefrist von insgesamt einem Monat analog § 25 Abs. 5 S. 2 AsylG, nicht kompensiert habe, hätten die groben Fehler im Bundesamtsverfahren im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht zugunsten des Antragstellers behoben werden können. Innerhalb der zweimal gerichtlich gesetzten Frist von jeweils zwei Arbeitstagen sei es dem vormaligen Anwalt des Antragstellers unter Berücksichtigung erforderlicher Abstimmung mit dem der deutschen Sprache damals nicht mächtigen Antragsteller kaum möglich gewesen, zu den Stellungnahmen des Bundesamtes und zum Schreiben des Gerichtes Stellung zu nehmen. Dies gelte auch bezüglich der Furcht des Antragstellers vor Verfolgung bzw. bezüglich der Defizite im Asylverfahren.
Unabhängig davon habe sich auch die Sachlage geändert, weil der Antragsteller im Hauptsacheverfahren inzwischen am 19. April 2018 seine Klagebegründung eingereicht habe, die eine andere Bewertung des vorläufigen Bleiberechts Antragsteller rechtfertige. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2007 (Az. 2 BvR 1977/06) verfassungskonform auszulegen und daher statthaft. Das Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich daraus, dass der Antragsteller als Beteiligter im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unterlegen sei sowie dass er seit geraumer Zeit von der Ausländerbehörde der Stadt … aufgefordert werde, bei der Passbeschaffung mitzuwirken, da er vollziehbar ausreisepflichtig sei. Dieses Vorgehen stelle sich als unmittelbare Folge der gravierenden Verfahrensverstöße und des verfassungswidrigen Vorgehens im Asylverfahren dar. Auch gebe es zwischenzeitlich einen Strafbefehl wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass in Tateinheit mit Verstoß gegen Mitwirkungspflichten, mit dem eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu jeweils 10,00 Euro festgesetzt worden sei. Aufgrund eines fristgerecht eingelegten Einspruchs sei Termin zur Hauptverhandlung für den 5. Juli 2018 anberaumt worden. Da der Antragsteller aufgrund des Beschlusses vom 15. Dezember 2016 aufenthalts- und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werde, habe er ein besonderes Interesse an der Abänderung des Beschlusses.
Aufgrund ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bundesamtsbescheides vom 16. November 2016 sei der Antrag auch begründet. Insbesondere stelle § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG bei EUrechtskonformer Auslegung keine ausreichende Rechtsgrundlage für das Offensichtlichkeitsurteil dar. Der Antragsteller habe am 24. März 2016 und damit nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die VRL am 20. Juli 2015 einen Asylantrag gestellt. Daher könne ein Antrag nur unter Berücksichtigung der in Art. 31 Abs. 8 VRL abschließend aufgezählten Fallgruppen als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wobei der vorliegende Sachverhalt von keiner der aufgelisteten Fallgruppen erfasst werde. So habe das Verwaltungsgericht Augsburg (B.v. 11.7.2017 – Au 1 S 17.32231) entschieden, dass bei Verweigerung jeglicher Angaben im Rahmen der Anhörung eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet nicht erfolgen dürfe, da die Verweigerung jeglicher Angaben nicht als qualifizierter Ablehnungsgrund in Art. 31 Abs. 8 VRL vorgesehen sei. Dass die in Art. 31 Abs. 8 VRL enthaltenen Fallgruppen abschließend seien, ergebe sich auch aus Art. 5 VRL, wonach Mitgliedstaaten günstigere Bestimmungen einführen oder beibehalten könnten. Im Umkehrschluss gehe daraus hervor, dass ungünstigere Bestimmungen nicht zulässig seien. Im Übrigen stelle die Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Dolmetscher keine Verletzung von Mitwirkungspflichten dar. Durch den Hinweis auf die Verständigungsprobleme habe gerade eine angemessene Verständigung bei der Anhörung entsprechend Art. 15 Abs. 3 S. 2 c), 16 VRL gewährleistet werden sollen. Der Antragsteller habe daher nicht schuldhaft gehandelt.
Auch werde der Beschluss vom 15. Dezember 2016 den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG bezüglich des Anspruchs auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle nicht gerecht. Stehe – wie im Falle der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet – nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärke dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (BVerfG, B.v. 22.10.2008 – 2 BvR 1819/07). Eine besonders sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Einzelfall sei sowohl dann erforderlich, wenn das Bundesamt den Asylantrag als unbegründet abgelehnt habe als auch dann, wenn die Ablehnung wegen offensichtlicher Unbegründetheit erfolgt sei, ihre Begründung jedoch ihrerseits nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge. In dieser Konstellation seien die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung stärker. An eine die Instanz abschließende Entscheidung im Hauptsacheverfahren habe das Bundesverfassungsgericht die Anforderung gestellt, dass sich aus den Entscheidungsgründen klar ergeben müsse, weshalb das Gericht zu einem Urteil nach § 78 Abs. 1 AsylVerfG gekommen sei. Durch diese Darlegungspflicht werde die Gewähr für die materielle Richtigkeit verstärkt. Die Entscheidungsgründe müssten die Maßstäbe erkennen lassen, die der Klageabweisung als offensichtlich unbegründet zugrunde lägen und sich nach diesen Maßstäben mit dem Einzelfall auseinandersetzten. Für den vorläufigen Rechtsschutz würden nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einer Konstellation, in welcher der Kläger sofort vollziehbar ausreisepflichtig geworden sei, keine abweichenden Maßstäbe gelten, denn der Rechtsschutzanspruch des Bürgers sei umso stärker und dürfe umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung sei und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirke ( BVerfG, B.v. 29.3.2007 – 2 BvR 1977/06). Vorliegend habe sich das Verwaltungsgericht ebenso wenig wie das Bundesamt mit den EUrechtlichen Vorgaben auseinandergesetzt. Zwar wende sich Art. 19 Abs. 4 GG vorrangig an die Legislative und Gerichtsbarkeit, wirke aber in das behördliche Verfahren hinein. So dürfe der gerichtliche Schutz durch das vorgelagerte Verwaltungsverfahren nicht unzumutbar erschwert werden. Daher hätte sich auch das Bundesamt mit einer EUrechtskonformen Auslegung des Art. 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG auseinandersetzen müssen.
Das Bundesamt habe auch gegen das Gebot eines fairen Verfahrens verstoßen, indem es dem Antragsteller durch seine Entscheidung noch am Tag der Anhörung die Möglichkeit genommen und das Recht abgeschnitten habe, sich ohne Vermittlung des vom Antragstellers mit guten Gründen abgelehnten Dolmetschers zu seiner Verfolgungsfurcht, gegebenenfalls schriftlich, zu äußern. Das Bundesamt habe die in § 25 Abs. 5 und 7 AsylG sowie in Art. 15, 16 und 17 VRL normierten verbindlichen Verfahrensregelungen zulasten des Antragstellers nicht angewandt und damit auch gegen die Verpflichtung zur umfassenden Sachaufklärung verstoßen. Das Bundesamt habe einseitig und zulasten des Antragstellers nur die Ausführungen des Dolmetschers zur Kenntnis genommen, wonach dieser sich mit dem Antragsteller gut verständigen habe können. Der vom Antragsteller geäußerten Sichtweise, dass es sich mit dem fraglichen Dolmetscher nicht ausreichend habe verständigen können bzw. insbesondere der Antragsteller diesen nicht ausreichend verstanden habe, in dem er angegeben habe, die Anhörung müsse mit einem Dolmetscher erfolgen, der ein arabischer Muttersprachler aus dem Iran sei, sei keine Relevanz beigemessen und bei der Entscheidung erkennbar nicht berücksichtigt worden. Ein Antragsteller sei einem vom Bundesamt präsentierten Dolmetscher nahezu hilflos ausgeliefert. Der Dolmetscher könne dem anhörenden Entscheider erzählen, was er wolle. Offensichtlich habe das Bundesamt nicht ausreichend kontrolliert, ob der Dolmetscher wahrheitsgemäß übersetze. Auch die Überlegungen des Verwaltungsgerichts Ansbach im Schreiben vom 12. Dezember 2016 berücksichtige ausschließlich, was der Dolmetscher erwähnt habe, nicht jedoch die Sichtweise des Antragstellers. Es sei unbeachtlich, wenn nach Kenntnis des Gerichts der Dolmetscher für das Verwaltungsgericht als Dolmetscher für die arabische Sprache tätig sei und keinerlei Zweifel an der Eignung des Dolmetschers bestünden. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts widerlegten auch nicht, dass der Antragsteller den Dolmetscher nicht ausreichend verstanden habe. Sie biete auch keine Gewähr dafür, dass der Dolmetscher mit seiner Aussage, er habe sich mit dem Kläger in der arabischen Sprache verständigen können, nicht die Unwahrheit gesagt habe. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dass Dolmetscher die Wahrheit sagten, Antragsteller dagegen nicht. Auch habe ein Dolmetscher ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, einen Antragsteller zu verstehen, da er für seine Dolmetscher-Leistungen bezahlt werde.
Das Bundesamt habe auch in das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, da es dem Antragsteller keine weitere Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe.
Bezüglich der begründeten Furcht des Antragstellers vor Verfolgung im Falle einer Abschiebung in den Iran werde auf die Klagebegründung vom 18. April 2018 im Hauptsacheverfahren AN 1 K 16.32044 verwiesen. Der Kläger fürchte im Falle einer Rückkehr in den Iran aus politischen und religiösen Gründen um sein Leben. Er sei als Aktivist vor seiner Flucht aus dem Iran von den Sicherheitsbehörden dort gefoltert worden. Er sei inzwischen zum christlichen Glauben konvertiert und halte sich zum Jesuszentrum in … Sollte das Gericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO nicht als zulässig oder begründet ansehen, werde angeregt die Entscheidung von Amts wegen abzuändern Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2018 teilte die Beklagte mit, dass der Antrag erfasst worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte der Verfahren AN 1 S 16.32043 und AN 1 K 16.32044 sowie die beigezogene Akte des Bundesamts Bezug genommen.
II.
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2016 ist abzuändern und die aufschiebende Wirkung der am 29. November 2016 erhobenen Klage gegen Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2016, Geschäftszeichen …, rückwirkend ab dem 29. November 2016 anzuordnen, da das Gericht Bedenken im Hinblick auf die Richtigkeit seiner früheren Rechtsauffassung hat und eine Interessensabwägung zu Gunsten des Antragstellers ausfällt.
1. Dahinstehen kann, ob die für das Abänderungsbegehren nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO erforderliche Veränderung der Umstände tatsächlich vorliegen, da jedenfalls das Gericht von Amts wegen gemäß § 80 Abs. 7 S. 1 VwGO einen Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben kann.
Eine Abänderungsbefugnis besteht im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens des Gerichts, da unter Zugrundelegung der für § 80 Abs. 5 VwGO maßgeblichen Kriterien auf Grund bisher nicht berücksichtigter Rechtserkenntnisse ein Bedürfnis für die Änderung oder Aufhebung des nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffenen Beschlusses besteht. Dabei genügt es bereits, wenn das Gericht bei unveränderten Umständen die Rechtslage nun (z. B. auf Grund einer erneuten Prüfung etwa auf Anregung eines Beteiligten) anders beurteilt oder die vormals durchgeführte Interessenabwägung korrekturbedürftig erscheint (Schoch/Schneider/Bier/Schoch, 33. EL Juni 2017, VwGO § 80 Rn. 569).
2. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes, den Antrag des Antragstellers wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
a) Gemäß § 36 Abs. 4 S. 1 des Asylgesetzes (AsylG) ist die gerichtliche Prüfung im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung gem. § 80 Abs. 5 VwGO auf die Frage beschränkt, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Gem. § 36 Abs. 1 AsylG darf die in der Abschiebungsandrohung gesetzte Ausreisefrist u.a. dann eine Woche betragen, wenn der Asylantrag offensichtlich unbegründet ist. Damit beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, ob die Einschätzung des Bundesamtes, dass die Unbegründetheit des Asylantrages offensichtlich ist, ernstlichen Zweifeln unterliegt. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. Geringe Zweifel reichen hierfür nicht aus (vgl. BVerfGE 94, 166/194).
b) Die Antragsgegnerin hat ihr Offensichtlichkeitsurteil auf die Vorschrift des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG gestützt. Hiernach ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Antragsteller seine Mitwirkungspflichten gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich.
Es spricht viel dafür, dass § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG im vorliegenden Fall unionsrechtskonform dahingehend auszulegen ist, dass bei einer Verweigerung jeglicher Angaben im Rahmen der Anhörung eine offensichtliche Unbegründetheit nicht angenommen werden kann. Denn die Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als offensichtlich unbegründet dürfte mit der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und die Aberkennung internationalen Schutzes unvereinbar sein.
Zwar wird zum Teil in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, dass keine europarechtlichen Bedenken im Hinblick auf § 30 AsylG bestehen (BeckOK AuslR/Heusch, 17. Ed. 1.2.2018, AsylG § 30 Rn. 8), gleichzeitig finden sich aber auch Ausführungen dahingehend, dass die Norm des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG in ihrer aktuellen Ausgestaltung keine Grundlage in der Asylverfahrensrichtlinie 2013 findet (NK-AuslR/Susanne Schröder, 2. Aufl. 2016, AsylVfG § 30 Rn. 31).
Auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass seit Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie 2013) in nationales Recht zum 20. Juli 2015 eine richtlinienkonforme Auslegung des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG unter Berücksichtigung des Art. 32 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU erforderlich ist.
So hat das Verwaltungsgericht Cottbus (B.v. 31.05.2018 – VG 4 L 307/18.A – juris, m.w.N.) ausgeführt:
„§ 30 Abs. 3 Nr. 5 Var. 3 AsylG wäre insoweit zu weit gefasst und europarechtskonform im Lichte des Art. 32 Abs. 2 i.V.m. Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes auszulegen bzw. aufgrund des Anwendungsvorranges des Europarechts nicht anzuwenden“.
Auch das Verwaltungsgericht Augsburg (B.v. 11.7.2017 – Au 1 S 17.32231 – juris) hat dargelegt:
„Nach Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU ist die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet bei Vorliegen eines der in Art. 31 Abs. 8 aufgeführten Umstände zulässig, wenn dies so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Die Aufzählung in Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU ist abschließend. Dies ergibt sich aus Art. 5 der Richtlinie, der nur den Erlass von mit der Richtlinie zu vereinbarenden günstigeren Bestimmungen erlaubt (vgl. hierzu VG Berlin, B.v. 16.3.2017 – 9 L 146.17 A – juris Rn. 13).
Die Vorgaben des Art. 32 Abs. 2 i.V.m. Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU waren gemäß Art. 52 Abs. 1 i.V.m. Art. 51 Abs. 1 dieser Richtlinie bis zum 20. Juli 2015 in nationales Recht umzusetzen und sind auf nach diesem Datum gestellte Asylanträge anzuwenden. Nach diesem Datum gestellte Asylanträge dürfen damit nur bei Vorliegen eines der in Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU geregelten Tatbestände als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden.“
c) Der Antragsteller hat die Durchführung der Anhörung beim Bundesamt am 16.11.2016 zusammen mit dem vom Bundesamt gestellten Dolmetscher Herrn … verweigert. Dahinstehen kann, ob der Antragsteller berechtigt war, die Anhörung wegen Verständigungsproblemen mit dem Dolmetscher abzubrechen, da unter Zugrundelegung der o.g. Ausführungen einiges dafür spricht, dass selbst bei einer gröblichen Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 25 Abs. 1 AsylG eine Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet nicht hätte erfolgen dürfen.
Der Antragsteller hat seinen Asylantrag am 24. März 2016 und damit nach dem 20. Juli 2015 gestellt. Damit ist die Asylrichtlinie unmittelbar anwendbar. Die Verweigerung der Angaben im Rahmen der Anhörung ohne wichtigen Grund kann nach vorläufiger Auffassung des Gerichts unter keinen der in Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Tatbestände subsumiert werden. In Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU findet sich keine ausdrückliche Fallgruppe, die bei Verweigerung der Anhörung eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet ermöglicht würde.
Art. 31 Abs. 8 Buchst. c der Richtlinie 2013/32/EU ist zwar im Falle des Verschweigen wichtiger Informationen einschlägig, setzt aber voraus, dass sich diese verschwiegenen Informationen negativ auf eine Entscheidung hätten auswirken können. Vorliegend sollten die Informationen aber gerade Grundlage für positive Entscheidung sein.
Ob § 30 Abs. 3 Nr. 5 – wie vom VG Cottbus (B.v. B.v. 31.05.2018, a.a.O.) angenommen – in den Fällen, in denen der Antragsteller überhaupt nichts sagt, als Umsetzung einer möglichen Fallgestaltung des Art. 31 Abs. 8 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU ausgelegt werden kann, erscheint zweifelhaft, da ja gerade keine Umstände vorgetragen worden sind. Art. 31 Abs. 8 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU setzt aber voraus, dass Umstände vorgetragen worden sind, die für die Frage, ob eine Person als Flüchtling oder international Schutzberechtigter anerkannt werden kann, nicht von Belang waren.
d) Eine abschließende Klärung dieser Rechtsfrage ist allerdings erst im Hauptsacheverfahren möglich. Damit sind zum jetzigen Zeitpunkt die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zumindest als offen anzusehen. Die in diesem Fall vorzunehmende Interessensabwägung fällt wegen der möglicherweise schwerwiegenden Einwirkungen auf das Leben des Antragstellers zu seinen Gunsten aus.
3. Wegen der vom Bevollmächtigten des Antragstellers vorgetragenen, bereits eingetretenen Beeinträchtigungen in Form von Aufforderungen des Antragstellers durch die Ausländerbehörde, bei der Passbeschaffung mitzuwirken, und eines (noch nicht rechtskräftigen) Strafbefehls wegen unerlaubten Aufenthalts ohne Pass in Tateinheit mit Verstoß gegen Mitwirkungspflichten, ergeht die abändernde Entscheidung mit rückwirkender Wirkung zum 29. November 2016. Da die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie 2013/32/EU bereits zu diesem Zeitpunkt bestand, ist eine rückwirkende Abänderung des Beschlusses vom 15. Dezember 2016 nicht ausgeschlossen (Schoch/Schneider/Bier/Schoch, 33. EL Juni 2017, VwGO § 80 Rn. 591).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).