Verwaltungsrecht

Untersagung der Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren

Aktenzeichen  23 ZB 18.756

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13970
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 2a, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Die für den Tatbestand des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 1 TierSchG erforderliche, tatsachengestützte negative Prognose dafür, dass der Halter ohne den Erlass eines Haltungs- und Betreuungsverbots weiterhin Zuwiderhandlungen begehen wird, lässt sich in der Regel an Hand der Zahl und/oder der Schwere der bisherigen Verstöße begründen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die fehlende Einsichtsfähigkeit stellt eine wesentliche Tatsache dar, welche die Annahme rechtfertigt, dass ein Betroffener weiterhin gegen das Tierschutzrecht verstoßen wird. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Wohlverhalten unter dem Druck eines laufenden Verfahrens ist grundsätzlich nicht geeignet, die Gefahrenprognose zu erschüttern. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
4 Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG kann dem Kläger auf Antrag das Halten oder Betreuen von Tieren wieder gestattet werden, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist und ein individueller Lernprozesses festgestellt werden kann.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf EUR 5.000,- festgesetzt.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils) gestützte Antrag hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens, auf dessen Würdigung es für die rechtliche Überprüfung des Antrags allein ankommt, nicht. Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG (Kammer), B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 2. März 2016, in dem dem Kläger u.a. untersagt wird, landwirtschaftliche Nutztiere zu halten und zu betreuen, abgewiesen, weil der Kläger dadurch, dass er die Tiere in katastrophalen Umständen – schlechter Pflegezustand (hochgradige Verschmutzung der Gliedmaßen), sehr schlechter Ernährungszustand einschließlich Wassermangel, hochgradig durch Kot verschmutzter Aufenthaltsbereich der Rinder einschließlich vorhandener verletzungsgefährlicher Gegenstände sowohl bei Rindern als auch Ziegen, keine Fütterung der gehaltenen Ziegen, kein Witterungsschutz bei den Ziegen in Weidehaltung, schlechter Pflegezustand der gehaltenen Hühner mit hochgradiger Verschmutzung und Grabmilbenbefall der Tiere usw. – gehalten habe, den Vorschriften des § 2 TierSchG grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen und betreuten Tieren erhebliche Leiden und Schäden zugefügt habe.
Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Insbesondere kann sie nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Hs. 1 TierSchG demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen oder es von der Erlangung eines entsprechenden Sachkundenachweises abhängig machen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.
1. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Hs. 1 TierSchG rechtsfehlerfrei bejaht.
Dass Zuwiderhandlungen im Sinne der Vorschrift vorliegen, wird vom Kläger im Zulassungsantrag eingeräumt. Bezogen auf den Tatbestand der Befugnisnorm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts lediglich insoweit angegriffen, als das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass im Falle des Klägers Tatsachen die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen rechtfertigen. Damit dringt der Kläger jedoch nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil (auf Seite 13 unten bis Seite 14 oben des Urteilsumdrucks) begründet, warum es davon ausgeht, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Diese Ausführungen, die im Zulassungsantrag auch wiedergegeben werden, sind nicht zu beanstanden.
Die für den Tatbestand des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Hs. 1 TierSchG insofern erforderliche, tatsachengestützte negative Prognose dafür, dass der Halter ohne den Erlass eines Haltungs- und Betreuungsverbots weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird, lässt sich in der Regel an Hand der Zahl und / oder der Schwere der bisherigen Verstöße begründen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, 3. Auflage, § 16a TierSchG Rn. 48 m.w.N.). Deswegen durfte das Verwaltungsgericht seine negative Prognose auch auf die zuvor in Tatbestand und Entscheidungsgründen ausführlich geschilderten Gesamtumstände stützen. Bei den festgestellten Verstößen handelt es sich auch um zahlreiche und gravierende Zuwiderhandlungen.
Auch die übrigen vom Verwaltungsgericht aufgeführten Umstände rechtfertigen die Annahme weiterer drohender Zuwiderhandlungen. Soweit der Kläger in Abrede stellt, dass seine – von ihm nicht bestrittene – Äußerung anlässlich der Kontrolle am 24. Februar 2016, er habe seine Tiere nicht versorgen können, eine Tatsache darstellt, die – neben anderen, nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts gerade nicht allein – belegt, dass auch zukünftig Verstöße zu besorgen sind, ist das Vorbringen nicht nachvollziehbar. Soweit darauf verwiesen wird, dass sich diese Aussage des Klägers auf die Vergangenheit beziehe, wird verkannt, dass es das Wesen einer Prognoseentscheidung darstellt, auf der Grundlage von vorhandenen Daten bzw. bekannten Umständen eine Aussage über die Zukunft zu treffen. Dazu kommt noch, dass der Kläger nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts anlässlich des Strafprozesses vor dem zuständigen Amtsgericht angegeben hat, dass er für die Versorgung seiner Tiere keine Zeit gehabt habe. Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass und warum das in der Zukunft anders sein sollte. Auch der Umstand, dass der Kläger in der strafgerichtlichen Verhandlung seine Verstöße bagatellisiert hat, durfte vom Verwaltungsgericht als einer von mehreren Umständen für die Begründung der negativen Prognose herangezogen werden, weil die fehlende Einsichtsfähigkeit eine wesentliche Tatsache darstellt, welche die Annahme rechtfertigt, dass ein Betroffener weiterhin gegen das Tierschutzrecht verstoßen wird (vgl. nur BayVGH, B.v. 23.11.2018 – 9 ZB 16.2467 – juris Rn. 16). Dagegen ist es nicht Voraussetzung für ein Haltungs- und Betreuungsverbot, dass der Betroffene bereits vorher wegen tierschutzrechtlicher Verstöße in Erscheinung getreten ist, worauf der Beklagte zutreffend hinweist. Angesichts der erheblichen und gravierenden Missstände der Tierhaltung des Klägers schadet es nicht, dass der Kläger „tierschutzrechtlich und tierschutzstrafrechtlich ein unbeschriebenes Blatt“ sei (vgl. auch BayVGH, B.v. 9.7.2918 – 9 ZB 16.2434 – juris Rn. 10). Auch der Einwand des Klägers, dass das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt habe, wie sich Verwaltungs- und Strafverfahren auf den Kläger ausgewirkt hätten, verfängt nicht. Ganz abgesehen davon, dass der Kläger überhaupt kein Wohlverhalten gezeigt hat, ist anerkannt, dass selbst ein an den Tag gelegtes Wohlverhalten unter dem Druck eines laufenden Verfahrens grundsätzlich nicht geeignet ist, die Gefahrenprognose zu erschüttern (vgl. VGH BW, B.v. 17.3.2005 – 1 S 381/05 – juris Rn. 4; Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 222. EL Dezember 2018, § 16a TierSchG Rn. 15).
Schließlich verhält sich die Antragsbegründung überhaupt nicht zu dem für das Verwaltungsgericht wesentlichen Umstand, dass der Kläger nach eigener Aussage überhaupt nichts an der katastrophalen Zuständen an seinem Hof zu ändern beabsichtige, was vom Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht als Begründung für die Annahme, dass der Kläger weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird, herangezogen wurde. Ohne eine Behebung bzw. Verbesserung der Verhältnisse auf dem klägerischen Hof, wie sie sich aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergeben, erscheint die Erwartung, dass sich die Tierhaltungsbedingungen verbessern, vollkommen unrealistisch.
2. Auch die ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens hat das Verwaltungsgericht zu Recht bejaht.
Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass das Landratsamt ein Haltungs- bzw. Betreuungsverbot bezüglich aller landwirtschaftlichen Nutztiere ausgesprochen habe, trifft das nicht zu. Aus dem Urteil geht unzweideutig hervor, dass das Verwaltungsgericht in Kenntnis dieses Umstandes die Ermessensausübung für ordnungsgemäß befunden hat. Dieses Ergebnis ist auch nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot deswegen, weil dem Kläger die Haltung aller Nutztiere untersagt wurde, ergibt sich nicht – schließlich sind auch bei allen vom Kläger gehaltenen Nutztierarten massive Mängel aufgetreten. Daran ändert sich auch durch die Behauptung der Schwester des Klägers, dass sie „morgens das Geflügel liebevoll versorge“, nichts, unabhängig davon, dass die Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch in Bezug auf das Geflügel – Haltung des Geflügels in einem hochgradig verschmutzten Stall, keine Behandlung von augenscheinlich unter Grabmilbenbefall leidenden Hühnern, stark verschmutztes Federkleid der Enten usw. – nicht für eine liebevolle Versorgung sprechen. Deswegen spricht auch nichts dafür, dass die Geflügelhaltung von dem Verbot hätte ausgenommen werden müssen.
Schließlich ist entgegen der Auffassung des Klägers insbesondere im weiteren Schriftsatz vom 29. Juni 2018 die Verweisung auf die Möglichkeit, gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Hs. 2 TierSchG die Wiedergestattung des Haltens und Betreuens von Nutztieren zu beantragen, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist, nicht zu beanstanden. Denn nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG kann dem Kläger auf Antrag das Halten oder Betreuen von Tieren wieder gestattet werden, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist und ein individueller Lernprozesses festgestellt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 23 CS 19.624 -; B.v. 28.3.2019 – 23 C 19.134 – jeweils m.w.N. und beide zur Veröffentlichung in juris vorgesehen; B.v. 23.11.2018 – 9 ZB 16.2467 – juris Rn. 9), was das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Haltungs- und Betreuungsverbots auch berücksichtigen durfte.
Die Beurteilung der weiteren Verfügungen im Bescheid durch das Verwaltungsgericht neben dem hier allein angegriffenen Haltungs- und Betreuungsverbot unterliegen ebenfalls keinen Bedenken.
Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abgelehnt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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