Aktenzeichen AN 2 K 15.01334
GG GG Art. 7, Art. 12, Art. 14
BV BV Art. 128
Leitsatz
1. Private Lehrgänge im Sinne des Art. 105 S. 1 BayEUG sind Einrichtungen der Ausbildung, des Unterrichts und der Fortbildung, die nicht alle Merkmale der Schule verwirklichen, für den objektiven Betrachter aber den Eindruck einer Schule erwecken. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Begriff des “Kollegs” ist nach Art. 10 Abs. 3 BayEUG als ein Gymnasium besonderer Art festgelegt, das Erwachsene, die sich bereits im Berufsleben bewährt haben, im 3-jährigen Unterricht zur allgemeinen Hochschule führt und stellt eine Schule des Zweiten Bildungsweges dar. Es handelt sich damit gerade nicht um eine unspezifische und gesetzlich nicht näher festgelegte Bezeichnung. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2015 ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben und das von der Klägerin gewünschte Widerspruchsverfahren nachgeholt, jedoch unbegründet und deshalb abzuweisen. Der Bescheid ist mit allen seinen Verfügungen rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, §§ 113 Abs. 1, 114 VwGO.
Ermächtigungsgrundlage für die in Ziffer 1 getroffene Untersagungsverfügung, den Begriff des Kollegs weiter zu verwenden, stellt Art. 105 i.V.m. 103 Bayerisches Erziehungs-und Unterrichtsgesetz (BayEUG) dar. Nach Art. 105 Satz 1 BayEUG dürfen private Lehrgänge und Privatunterricht keine Bezeichnungen führen oder Zeugnisse erteilen, die mit Bezeichnungen oder Zeugnissen öffentlicher oder privater Schulen verwechselt werden können. Nach Art. 105 Satz 2 i.V.m. Art. 103 Satz 1 BayEUG ist im Fall eines Verstoßes hiergegen eine Untersagung durch die Schulaufsichtsbehörde im Ermessenswege möglich.
Hiervon hat die Beklagte, die gemäß Art. 114 Abs. 1 Nr. 6 BayEUG i.V.m. der Zuständigkeitsbestimmung durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 24. Juli 2014 umfassend für alle Niederlassungen der Klägerin in Bayern zuständig ist, Art. 3 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, in nicht zu beanstandender Weise mit dem Bescheid vom 18. Juni 2015 Gebrauch gemacht.
Zwischen den Parteien unstreitig ist, dass es sich bei der von der Klägerin betriebenen Einrichtung nicht um eine Schule i.S.v. Art. 1 BayEUG bzw. Art. 7 GG, Art. 128 BV handelt, sondern um private Lehrgänge im Sinne des Art. 105 Satz 1 BayEUG. Ein solcher Lehrgang ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 15. Juni 1994, 7 B 92.438, U.v. 28.1.1998, 7 B 97.288 – juris) eine Einrichtung der Ausbildung, des Unterrichts und der Fortbildung, die nicht alle Merkmale der Schule verwirklicht, für den objektiven Betrachter aber den Eindruck einer Schule erweckt. Eine Schule i.S.v. Art. 7 GG stellt nicht nur eine Einrichtung des Unterrichts, sondern auch der Erziehung dar. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag beinhaltet nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 15.6.1994, a.o.O.) auch die Bildung von Herz und Charakter und ist nicht ausschließlich auf die Vermittlung von Fachwissen ausgelegt. Von diesem Schulbegriff geht auch das BayEUG aus, vgl. Art. 1 Abs. 1 BayEUG. Jedenfalls am Merkmal dieses allgemeinen Bildungsauftrags fehlt es beim Institut der Klägerin, das rein fachlich ausgelegt ist.
Eine Verwechslungsgefahr der Einrichtung der Klägerin mit einer Schule in dem oben dargelegten Sinne ist gegeben, nachdem die Klägerin im Namen ihrer Einrichtung („…Kolleg“) den Zusatz „Kolleg“ trägt. Der Begriff des Kollegs ist nach Art. 10 Abs. 3 BayEUG als ein Gymnasium besonderer Art festgelegt, das Erwachsene, die sich bereits im Berufsleben bewährt haben, im 3-jährigen Unterricht zur allgemeinen Hochschulreife führt und stellt eine Schule des Zweiten Bildungsweges dar (s. auch gesetzliche Überschrift zu Art. 10 BayEUG). Es handelt sich damit gerade nicht um eine unspezifische und gesetzlich nicht näher festgelegte Bezeichnung. Dass das Kolleg in der bayerischen Schullandschaft eher eine untergeordnete Bedeutung hat und in der Bevölkerung eventuell nicht allgemein als spezifische Schulart bekannt ist, ändert daran nichts und begründet die Verwechslungsgefahr. Jedenfalls für diejenigen, die an der Nachholung der allgemeinen Hochschulreife im Zweiten Bildungs Weg interessiert sind und sich über die bestehenden Möglichkeiten informieren und dabei auf das Kolleg im Sinne von Art. 10 Abs. 3 BayEUG stoßen, ist die Gefahr groß, dass das …Kolleg als Kolleg in diesem Sinne verstanden wird. Hierfür dürfte allein die Benutzung des Begriffs „Kolleg“ ausreichend sein. In jedem Fall aber ergibt sich konkret eine Verwechslungsgefahr daraus, dass die Klägerin, nach ihren eigenen Aussagen und vor allem ihrem Internetauftritt Interessenten auf die Ablegung des Abiturs vorbereitet und damit auf dem gleichen Gebiet und beim gleichen Interessentenkreis tätig wird wie ein Kolleg im gesetzlichen Sinne. Überdies benutzt die Klägerin bei ihrem Internetauftritt, insbesondere bei Überschriften, nach wie vor Begriffe aus dem staatlichen Schulwesen, vor allem bezeichnet sie ihre Kurse als „Tagesschule“ bzw. „Tages-und Abendschule“ und verwendet damit eindeutig irreführende Bezeichnungen. Verwendet werden darüber hinaus, die Verwechslungsgefahr weiter führend, Begriffe wie „Schüler“ und „summer-school“ und Slogans wie „Schulabschluss nachholen am …Kolleg …“. Dass in den einzelnen Texten auch die Information auftaucht, dass das …Kolleg auf „externe Prüfungen“ an „Partnerschulen“ vorbereite, lässt die Verwechslungsgefahr insgesamt nicht entfallen. Dies fällt allenfalls, und von der Klägerin so wohl auch gewollt, auf den zweiten Blick auf und lässt erst bei intensiverer Befassung Zweifel daran aufkommen, ob es sich um eine öffentliche oder private Schule handelt.
Offenbleiben kann insofern, auf welchen Zeitpunkt es für das Bestehen einer Verwechslungsgefahr maßgeblich ankommt, da fest steht, dass sowohl zum Zeitpunkt der Untersagungsverfügung (grundsätzlich maßgeblicher Zeitpunkt im Fall der Anfechtungsklage) als auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (auf den es bei Dauerverwaltungsakten regelmäßig ankommt) eine Verwechslungsgefahr bestand.
Bedenken, dass die Rechtsgrundlage des Art. 105 BayEUG im Ergebnis gegen höherrangiges Recht verstößt, etwa wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in eine Rechtsposition der Klägerin nach Art. 14 bzw. 12 GG, hat das Gericht nicht. Zum einen ist die Klägerin nicht an der Ausübung ihrer Tätigkeit selbst gehindert, sodass der Anwendungsbereich des Art. 12 GG allenfalls geringfügig tangiert und ein etwaiger Eingriff jedenfalls gerechtfertigt ist, nachdem Art. 7 GG insoweit für den Schutz des Schulwesens streitet. Eine bereits erworbene Eigentumsposition (etwa das Recht an einem eingeführten Namen) schränkt Art. 105 BayEUG vom Grundsatz her nicht ein, verhindert lediglich den Erwerb eines derartigen Rechts. Damit ist auch Art. 14 GG nicht berührt. Verfassungsrechtliche Bedenken hat auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinen Entscheidungen (vgl. z.B. U.v. 24.8.2011,7 B 10.2678, U.v. 15.6.1994 und 28.1.1998, a.o.O. – jeweils juris) nicht geäußert.
Art. 14 GG steht auch auf der Anwendungsebene den Anordnungen der Beklagten nicht entgegen. Wer entgegen gesetzlicher Vorschriften und bei absehbaren rechtlichen Schwierigkeiten eine geldwerte Position wie einen Firmen-Namen im Wirtschaftsverkehr aufbaut, kann sich billigerweise nicht im Nachhinein auf den Schutz erworbenen Eigentums berufen. Die Durchsetzung des Allgemeininteresses (Schutz der Interessenten vor vermeintlichen Schulen) rechtfertigt den Eingriff; dieser ist verhältnismäßig. Vorliegend benutzt die Klägerin ihren Namen auch noch nicht über einen wirklich längeren Zeitraum. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2016 angegeben hat, existiert die Einrichtung erst seit 2011 und wird diese erst seit 2013 in Form der … und damit mit dem Namen „…Kolleg …“ geführt. Wie sich aus der Akte ergibt, ist die Klägerin außerdem spätestens mit Schreiben vom 11. September 2012 von der Beklagten darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Begriff „Kolleg“ nicht verwendet werden darf. Sie ist seitdem nicht mehr gutgläubig und führt den Namen seitdem mit dem Wissen bzw. dem Risiko einer Untersagung.
Von der Rechtsgrundlage der Art. 105 i.V.m. 103 BayEUG gedeckt ist auch die Untersagung der Ausstellung von Zeugnissen, die mit Zeugnissen von öffentlichen oder privaten Schulen verwechselt werden können sowie die Präzisierung, dass Zeugnisse nicht mit dem Zusatz „Schulleitung“ versehen sein dürfen. Die von der Klägerin verwendeten Formulare (zum Beispiel vom 29.7.2014) sind im äußeren Erscheinungsbild und inhaltlich Schulzeugnissen zum Verwechseln ähnlich. Das Dokument enthält in Form einer tabellarischen Auflistung Unterrichtsfächer und Punktezahlen entsprechend der gymnasialen Oberstufe, daneben Bezeichnungen wie „Notenübersicht“, „Halbjahr…“, „Schuljahre…“, „Schulleitung“ oder „Stellv. Schulleitung“. Auch der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte, erneuerte Vordruck gleicht optisch nach wie vor einem Schulzeugnis mit der Angabe der Fächer und Punktezahlen auf grau hinterlegten Feldern und verwendet Begriffe aus dem Schulbereich wie „Oberstufenkoordinatorin“ und „Klassenleitung“. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Untersagung in Ziffer 1, dritter Absatz des Bescheids vom 18. Juni 2015 liegen vor. Die Ermessensausübung durch die Beklagte ist auch insoweit nicht zu beanstanden.
Das Gleiche gilt für die Untersagung der Verwendung von „Schulbescheinigungen“, wie sie nachgewiesen beispielsweise am 1. August 2013 und 23. September 2013 verwendet worden sind. Das Verbot des Führens von Bezeichnungen, die mit Schulen verwechselt werden können, umfasst auch die Möglichkeit, derartige Bezeichnungen auf schriftlichen Dokumenten zu unterbinden.
Von der Rechtsgrundlage der Art. 105 i.V.m. 103 BayEUG ebenso umfasst ist die Verpflichtung zur Umleitung der Besucher der Website „…Kolleg“ auf eine umbenannte Website. Die Verwendung der Bezeichnung „…Kolleg“ im Namen bzw. in der Adresse der Website (www…kolleg.de) stellt ein Führen der Bezeichnung i.S.v. Art. 105 BayEUG dar und kann damit unter den gleichen Voraussetzungen untersagt werden.
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2016 klargestellt hat, dass die gesetzte kalendarische Frist als Frist in Abhängigkeit von der Bestandskraft des Bescheides zu verstehen ist, ist der Bescheid auch insoweit ohne Bedenken. Die erforderliche Bestimmtheit der Anordnungen ist gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 28.10.1975, BayVBl. 1976, Nr. 66 II 72, 86, B.v. 18.3.1988, 12 CE 88.00409, BayVBl. 1988, 658) und der Auffassung der Kammer wirkt sich ein Fehler bei der Fristbestimmung im Übrigen nur im Hinblick auf ein nachfolgendes Zwangsmittel aus, für das nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG eine Fristsetzung erforderlich ist, macht aber nicht den Grundverwaltungsakt selbst rechtswidrig. Eine Zwangsmittelandrohung beinhaltet der Bescheid vom 18. Juni 2015 nicht.
Nicht zu beanstanden sind auch die festgesetzten Kosten des Verfahrens in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids. Kostenfreiheit nach Art. 3 Abs. 1 Nr.13 Kostengesetz besteht nicht. Lfd. Nr. 3.I.2 Tarif-Stelle 4.2. des Kostenverzeichnisses sieht einen Kostenrahmen von 10 bis 2.150 EUR vor.
Die Kostenentscheidung der damit erfolglosen Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, Hausanschrift: Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen,
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, Hausanschrift: Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.