Aktenzeichen Au 8 K 19.1456
LStVG Art. 19
LStVG Art. 8
VwGO analog § 113 Abs. 1 S. 4
BayVwVfG Art. 35, Art. 43 Abs. 2
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klage ist im Hauptantrag jedenfalls unbegründet, der Kläger durch die streitgegenständliche Allgemeinverfügung jedenfalls nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Auch hinsichtlich des Hilfsantrags hat die Klage keinen Erfolg.
1. Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Klage.
a) Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft, weil es sich bei der vom Kläger beanstandeten Allgemeinverfügung um einen Verwaltungsakt handelt (Art. 35 BayVwVfG). Da sich der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, war § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog anzuwenden.
b) Allerdings ist zweifelhaft, ob der Kläger ein Feststellungsinteresse geltend machen kann. Für eine wie hier auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit eines jedenfalls durch Zeitablauf erledigten (s. auch Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) Verwaltungsaktes gerichtete Klage ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung erforderlich. Ein solches liegt bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff vor. Darüber hinaus kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht (vgl. BVerfG, B.v. 13.12.2005 – 2 BvR 447/05 – juris Rn. 55; BVerfG, B.v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99 u.a. – juris Rn. 36; BVerfG, B.v. 3.2.1999 – 2 BvR 804/97 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 27.1.2012 – 10 B 08.2849 – juris Rn. 33; VGH BW, U.v. 22.7.2004 – 1 S 410/03 – juris Rn. 20). Bei schweren Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse u. a. in Fällen angenommen, in denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, B.v. 5.12.2001 a.a.O.; BayVGH, U.v. 20.3.2015 – 10 B 12.2280 – juris Rn. 27).
Vorliegend hat der Kläger selbst betont, etwaige künftige Veranstaltungen vorab mit der Beklagten abzustimmen, so dass bereits keine Wiederholungsgefahr droht. Eine fortwirkende Beeinträchtigung des Klägers ist nicht ersichtlich. Auch ist fraglich, ob hier ein schwerer Grundrechtseingriff zu bejahen ist bzw. selbst bei Annahme eines solchen wohl rechtzeitig gerichtlicher Eilrechtsschutz zu erlangen gewesen wäre. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Allgemeinverfügung jedenfalls am Freitag, dem 23. August 2019, vormittags gegen 10 Uhr an der Amtstafel angeheftet wurde. Daneben wurde deren verfügender Teil samt Allgemeinen Hinweisen an diesem Tag auch in der örtlichen Zeitung abgedruckt. Hinzu kommt, dass dem Kläger gegenüber bereits am 12. August 2019 geäußert wurde, dass nicht gewünscht sei, dass eine derartige Veranstaltung in seinem Wohnanwesen oder an einer anderen Örtlichkeit stattfinde und der Kläger daher wusste, dass von Behördenseite von einer anzeige- bzw. erlaubnispflichten Veranstaltung ausgegangen wird. Er hätte daher spätestens zu diesem Zeitpunkt – wenn auch nach seiner Ansicht zur Öffentlichkeit der Veranstaltung vorsorglich, aber noch innerhalb der Anzeigefrist des Art. 19 Abs. 1 LStVG – seine Veranstaltung anzeigen und gegen einen etwaigen Auflagen- bzw. Untersagungsbescheid einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Auch hinsichtlich der Allgemeinverfügung selbst ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger nicht noch vor seiner Veranstaltung gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch genommen hat.
Hinsichtlich eines behaupteten Rehabilitationsinteresses hat der Kläger lediglich behauptet, aber nicht substantiiert, inwieweit durch eine Darstellung in der Presse eine herabsetzende Wirkung eingetreten sein könnte. Er hat weder auf entsprechende Veröffentlichungen hingewiesen noch solche in Kopie vorgelegt.
2. Die Klage ist im Hauptantrag jedoch jedenfalls unbegründet, da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung den Kläger jedenfalls im Ergebnis nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Insgesamt zeigt sich die Untersagung der klägerischen Veranstaltung unter Beachtung des Grundsatzes der Effektivität der Gefahrenabwehr als jedenfalls im Ergebnis rechtmäßig, so dass der Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der gesetzlichen Grundkonzeption, die im Falle einer nicht bzw. nicht rechtzeitig erfolgten Anzeige einer öffentlichen Vergnügung ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vorsieht (vgl. Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG -dazu näher unter Ziffer I. 2 b)). Die Allgemeinverfügung ist auf Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG, Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt.
a) Die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG liegen vor.
(a) Nach Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG kann eine – öffentliche oder auch nichtöffentliche – Veranstaltung untersagt werden, wenn Anordnungen für den Einzelfall nach Art. 19 Abs. 5 Satz 1 LStVG für den Schutz der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG genannten Rechtsgüter nicht ausreichen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG ist eine Erlaubnis zu versagen, wenn es zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter oder zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit oder Nachbarschaft oder vor erheblichen Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft erforderlich erscheint oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen.
Die Risikovorsorge ist dabei nicht an eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter zur Zeit der Erlaubnis gebunden. Es genügt vielmehr, dass bei Durchführung der Veranstaltung mit dem Eintritt von konkreten Gefahren für die Schutzgüter zu rechnen ist. Solche Gefahren können sich insbesondere aus der Art der Veranstaltung, aus der Beschaffenheit des Veranstaltungsraums bzw. -orts sowie aus der Person bzw. dem Verhalten des Veranstalters ergeben (VG München, B.v. 21.12.2007 – M 22 S 07.5962 – juris Rn. 15; VG München, U.v. 2.2.2004 – M 22 K 02.4069 – juris Rn. 49 f.). Als Grundlage der Gefahrenprognose sind dabei konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich, bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 CS 15.431 – juris Rn. 18 unter Bezugnahme auf BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17 u.a.). Erforderlich ist deshalb (zunächst) eine auf Tatsachen gestützte Prognose, dass bei Durchführung der Veranstaltung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Sachlage eintreten wird; diese Sachlage muss dann eine konkrete Gefahr fundieren. Obwohl die konkrete Gefahr ihrerseits ein Prognoseelement einschließt – von der „Gefahrenlage“ wird auf einen (zukünftigen) Schadenseintritt an einem Schutzgut als hinreichend wahrscheinliche Folge geschlossen – und deshalb zwei Prognoseelemente verknüpft werden, darf der Gefahrentatbestand des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG nicht mit einer abstrakten Gefahr gleichgesetzt werden (vgl. BeckOK PolR Bayern/Engelbrecht, 13. Ed. 1.5.2020, LStVG Art. 19 Rn. 61). Anordnungen auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 5 LStVG können daher nicht zur Abwehr abstrakter Gefahren erlassen werden, die unabhängig von einem konkreten Anlass generell bei einer Vielzahl gleichartiger Veranstaltungen auftreten können (vgl. VG München, U.v. 2.2.2004 – M 22 K 02.4069 – juris Rn. 50).
Wann Versagungsgründe erfüllt sind, lässt sich nur für den Einzelfall beantworten. Zu berücksichtigen sind insofern etwa die Bedeutung der betreffenden Schutzgüter, das Gewicht und der Umfang eines in Betracht zu ziehenden Schadens sowie dessen Wahrscheinlichkeit. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG leitet die Sicherheitsbehörde lediglich bei der Frage an, auf welche Schutzgüter Bedacht zu nehmen ist. Zu der Frage, ob eine in Rechnung zu stellende (prognostizierte) konkrete Gefahr die Veranstaltung hindert oder ihr mit einer Risikovorsorge in Form von Auflagen zu begegnen ist, bietet das Gesetz keine spezifizierten Bewertungsmaßstäbe. Die Ermittlung und Bewertung von Risiken sowie die Reaktion darauf ist durch Art. 19 LStVG grundsätzlich nur zurückhaltend programmiert (vgl. BeckOK PolR Bayern/Engelbrecht, Art. 19 LStVG Rn. 64 f.).
Die Sicherheitsbehörde hat im Einzelfall dabei auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) zu beachten und ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben. Aus diesen bindenden gesetzlichen Vorgaben folgt auch, dass keine sachfremden Erwägungen der Entscheidung im Einzelfall zugrunde gelegt werden dürfen. „Rein politische Gründe“ sind nicht geeignet, ein sicherheitsrechtliches Einschreiten zu rechtfertigen. Die Beachtung der sicherheitsrechtlichen Handlungsgrundsätze kann vielmehr stets nur im Einzelfall überprüft und beurteilt werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2007 – 24 ZB 06.3155 – juris Rn. 22 f.).
(b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist festzustellen, dass der Beklagten ein Einladungsflyer zu einer Veranstaltung im Raum … am 24. August 2019 vorlag. Dort war insbesondere Live-Musik, eine Tattoo-Convention, 150 l Freibier und eine Stripshow angekündigt. Aufgrund dieses Flyers und der Kenntnis, dass ein Bandmitglied im Gebiet der Beklagten wohnte, kam es zur Ansprache beim Kläger. Dieser bestritt jedoch die Mitgliedschaft in der Band und verneinte ausdrücklich die Durchführung einer Veranstaltung am 24. August 2019. Weitere Nachforschungen in der Nachbarschaft ergaben, dass bei dem Kläger offenbar in der Vergangenheit bereits eine ähnliche Musikveranstaltung mit vielen Gästen stattgefunden habe und der Kläger regelmäßig mit seiner Band probe, zuletzt am 17. August 2019. Zudem war auf der Social-Media-Plattform der Band, bei der der Kläger Mitglied ist bzw. war, ein Post vorzufinden: „Der August wird laut !!!! Nähere Infos folgen !!!! …“, demselben Motto wie auf dem bekannt gewordenen Flyer.
(c) Es lagen daher für die Beklagte tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass es auf ihrem Gebiet jedenfalls zu einer Jugend- bzw. Gesundheitsgefährdung kommen könnte, nachdem ein Rock-Konzert mit Alkoholausschank, Tattoo-Convention und Stripshow angekündigt war und der Flyer im Bereich Social-Media (ob vorgeblich „intern“ oder öffentlich) zirkuliert wurde. Ebenso standen erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit bzw. Nachbarschaft im Raum. Belästigungen im Sinn von Art. 19 Abs. 4 LStVG sind dabei das normale Maß übersteigende Beeinträchtigungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, ohne dass eine konkrete Gefahr für die Gesundheit vorliegen muss. Dabei sind für die Beurteilung ortsübliche Maßstäbe ausschlaggebend (Nr. 19.1.4 VollzBekLStVG). Es lagen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass entsprechend laute Rockmusik durch die auf dem Flyer angeführten Bands gespielt werden würde und daher immissionsschutzrechtliche Fragestellungen im Raum standen, so dass erhebliche Belästigungen und Gefahren für die Gesundheit zu erwarten waren. Konkrete Auflagen dahingehend konnte die Beklagte jedoch nicht erlassen, da ihr schon die konkreten räumlichen Gegebenheiten sowie ein konkreter Ansprechpartner und die genauen Details zur Veranstaltung nicht bekannt waren. Jedenfalls konnte die Beklagte nicht sicher sein, dass der Kläger die Veranstaltung auf seinem Gelände durchführen würde, nachdem dieser sowohl seine Zugehörigkeit zur Band abgestritten als auch weniger als zwei Wochen vor der Veranstaltung angegeben hatte, nichts von einer Veranstaltung am 24. August 2019 zu wissen. Eine (vorsorgliche) Anzeige der Veranstaltung bei den Behörden bzw. ein (vorsorglicher) Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis, aus denen die Beklagte die relevanten Informationen erlangen hätte können, lagen ebenfalls nicht vor.
(d) Der klägerische Vortrag ist zwar insofern zutreffend, als dass die Beklagte grundsätzlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit einen Verwaltungsakt an den oder die Veranstalter hinsichtlich des konkreten Veranstaltungsortes und der konkreten Veranstaltung erlassen hätte müssen. Vorliegend sprach auch vieles dafür, dass die Veranstaltung von dem Kläger auf dessen Grundstück durchgeführt werden würde. Die Sicherheitsbehörde konnte sich dahingehend aber nicht sicher sein, da der Kläger selbst bis zu seiner unmittelbaren nochmaligen Ansprache am 24. August 2019 jeglichen Bezug zur Veranstaltung abstritt. Die Beklagte konnte daher nur vorsorglich unter Beachtung des Gebotes der effektiven Gefahrenabwehr eine Untersagung in Form einer Allgemeinverfügung auf dem gesamten Gebiet der Beklagten erlassen. Die Allgemeinverfügung ist dadurch auch hinreichend bestimmt. Soweit auch dritte Personen oder Grundstücke betroffen sind, ist jedenfalls keine subjektive Rechtsverletzung des Klägers ersichtlich.
(e) Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 8 LStVG) oder Ermessensfehler sind im Ergebnis nicht ersichtlich. Auch hat die Beklagte ihren Ermessensspielraum ausweislich der Begründung der Allgemeinverfügung erkannt und Ermessenserwägungen angestellt. Soweit sie in der Begründung der Allgemeinverfügung auch Angaben ohne konkrete Anhaltspunkte macht, sind diese für die ausgesprochene Veranstaltungsuntersagung zwar als solche nicht tragfähig, die Begründung daher insoweit rechtsfehlerhaft. Der Kläger ist jedoch insoweit ob der für sich allein tragfähigen übrigen Begründung der Untersagung dadurch nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt, da es jedenfalls an der Kausalität dieser fehlerhaften Begründung für den Erlass des Verwaltungsaktes fehlt.
Der Beklagten muss zwar etwa bekannt sein, ob „evtl. vorhandene Schutzgebiete“ nach § 39 BNatschG auf ihrem Gebiet vorhanden sind und hätte derartige Begründungen erheblich präzisieren müssen. Auch etwa die angeführte Waldbrandgefahr hätte konkret geprüft werden müssen. Anordnungen auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 5 LStVG können auch nicht zur Abwehr abstrakter Gefahren erlassen werden, die unabhängig von einem konkreten Anlass generell bei einer Vielzahl gleichartiger Veranstaltungen auftreten können (vgl. VG München, U.v. 2.2.2004 – M 22 K 02.4069 – juris Rn. 50). Es ist den Behördenakten sowie der Untersagungsverfügung auch nicht zu entnehmen, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass etwa verfassungsfeindliche Handlungen drohen. Insofern genügt nicht die bloß abstrakte Gefahr, dass bei Veranstaltungen, die von den Behörden dem rechten Spektrum zugeordnet werden, nach Einschätzung der Sicherheitsbehörde bzw. der Polizei mit verfassungsfeindlichen Handlungen zu rechnen ist, um eine Untersagung zu rechtfertigen.
Eine auf mehrere Gründe gestützte Ermessensentscheidung ist grundsätzlich aber auch dann rechtmäßig, wenn nur einer der angezogenen Gründe sie trägt, es sei denn, dass nach dem Ermessen der Behörde nur alle Gründe zusammen die Entscheidung rechtfertigen sollen (vgl. etwa BVerwG U.v. 19.5.1981 – 1 C 169.79 – juris Rn. 22). Das Gericht geht davon aus, dass die Behörde vorliegend nicht nur wegen des Zusammenwirkens aller genannten Gründe einschreiten wollte, sondern nach deren Willen jeder Grund für sich alleine tragfähig für die Untersagung ist. Dies ergibt sich aus der Formulierung der einzeln aufgeführten Gründe sowie auch aus dem Zitat mehrerer, jeweils eigenständig tragender Ermächtigungsgrundlagen. Auch Art. 39 BayVwVfG enthält nur ein formelles Begründungserfordernis, setzt aber nicht voraus, dass die Begründung in Gänze rechtsfehlerfrei ist.
Die Beklagte hat in ihrer Allgemeinverfügung auch eine nachvollziehbare Abwägung der sich entgegenstehenden Interessen und Grundrechte vorgenommen und dabei unter Bezugnahme auf die in Art. 19 Abs. 4 LStVG genannten Rechtsgüter im Ergebnis zu Recht einen Vorrang u.a. des Gesundheitsschutzes vor der allgemeinen Handlungsfreiheit angenommen. Dass die o.g. nicht tragfähigen Angaben in der Begründung auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind, ist nicht ersichtlich.
b) Die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG liegen ebenfalls vor. Die Beklagte durfte nach den Gesamtumständen die streitgegenständliche Allgemeinverfügung erlassen, um eine Ordnungswidrigkeit des Klägers nach Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG zu unterbinden. Nach Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG kann mit Geldbuße belegt werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine öffentliche Vergnügung ohne die erforderliche Anzeige oder Erlaubnis veranstaltet.
(a) Die geplante Veranstaltung stellt eine öffentliche Vergnügung i.S.d. Art. 19 Abs. 1 LStVG dar.
Die klägerische Veranstaltung mit Tattoo-Convention, Freibier und Stripshow ist eine Vergnügung i.S.v. Art. 19 LStVG, da sie dazu bestimmt und geeignet ist, die Besucher zu unterhalten, zu belustigen, zu zerstreuen oder zu entspannen (Nr. 19.1.1 VollzBekLStVG). Sie ist auch öffentlich im Sinne der Vorschrift. Bei dem Begriff „Öffentlichkeit“ handelt es sich um einen zentralen Begriff des Art. 19 Abs. 1 LStVG, der jedoch im Gesetz selbst nicht definiert ist. Nicht entscheidend ist für das Merkmal der Öffentlichkeit, wie sie vom Veranstalter bezeichnet wird, z.B. als „geschlossene Gesellschaft“. Maßgeblich ist vielmehr der tatsächliche Zuschnitt, wie er sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ergibt. Ist die Veranstaltung nur für einen begrenzten, durch persönliche Merkmale spezifizierten Teilnehmerkreis zugänglich und gegen Außenstehende „abgeschottet“, so fehlt das Merkmal der Öffentlichkeit. Hierin gehören z.B. private „Partys“, Tanzabende von Tanzzirkeln, der Tanz beim Abschluss eines Betriebsausflugs, bei „geschlossenen Gesellschaften“ anlässlich von Familienfesten, Jubiläen und Ähnlichem. Öffnen sich solche Veranstaltungen in Lokalen aber beispielsweise zu vorgerückter Stunde für einen beliebigen Teilnehmerkreis, so werden sie dadurch zur öffentlichen Veranstaltung. Die Öffentlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Eintritt an gewisse Bedingungen geknüpft wird, wie Eintrittsgeld oder Kleidungsgebote. Sie kann auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass bei der Veranstaltung eines Jugendclubs „nur für Mitglieder“ nach Zahlung eines „Beitrags“ jedermann als ein solches Mitglied teilnehmen kann (vgl. BayVGH, U.v. 18.4.2013 – 10 B 11.1530 – juris Rn. 39 ff.; BayVGH, B.v. 8.2.2003 – 24 CS 03.376 – BeckRS 2003, 31543). Öffentlich ist eine Vergnügung nach der Vollzugsbekanntmachung zum LStVG, wenn die Teilnahme nicht auf einen bestimmten, durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter persönlich untereinander verbundenen, abgegrenzten Personenkreis beschränkt ist (Nr. 19.1.3 VollzBekLStVG).
Nach diesen Grundsätzen ist die Veranstaltung des Klägers zur Überzeugung der Kammer als öffentlich zu qualifizieren. Dafür spricht schon das gesamte Prozedere im Vorfeld der Veranstaltung. Diese wurde mit einem Flyer zu „…“ unter Angabe des Datums beworben. An der Veranstaltung sollten ausweislich des Flyers drei Bands Live-Musik darbieten, zugleich eine Tattoo-Convention abgehalten und eine Stripshow angeboten werden. Der Charakter dieses Flyers sowie dessen Verbreitung tragen maßgeblich zur Qualifizierung der Veranstaltung als „öffentlich“ bei. Auf diesem ist zudem eine E-Mail-Adresse „…“ angegeben, ohne jedoch einen persönlichen oder privaten Bezug zu einem Veranstalter herzustellen. Ergänzt wird dieser Flyer durch einen Post auf der öffentlichen Seite der Band auf einer bekannten Social-Media-Plattform mit dem Wortlaut „Der August wird laut !!!! Nähere Infos folgen !!!! …“ sowie einem diesem unmittelbar nachfolgenden Post vom 25. Mai 2019 „Bald gibts weitere Infos bezüglich dem letzten Post!! Bei fragen dürft ihr euch auch gern an die üblichen verdächtigen wenden oder uns hier direkt anschreiben!!!!“ (…). Auch der klägerische Vortrag dahingehend, dass ein „Interessent (…) seinen Willen zur Teilnahme dem Veranstalter über bekunden und gleichzeitig sein Einverständnis dazu erklären [musste], dass sein Name in die Gästeliste aufgenommen wird“, spricht dafür. Der Interessent habe dann eine Einladungskarte bestellen müssen, die ihm per Post zugesendet wurde. Dieses Prozedere und die jedenfalls teilweise öffentliche Werbung sprechen zur Überzeugung der Kammer für eine öffentliche Veranstaltung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger vorträgt, den o.g. Flyer nur in „geschlossenen Chatgruppen“ in den Sozialen Medien zirkuliert zu haben. Vielmehr spricht die Gesamtheit der Umstände dafür, dass jeder, der dieses Prozedere durchlief, eine Karte für die klägerische Veranstaltung bekommen und auf der Gästeliste erscheinen konnte. Diese Öffentlichkeit konnte der Kläger auch nicht mehr dadurch verhindern, dass er seine Veranstaltung durch ein Schild als „Privatveranstaltung“ betitelte und nun vorgetragen hat, nur Personen, die auf der Gästeliste standen, hätten Zugang zur Veranstaltung erhalten (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2003 – 24 CS 03.376 – BeckRS 2003, 31543).
(b) Als öffentliche Vergnügung war für die Veranstaltung eine Anzeige bei der zuständigen Sicherheitsbehörde erforderlich (Art. 19 Abs. 1 LStVG). Der Kläger hat die Veranstaltung nicht spätestens einer Woche vorher schriftlich angezeigt. Damit unterlag die Veranstaltung nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Allgemeinverfügung gibt daher ohnehin im Ergebnis lediglich das ipso iure eingetretene präventive Verbot der Veranstaltung nach der gesetzlichen Grundkonzeption wieder. Der Kläger hat unstreitig auch keinen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis gestellt.
(c) Es drohte damit die jedenfalls fahrlässige konkrete Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG. Zur Unterbindung dieser Ordnungswidrigkeit durfte die Beklagte nach Art. 7 Abs. 2 LStVG die streitgegenständliche Allgemeinverfügung nach den Gesamtumständen erlassen.
(d) Die Allgemeinverfügung erweist sich hiernach jedenfalls im Ergebnis als rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei (vgl. dazu bereits oben). Sie ist verhältnismäßig (Art. 8 LStVG). Mildere Mittel als eine Untersagung waren nicht erkennbar. Die durch die Beklagte aufgrund der bestehenden Erkenntnislage zu treffende Gefahrprognose rechtfertigte eine Untersagung der klägerischen Veranstaltung. Der Beklagten standen nämlich nur sehr eingeschränkte Informationen zur Verfügung (vgl. oben). Auch wenn man für die Verhältnismäßigkeitsprüfung wegen der spezialgesetzlichen Norm des Art. 19 Abs. 4 LStVG im Rahmen der Generalklausel höhere Maßstäbe anzulegen und daher für eine Untersagung mehr zu verlangen haben wird als die bloße Begehung einer Ordnungswidrigkeit (vgl. VG Augsburg, B.v. 19.11.2010 – Au 5 S 10.1834), gilt mit dem im Rahmen des Art. 19 Abs. 5 LStVG Gesagten hier dasselbe Ergebnis. Ermessensfehler sind auch hier nicht ersichtlich. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.
c) Soweit die Beklagte die Allgemeinverfügung auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG stützt, ist der Begründung hierzu keine konkrete Gefahrenprognose zu entnehmen. Die Beklagte bezieht sich insofern lediglich auf abstrakte Gefahren, die bei allen vergleichbaren Veranstaltungen drohen könnten. Insofern wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Der Kläger ist insoweit aber jedenfalls nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt.
d) Soweit der Kläger schließlich vortragen lässt, die Sachlage habe sich am Samstag, dem 24. August 2019, für die Beklagte anders dargestellt, so dass diese darauf reagieren hätte müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte konnte – auch bei Unterstellung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Übergabe der Kopie der Allgemeinverfügung an den Kläger am 24. August 2019 – rechtsfehlerfrei an der Untersagung festhalten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beklagten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Durchführung der Veranstaltung die für eine Anzeige bzw. einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis notwendigen Informationen ganz oder teilweise vorgelegen hätten, wäre es der Beklagten weder zuzumuten noch von ihr zu erwarten, binnen einer kurzen Zeit von nur wenigen Stunden am Wochenende ohne regulären Behördenbetrieb eine neue Entscheidung aufgrund eines komplexen Sachverhalts herbeizuführen. Die vor Ort eingesetzten Polizeibeamten waren hierfür jedenfalls nicht als Sicherheitsbehörde zuständig und konnten grundsätzlich keine der Allgemeinverfügung widersprechenden Maßnahmen ergreifen (Art. 10 LStVG). Die Allgemeinverfügung war mangels Nichtigkeit jedenfalls nach Übergabe an den Kläger ungeachtet einer etwaigen (teilweisen) Rechtswidrigkeit nämlich jedenfalls wirksam. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger sich hinsichtlich einiger der aufgeworfenen Fragestellungen womöglich kompromissbereit gezeigt hat. Der Kläger selbst hätte es in der Hand gehabt, durch (rechtzeitige) Zurverfügungstellung der erforderlichen Informationen sowie (vorsorgliche) Anzeige einer Veranstaltung der Behörde eine ausreichende Prüfungsmöglichkeit einzuräumen, um eine legale Durchführung der Veranstaltung zu erreichen. Bereits aus der gesetzlichen Konzeption des Art. 19 Abs. 1 LStVG für öffentliche Vergnügungen ergibt sich, dass der Behörde regelmäßig eine Woche Vorlaufzeit zuzugestehen ist, die Notwendigkeit von Anordnungen zu prüfen. Andere Vorschriften, etwa § 75 VwGO, sehen sogar weit längere Bearbeitungszeiten vor. Auch ein notwendiger Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis (siehe näher dazu unten) wäre so zu stellen gewesen, dass die Behörde genügend Zeit zur Prüfung gehabt hätte (vgl. etwa BeckOK PolR Bayern/Engelbrecht, Art. 19 LStVG Rn. 17). Im Übrigen erscheint es rechtsmissbräuchlich, zunächst seinen Mitwirkungspflichten aus Art. 26 BayVwVfG nicht im Ansatz nachzukommen, sich sodann aber darauf zu berufen, dass die Behörde während der Aufbauarbeiten, d.h. bei unmittelbar zeitlichem Bevorstehen der Veranstaltung, Informationen erlangt, aufgrund deren sie nun gleichsam im „Eilverfahren“ binnen weniger Stunden eine Erlaubnis zu erteilen hätte, ohne dass jemals ein dahingehender (vollständiger) Antrag (formgerecht) eingereicht worden ist. Vielmehr hat der Kläger wesentlichen Anteil daran, dass es der Beklagten im Vorfeld nicht möglich war, in Abstimmung mit dem Kläger etwa notwendige Auflagen zu prüfen. Die Beklagte ist aber auch ohne Anzeige bzw. Antrag nicht gänzlich untätig geblieben und hat versucht, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 24 BayVwVfG) Informationen zu gewinnen.
3. Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Es fehlt bereits an einer eigenen Anordnung durch die Polizei, die lediglich im Rahmen der Amtshilfe der Beklagten für diese außerhalb ihrer Dienstzeiten tätig geworden ist. Vorliegend ging es um die Vollziehung der Allgemeinverfügung während deren Geltungszeitraums. Hier hätte die Polizei im Rahmen der Vollzugshilfe tätig werden können (Art. 67 Abs. 1 PAG). Eigenständige polizeiliche Maßnahmen sind jedoch nicht erfolgt, der Kläger hat die Veranstaltung selbständig beendet. Es erfolgte lediglich eine Ansprache beim Kläger, bei der dieser auf die Allgemeinverfügung hingewiesen wurde. Insofern teilt das polizeiliche Handeln das rechtliche Schicksal der Allgemeinverfügung.
4. Soweit der Kläger letztlich vorträgt, die Veranstaltung am Samstag habe einen ganz eigenen, neuen Charakter gehabt und sei deshalb nicht mehr unter die Allgemeinverfügung gefallen, ist dies nicht Prüfungsgegenstand in diesem Klageverfahren. Der Kläger hat die Veranstaltung nach einer Ansprache durch die Polizei unter Verweis auf die Allgemeinverfügung eigenständig beendet, eine polizeiliche Auflösung ist nicht erfolgt. Ein eigenständiger polizeilicher Verwaltungsakt bzw. Vollstreckungshandlungen sind nicht erkennbar. Nur insofern hätte es einer Prüfung bedurft, inwieweit dieses eigenständige polizeiliche Handeln als solches rechtmäßig gewesen wäre und ob die streitgegenständliche Allgemeinverfügung hierfür als Rechtsgrundlage in Frage gekommen wäre.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.