Aktenzeichen Vf. 68-VI/14
AVKirchStG § 2 Abs. 3 S. 3
KirchStG Art. 3 Abs. 4 S. 1, Abs. 4 S. 2 Hs. 2
Leitsatz
1. Überprüfung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils, dem zufolge die Erklärung, “im meldeamtlichen Sinn” aus einer Kirche auszutreten, unwirksam ist, am Maßstab des Grundrechts der Glaubensfreiheit (Art. 107 Abs. 1 und 2 BV). (amtlicher Leitsatz)
2. Die Glaubensfreiheit schließt auch die Befugnis ein, aus einer Religionsgemeinschaft auszutreten und gewährleistet, dass niemand entgegen seiner religiösen Überzeugung Steuerschuldner einer Kirche ist, der er sich nicht verbunden fühlt (Bestätigung von VerfGHE 61, 125). (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Ausgestaltung des Verfahrens, wonach der Kirchenaustritt zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit nicht unter einer Einschränkung oder einem Vorbehalt erklärt werden kann, wahrt das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und die negative Glaubensfreiheit der Austrittswilligen, wenn – wie durch Art. 3 Abs. 4 S. 1 KirchStG – sichergestellt ist, dass die Erklärung nur “öffentlich-rechtliche Wirkungen” hat, also nur für den staatlichen Bereich erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein schutzwürdiges Interesse zur Modifizierung der Austrittserklärung, wonach der Austritt nur im “meldeamtlichen Sinne” erfolge, besteht nicht, weil sich aus Art. 3 Abs. 4 S. 1 KirchStG bereits die Beschränkung der Erklärung auf den staatlichen Bereich ergibt. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
7 ZB 14.373 2014-05-12 Bes VGHMUENCHEN VG München
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe
I. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 19. Dezember 2013 Az. M 22 K 12.5556, mit dem die Klage der Beschwerdeführerin auf Verpflichtung der Landeshauptstadt München zur Bestätigung ihres Kirchenaustritts abgewiesen wurde, und gegen die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung hiergegen durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Mai 2014 Az. 7 ZB 14.373.
1. Am 21. Dezember 2009 ging beim Standesamt der Landeshauptstadt München folgende schriftliche und notariell beglaubigte Erklärung der Beschwerdeführerin vom 16. Dezember 2009 ein: „Ich trete aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in B., Körperschaft des öffentlichen Rechtes im meldeamtlichen Sinn aus.“ Das Standesamt teilte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11. Januar 2010 mit, dass die Erklärung in dieser Form nach den maßgeblichen Bestimmungen des Kirchensteuergesetzes nicht wirksam entgegengenommen werden könne, weil sie unzulässige Einschränkungen enthalte.
2. Daraufhin erhob die Beschwerdeführerin Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte, die Landeshauptstadt München unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Januar 2010 zu verpflichten, der Beschwerdeführerin zu deren notariell beglaubigter Erklärung vom 16. Dezember 2009 den Austritt am 21. Dezember 2009 aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in B. zu bestätigen. In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 19. Dezember 2013 gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll: „Ich wiederhole meine Erklärung vom 17. (datiert 16.) Dezember 2009“, und zusätzlich: „Ich trete aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in B. aus“.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 19. Dezember 2013 ab. Die Erklärung erfülle nicht die Anforderungen des Art. 3 Abs. 4 KirchStG i. V. m. § 2 Abs. 2 AVKirchStG und sei deshalb unwirksam. Eine wirksame Austrittserklärung erfordere auch unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, dass sie auf den Austritt aus der Religionsgemeinschaft gerichtet sei und dies in der Erklärung unzweideutig zum Ausdruck gebracht werde. Daran fehle es bei der von der Beschwerdeführerin abgegebenen Erklärung, weil sie mehrdeutig und deshalb rechtsunwirksam sei. Beziehe sich der Zusatz „im meldeamtlichen Sinn“ auf die Austrittserklärung, liege eine unzulässige gespaltene Erklärung vor, die sich nur auf die Beseitigung der mit der Mitgliedschaft verbundenen Wirkungen im staatlichen Bereich beschränke. Beziehe sich der Zusatz hingegen auf die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“, erkläre sich nicht aufgrund des Wortlauts, welchen Bedeutungsgehalt hiernach die Körperschaft des öffentlichen Rechts umfassen solle.
3. Den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 12. Mai 2014 mit der Begründung ab, die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO lägen nicht vor.
An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden keine ernstlichen Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Gesetzgeber sei berechtigt, die Wirksamkeit des Kirchenaustritts an ein förmliches Verfahren zu binden. Im Interesse klarer rechtlicher Verhältnisse und zur Vermeidung von Irrtümern oder Zweifeln und von Streitigkeiten über den Umfang der Rechtsfolgen dürfe eine gesetzliche Regelung die Wirksamkeit einer Erklärung über den Kirchenaustritt davon abhängig machen, dass die Erklärung eindeutig sei und keinerlei Zusätze enthalte. Gemessen daran habe das Verwaltungsgericht die Wirksamkeit der Austrittserklärung zu Recht verneint. Zwar scheitere die Wirksamkeit der Austrittserklärung nicht daran, dass die Beschwerdeführerin ihrer Erklärung, sie trete aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche aus, die Worte „in B.“ und „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ beigefügt habe. Dabei handle es sich um eine zulässige Konkretisierung der Kirchenbezeichnung. Der Wirksamkeit stehe aber der Zusatz „im meldeamtlichen Sinn“ als unzulässige Einschränkung im Sinn des § 2 Abs. 2 Satz 3 AVKirchStG entgegen. Auch wenn der erklärte Kirchenaustritt nach dem insoweit allein maßgeblichen staatlichen Recht lediglich die staatlich durchsetzbaren Konsequenzen der Mitgliedschaft entfallen lasse, müsse die Erklärung, um von der negativen Glaubensfreiheit gedeckt zu sein, nach ihrem Wortlaut eindeutig auch auf den Austritt aus der Religionsgemeinschaft gerichtet sein. Daran fehle es, weil aufgrund des ergänzenden Zusatzes „im meldeamtlichen Sinn“ nicht hinreichend klar sei, was die Beschwerdeführerin mit ihrer Erklärung bezwecke und ob sie die Wirkung ihres Austritts auf dessen staatliche (melderechtliche) Rechtsfolgen unter Verbleib in der Glaubensgemeinschaft beschränken wolle.
Auch die in der mündlichen Verhandlung dem Verwaltungsgericht gegenüber abgegebene Austrittserklärung könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen und begründe daher keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Zum einen müsse die Austrittserklärung gegenüber dem zuständigen Standesamt abgegeben werden. Zum anderen wirke sie nur für die Zukunft. Da eine nachträgliche Heilung einer zunächst nicht eindeutigen Erklärung nicht möglich sei, könne die mit der Klage begehrte Bestätigung des Austritts am 21. Dezember 2009 nicht erteilt werden.
Die Berufung sei auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen.
II. 1. Mit ihrer am 9. Juli 2014 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, die Gerichtsentscheidungen verletzten ihre Grundrechte auf freie Persönlichkeitsentfaltung und negative Religionsfreiheit sowie das Rechtsstaatsprinzip.
Das Verwaltungsgericht habe die Grenzen seiner Jurisdiktion überschritten und sich Entscheidungskraft über rein innerkirchliches Recht angemaßt. Unzulässigerweise habe es die Hoheit des Staates auf eine Beurteilung innerkirchlicher Mitgliedschaftsrechte ausgedehnt. Es sei dem Staat generell verwehrt, Regelungen zu treffen, die über den rein staatlichen Teil der Mitgliedschaft hinausgingen; entgegen der Annahme im verwaltungsgerichtlichen Urteil dürfe er kein Junktim zwischen dem Austritt aus der Glaubensgemeinschaft und ihrem korrespondierenden staatlichen Teil vorschreiben. Der Staat dürfe das förmliche Austrittsverfahren regeln, aber nur beschränkt auf „seinen“ staatlichen Teil, nämlich die öffentlichrechtliche Körperschaft „im meldeamtlichen Sinn“. Das Verwaltungsgericht stütze seine Entscheidung außerdem auf eine von ihm nur vermutete Mehrdeutigkeit der von der Beschwerdeführerin abgegebenen Austrittserklärung und verletze dadurch das Rechtsstaatsprinzip. Dass diese Vermutung falsch sei, werde durch die in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärungen bewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof führe die Argumentation des Verwaltungsgerichts sogar noch ein Stück weiter, indem er seinerseits Zweifel an der Reichweite der Austrittserklärung äußere, was eine weitere selbstständige Grundrechtsverletzung darstelle. Schlicht falsch und ein weiterer Eingriff in das Grundrecht auf Rechtsstaatlichkeit sei die Ansicht, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht abgegebene Austrittserklärung sei formunwirksam. Zum einen seien in der mündlichen Verhandlung uneingeschränkt bevollmächtigte Sitzungsvertreter der Landeshauptstadt München anwesend gewesen. Zum anderen ersetze ein gerichtliches Protokoll jede andere vorgeschriebene Form.
2. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
III. Die Verfassungsbeschwerde ist nur zum Teil zulässig.
1. Unzulässig ist sie, soweit sie sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs richtet.
a) Das gilt zunächst hinsichtlich der Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe das „Grundrecht auf Rechtsstaatlichkeit“ verletzt, weil er den in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 19. Dezember 2013 zu Protokoll erklärten Kirchenaustritt der Beschwerdeführerin mangels Abgabe gegenüber dem Standesamt als formunwirksam angesehen habe.
Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) verbürgt keine subjektiven verfassungsmäßigen Rechte, so dass eine Verfassungsbeschwerde hierauf nicht gestützt werden kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 11.9.2013 VerfGHE 66, 153/155; vom 12.1.2015 BayVBl 2015, 522 Rn. 16). Im Übrigen übersieht die Beschwerdeführerin mit ihrer Rüge, dass der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung insoweit auf eine zweite, selbstständig tragende Begründung gestützt hat. Er hat nämlich zusätzlich ausgeführt, dass eine – wirksame – Austrittserklärung nur für die Zukunft wirke und deshalb die mit der Klage ausdrücklich begehrte Bestätigung des Austritts „am 21. Dezember 2009“ schon deshalb nicht aufgrund der vier Jahre später vor dem Gericht abgegebenen Erklärung erteilt werden könne.
b) Unzulässig ist auch die weitere Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe das Grundrecht der Glaubensfreiheit (Art. 107 Abs. 1 und 2 BV) verletzt, weil er bei der Bewertung der Austrittserklärung vom 16. Dezember 2009 die verfassungswidrige Argumentation des Verwaltungsgerichts „sogar noch ein Stück weiter“ geführt habe. Hierauf kann die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht unmittelbar und allein gestützt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte im Verfahren auf Zulassung der Berufung (§ 124 a Abs. 4 VwGO) anders als das Verwaltungsgericht nicht mehr (voll umfänglich) das Kirchensteuergesetz und damit Landesrecht auszulegen und anzuwenden, sondern die bundesrechtlich normierte Frage zu klären, ob die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 4 VwGO vorliegen (vgl. VerfGH vom 9.2.2015 BayVBl 2015, 779 Rn. 55 f.). Gegenüber der Anwendung von Bundesrecht, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung in materieller Hinsicht darauf, ob das Gericht gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) verstoßen hat. Ohne erfolgreiche Willkürrüge kann die angegriffene Entscheidung daher nicht an anderen materiellen Grundrechten der Bayerischen Verfassung – wie etwa dem Grundrecht der Glaubensfreiheit – gemessen werden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.6.2013 VerfGHE 66, 94/97; VerfGH BayVBl 2015, 779 Rn. 56 m. w. N.). Dass der Verwaltungsgerichtshof das Willkürverbot verletzt haben könnte, indem er bestehende ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils willkürlich verkannt hätte, legt die Verfassungsbeschwerde schon im Ansatz nicht dar.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet, ist sie mit der Rüge zulässig, dieses habe das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Glaubensfreiheit verletzt.
Unzulässig ist auch insoweit allerdings die Rüge, das Rechtsstaatsprinzip sei verletzt. Das Gleiche gilt für die nicht weiter begründete Behauptung, das Verwaltungsgericht habe das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) verkannt. Denn dieses Grundrecht tritt hinter der für die Beurteilung des Kirchenaustritts vorrangigen Norm des Art. 107 Abs. 1 und 2 BV zurück und wird in seinem Schutzbereich nicht betroffen (vgl. VerfGH vom 22.11.2000 VerfGHE 53, 167/174).
IV. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet. Die Beschwerdeführerin wird durch das verwaltungsgerichtliche Urteil nicht in ihrer grundrechtlich geschützten Glaubensfreiheit verletzt.
1. Gerichtliche Entscheidungen können im Verfassungsbeschwerdeverfahren nur in engen Grenzen überprüft werden. Der Verfassungsgerichtshof ist kein Rechtsmittelgericht; es ist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen dahingehend zu kontrollieren, ob die tatsächlichen Feststellungen zutreffen oder ob die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt wurden. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde ist nur zu prüfen, ob das Gericht gegen die vom Beschwerdeführer bezeichneten Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen hat, die ein subjektives Recht verbürgen. Hinsichtlich der Anwendung von Landesrecht – wie hier des Kirchensteuerrechts – ist zu prüfen, ob maßgebende Rechtssätze der Bayerischen Verfassung außer Acht gelassen wurden. Das ist der Fall, wenn das Gericht den Wertgehalt einer ein subjektives Recht verbürgenden Norm der Bayerischen Verfassung und ihre in das einfache Recht hineinwirkende Bedeutung – ihre Ausstrahlungswirkung – verkannt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 15.3.2007 VerfGHE 60, 58/61 f.; vom 20.12.2012 BayVBl 2013, 334; VerfGH BayVBl 2015, 779 Rn. 57).
2. Im Rahmen dieser eingeschränkten Prüfung kann der von der Beschwerdeführerin gerügte Grundrechtsverstoß nicht festgestellt werden.
Nach Maßgabe des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften (Kirchensteuergesetz – KirchStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 1994 (GVBl S. 1026, BayRS 2220F/K), das zuletzt durch Gesetz vom 17. Dezember 2014 (GVBl. S. 547) geändert worden ist, sind Religionsgemeinschaften, denen die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen sind, zur Erhebung von Kirchensteuern mithilfe der staatlichen Steuerbehörden berechtigt. Der Austritt aus einer solchen Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bedarf nach Art. 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Halbsatz 1 KirchStG zur öffentlich-rechtlichen Wirkung der Erklärung bei dem Standesamt des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltsorts. Die Erklärung ist persönlich zur Niederschrift abzugeben oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. In Ergänzung hierzu bestimmt die auf der Grundlage von Art. 26 KirchStG erlassene Verordnung zur Ausführung des Kirchensteuergesetzes (AVKirchStG) vom 15. März 1967 (BayRS 22201-K), die zuletzt durch Verordnung vom 3. Februar 2015 (GVBl S. 20) geändert worden ist, in § 2 Abs. 2 Satz 2, dass in der Erklärung die Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft, aus der der Erklärende austreten will, eindeutig bezeichnet sein muss. In ihrer bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung hat sie zudem in Satz 3 geregelt, dass der Austritt nicht unter einer Bedingung, einer Einschränkung oder einem Vorbehalt erklärt werden darf. Dieses Verbot ist durch das am 1. Januar 2015 in Kraft getretene Änderungsgesetz vom 8. Juli 2013 (GVBl S. 427) – zur Klarstellung (vgl. LT-Drs. 16/16011 S. 7) – in das Kirchensteuergesetz selbst aufgenommen worden (vgl. Art. 3 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 KirchStG).
Das Verwaltungsgericht hat in Anwendung dieser Vorschriften, deren Verfassungsmäßigkeit die Beschwerdeführerin nicht infrage stellt, die Erklärung vom 16. Dezember 2009, sie trete „aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in B., Körperschaft des öffentlichen Rechts im meldeamtlichen Sinn aus“, als unwirksam angesehen. Es ist sinngemäß davon ausgegangen, dass der Zusatz „im meldeamtlichen Sinn“ als unzulässige Einschränkung im Sinn von § 2 Abs. 3 Satz 3 AVKirchStG a. F. (seit 1. Januar 2015: Art. 3 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 KirchStG) anzusehen sei. Dabei hat das Verwaltungsgericht Art. 107 Abs. 1 und 2 BV ausreichend Rechnung getragen.
Das durch Art. 107 Abs. 1 und 2 BV verbürgte Grundrecht der Glaubensfreiheit (vgl. VerfGH vom 15.1.2007 VerfGHE 60, 1/8) schließt die Befugnis ein, das Bekenntnis zu wechseln oder aus einer Religionsgemeinschaft oder einer weltanschaulichen Gemeinschaft auszutreten (VerfGH vom 8.5.2008 VerfGHE 61, 125/128). Es gewährleistet, dass niemand entgegen seiner religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung Steuerschuldner einer Kirche, Religionsgemeinschaft oder weltanschaulichen Gemeinschaft wird, der er nicht verbunden ist (VerfGHE 53, 167/172). Dass die Erklärung des Austritts einer bestimmten Form bedarf, ist -wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt entschieden hat – nicht zu beanstanden (VerfGH vom 12.3.1968 VerfGHE 21, 38/48 f.; VerfGHE 61, 125/128 f.) und wird von der Beschwerdeführerin im Ansatz auch nicht in Zweifel gezogen.
Die Ausgestaltung des Verfahrens, wonach der Austritt nicht unter einer Bedingung, einer Einschränkung oder einem Vorbehalt erklärt werden darf (§ 2 Abs. 3 Satz 3 AVKirchStG a. F., Art. 3 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 KirchStG n. F.), dient der Vermeidung von Rechtsunsicherheit und ist verfassungsrechtlich ebenfalls unbedenklich (vgl. BVerfG vom 2.7.2008 DVBl 2008, 1184 Rn. 42). Sie wahrt sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen in eigenen Angelegenheiten (Art. 142 Abs. 3 BV) als auch die negative Religionsfreiheit der Austrittswilligen. Durch Art. 3 Abs. 4 Satz 1 KirchStG wird einerseits sichergestellt, dass die in einem staatlichen Verfahren abgegebene Erklärung mit „öffentlich-rechtlicher Wirkung“, also nur für den staatlichen Bereich erfolgt und nicht in den inneren Bereich der Kirche oder sonstigen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft des öffentlichen Rechts eingreift. Denn der Staat kann die Folgen des Austritts nur mit Wirkung für den staatlichen Bereich regeln. Ob nach innerkirchlichem Recht zwischen Wirkungen im staatlichen Bereich und im innerkirchlichen Bereich getrennt werden kann, entzieht sich der Regelung durch staatliches Recht und der Beurteilung durch staatliche Organe. Welche Konsequenzen die Kirche für ihren Rechtsbereich aus einer Austrittserklärung zieht, muss ihr überlassen bleiben (VerfGHE 53, 167/174). Austrittswillige Mitglieder einer Religionsgemeinschaft sehen sich andererseits einer hinreichend bestimmten Regelung gegenüber, die ihnen nichts Unzumutbares abverlangt. Der Austritt aus der Religionsgemeinschaft soll die Mitgliedschaft beseitigen, deren freiwillige Fortdauer Voraussetzung ist, um weiterhin öffentlich-rechtliche Folgen, wie insbesondere die Kirchensteuerpflicht, an die Mitgliedschaft zu knüpfen. Es besteht kein schützenswertes Interesse an einer Modifizierung der Austrittserklärung, weil sich bereits aus Art. 3 Abs. 4 Satz 1 KirchStG ergibt, dass der formalisierte Kirchenaustritt nur mit Wirkung für den staatlichen Bereich erfolgt. Austrittswillige werden nicht zu einer Erklärung genötigt, die mit ihrer Glaubensfreiheit unvereinbar ist, wenn sie vorbehaltlos den Austritt aus ihrer Religionsgemeinschaft erklären müssen, auch wenn sie nur die staatlichen Wirkungen der Mitgliedschaft beenden wollen (vgl. BVerwG vom 26.9.2012 BVerwGE 144, 171 Rn. 30 ff.).
Ausgehend von diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Zusatz „im meldeamtlichen Sinn“ als eine durch das Gesetz ausgeschlossene Modifizierung der Austrittserklärung angesehen hat. Denn er geht über die von § 2 Abs. 2 Satz 2 AVKirchStG geforderte Bezeichnung der Kirche, aus der die Beschwerdeführerin austreten will, hinaus und zielt darauf ab, lediglich die staatlichen Wirkungen der Mitgliedschaft beenden, gleichzeitig aber in der Glaubensgemeinschaft verbleiben zu wollen. Der Austrittswillige muss aber zur Vermeidung von Missverständnissen im Interesse der Rechtssicherheit hinnehmen, dass er seine Vorstellungen über die angestrebten innergemeinschaftlichen Wirkungen seines Austritts nicht zum Inhalt seiner Erklärung und der ihm hierüber zu erteilenden Bescheinigung machen kann (vgl. BVerwGE 144, 171 Rn. 32).
V. Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).