Aktenzeichen 4d Ws 137/20
Leitsatz
1. Der Antragsteller einer Anhörungsrüge trägt die Darlegungslast für jegliche tatsächliche Umstände, die eine Verletzung rechtlichen Gehörs begründen oder wenigstens als möglich erscheinen lassen sollen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Insoweit ist nicht ausreichend, lediglich die Beweiswürdigung des Gerichts anzweifeln und durch eine eigene, vermeintlich bessere ersetzt wissen zu wollen oder die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung zu verfechten. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vielmehr müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
4 Ws 56/20 KL 2020-05-27 Bes OLGMUENCHEN OLG München
Tenor
I. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 27.05.2020, 4 Ws 56/20 KL wird als unzulässig verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 27.05.2020 hat der Senat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung der Antragstellerin als unzulässig verworfen, der sich gegen die Einstellung des von der Antragstellerin angestrengten Ermittlungsverfahrens gegen den Beschuldigten durch die Strafverfolgungsbehörden richtete. Insoweit wird auf die Beschlussformel und Gründe der vorgenannten Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Anwaltsschriftsatz vom 08.07.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht München am selben Tag, eine Anhörungsrüge gemäß § 33a StPO, mit dem Antrag, der Antragstellerin nachträglich rechtliches Gehör zu gewähren.
Die Antragstellerin meint, aus der Begründung des Senatsbeschlusses ergebe sich, dass der zentrale Vortrag der Antragstellerin vom Senat nicht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt worden sei.
II.
Der Anhörungsrüge der Antragstellerin ist unzulässig, weil sie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) bereits nicht ausreichend prüf- und nachvollziehbar darlegen kann (BGH, Beschluss vom 18.04.2016 – 2 ARs 410/14 [BeckRS 2016, 08249]; Beschluss vom 23.08.2016 – 2 ARs 211/16 [BeckRS 2016, 16333]).
Der mit § 33a StPO eröffnete Rechtsbehelf setzt zunächst voraus, dass ein Gericht zum Nachteil eines Beteiligten Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen er nicht gehört worden ist (BVerfG NJW 1976, 1837; BGH NJW 1999, 2290), oder zu berücksichtigendes Vorbringen grundlos übergangen hat (BGH, Beschluss vom 08.06.2010 – 2 ARs 107/10, 2 AR 58/10 [BeckRS 2010, 14536]; BVerfG Beschluss vom 04.09.2008 – 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 [BeckRS 2010, 51387]). Die Antragstellerin einer Anhörungsrüge trägt die Darlegungslast für jegliche tatsächliche Umstände, die derartige Vorwürfe begründen oder wenigstens als möglich erscheinen lassen sollen.
Insoweit ist jedoch nicht ausreichend, lediglich die Beweiswürdigung des Gerichts anzweifeln und durch eine eigene, vermeintlich bessere ersetzt wissen zu wollen oder die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung zu verfechten. Denn der Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG umfasst weder die Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen noch eine ordnungsgemäße Subsumtion und Entscheidungsbegründung (BVerfG Beschluss vom 04.09.2008, a.a.O.). Folglich kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht allein dadurch verursacht werden, dass dem Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts nicht gefolgt und nicht jegliche Einzelheiten der Begründung schriftlich ausgearbeitet werden.
Der Senat hat in seinem Beschluss vom 27.05.2020 ausdrücklich festgehalten, dass die Antragstellerin erhebliche Erinnerungslücken zum Tatgeschehen hat. Sie kann sich an das genaue Tatgeschehen nicht erinnern, eine Gegenwehr fand nach Angaben der Antragstellerin bei Vollziehung des Geschlechtsverkehrs nicht statt. Eine Widerstandsunfähigkeit der Antragstellerin zur Tatzeit kann nicht nachgewiesen werden. Die hochgradige Alkoholisierung der Antragstellerin führt nicht zwangsläufig zur Widerstandsunfähigkeit und vor allem nicht dazu, dass eine andere Person, die ebenfalls beträchtlich alkoholisiert war, dies bemerken musste.
Die Antragstellerin versucht, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, nämlich ein Übergehen entscheidungserheblichen Vorbringens, aus den Entscheidungsgründen der Senatsentscheidung vom 27.05.2020 abzuleiten. Sie missachtet dabei die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts (BGH, Beschluss vom 14.04.2011 – 3 StR 36/11 [BeckRS 2011, 09434]; BVerfG NJW 1978, 989), nach welcher eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht schon dann gegeben ist, wenn die Antragstellerin die Entscheidungsgründe für unzureichend hält. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben, und keine Verpflichtung besteht, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfG NJW 1997, 2310: „Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden“; DtZ 1992, 327: “Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen“). Umso mehr gilt dies, wenn der scheinbar nicht berücksichtigte Vortrag nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist (BVerfG, Beschluss vom 12.09.2016 – 1 BvR 1311/16 [BeckRS 2016, 52788]).
Lediglich aus Gründen der Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass sämtliche von der Anhörungsrüge der Antragstellerin umfassten Angriffe gegen den Beschluss vom 27.05.2020 nochmals geprüft wurden. Eine andere Bewertung kann aus den im Beschluss vom 27.05.2020 genannten Gründen nicht erfolgen, da ein genauer Tathergang auch nach den Angaben der Antragstellerin nicht ermittelt werden kann und ein Vorsatz hinsichtlich einer von der Antragstellerin behaupteten Widerstandsunfähigkeit ihrer Person zum Tatzeitpunkt beim Beschuldigten nicht nachzuweisen ist.
Die Kosten einer erfolglosen Anhörungsrüge trägt in analoger Anwendung des § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO die Antragstellerin (BGH, Urt. v. 29.01.2015 – 1 StR 359/13 [BeckRS 2015, 03139]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.03.2016 – 2 Ws 31/16 [BeckRS 2016, 05252]; OLG Köln NStZ 2006, 181).