Verwaltungsrecht

Unzulässige Klage wegen Versäumung der Klagefrist

Aktenzeichen  Au 6 K 17.30234

Datum:
24.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 151033
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 74 Abs. 1, § 77 Abs. 2, § 83b
VwGO § 57

 

Leitsatz

Haben die Kläger zwar rechtzeitig einen Rechtsanwalt mit der Erhebung der Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beauftragt, unterlässt dieser aber die Klageerhebung, müssen sie sich dessen Fehler wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Auch insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass jeder im Rechtsverkehr für die Personen einzustehen hat, die erkennbar sein Vertrauen genießen.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klage ist unzulässig.
Die Klage ist unzulässig, denn die Kläger haben die Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylG versäumt, da die Klageerhebung am 19. Januar 2017 zu spät war. Ihnen ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 28. Dezember 2016 am 30. Dezember 2016 wirksam per Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Die zweiwöchige Klagefrist begann nach § 57 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1 BGB am 31. Dezember 2016 zu laufen und endete nach § 57 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 188 Abs. 2 BGB am 13. Januar 2017.
Gründe für eine Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO liegen nicht vor, denn die Kläger waren nicht ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert. Zwar haben die Kläger aus ihrer Sicht mit der rechtzeitigen Mandatierung eines Rechtsanwalts alles Erforderliche zur rechtzeitigen Klagerhebung unternommen, doch müssen sie sich den Fehler der Personen, derer sie sich zur Klageerhebung bedienen, wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 VwGO analog), also auch die – durch Nachfragen einer dritten Person nicht unbewusste – Untätigkeit ihres damaligen Klägerbevollmächtigten. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass jeder im Rechtsverkehr für die Personen einzustehen hat, die erkennbar sein Vertrauen genießen (vgl. BVerwG, B.v. 5.5.1999 – 4 B 35.99 – NVwZ 2000, 65 f., juris Rn. 3 f.). Dies ist hier der Fall.
II.
Die Klage wäre im Übrigen auch unbegründet.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) hinsichtlich des Libanon. Auf Gefahren und Rückkehrhindernisse hinsichtlich Libyens kommt es nicht an, da die Kläger weder libysche Staatsangehörige noch sonst in Libyen einreiseberechtigt sind, noch das Bundesamt eine Abschiebungsandrohung dorthin erlassen hat. Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. Dezember 2016 ist daher rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Es wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids des Bundesamts (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG).
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Eine Verfolgung in Anknüpfung an asyl- und flüchtlingsrelevante Merkmale haben die Kläger bezogen auf ihren Herkunftsstaat Libanon, als dessen Aufenthaltsberechtigte sie durch Personalausweise und Reisedokumente ausgewiesen sind, nicht geltend gemacht. Ihrem Vortrag lassen sich keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sie bei einer Rückkehr in den Libanon einer politischen Verfolgung i.S. des § 3 AsylG ausgesetzt wären. Eine konkrete und aktuelle Bedrohungslage, die fluchtursächlich war, machen die Kläger nicht bezüglich ihres Herkunftsstaats Libanon sondern bezüglich ihres tatsächlichen langjährigen Aufenthaltsstaats Libyen geltend. Dies ist jedoch nicht flüchtlingsrelevant, da § 3 Abs. 1 AsylG nur auf den Herkunftsstaat abstellt. Einem Ausländer ist daher grundsätzlich zumutbar, vor Gefahren in seinem Aufenthaltsstaat in seinen Herkunftsstaat auszuweichen. Da die Kläger bezüglich des Libanon nie verfolgt gewesen sind und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie dort im Fall ihrer Rückkehr verfolgt würden, kann ihnen kein Flüchtlingsschutz zugesprochen werden. Soweit sie sich auf dortige Streitigkeiten unter verschiedenen Gruppen von Palästinensern berufen, sind diese Gründe zum Einen abstrakt und vage, zum Anderen brauchen sie sich nicht in einem der palästinensischen Flüchtlingslager niederzulassen, wie das Bundesamt unter Bezugnahme auf Auskünfte ausgeführt hat (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Libanon vom 30.12.2015, S. 13).
2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG).
Dem Vortrag der Kläger lassen sich keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sie bei einer Rückkehr in den Libanon einen ernsthaften Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG erleiden würden. Sie waren und sind in keine Kampfhandlungen verstrickt gewesen. Auch sonst fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten für einen der für subsidiären Schutz maßgeblichen Tatbestände nach § 4 Abs. 1 AsylG. Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen ihnen gerade nicht.
3. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Es ist zu erwarten, dass die Kläger das erforderliche Existenzminimum in ihrem Herkunftsstaat Libanon ebenso sicherstellen wie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Libyen, zumal die Kläger zu 1 und 2 über eine vergleichsweise hohe Bildung und Berufserfahrung verfügen. Anhaltspunkte dafür, dass sie Gefahr liefen, dort auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Abschiebung insbesondere eine Verletzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK darstellen würde, gibt es nicht. Ein Aufenthalt in palästinensischen Flüchtlingslagern ist für sie nicht zwingend, wie sie auch in der mündlichen Verhandlung einräumten; lediglich finanzielle Hürden stünden einer anderweitigen Niederlassung im Libanon entgegen.
4. Auch die Nebenentscheidungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung sowie der Befristung von Einreise- und Aufenthaltsverboten nach § 11 Abs. 7 AufenthG sind nicht zu beanstanden.
5. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

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