Verwaltungsrecht

Unzulässiger Antrag im einstweiligen Rechsschutz

Aktenzeichen  S 22 AS 140/17 ER

Datum:
21.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 123

 

Leitsatz

Ablehnende Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutz auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sind der Rechtskraft fähig und binden die Beteiligten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache. Sie stehen damit erneuten Anträgen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung entgegen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 12.02.2017 wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

I.
Mit ihrem Antrag möchten die Antragstellerinnen (ASt) vom Antragsgegner (Ag) im Zusammenhang mit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) im Wege des Eilrechtsschutzes gegen verschiedene Bescheide vorgehen, weil sie sie für rechtswidrig halten.
Die ASt zu 1. (geboren 1978) und ihre Tochter, die ASt zu 2. (geboren 1998) beziehen als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II vom Ag.
Am 29.01.2017 begehrten sie im Verfahren S 22 AS 90/17 ER bereits einstweiligen Rechtsschutz. Das Sozialgericht Nürnberg legte in diesem Verfahren die unklar gestellten Anträge wie folgt aus:
1. Der Änderungsbescheid vom 13.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017 wird aufgehoben.
2. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Änderungsbescheid vom 13.01.2017 und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19.01.2017, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017 wird angeordnet.
3. Hilfsweise für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet wird: Der Antragsgegner wird vorläufig verpflichtet, den Antragstellerinnen in der Zeit von September 2016 bis Juli 2017 Leistungen ohne Anrechnung von Unterhaltsnachzahlungen oder Aufrechnung von Erstattungsforderungen zu gewähren.
Mit unanfechtbarem Beschluss vom 08.02.2017, der den ASt am 11.02.2017 zugestellt wurde, lehnte das Sozialgericht Nürnberg den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 29.01.2017 ab.
Am 12.02.2017 haben die ASt beim Sozialgericht Nürnberg erneut einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung verweisen sie auf die bereits im Verfahren S 22 AS 90/17 ER gemachten Ausführungen und Anträge. Sie begehren weiterhin sinngemäß,
1.Der Änderungsbescheid vom 13.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017 wird aufgehoben.
2.Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Änderungsbescheid vom 13.01.2017 und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19.01.2017, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017 wird angeordnet.
3.Hilfsweise für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet wird: Der Antragsgegner wird vorläufig verpflichtet, den Antragstellerinnen in der Zeit von September 2016 bis Juli 2017 Leistungen ohne Anrechnung von Unterhaltsnachzahlungen oder Aufrechnung von Erstattungsforderungen zu gewähren.
Der Ag beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass bereits kein Anordnungsgrund glaubhaft sei, weil den ASt im Februar 2017 neben den Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 625,44 € auch Kindergeld in Höhe von 192 € und Unterhalt in Höhe von 384,98 €, mithin eine Gesamtzahlung in Höhe von 1.202,42 € zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehe. Ein Anordnungsanspruch bestehe ebenfalls nicht, weil die ASt weiterhin keine geringeren Unterhaltszahlungen als die berücksichtigten 384,98 € nachgewiesen hätten.
Das Gericht hat die Leistungsakte des Ag beigezogen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhaltes wegen der Einzelheiten auf die Akte des Ag und auf die Akten des Sozialgerichtes in diesem Antragsverfahren sowie im Verfahren S 22 AS 90/17 ER verwiesen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg, weil er unzulässig ist.
Er ist im Namen beider Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gestellt. Die ASt zu 1. vertritt die inzwischen volljährige ASt zu 2. Dies ist gerichtsbekannt.
Das Gericht hat die unklar gestellten Anträge der ASt nach § 123 SGG ausgelegt. Im Ergebnis begehren die ASt nach ihren Ausführungen im vorliegenden Verfahren im Kern weiterhin die bereits im Verfahren S 22 AS 90/17 ER geltend gemachten Anliegen, nämlich die Aufhebung des Änderungsbescheides vom 13.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017 oder zumindest die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage hinsichtlich des Änderungsbescheides vom 13.01.2017 (teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung) und hinsichtlich des Änderungsbescheides vom 19.01.2017 (Erstattung gegenüber der ASt zu 1.), beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017. Soweit von den ASt weitere „Anträge“ gestellt wurden, betrafen sie keine darüber hinausgehenden Interessenlagen, so dass sie unbeachtlich waren.
Der Antrag ist wegen entgegenstehender Rechtskraft und fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Dem erneuten Erlass eines Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren steht die Rechtskraft des unanfechtbaren Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.02.2017 im Verfahren S 22 AS 90/17 ER entgegen, soweit Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gestellt sind. Ablehnende Beschlüsse nach § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG sind der Rechtskraft fähig (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rn 19a mwN, § 141 Rn. 5) und binden die Beteiligten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache. Sie stehen damit erneuten Anträgen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung entgegen (vgl. BayLSG, Beschluss vom 09.07.2012, L 11 AS 333/12 ER). Formell rechtskräftig sind Beschlüsse, die unanfechtbar sind (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 141 Rn. 2). In diesem Fall tritt die formelle Rechtskraft bereits mit Zustellung ein, soweit die Entscheidungen nicht vorher verkündet worden sind (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 141 Rn. 2a). Der unanfechtbare Beschluss im Verfahren S 22 AS 90/17 ER vom 08.02.2017 wurde den ASt am 11.02.2017 zugestellt, so dass mit diesem Datum formelle Rechtskraft eingetreten ist, welche die Beteiligten bis zu einer Entscheidung in der zwischenzeitlich anhängig gewordenen Hauptsacheklage bindet.
Soweit die ASt den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG begehren, fehlt das für jede Rechtsverfolgung erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Gerichte ist nämlich grundsätzlich, dass der ASt seine Rechte nicht auf einfachere Weise verwirklichen kann oder das Begehren aus anderen Gründen nicht unnütz ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage 2014, Vor § 51 Rn. 16a m.w.N.). Diese Sachentscheidungsvoraussetzung folgt aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Prozessuale Rechte dürfen nicht zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats missbraucht werden (vgl. BSG, Urteil vom 12.07.2012, B 14 AS 35/12 R). Im vorliegenden Verfahren haben die ASt einen Tag nach Zustellung der ablehnenden Eilentscheidung erneut einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und zur Begründung auf die bereits im vorangegangenen Eilverfahren vorgebrachten Argumente verwiesen. Auch wenn die ASt meinen, dass sie im vorliegenden Verfahren keinen inhaltsgleichen Eilantrag gestellt haben, ergibt sich aus den gemachten Ausführungen weder neuer Sachvortrag, noch ein anderweitiges Begehren als im vorangegangenen Eilverfahren. Damit besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung über denselben Sachverhalt.
Aber selbst wenn der erneute ein Eilantrag zulässig wäre, würde sich an dem im Beschluss vom 08.02.2017 eingehend begründeten Ergebnis bei unverändertem Sachverhalt aktuell nichts ändern, zumal sich vor dem Hintergrund der den ASt laufend zur Verfügung stehenden Mittel aktuell kein Anordnungsgrund ergibt.
Daher war (erneut) einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Ergebnis erfolglos blieb, hat der Ag keine Kosten zu erstatten.
Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, weil in der Hauptsache die Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung bedürfte. Die Beschwer beträgt unter 750,00 €. Dabei hat das Gericht, wie im Verfahren S 22 AS 90/17 ER auch, berücksichtigt, dass der Ag von der Rückforderung für September 2016 bis Januar 2017 in Höhe von 309,02 € absieht und nur noch einen Restbetrag von 151,65 € erstattet verlangt. Außerdem floss in die Berechnung mit ein, dass die ASt von Februar bis März 2017 einen monatlich um 86,91 € höheren Betrag geltend machen, danach ist im streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 13.01.2017 exakt derselbe Betrag bewilligt worden, der bereits mit vorherigem Änderungsbescheid vom 26.11.2016 bewilligt worden war (682,35 €).

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