Aktenzeichen 20 ZB 17.30307
Leitsatz
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist sowie darlegt, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
B 3 K 16.30847 2017-02-03 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 3. Februar 2017 (Az. B 3 K 16.30847) ist bereits unzulässig. Denn der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wurde nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise dargelegt.
1. Der Kläger wirft zunächst folgende Frage als grundsätzlich bedeutsam auf:
„ob es im Irak generell eine inländische Fluchtalternative gibt oder ob nur dann eine inländische Fluchtalternative überhaupt in Erwägung gezogen werden kann, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die betroffene Person im dortigen Gebiet über ausreichende soziale und familiäre Verbindungen verfügt, die ein Überleben ermöglichen.“
Insoweit ist die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Denn diese Darlegung erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). „Darlegen“ bedeutet schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis. Etwas „darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 2.10.1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90/91; B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Der Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert auseinandersetzen muss (BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – NVwZ 2006, 683). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Klägers im Zulassungsantrag nicht gerecht. Es fehlt an einer Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Denn das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung hinsichtlich der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zunächst auf den Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen, in welchem diese Zuerkennung mit der Begründung versagt wurde, dass die von dem Kläger vorgetragenen Verfolgungshandlungen weder an ein Merkmal i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG anknüpften, noch die nach § 3b AsylG erforderliche Intensität einer Verfolgungshandlung aufwiesen, noch der Cousin der Ehefrau ein tauglicher Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c AsylG sei. Des Weiteren habe der Kläger durch die Polizei seines Herkunftsstaates Schutz erhalten, weil diese nach seinen Angaben auf seine Anzeige hin den Angreifer in Gewahrsam genommen habe (UA S. 7/8). Als weitere Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass dem Kläger und seiner Ehefrau in Kirkuk eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG zur Verfügung stehe, da sie dort nach eigenen Angaben nicht mehr behelligt worden seien (UA S. 8). Es kam daher aus der maßgeblichen Sichtweise des Erstgerichts nicht auf die Frage der Zumutbarkeit des internen Schutzes i.S.d. § 3e AsylG an.
2. Im Hinblick auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG hat der Kläger die Entscheidungserheblichkeit der o.g. Frage ebenfalls nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf den Umstand gestützt, dass „in der Heimatregion des Klägers“ – der angegeben hat, aus Kirkuk zu stammen, aber auch mehrere Jahre im Distrikt Soran in der kurdisch verwalteten Provinz Erbil im Nordirak verbracht zu haben –, nicht von einem bewaffneten Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG gesprochen werden könne. Es hat damit bereits die erste Tatbestandsvoraussetzung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG verneint, so dass es auch insoweit nicht entscheidungserheblich auf den gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG beim subsidiären Schutz entsprechend anzuwendenden § 3e AsylG ankam.
3. Des Weiteren hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
„ob bei fluchtauslösenden Problemen mit nicht staatlichen Personen/Organisationen die betroffene Person auch auf die Möglichkeit des Schutzes durch den irakischen Staat, namentlich dessen Sicherheitsbehörden verwiesen werden kann oder ob nicht auf eine derartige Möglichkeit des Schutzsuchens beim irakischen Staat gänzlich zu verzichten ist und vielmehr die betroffene Person ausschließlich darauf verwiesen werden kann, selbst Schutz innerhalb der Familie/des Stammes etc. zu suchen und insoweit entsprechende Feststellungen, ob dies der betreffenden Person überhaupt möglich ist, zu treffen sind.“
Insoweit genügen die Ausführungen des Klägers zum angeblich unzureichenden Schutz durch die irakischen Sicherheitskräfte unter Verweis auf verschiedene Aussagen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017 nicht dem Darlegungsgebot. Denn das Verwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil mit dem Vortrag des Klägers auseinandergesetzt und festgestellt, dass die Sicherheitskräfte auf seine Anzeige hin mit der Ingewahrsamnahme des Angreifers für einen Tag auf dessen als geringfügig einzustufende Handlungen in einer – nach den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln – verhältnismäßigen Weise reagiert hätten (UA S. 8 oben). Somit war das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass jedenfalls im konkret zu entscheidenden Einzelfall der in Anspruch genommene polizeiliche Schutz ausreichend gewesen sei. Dass der Kläger diese Einschätzung nicht teilt, begründet keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf, sondern allenfalls aus seiner Sicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die jedoch im Asylprozess nach der abschließenden Norm des § 78 Abs. 3 AsylG als Zulassungsgrund nicht zur Verfügung stehen.
4. Soweit der Kläger schließlich die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält,
„ob nicht die Situation im Irak zwischenzeitlich sich derart verschlechtert hat, dass ein Konflikt – sowohl zwischen den Glaubensrichtungen, als auch zwischen Regionalfürsten und Stammesfürsten, als auch gegenüber völlig unparteiischen Personen – vorliegt, wie er typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen zu finden ist.“
hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass im Irak derzeit zwar ein militärischer bewaffneter Konflikt stattfinde, der aber keine landesweite Konfliktsituation darstelle, da die – zwar angespannte – Sicherheitslage in der Heimatregion des Klägers aus inneren Unruhen und Spannungen resultiere, die nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkrieges aufwiesen. Mit dieser Feststellung setzt sich der Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht auseinander. Zur Darlegung einer Grundsatzfrage, die im Berufungsverfahren anders als vom Verwaltungsgericht beantwortet werden soll, gehört es jedoch, dass sich der Antrag auf Zulassung der Berufung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts substantiell auseinandersetzt und eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigt, dass die Frage anders zu beantworten ist als vom Verwaltungsgericht. Daran fehlt es hier jedoch. Des Weiteren übersieht der Kläger, dass allein die Feststellung eines bewaffneten innerstaatlichen Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht ausreicht. Vielmehr bedarf es dann der zusätzlichen Feststellung, dass bei einer quantitativen und qualitativen Betrachtung die vorhandene Gefahrendichte so hoch ist, dass diese für die Annahme einer individuellen konkreten Gefährdung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auch ohne besondere gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers ausreicht. Hierzu hat der Kläger jedoch nichts dargelegt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).