Aktenzeichen Au 6 S 18.1151
AufenthG § 81 Abs. 3 S. 1, § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AsylG § 43 Abs. 2 S. 2
BayVwZVG Art. 21a
Leitsatz
1 Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht statthaft gegen eine Ausreiseaufforderung, die keine selbständige Regelung enthält, sondern lediglich eine bestehende Ausreisepflicht des Antragstellers wiedergibt und die jeder Abschiebungsandrohung immanente Aufforderung, das Bundesgebiet zu verlassen, unterstreicht und somit der Bescheid gerade keine – nach Art. 21a S. 1 BayVwZVG als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung kraft Gesetzes sofort vollziehbare – Abschiebungsandrohung enthält. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Art. 6 GG gewährleistet keinen grenzenlosen Schutz der familiären Lebensgemeinschaft. Vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob es dem Ausländer zumutbar ist, seine familiären Bindungen durch Ausreise zu unterbrechen. Dabei ist eine Interessenabwägung durchzuführen. Je intensiver der Schutzbereich der familiären Lebensgemeinschaft betroffen ist, desto stärker müssen die berechtigen öffentlichen Belange für eine Ausreise sein. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Abschiebungsandrohung.
Der (am … 1984 geborene) Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger und reiste erstmals am 25. März 2013 in das Bundesgebiet ein. Am 2. Dezember 2013 stellte er (mit dem Namen: …, geb. am ….1994 in …) einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 20. Oktober 2016 abgelehnt wurde (s. Bl. 46 ff. der Behördenakte); das Bundesamt stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4), die Abschiebung nach Mali wurde angedroht (Nr. 5), das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (VG Augsburg, U.v. 21.2.2017 – Au 5 K 16.32359).
Der Antragsgegner forderte den Antragsteller am 7. November 2016 (sowie mit Schreiben vom 24.4.2017) auf, Nachweise über seine Identität vorzulegen; zugleich erfolgte eine Belehrung über die Mitwirkungs- und Passpflicht.
Am … 2017 wurde die Tochter des Antragstellers in … geboren, die Mutter des Kindes ist senegalesische Staatsangehörige und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG. Am 20. Juli 2017 erklärte der Antragsteller gegenüber der Ausländerbehörde, er habe seine Frau vor drei Jahren in … kennengelernt, die Ehe sei nach deutschem Recht nicht anerkannt; zugleich erhielt er eine Grenzübertrittsbescheinigung und wurde auf seine Ausreisepflicht hingewiesen.
Mit Telefax seiner Bevollmächtigten vom 19. Juli 2017 beantragte der Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis und legte u.a. die Vaterschaftsanerkennung und einen Ausdruck aus dem Geburtenregister für seine Tochter vor. Mit Telefax seiner Bevollmächtigten vom 21. Juli 2017 (Bl. 125 der Behördenakte) wurde eine Duldung beantragt; nach Art. 6 GG sei die Familie geschützt, der Antragsteller habe regelmäßigen Umgang mit seiner Tochter. Eine Ausreise stelle eine unangemessene Härte dar, da der Antragsteller Mutter und Kind regelmäßig sehen wolle.
Der Antragsteller erhielt die Erlaubnis, den zugewiesenen Bereich (u.a. in der Zeit vom 26.7. bis 21.8.2017, Bl. 170, 374 der Behördenakte) zu verlassen und sich zu seiner Tochter zu begeben.
Mit Telefax seiner Bevollmächtigten vom 10. August 2017 ließ der Antragsteller seine Personalien korrigieren und beantragen, ihm eine Aufenthaltserlaubnis bzw. Duldung zu erteilen; seinen Reisepass werde er verlängern lassen. Er begehre eine Duldung, weil er in … Familie habe, seine Frau lebe mit dem Kind in einer Mutter-Kind-Einrichtung. Bestätigungen einer sozialpädagogischen Einrichtung über die Aufnahme der Tochter des Klägers und deren Mutter ab 21. Juni 2017 im Familienhaus W. sowie eine Bestätigung des Familienhauses vom 26. Juli 2017, dass Herr „…“ zu Mutter und Kind regelmäßigen Kontakt pflege, wurden vorgelegt. Am 28. August 2017 erklärte der Antragsteller gegenüber der Ausländerbehörde, er habe im Senegal nur religiös geheiratet. Mit Telefax vom 27. September 2017 wurde eine senegalesische Heiratsurkunde (vom 24.7.2015) vorgelegt und mitgeteilt, die Mutter erhalte Eltern- und Kindergeld, der Antragsteller Asylbewerberleistungen.
Die Polizeiinspektion F. übersandte der Ausländerbehörde einen Abdruck der Abgabe des Verfahrens gegen den Antragsteller wegen mittelbarer Falschbeurkundung an die Staatsanwaltschaft. Die Ausländerbehörde teilte der Polizeiinspektion mit Schreiben vom 5. Dezember 2017 zudem den Verstoß gegen die Passpflicht mit.
Der Antragsteller erhielt Gelegenheit, sich zur beabsichtigten Ausreiseaufforderung und Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis und Duldung zu äußern. Die Bevollmächtigte des Antragstellers teilte mit Telefax vom 30. Januar 2018 mit, die Heiratsurkunde werde legalisiert, die Anerkennung der Vaterschaft und die gemeinsame Sorgeerklärung seien beim Amtsgericht … beantragt worden.
Mit Bescheid vom 10. April 2018 (zugestellt 12.4.2018) lehnte das Landratsamt den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (Nr. 1) sowie auf Erteilung einer Duldung (Nr. 2) ab, forderte ihn zur Ausreise innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids auf (Nr. 3) und untersagte ihm für den Fall einer erheblichen und verschuldeten verspäteten Ausreise die Wiedereinreise und den Aufenthalt für ein Jahr; im Falle einer Abschiebung gelte das im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Oktober 2016 „angedrohte“ Einreise- und Aufenthaltsverbot von 30 Monaten (Nr. 4). Die Regelung des § 10 AufenthG sei zu beachten, da der Asylantrag abgelehnt worden sei. Eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 30 AufenthG werde nicht erteilt, weil Nachweise für eine wirksame Eheschließung, insbesondere eine legalisierte Heiratsurkunde nicht vorgelegt worden seien. Zudem bestünden hieran Zweifel, da zu Ort und Zeitpunkt unterschiedliche Angaben erfolgt seien. Eine nur nach religiösem Ritus mit Eheschließungswillen eingegangene Verbindung stelle keine wirksame Eheschließung nach dem Aufenthaltsrecht dar. Auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen (Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG) seien nicht erfüllt; der Lebensunterhalt des Antragstellers und seiner Familie sei nicht gesichert, dies gelte auch für den Fall, dass die Mutter des gemeinsamen Kindes eine Ausbildung zur Altenpflegehelferin beginne. Auch könne keine positive Zukunftsprognose gegeben werden. Zudem bestehe ein Ausweisungsinteresse (§ 54 Abs. 2 Nr. 8 und 9 AufenthG); der Antragsteller habe über seine Identität getäuscht und die falsche Identität auch bei der Vaterschaftsanerkennung bzw. für den Geburtseintrag aufrechterhalten, er habe (in der Zeit vom 28.3.2017 bis 17.10.2017) die Passpflicht nicht erfüllt. Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 AufenthG seien nicht gegeben, der Antragsteller sei nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist, hiervon könne nicht abgesehen werden. In § 39 AufenthV seien Fälle geregelt, für die ein Aufenthaltstitel im Bundesgebiet eingeholt werden könne; der Anwendung der Vorschrift stehe bereits § 10 Abs. 3 AufenthG entgegen. Auch lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 39 Nr. 1 bis 7 AufenthV nicht vor, der Antragsteller besitze keine Duldung; zudem würde eine solche Entscheidung im Ermessen stehen, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles würde eine Ermessensentscheidung zu Ungunsten des Antragstellers ausfallen. Die Ausländerbehörde sei nicht gehalten, vom Visumserfordernis abzusehen; eine vorübergehende Ausreise sei auch nicht wegen Art. 6 GG unzumutbar (OVG NRW, B.v. 8.12.2011 – 18 B 866/11), die Nachholung des Visumsverfahrens sei auch verhältnismäßig. Die Voraussetzungen nach § 27 i.V.m. § 36 Abs. 1 AufenthG lägen nicht vor; die Tochter des Antragstellers sei noch nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, ihm könne zwar eine solche nach § 33 AufenthG – nicht aber aus humanitären Gründen – erteilt werden; die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG seien nicht gegeben. Eine Erteilung nach § 36 Abs. 2 AufenthG zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte komme – unabhängig vom Anwendungsbereich – nicht in Betracht; zudem stehe insoweit grundsätzlich § 10 Abs. 3 AufenthG entgegen. Eine Erteilung nach § 25 Abs. 5 AufenthG für den vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller werde nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens abgelehnt. Auch die Erteilung einer Duldung komme nicht in Betracht. Nach § 50 Abs. 2 AufenthG habe der Antragsteller die Bundesrepublik unverzüglich bzw. innerhalb der gesetzten Frist zu verlassen; die Abschiebungsandrohung sei bereits vollziehbar. Die Frist nach § 11 Abs. 6 AufenthG entspreche pflichtgemäßem Ermessen; diese könne bei Eintreten positiver Umstände (auf Antrag) kürzer gefasst werden.
Dagegen ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Au 6 K 18.748) und (sinngemäß) beantragen,
Der Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 10. April 2018 aufzuheben und dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 30, 27 i.V.m. § 36 Abs. 1 bzw. 2 AufenthG sowie § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.
Ergänzend ließ er mit Schriftsatz vom 3. Juli 2018 beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung des Antragsgegners vom 10. April 2018 wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug; er sei verheiratet und habe dies nachgewiesen und alles in die Wege geleitet, um die Heiratsurkunde legalisieren zu lassen. Ein Ausweisungsinteresse liege nicht vor, da das Kind ein sog. Frühchen und es erforderlich gewesen sei, dass der Antragsteller das Kind von Anfang an mitbetreuen habe können. Es sei nicht zumutbar, einen Antrag vom Senegal aus zu stellen; Frau und Kind des Antragstellers seien dringend auf seine Fürsorge angewiesen. Da die Ehefrau ab August eine Ausbildung beginnen wolle, sei es notwendig, dass für das Kind gesorgt werde. Es bestehe auch ein Anspruch nach § 36 Abs. 1 und 2 AufenthG, die Kindsmutter habe nachgewiesenermaßen eine Aufenthaltserlaubnis und dementsprechend auch ihre Tochter. Es stelle eine außergewöhnliche Härte dar, ausreisen und monatelang auf eine Familienzusammenführung warten zu müssen. Die Aufenthaltserlaubnis sei gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen; der Antragsteller übe zusammen mit der Mutter die Personenfürsorge, d.h. das gemeinsame Sorgerecht aus.
Ergänzend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sei notwendig. Der streitgegenständliche Bescheid enthalte keine korrekte Rechtsmittelbelehrung, da kein Hinweis erfolgt sei, dass die Klage die aufschiebende Wirkung nicht herstelle. Eine Nachbesserung durch den Antragsgegner sei nicht erfolgt. Angedroht worden sei eine Abschiebung, falls der Antragsteller nicht fristgerecht ausreise. Es bedürfe einer Interessenabwägung zwischen dem Vollzugs- und dem Aussetzungsinteresse. Der Bescheid des Antragsgegners lasse keine Interessenabwägung erkennen. Es liege ein sofort vollziehbarer Verwaltungsakt vor; das zulässige Rechtsmittel, das grundsätzlich den Suspensiveffekt auslöse, die erhobene Klage, liege vor. Es sei davon auszugehen, dass die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis berechtigt sei, daher überwiege das Aussetzungsinteresse.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei zulässig, jedoch unbegründet. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien als gering einzustufen, da die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis und Duldung durch den gegenständlichen Bescheid rechtmäßig sei; auf die Ausführungen im Bescheid werde Bezug genommen. Soweit vorgetragen werde, eine korrekte Rechtsmittelbelehrungsei nicht erfolgt, sei dies nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon lasse dies die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts unberührt; dass die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, ergebe sich aus § 84 AufenthG.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist bereits unzulässig.
Eine Klage gegen einen – den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis – ablehnenden Verwaltungsakt hat zwar gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) keine aufschiebende Wirkung; dasselbe gilt für die Klage gegen eine Abschiebungsandrohung gemäß Art. 21 a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (BayVwZVG). Auch kann die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (§ 58 Abs. 2 AufenthG), die ihrerseits Voraussetzung für die Durchsetzung der Abschiebung ist (§ 58 Abs. 1 AufenthG), grundsätzlich nur durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ausgesetzt werden.
Die im streitgegenständlichen Bescheid vom 10. April 2018 in Nr. 3 enthaltene Ausreiseaufforderung beinhaltet aber keine selbständige Regelung, da nicht erst durch sie die Ausreisepflicht begründet, sondern insoweit lediglich die bestehende Ausreisepflicht des Antragstellers wiedergegeben wird. Sie unterstreicht vielmehr die jeder Abschiebungsandrohung immanente Aufforderung, das Bundesgebiet zu verlassen (§ 50 Abs. 1 und 2 AufenthG; vgl. BVerwG, B.v 20.1.1993 – 1 B 149/92 – juris Rn. 6; ThürOVG, B.v. 11.2.2003 – 3 EO 387/02 – juris Rn. 2; VG SH, B.v. 10.12017 – 11 B 58/17 – juris). Demgegenüber enthält der streitgegenständliche Bescheid entgegen der Ansicht des Antragstellers vorliegend gerade keine – nach Art. 21a Satz 1 BayVwZVG als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung kraft Gesetzes sofort vollziehbare – Abschiebungsandrohung des Antragsgegners, gegen die der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft wäre.
Vielmehr beinhaltet bereits der Bescheid des Bundesamtes vom 20. Oktober 2016 (s. Bl. 46 ff. der Behördenakte) eine bestandskräftige Abschiebungsandrohung nach Mali; nach Nr. 5 dieses Bescheids des Bundesamtes kann der Antragsteller auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Selbst eine Auslegung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO – zugunsten des Antragstellers – dahingehend, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis in Nr. 1 des Bescheids vom 10. April 2018 anzuordnen, würde vorliegend nicht zu dessen Zulässigkeit führen.
Im vorliegenden Fall ist auch ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht statthaft, weil der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 3 bzw. 4 Satz 1 AufenthG, zu deren Wiederaufleben ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO führen könnte, nicht ausgelöst hat.
Denn der Antragsteller hat nach Erlass einer Abschiebungsandrohung mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamtes vom 20. Oktober 2016 (erstmals) am 19. Juli 2017 eine Aufenthaltserlaubnis beantragt; die während der Dauer des Asylverfahrens geltende Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamtes erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylG). Dieser Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 Asylgesetz (AsylG) keine Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG (vgl. OVG NRW, B.v. 17.3.2009 – 18 E 311/09 – juris Rn. 4; OVG Berlin-Bbg, B.v. 23.2.2007 – OVG 3 S 10.07, OVG 3 M 7.07 – juris Rn. 10 unter Verweis auf Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Stand: Oktober 2006, § 43 Rn. 9 ff.). Denn es soll, von – hier nicht einschlägigen – gesetzlich normierten Ausnahmen abgesehen (§ 10 AufenthG, § 39 Nr. 4 und 5 AufenthV), grundsätzlich verhindert werden, dass erfolglose Asylbewerber nach Abschluss ihres Asylverfahrens ihren Aufenthalt in Deutschland durch ein Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels verlängern (vgl. Kluth in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.5.2018, AufenthG § 81 Rn. 19.2).
Vorläufiger Rechtsschutz gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei Unanwendbarkeit von § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG kann nur im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO erlangt werden. Derartigen Rechtsschutz hat der Antragsteller nicht beantragt (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, AufenthG § 81 Rn. 46 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 23.2.2007 – OVG 3 S 10.07, OVG 3 M 7.07 – juris Rn. 10).
2. Im Übrigen wäre wohl auch ein Eilantrag auf Abschiebungsschutz nicht begründet.
a) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
b) Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch zu besitzen, nicht abgeschoben zu werden. Es liegt derzeit kein Rechtsanspruch auf Duldung vor, noch sind sonstige Gründe ersichtlich, aus denen die Abschiebung des Antragstellers nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist.
aa) Nach § 58 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar, eine gewährte Ausreisefrist abgelaufen und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist.
Der Antragsteller ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet, weil er einen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Der Antragsteller ist seit Bestandskraft des Bescheids des Bundesamtes vom 20. Oktober 2016 ausreisepflichtig und ihm ist bereits darin die Abschiebung angedroht worden. Zudem wurde er mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Landratsamtes … vom 10. April 2018 nochmals zur Ausreise innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids aufgefordert. Die Ausreisepflicht ist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AufenthG auch vollziehbar, weil auch die dem Antragsteller mit o.g. Bescheid vom 10. April 2018 gesetzte Ausreisefrist abgelaufen ist. Zudem ist die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert, weil der Antragsteller offensichtlich nicht zur freiwilligen Ausreise bereit ist.
bb) Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass seine Abschiebung derzeit rechtlich unmöglich wäre:
(1) Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und dem Ausländer keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern (§ 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Die Abschiebung des Antragstellers ist jedoch weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen – insbesondere auch nicht mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK – unmöglich.
(2) Die Abschiebung des Antragstellers ist nicht rechtlich unmöglich. Von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung ist insbesondere auszugehen, wenn Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK der Entfernung des Ausländers aus der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen (BayVGH, B.v. 22.7.2008 – 19 CE 08.781 – juris Rn. 24).
Art. 6 GG gewährt jedoch keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers zu Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (vgl. BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 13 m.w.N. zu aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen einer ehelichen Beistandsgemeinschaft). Andernfalls sind dem im Bundesgebiet lebenden Familienmitglied grundsätzlich Anstrengungen zumutbar, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 10 CS 12.2679 – juris Rn. 33).
Nach diesen Maßstäben ist die Abschiebung des Antragstellers nach derzeitiger Aktenlage nicht rechtswidrig. Denn Art. 6 GG gewährleistet keinen grenzenlosen Schutz der familiären Lebensgemeinschaft. Vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob es dem Ausländer zumutbar ist, seine familiären Bindungen durch Ausreise zu unterbrechen. Dabei ist eine Interessenabwägung durchzuführen. Je intensiver der Schutzbereich der familiären Lebensgemeinschaft betroffen ist, desto stärker müssen die berechtigen öffentlichen Belange für eine Ausreise sein.
Eine wirksame Eheschließung des Antragstellers mit der Mutter seiner Tochter wurde bereits nicht glaubhaft gemacht; bisher wurde lediglich per Telefax eine Kopie einer Urkunde, ausgestellt wohl im Heimatstaat, datierend vom 24. Juli 2015, d.h. einem Zeitpunkt zu dem sich der Antragsteller während seines laufenden Asylverfahrens im Bundesgebiet aufhielt, vorgelegt (Bl. 338 der Behördenakte), die zudem in Widerspruch zu den vorhergehenden diesbezüglichen Angaben des Antragstellers steht (vgl. auch OVG NRW, B.v. 10.4.2007 – 18 B 303/07 – juris).
Ein rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht aus der geltend gemachten Geburt der Tochter des Antragstellers, deren Mutter nach Aktenlage ebenfalls die senegalesische, nicht aber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Eine Trennung des Kindes vom jedenfalls personensorgeberechtigten Elternteil (von seiner Mutter) wurde nicht glaubhaft gemacht; eine gemeinsame Sorgeerklärung wurde nicht vorgelegt, insbesondere stellt die Erklärung vom 9. August 2017 keine wirksame gemeinsame Sorgeerklärung dar (Bl. 214 f. der Behördenakte). Ebenso wenig ist von der Beendigung einer durch Tatsachen belegten Nähebeziehung des Antragstellers mit dem Kind auszugehen. Dieses ist vielmehr nach den Darlegungen des Antragstellers seit der Geburt bzw. Entlassung aus dem Krankenhaus am 21. Juni 2017 in einem Mutter-Kind-Heim (Familienhaus W. in …) wohnhaft, wohingegen der Antragsteller im Bereich des Antragsgegners lebt und das Kind nur zeitweilig im Rahmen der vorgenannten Erlaubnisse, den zugewiesenen Bereich zu verlassen, besuchte. Eine zwingend notwendige Unterstützung des Kindes bzw. der Mutter durch den Antragsteller wurde nicht glaubhaft gemacht; insbesondere ergibt sich eine solche unter Berücksichtigung der gegebenen Gesamtumstände nicht allein aus der geltend gemachten Frühgeburt bzw. Ausbildung der Mutter des Kindes ab 20. August 2018. Vielmehr wurde das Kind des Antragstellers laut Arztbrief des Universitätsklinikums vom 21. Juni 2017 in stabilem Allgemeinzustand nach Hause entlassen.
3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Höhe des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.