Aktenzeichen M 24 K 16.30470
Leitsatz
Aus dem Untertauchen eines Klägers, dessen Klage darauf gerichtet ist, weiter im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, ist der Schluss zu ziehen, dass er an der Weiterverfolgung des gerichtlichen Verfahrens kein Interesse mehr hat, sodass ein Rechtsschutzbedürfnis nicht weiter vorliegt (ebenso VGH München BeckRS 2014, 49132). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung gemäß § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Die nach § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Anhörung der Beteiligten ist erfolgt. Die Beklagte hat mit genereller (auch den vorliegenden Rechtsstreit umfassender) Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 auf eine Anhörung vor Erlass eines Gerichtsbescheides verzichtet. Die Regierung von Oberbayern ist vorliegend zwar gemäß § 63 Nr. 4 VwGO als Vertreter des öffentlichen Interesses Verfahrensbeteiligter aufgrund der generellen Beteiligungserklärungen vom 11. Mai 2015 und vom 18. Mai 2015 (vgl. zur Zulässigkeit sog. Generalbeteiligungserklärungen BVerwG, U. v.27.6.1995 – 9 C 7/95 – juris Rn. 11). In diesen Erklärungen hat der Vertreter des öffentlichen Interesses allerdings darum gebeten, ihm ausschließlich die jeweilige Letzt- bzw. Endentscheidung zu übersenden und damit unter anderem auch auf Anhörung vor Erlass eines Gerichtsbescheides verzichtet.
Das an den Kläger adressierte Anhörungsschreiben vom … Mai 2016 gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG mit Aufgabe zur Post als bewirkt, auch wenn die Zustellungsurkunde mit dem Vermerk „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ am 17. Mai 2016 zum Gericht zurückgekommen ist. Ein Ausländer hat während der Dauer seines Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen (§ 10 Abs. 1 AsylG). Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG muss der Ausländer Zustellungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle, hier dem Gericht, aufgrund seiner Mitteilung, hier den Angaben des Klägers bei der Klageerhebung, bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. So verhält es sich hier. Der Kläger ist unter der dem Gericht benannten Anschrift nicht zu ermitteln; eine neue Adresse hat er dem Gericht nicht mitgeteilt.
Über die Zustellungsvorschriften des § 10 AsylG wurde der Kläger ausweislich der Asylakte des Bundesamtes, Az. …, am … August 2015 in mazedonischer Sprache belehrt.
2. Das Verwaltungsgericht … ist zur Entscheidung über die Klage örtlich zuständig, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit seinen Aufenthalt nach dem Asylgesetz im Regierungsbezirk Oberbayern und damit im Gerichtsbezirk zu nehmen hatten (§ 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO). Aufgrund des Kammerbeschlusses vom … Juni 2016 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG).
3. Die Klage hat keinen Erfolg, da ihr zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt und sie damit bereits unzulässig ist.
In Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf die gerichtliche Sachentscheidung. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B. v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16 m. w. N.).
Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen. Vom Wegfall eines ursprünglich gegebenen Rechtsschutzbedürfnisses kann das Gericht im Einzelfall ausgehen, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an der Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist (OVG NRW, B. v. 1.2.2002 – 21 A 1550/01.A – juris Rn. 5; BVerfG, B. v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 17; BayVGH, B. v. 20.12.1999 – 10 ZC 99.1418 – juris Rn. 3). Aus dem Untertauchen eines Klägers, dessen Klage darauf gerichtet ist, weiter im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, ist der Schluss zu ziehen, dass er an der Weiterverfolgung des gerichtlichen Verfahrens kein Interesse mehr hat (BayVGH, B. v. 6.3.2014 – 10 ZB 13.1862, juris Rn. 4 m. w. N.).
So verhält es sich hier. Der Aufenthaltsort des Klägers ist dem Gericht nicht bekannt. Der Kläger hat damit zu erkennen gegeben, dass er an einer gerichtlichen Entscheidung über einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht weiter interessiert ist.
4. Im Übrigen wäre die Klage jedoch auch unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens oder auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hat. Auf die Ausführungen des Gerichts im Eilverfahren (…) wird insoweit Bezug genommen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff der Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
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