Verwaltungsrecht

Unzulässigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Inders wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis

Aktenzeichen  M 4 S 16.1115

Datum:
6.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 47097
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 113 Abs. 5 S. 1, Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 5, § 122 Abs. 1
AufenthG § 25 Abs. 3 S. 1, § 60 Abs. 7, § 72 Abs. 2, § 81 Abs. 3, § 84 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein am … Februar 1979 geborener indischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die abgelehnte Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller reiste am … Juni 2010 mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein, um als Koch zu arbeiten. Am 6. August 2010 erteilte das Landratsamt Fürstenfeldbruck ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG-, die bis zum 23. Oktober 2010 befristet war und bis zum 23. Oktober 2012 verlängert wurde. Am … Januar 2011 verzog der Antragsteller in den Landkreis … Die Auflage in seiner Aufenthaltserlaubnis wurde daraufhin abgeändert und eine Beschäftigung in … beim selben Arbeitgeber gestattet. Am 1. März 2012 beantragte der Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beim Antragsgegner. Die Aufenthaltserlaubnis wurde bis zum 6. Juni 2014 verlängert.
Im Zeitraum vom 10. Dezember 2012 bis zum 13. November 2013 bezog der Antragsteller Krankengeld. Ab dem 14. November 2013 bis zum 12. Dezember 2013 erhielt er Übergangsgeld der deutschen Rentenversicherung und ab dem 13. Dezember 2013 bis zum 11. April 2014 erneut Krankengeld. Seit dem 12. April 2014 nimmt der Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt nach Sozialgesetzbuch 12. Buch in Anspruch. Auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden übernommen.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise § 25 Abs. 4 AufenthG unter Verweis auf die Erkrankung des Antragstellers. Es handle sich dabei um eine Gefäßerkrankung mit regelmäßig tödlichem Verlauf. Einige deutsche Ärzte hätten jedoch eine möglicherweise lebensrettende Behandlungsoption für den Antragsteller gefunden. Der Bevollmächtigte machte geltend, dass der Antragsteller sich die notwendige Behandlung in Indien nicht würde leisten können und daher eine zielstaatsbezogene Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege.
Mit Schreiben vom 10. November 2014 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Untätigkeitsklage (Az.: M 4 K 14.5060) mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers antragsgemäß zu verlängern.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 wandte sich der Antragsgegner zwecks Beteiligung nach § 72 Abs. 2 AufenthG an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führte in einem Schreiben an den Antragsgegner vom 8. September 2015 im Wesentlichen aus, dass auch nach Durchsicht der Ausländerakte keine Einschätzung zur Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots möglich sei, da die vorliegenden medizinischen Unterlagen unergiebig seien. Der oder die behandelnden Ärzte würden deshalb um die Beantwortung mehrerer Fragen gebeten:
„Welche konkreten Aussagen können über den Gesundheitszustand von Herrn R. S. getroffen werden?
Welche Behandlungen (einschließlich Kontrolluntersuchen) und Medikamente sind hinsichtlich der diagnostizierten Erkrankungen momentan erforderlich (Name, Wirkstoff, ggf. geeignete Substitute)?
Können Aussagen zum voraussichtlichen Verlauf der Erkrankungen gemacht werden?
Welche konkreten gesundheitlichen Folgen hätten ein Abbruch der Behandlung bzw. fehlende oder unzureichende Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland des Patienten? Muss im Falle eines Abbruchs der Behandlung mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gerechnet werden? Beschreiben Sie bitte die mit der erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden Auswirkungen konkret und plastisch!
Wie wahrscheinlich ist der Eintritt der geschilderten Gefahren?“
Der Antragsgegner übersandte die Stellungnahme des Bundesamts vom 8. September 2015 mit Schreiben vom 14. Oktober 2015 an den Bevollmächtigten des Antragsstellers.
In einer Stellungnahme vom 16. Oktober 2015 führte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erneut im Wesentlichen aus, dass nach Vorlage der bisherigen medizinischen Unterlagen nicht feststellbar sei, ob bei dem Ausländer aufgrund seines Krankheitsbildes ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot aus Krankheitsgründen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege. Ungeklärt sei nach den vorgelegten Unterlagen weiterhin, ob neben den nicht näher bezeichneten Verlaufskontrollen noch weitere Behandlungen und Medikamente erforderlich seien. Erst nach Mitteilung dieser Informationen könne das Bundesamt im Rahmen des Beteiligungsverfahrens klären, ob die für den Ausländer aktuell noch notwendige Behandlung in seinem Heimatstaat zur Verfügung stehe und für ihn auch in finanzieller Hinsicht verfügbar sei. Dem Antragsgegner stehe es jedoch frei, eine neue Anfrage nach § 72 Abs. 2 AufenthG zu stellen, sobald das Schreiben vom 8. September 2015 vom behandelnden Facharzt oder der behandelnden Fachärzte beantwortet sei und Angaben zur wirtschaftlich-finanziellen Situation des Ausländers gemacht werden könnten.
In einem Attest vom … November 2015 führte der Hausarzt des Antragstellers im Wesentlichen aus, dass dieser im September 2012 an einer abdominellen Tuberkulose mit Ikterus und Milzabszess erkrankt sei. Die Tuberkulose habe sich erfolgreich behandeln lassen. Angesichts der erheblichen Vorerkrankung sei der aktuelle Zustand des Antragstellers als ausreichend einzustufen. Aufgrund der nach wie vor bestehenden eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit sei auch zukünftig von einer reduzierten Erwerbsfähigkeit des Antragstellers auszugehen. Der Hausarzt führte weiterhin aus, dass eine kontinuierliche medikamentöse Behandlung mit NOAKSs (beispielsweise Xarelto) zur Thromboseprophylaxe, Betablockade mit Carvedilol, Pantoprazol, Novaminsulfon sowie Folsäure und Vitamin B 12 nötig sei. Ein Abbruch der Behandlung würde wohl mit einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes einhergehen, was bei einer Rückkehr ins Heimatland zu befürchten sei.
In der mündlichen Verhandlung der Untätigkeitsklage am 19. Januar 2016 sicherte die Vertreterin des Antragsgegners zu, über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers bis zum 15. Februar 2016 zu entscheiden. Daraufhin erklärten die Parteien das Verfahren für erledigt und es wurde mit Beschluss vom 19. Januar 2016 eingestellt.
Mit Bescheid vom 5. Februar 2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 30. Mai 2014 ab und forderte den Antragsteller auf, das Bundesgebiet bis zum 30. März 2016 zu verlassen. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege nicht vor, da aus dem Attest des Hausarztes vom … November 2015 hervorgehe, dass die Tuberkulose erfolgreich behandelt worden und der Zustand des Antragstellers auch hinsichtlich der Portalvenenthrombose als ausreichend einzustufen sei. Die attestierten Schwächezustände, der Gewichtsverlust und die eingeschränkte körperliche Belastbarkeit begründeten keine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es könne zudem davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller die benötigten Medikamente auch in seinem Heimatland erlangen könne. Dies gelte insbesondere für Neu Delhi, der Stadt, in der der Antragsteller zuletzt lebte.
Mit Schreiben vom 7. März 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 5. Februar 2016. Zudem beantragte der Antragsteller nach § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Als Begründung führte der Bevollmächtigte des Antragstellers im Wesentlichen aus, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorläge, da die notwendige Behandlung und Medikation für den Antragsteller individuell in Indien aus finanziellen Gründen nicht zugänglich sei. Die Ausgaben für Medikamente und ärztliche Behandlungen würden die monatlichen Einnahmen bei einer Vollzeitbeschäftigung in Neu-Delhi bei weitem übersteigen. Eine Vollzeitbeschäftigung sei dem Antragsteller jedoch ohnehin körperlich nicht möglich. Zudem sei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht ausreichend beteiligt worden. Durch Vorlage des hausärztlichen Attests vom … November 2015 seien die vom Bundesamt gestellten Fragen umfassend beantwortet worden. Der Antragsgegner hätte das Bundesamt deshalb erneut beteiligen müssen.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 15. März 2016,
den Antrag abzulehnen.
In seiner Antragserwiderung erklärte der Antragsgegner, dass aus dem Bescheid vom 5. Februar 2016 nicht vollstreckt werde, bevor nicht in der Hauptsache rechtskräftig entschieden sei. Zur Begründung seines Antrags verwies der Antragsgegner im Wesentlichen erneut darauf, dass kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege. Da von keiner Seite bisher eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit bestätigt worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller sich mit seiner mehrjährigen Berufserfahrung erneut in das Berufsleben in Indien werden integrieren können. Vor seiner Ausreise habe der Antragsteller in Neu Delhi gelebt, wo unzweifelhaft der leichteste Zugang zu ärztlicher Versorgung bestehe. Durch Einsatz erprobter Vitamin-K-Antagonisten statt des Präparats Xarelto würden sich die Kosten für die benötigten Medikamente zudem um ein Vielfaches senken lassen.
Es liegen mehrere privatschriftliche Atteste über den Gesundheitszustand des Antragstellers vor: In den Schreiben vom 9. Mai 2014, 12. Mai 2014, 23. Oktober 2014, 14. Januar 2015, 21. November 2015 und 6. März 2016 wurde dem Antragsteller im Wesentlichen zunächst eine portale Hypertonie durch Portalvenenthrombose bescheinigt, die meist chronisch verlaufe und mit mehreren tödlichen Komplikationen assoziiert werde. Nach mehreren operativen Eingriffen und der veranlassten Therapie sei der Antragsteller auf dem Weg der Besserung, eine weitere medikamentöse Behandlung jedoch erforderlich. Der Allgemeinzustand dürfe mittlerweile als befriedigend eingestuft werden. Eine zwischenzeitlich eingetretene Tuberkulose sei erfolgreich behandelt worden. Allerdings sei aufgrund der nach wie vor bestehenden eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit zukünftig von einer reduzierten Erwerbstätigkeit des Antragstellers von zwei Stunden pro Tag auszugehen.
Am … April 2016 wurde der Antragsteller amtsärztlich untersucht. Im amtsärztlichen Gutachten vom … April 2016 kam der Amtsarzt im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass der Gesundheitszustand des Antragstellers bei dauerhafter Medikation als stabil eingeschätzt werde und der Antragsteller reisefähig sei. Der Antragsteller habe in der Vergangenheit insbesondere an einer portalen Hypertension durch Portaderverschluss mit cavernöser Transformation und initial Ösophagusvarizen III sowie Refluxösophagits Grad B gelitten. Die aktuelle Diagnose habe einen stabilen Folgezustand mit Ösophagusvarizen I sowie einer fortbestehenden mikrozytären hypochromen Anämie und einer exokrinen Pankreasinsuffizienz ergeben. Aktuell erfolge eine ausreichende medikamentöse Therapie mit Pantoprazol 40 mg 1-0-0, Carvedilol 1A Pharma 12,5 mg 1-0-1, Xarelto 20 mg 1-0-0, Vitamin D 3 1-0-0 sowie Novaminsulfon bei Bedarf. Therapeutisch notwendig seien die Einnahme eines Protonenpumpenhemmers (z. B. Pantoprazol), eines Beta-Blockers (z. B. Carvedilol) sowie eine lebenslange orale Antikoagulation zur Offenhaltung der TIPS. Dabei stelle die Gabe von Xarelto 20 mg einmal täglich nur eine von mehreren Therapieoptionen dar. Eine ausreichende Therapie könne auch durch die Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Marcumar) unter ärztlicher Kontrolle der Gerinnungsparameter erreicht werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- hat keinen Erfolg.
1. Es spricht bereits vieles dafür, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unzulässig ist. Dem Antragsteller fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsgegner in der Antragserwiderung vom 15. März 2016 erklärte, dass aus dem Bescheid vom 5. Februar 2016 nicht vollstreckt werde, bevor nicht in der Hauptsache rechtskräftig entschieden sei.
Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dann nicht vor, wenn auch ohne eine Entscheidung im Eilverfahren eine Vollziehung des Verwaltungsakts ausgeschlossen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 136; Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 66). Das ist hier der Fall, da der Antragsgegner die Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt hat (Art. 21a Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz -VwZVG-, § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Auch bei der Versagung einer Aufenthaltserlaubnis könnte der Antragsteller durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Eilrechtsschutz nicht mehr erlangen, als dass die Vollziehung des Verwaltungsakts ausgesetzt wird, da die aufschiebende Wirkung sich darin erschöpft, dass die Behörde nicht vollstrecken, das heißt die Abschiebung nicht durchführen kann. Darüber hinaus ist der Aufenthalt des Ausländers auch nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung weiterhin unrechtmäßig und auch die Fiktion des § 81 Abs. 3 AufenthG lebt nicht wieder auf (§ 84 Abs. 2 AufenthG, vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2014, § 84 AufenthG Rn. 34; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 84 Rn. 18).
2. Jedenfalls ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unbegründet.
Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei abzuwägen zwischen dem gesetzlich angeordneten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage offensichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse eines Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.
Nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers nach derzeitiger Einschätzung offensichtlich erfolglos bleiben wird, weil der Antragsteller keinen Anspruch auf eine Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis hat. Der angefochtene Bescheid vom 5. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Das Gericht nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug und verzichtet insoweit auf die Darstellung eigener Entscheidungs-gründe (§§ 122 Abs. 1, 117 Abs. 5 VwGO analog).
Darüber hinaus gilt Folgendes:
a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausreichend im Sinne von § 72 Abs. 2 AufenthG beteiligt.
In seinen Stellungnahmen vom 8. September und 16. Oktober 2015 äußerte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass ein Abschiebungsverbot nicht festgestellt werden könne, da die vorgelegten medizinischen Unterlagen unergiebig seien. Es formulierte einen detaillierten Fragenkatalog, der dem Bevollmächtigten des Antragstellers durch den Antragsgegner übermittelt wurde. Eine erneute Beteiligung des Bundesamts war nicht notwendig, da auch das nachgelieferte hausärztliche Attest vom … November 2015 nicht die notwendigen Informationen beinhaltete. So enthielt es keine Aussage zum voraussichtlichen Verlauf der Krankheit und listete zwar die Medikamente auf, aber keine Dosierung. Die Aussage, dass „wohl“ eine „deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustands“ bei Abbruch der Behandlung und Rückkehr ins Heimatland drohe, reicht nicht aus. Das Attest enthält keine Aussage darüber, wie wahrscheinlich der Eintritt der Gefahren für die Gesundheit und das Leben des Antragstellers ist. Auch eine erneute Beteiligung des Bundesamtes nach § 72 Abs. 2 AufenthG wäre daher nicht zielführend gewesen, da die medizinischen Unterlagen insofern weiterhin unergiebig waren.
Zudem wäre der Antragsgegner selbst bei einer weiteren Beteiligung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht an dessen Einschätzung gebunden, da es sich um ein rein behördeninternes Beteiligungsverfahren handelt (vgl. Fritz/Vormeier, GK-Aufenthaltsrecht, § 25 AufenthG Rn. 34; Hofmann, Ausländerrecht, § 72 AufenthG Rn. 17).
b) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung (§ 8 Abs. 1 AufenthG).
Die Voraussetzungen von § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 60 Abs. 7 AufenthaltsG lagen hier nicht vor.
Gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staats abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. „Erheblich“ in diesem Sinne ist eine drohende Gesundheitsgefahr dann, wenn eine besonders intensive Beeinträchtigung der Gesundheit zu erwarten ist. Davon ist dann auszugehen, wenn sich der Gesundheitszustand des Betroffenen wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine „konkrete“ Gefahr liegt vor, wenn diese Verschlechterung alsbald nach Rückkehr des Ausländers in den Heimatstaat einträte, weil die dort zur Behandlung seiner Leiden zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unzureichend sind und er auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 15.05.2011 – AN 16 K 10.30197 -juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) kann sich ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG zum einen aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die ärztlichen und medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Zum anderen kann es sich daraus ergeben, dass der Ausländer die an sich verfügbaren medikamentösen und ärztlichen Behandlungen aus sonstigen Umständen im Zielstaat tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVwerG, Urteil vom 29.10.2002, Az. 1 C 1.02 = DVBl 2003 463-465).
Diese Voraussetzungen sind im Fall des Antragstellers nicht erfüllt.
Zum einen sind die Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland des Antragstellers ausreichend. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 ist die Gesundheitsversorgung gerade in Neu Delhi – dem Ort, an dem der Antragsteller schon vorher längere Zeit als Koch fern von seiner Familie lebte – im Vergleich zu den anderen Landesteilen gut. Deshalb könnte der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Neu-Delhi etwaig notwendige Untersuchungen hier durchführen lassen. Auch alle gängigen Medikamente sind dem Lagebericht zufolge in Indien auf dem freien Markt erhältlich. Die im amtsärztlichen Gutachten und den privaten Attesten aufgelisteten Medikamente sind allesamt gängige Medikamente, die der Antragsteller auch in Indien, einem der weltweit größten Medikamentenhersteller, erhalten kann.
Zum anderen wäre die notwendige Behandlung oder Medikation auch für den Antragsteller individuell finanziell zugänglich. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien vom 24. April 2015 gewährt der indische Staat die medizinische Grundversorgung kostenfrei. Da es sich bei Indien zudem um einen der weltweit größten Hersteller von Generika handelt und großen Pharmazieunternehmen keinen Patentschutz gewährt wird, kosten Medikamente in Indien auch außerhalb der kostenfreien Grundversorgung nur einen Bruchteil der Preise in Europa. Sie sind damit auch für die arme Bevölkerung finanzierbar (vgl. Bericht der Botschaft der BRD in New Delhi vom 30.12.2013 an das VG Sigmaringen, S. 3). Zudem ließen sich die persönlichen Kosten des Antragstellers auch durch die Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar, die nach Aussage des amtsärztlichen Attests eine Alternative für eine ausreichende Therapie des Klägers darstellten, noch deutlich senken (vgl. die Aussagen und das Rechenbeispiel auf Seite 10 des streitgegenständlichen Bescheids). Überdies ist nicht nur die medizinische Notfallversorgung in den staatlichen Kliniken kostenfrei, sondern es gibt auch einige staatliche Programme, um auch die Ärmsten mit Kranken- und Sozialversicherungsschutz zu versorgen (vgl. Auskunft Auswärtiges Amt vom 28.04.2014 an VG Leipzig, Az. 508-516.80/47964).
Das Geld für seinen Unterhalt und die benötigten Medikamente kann sich der Antragsteller zudem durch Arbeit verdienen. Den Aussagen im amtsärztlichen Attest zufolge ist der Gesundheitszustand des Antragstellers stabil, er ist reisefähig. Das Attest enthält auch keine Aussage über eine verminderte Erwerbsfähigkeit des Antragstellers. Doch selbst wenn diese vorläge (vgl. das Attest des Hausarztes vom 6. März 2016), ist davon auszugehen, dass der Antragsteller zusätzlich zu seinem Arbeitsentgelt mit Hilfe der indischen Großfamilie rechnen könnte, da erweiterte indische Großfamilien regelmäßig bereit sind, für die medizinische Versorgung gerade eines männlichen Familienangehörigen aufzukommen (vgl. Bericht der Botschaft der BRD in New Delhi vom 30.12.2013 an das VG Sigmaringen, S. 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- in Verbindung mit dem Streitwertkatalog. Gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde, da es sich vorliegend um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, die Hälfte des Betrages von 5.000,- € festgesetzt.

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