Verwaltungsrecht

Unzulässigkeit einer Beschwerde gegen abgelehnten Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses

Aktenzeichen  3 C 19.1218

Datum:
9.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15187
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 44a, § 123, § 146 Abs. 1, Abs. 4 S. 3, § 152a

 

Leitsatz

1. In dem bloßen Unterlassen einer beantragten Zwischenverfügung liegt keine (konkludente) Entscheidung, gegen die Beschwerde erhoben werden könnte. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine “Untätigkeitsbeschwerde” ist weder von Verfassungs wegen noch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention geboten. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 19.2689 2019-06-14 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerden und die Anhörungsrüge werden verworfen.
II. Die Kostenentscheidung über die Beschwerde mit dem Antrag, eine Zwischenverfügung zu erlassen (Hauptantrag), bleibt der Endentscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO vorbehalten.
Im Übrigen trägt der Antragsteller die Kosten des Beschwerde- (Hilfsantrag) und des Anhörungsrügeverfahrens (weiterer Hilfsantrag).
III. Der Streitwert für die hilfsweise erhobene Beschwerde wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2019 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht (M 5 E 19.2689), ihn im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen/psychiatrischen Untersuchung aufgrund der Anordnung des zuständigen Polizeipräsidiums vom 21. Mai 2019 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens freizustellen sowie das Verbot vom 13. November 2018, eine Polizeiwaffe zu führen, vorläufig auszusetzen. Zugleich beantragte er zur Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG wegen der mit der Verfügung vom 21. Mai 2019 gesetzten Frist von einer Woche (über die Vorlage der Schweigepflichtentbindung) sowie des Hinweises auf die disziplinarrechtlichen Konsequenzen bei fehlender Mitwirkung den Erlass einer Zwischenverfügung. Mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Juni 2019 wurde der Antragsteller unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris) darauf hingewiesen, dass eine Zwischenentscheidung nicht ergehen wird. Laut Aktenvermerk vom 11. Juni 2019 bestätigte der Vorsitzende Richter der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts dem Bevollmächtigten des Antragstellers telefonisch, dass die Kammer keine Zwischenentscheidung erlassen werde.
Daraufhin legte Antragsteller am 12. Juni 2019 „gegen die Ablehnung, eine Zwischenverfügung zu erlassen“ Beschwerde ein und beantragte, „die Zwischenverfügung zu erlassen“. Hilfsweise legte er gegen die Ablehnung des Eilantrags Beschwerde ein und erhob weiter hilfsweise eine Anhörungsrüge (§ 152a VwGO). Da ein ordentliches Rechtsmittel gegen die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die beantragte Zwischenverfügung nicht gegeben sei, sei diese Rechtsschutzverweigerung als konkludente Ablehnung des begehrten zugrunde liegenden Rechtsschutzes (Eilantrag) zu werten.
Das Verwaltungsgericht legte die Beschwerde dem Senat zur Entscheidung vor. Laut Aktenvermerk der Mitglieder der Landesbeamtenkammer vom 14. Juni 2019 sei nach ihrer Auffassung eine beantragte Zwischenverfügung nicht angezeigt, da mit einer solchen dieser Antrag nur vorläufig abgelehnt werden könnte. Denn die Kammer folge der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen einer Anordnung einer (amts-)ärztlichen Untersuchung nach § 44a Abs. 1 VwGO unzulässig sei.
Im Übrigen wird hinsichtlich des Sachverhalts auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde im Hauptantrag (Erlass einer Zwischenverfügung) ist unzulässig.
1.1 Indem sich der Antragsteller (pauschal) gegen „die Ablehnung, eine Zwischenverfügung zu erlassen“ wendet, ohne auf eine konkrete Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bezug zu nehmen, genügt die Beschwerdebegründung bereits nicht den sich aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ergebenden Mindestanforderungen, sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen.
1.2 Ungeachtet dessen ist die Beschwerde gegen die Ablehnung, eine Zwischenverfügung zu erlassen, unzulässig, weil keine beschwerdefähige förmliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 146 Abs. 1 VwGO vorliegt. Soweit das Verwaltungsgericht den Antragsteller mit Schreiben vom 6. Juni 2019 bzw. telefonisch am 11. Juni 2019 unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2019 (2 VR 5.18 – juris) darauf hingewiesen hat, dass keine Zwischenverfügung ergehen resp. das Verwaltungsgericht eine solche nicht erlassen wird, handelt es sich bereits dem Wortlaut nach um keine Ablehnungsentscheidungen, sondern um formlose, verfahrensbezogene Mitteilungen, hinsichtlich des Erlasses einer Zwischenverfügung untätig zu bleiben. Dies wird bestätigt durch die schriftlich niedergelegte Auffassung des Verwaltungsgerichts (vgl. Aktenvermerk der Kammer vom 14. Juni 2019, Bl. 24 der Verwaltungsgerichtsakte), die beantragte Zwischenverfügung sei „nicht angezeigt“, da mit einer solchen dieser Antrag nur vorläufig abgelehnt werden „könnte“. In dem bloßen Unterlassen der beantragten Zwischenverfügung liegt auch keine (konkludente) Entscheidung, gegen die Beschwerde erhoben werden könnte (BayVGH, B.v. 7.4.2016 – 4 C 16.635 – juris Rn. 4). Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, da die im Unterlassen der beantragten Entscheidung liegende Untätigkeit des Gerichts hier keiner Rechtsschutzverweigerung gleichkommt. Denn es ist nicht ersichtlich, dass zur zwingenden Verhinderung irreversibler Zustände eine endgültige gerichtliche Eilentscheidung nicht abgewartet werden könnte. Der Beamte ist in einem drohenden bzw. eingeleiteten Disziplinarverfahren nicht rechtsschutzlos gestellt (BayVGH, B.v. 8.1.2013 – 3 C 11.1707). Dem steht auch nicht die Entscheidung des Senats vom 12. Dezember 2012 (3 CE 12.2121 – juris Rn. 31) entgegen, da darin nicht der Erlass einer Zwischenverfügung, sondern die isolierte Anfechtbarkeit der Untersuchungsanordnung (§ 44a Satz 2 Fall 1 VwGO) in Streit stand.
1.3 Auch als Untätigkeitsbeschwerde verstanden, wäre die Beschwerde unzulässig. Eine „Untätigkeitsbeschwerde“ sieht die Verwaltungsgerichtsordnung nicht vor; sie ist auch weder von Verfassungs wegen noch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention geboten; für sie ist jedenfalls seit Einführung des Entschädigungsanspruchs wegen überlanger Verfahrensdauer (§ 173 Satz 2 VwGO i.V.m. §§ 198 ff. GVG) mit dem Inkrafttreten des Art. 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz in überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) kein Raum (mehr) (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.2016 – 6 PKH 22.16 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 7.4.2016 – 4 C 16.635 – juris Rn. 4; B.v. 8.1.2013 – 3 C 11.1707 – juris Rn. 3).
2. Die Beschwerde ist auch im Hilfsantrag (Ablehnung des Eilantrags) unzulässig.
Soweit der Antragsteller unter Bezugnahme auf Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, Vor § 124 Rn. 15a ausführt, die „Rechtsschutzverweigerung“ sei als konkludente Ablehnung des begehrten zugrundeliegenden Rechtsschutzes (Eilantrag) zu werten, berücksichtigt er nicht, dass diese Kommentierung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz in überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren liegt und daher keine Geltung mehr beanspruchen kann (so nunmehr Happ in Eyermann, 15. Aufl. 2019, Vor § 124 Rn. 15, der ausdrücklich darauf hinweist, dass das bestehende Defizit damit beseitigt worden sei). Zudem kann in den formlosen, verfahrensbezogenen Hinweisen des Erstgerichts weder eine Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO noch eine Mitteilung darüber gesehen werden, der Eilantrag solle nicht bearbeitet werden. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass das Verwaltungsgericht den Eilantrag in einer offensichtlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise verzögert hat oder über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO in angemessener Zeit nicht mehr entscheiden wird.
3. Auch die weiter hilfsweise erhobene Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) ist unzulässig, da gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Rüge nicht stattfindet (§ 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO).
4. Einer Kostenentscheidung über die Beschwerde mit dem Antrag, eine Zwischenverfügung zu erlassen, bedarf es nicht, da die durch das Verfahren auf Erlass einer Zwischenentscheidung entstehenden Kosten einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens Kosten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nach § 123 VwGO sind. Die Zwischenentscheidung ist kein gegenüber dem Eilverfahren selbständiges Nebenverfahren, weil es zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes nur die Zeitspanne bis zur Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts überbrücken soll (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.2012 – 7 VR 7.12 – juris; VGH BW, B.v. 26.9.2017 – 2 S 1916/17 – juris Rn. 10 m.w.N.). Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO (Anhörungsrüge) bzw. auf § 154 Abs. 2 VwGO (Hilfsantrag).
Die Streitwertfestsetzung hinsichtlich der hilfsweise eingelegten Beschwerde gegen die (konkludente) Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG (in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013). Hinsichtlich des Hauptantrags bedarf es mangels Kostenentscheidung keiner Streitwertfestsetzung. Einer Streitwertfestsetzung über die Anhörungsrüge bedarf es gleichfalls nicht‚ weil für dieses Verfahren nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr von 60‚- Euro anfällt.
5. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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