Aktenzeichen W 8 K 20.30044
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1 Hs. 2
AsylG § 3, § 3e, § 4, § 25, § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Es ist davon auszugehen, dass es einem Flüchtling möglich und zumutbar ist, sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederzulassen, in welchem er auch vor eventuellen privaten Verfolgern sicher wäre und dass er sich seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums erwirtschaften kann. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes, weil nicht ersichtlich ist, dass – bezogen auf eine mögliche COVID-19-Erkrankung – eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG zugeordnet werden kann. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch die Voraussetzungen für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der COVID-19-Pandemie liegen nicht vor. (Rn. 41 – 54) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 20. Dezember 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Eine Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin nach eigenen Angaben auf dem Landweg aus einem Mitgliedsstaat der europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).
Das Gericht kommt aufgrund der zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismittel auf der Basis des Vorbringens der Klägerin, ebenso wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis, dass der Klägerin bei einer Rückkehr nach Nigeria keine politische Verfolgung nach § 3 AsylG oder ein ernsthafter Schaden gemäß § 4 AsylG bzw. eine erhebliche Gefahr nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines ernsthaften Schadens liegt dann vor, wenn die dafürsprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr eines ernsthaften Schadens entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Der Klägerin ist es nicht gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin sowie der weiteren zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine (politische) Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden drohte oder bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Festzuhalten ist schon, dass die Klägerin kein zweifelsfreies in sich stimmiges Vorbringen geleistet hat. Vielmehr machte sie sich widersprechende und auch gesteigerte Angaben, die ein erhebliches Indiz für ein unglaubhaftes Vorbringen insgesamt sind. Die Klägerin hat im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des Gerichtsverfahrens, auch in der mündlichen Verhandlung, ungereimte und widersprüchliche Angaben gemacht, die sie trotz wiederholten gerichtlichen Vorbehalts nicht auflösen konnte. Gerade aufgrund der Angaben und des Auftretens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist es ihr nicht gelungen, ein stimmiges Bild eines glaubhaften Schicksals zu zeichnen, wonach ihr persönlich die Gefahr eines ernsthaften Schadens bzw. einer Gefahr für Leib und Leben konkret mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte bzw. jetzt noch droht.
Das Bundesamt für … hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffend ausgeführt, dass abgesehen davon, dass es sich beim klägerischen Vorbringen um ein kriminelles Unrecht handelt, dieses nicht glaubhaft sei. Es spreche nichts dafür, dass sich die Klägerin mit ihren Schilderungen auf tatsächlich Erlebtes beziehe. Offensichtlich habe sie sich eine Geschichte zurechtgelegt. Sie spule das Kernvorbringen reduziert herab. Nähere Details und Begleitumstände fänden sich nicht. Es sei nicht plausibel, dass sie selbst verfolgt werde, und noch weniger sei nachvollziehbar, dass die ganze Familie verfolgt worden sein solle. Nicht schlüssig sei, dass sie den Aufenthaltsort ihrer Geschwister nicht kenne, jedoch über deren Verfolgungsschicksale Bescheid wisse. Lebensfern sei auch, dass die Anderen ihre Mutter und ihren Sohn unbehelligt gelassen hätten. Das Vorbringen sei im Lauf der Anhörung angewachsen. Nicht stimmig sei auch, dass einerseits im entgegen gesetzt liegenden Delta State ihre Flucht durch ihre Mutter vermittelt worden seien soll, sich die Klägerin andererseits jedoch gleichzeitig in das weit entfernte Kano begeben haben wolle. Auch von einer drohenden Stigmatisierung sei nicht auszugehen, der Juju-Schwur sei mit Hilfe eines Priesters aufgehoben worden. Zudem sei die Klägerin auf internen Schutz zu verweisen.
Die Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin haben sich durch ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung verfestigt und verstärkt.
Widersprüchlich sind schon die Angaben zu dem Mann in Nigeria. Während die Klägerin bei ihrer Bundesamtsanhörung davon sprach, dass ein Mann zu ihnen gekommen sei, der sie habe adoptieren wollen, ist in der Klagebegründung von einem Ehemann die Rede. Demgegenüber erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, sie sei weder formell adoptiert worden, noch habe sie geheiratet, sondern sie sei praktisch gegen das geschuldete Geld ausgetauscht worden.
Erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnte sie auch, dass ihr Vater schwer krank und der andere Mann ein Freund des Vaters gewesen sei, der ihnen Geld gegeben habe. Nach der Beerdigung ihres Vaters habe ihre Mutter ihr mitgeteilt, dass sie den Freund heiraten müsse, weil sie das Geld nicht hätten, um das Geld zurück zu bezahlen. Die Mutter habe sie zu dem Mann gebracht. Der Mann habe auch in Lagos gewohnt. Im Anhörungsprotokoll beim Bundesamt ist hingegen die Rede davon, dass der Mann gekommen sei, gesagt habe, er wolle helfen, und sie mitgenommen habe.
Weiter sprach die Klägerin beim Bundesamt davon, mit 15 Jahren vergewaltigt worden zu sein und einen Sohn bekommen zu haben, während sie in der mündlichen Verhandlung insofern angab, sie habe das Kind zusammen mit dem Mann, also mit dem Freund des Vaters, gehabt. Dieser habe sie entjungfert.
Ein gravierender Widerspruch findet sich beim Auslöser der angeblichen Bedrohung. Während gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich und wiederholt von einem Verkehrsunfall die Rede war, verursacht durch ihren Mann, bei der eine schwangere Frau gestorben sei, bzw. von einem Unfall gesprochen wurde, der am 3. März 2016 stattgefunden habe und tags darauf sei die Frau gestorben, behauptete die Klägerin in der mündlichen Verhandlung im krassen Widerspruch dazu und zudem gesteigert, sie habe nicht gesagt, dass ihr Mann jemand durch einen Unfall umgebracht habe, sondern er habe jemand mit Waffen umgebracht. Daraufhin habe die Familie der getöteten schwangeren Frau ihren Mann umgebracht. Sie hätten ihn niedergebrannt und das ganze Haus niedergebrannt und seien auch hinter ihr her gewesen. Dass die andere Frau mit Waffen umgebracht worden sei, habe so auch im Internet gestanden. Der Hinweis auf das Internet verhilft der vorgebrachten Geschichte indes nicht zur Glaubhaftigkeit. Vielmehr hat das Gericht den Eindruck, dass die Klägerin sich an eine andere, nicht selbst erlebte Geschichte aus dem Internet anhängt und sich diese zu eigen macht.
Nicht stimmig ist das weitere Vorbringen zu dem Schicksal der Mutter und des Sohnes. Während die Klägerin beim Bundesamt angab, die Mutter sei selbst nicht behelligt worden, weil sie nach einem Schlaganfall behindert gewesen sei und ohnehin kein Leben mehr gehabt habe, bauschte die Klägerin auch insoweit ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung auf und erklärte, auch das Haus der Mutter sei niedergebrannt worden. Weiter gab die Klägerin beim Bundesamt an, ihren Sohn habe sie zurückgelassen. Er sei vo ihrer Mutter ins Dorf gebracht worden und er werde dort im Dorf durch die Familie versorgt, die Tante. Demgegenüber behauptete sie in der mündlichen Verhandlung, sie habe keinen Kontakt mehr zur Mutter und wisse nichts. Sie wisse nicht, in welches Dorf die Mutter sei. Sie wisse auch nichts von einer Tante. Sie kenne nur eine Frau, die eine Freundin ihrer Mutter sei, und die nenne sie Tante.
Weiter sprach die Klägerin beim Bundesamt von zwei Schwestern und zwei Brüdern. Demgegenüber behauptete sie in der mündlichen Verhandlung, sie habe nur jeweils eine Schwester und einen Bruder.
Widersprüchlich und aufbauschend sind des Weiteren die Angaben der Klägerin zu ihrem Aufenthalt in Italien. Während sie gegenüber der Regierung von Oberbayern und bei ihrer Bundesamtsanhörung gesagt hatte, sie sei die ganze Zeit im Camp in Bari in Italien gewesen bzw. nur kurz vom 30. Dezember 2017 bis 4. Januar 2018 in Rom gewesen, beharrte sie in der mündlichen Verhandlung darauf, im Dezember/Januar einen ganzen Monat in Rom gewesen zu sein.
Gesteigert ist weiter das Vorbringen, da sie erstmals in der mündlichen Verhandlung vorbrachte, sie sei in Rom mit einer Art zusammengewickelten Draht geschlagen worden und habe die Narben jetzt noch. Darüber hinaus sei sie tatsächlich zur Prostitution gezwungen worden und ca. einen Monat lang der Prostitution auch tatsächlich zwangsweise nachgegangen. Im Widerspruch dazu erklärte die Klägerin bei ihrer Bundesamtsanhörung, man habe ihr gesagt, sie solle eine andere Kleidung anziehen und mit den Mädchen arbeiten. Sie solle als Prostituierte arbeiten. Sie habe gesagt, dass sie das nicht mache. Daraufhin sei sie zwei Tage lang in einem Raum eingesperrt worden. Als Notlüge habe sie dann gesagt, dass sie die Arbeit doch mache. Als sie anschließend zusammen mit den anderen Mädchen herausgelassen worden sei, sei sie jedoch weggelaufen und ins Camp nach Bari zurückgegangen. Demgegenüber erklärte sie in der mündlichen Verhandlung weiter, sie habe sich von ihrem Freund/Mann abholen lassen und sei von ihm gerettet worden.
Vor diesem Hintergrund fehlt es des Weiteren an einer Basis für eine Stigmatisierung der Klägerin bei einer Rückkehr nach Nigeria. Insoweit kann ergänzend auf die einschlägigen Ausführungen im Bundesamtsbescheid verwiesen werden. Denn selbst nach der zweiten Variante ist es der Klägerin erfolgreich gelungen, sich der Prostitution zu entziehen. Anschließend ist die Klägerin nach eigenem Bekunden anscheinend nur telefonisch behelligt worden und nur so lange, wie die Anderen ihre Nummer gehabt hätten. Durch den Austausch der SIM-Karte hat dies offenbar problemlos geendet.
Gänzlich widersprüchlich ist schließlich ihr Vorbringen zur angeblichen Eheschließung auf traditionelle Art und Weise in Italien mit ihrem Lebensgefährten bzw. Freund namens Wisdom. Während ihr Lebensgefährte gegenüber der Regierung von Oberbayern am 22. März 2018 noch ausdrücklich angegeben hatte, dass sie weder traditionell verheiratet seien, noch dass eine Eheschließung gerichtlich zertifiziert sei, erklärte die Klägerin am selben Tag bei der Regierung von Oberbayern ausdrücklich, sie hätten zwischenzeitlich geheiratet und ihr Nachname laute jetzt Imafidon Ossai. Einige Tage später bei der Anhörung beim Bundesamt gaben sowohl der Lebensgefährte als auch die Klägerin wiederholt an, sie hätten im November bzw. Dezember traditionell in Italien geheiratet. In Nigeria hätten sich die Eltern getroffen und die Hochzeit gemacht, während sie beide noch in Italien gewesen seien. Die Klägerin hatte dazu beim Bundesamt sogar weiter erklärt, die Eltern ihres Mannes hätten ihren Eltern Mitgift gebracht und damit seien sie verheiratet gewesen. Das betreffende Vorbringen der Klägerin ist auch deshalb zusätzlich fragwürdig, weil der Vater der Klägerin nach ihren eigenen Angaben schon viele Jahre vorher gestorben war und auch der spätere Mann nachher zu dem Zeitpunkt auch schon getötet gewesen sein soll. Im Widerspruch zu ihrem bisherigen Vorbringen erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie hätten nicht geheiratet. Sie hätten erst in Deutschland behauptet, dass sie zusammenwohnten. Es habe wohl telefonischer Kontakt (zwischen den Familien) in Nigeria bestanden, aber es sei nicht zu einer Heirat gekommen, weil ihre eigene Mutter auf der Flucht gewesen sei. Die Klägerin stritt entgegen ihrer protokollierten Äußerungen ab, gesagt zu haben, dass sie traditionell geheiratet hätten, und auch die Aussage mit der Namensänderung stritt sie ab. vielmehr behauptete sie stattdessen, sie habe nur danach gefragt, ob sie den Namen nach einer Heirat ändern könnte.
Eine nachvollziehbare Erklärung für die Widersprüche brachte die Klägerin; die diversen Ungereimtheiten vermochte sie nicht plausibel aufzulösen und auszuräumen.
Aufgrund der zahlreichen Ungereimtheiten und Widersprüche im Vorbringen der Klägerin fehlt es an der Basis für die Zuerkennung eines internationalen Schutzes.
Unabhängig und selbständig tragend kommt hinzu, dass selbst bei Wahrunterstellung keine Verfolgungswahrscheinlichkeit bestünde, weil der Klägerin – wie auch schon das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat – bei einer Rückkehr jedenfalls eine interne Schutzmöglichkeit zur Verfügung steht.
Der Klägerin (gegebenenfalls samt Mann und Kind) ist es jedenfalls möglich und zumutbar, sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederzulassen, in welchem sie vor eventuellen privaten Verfolgern – sowohl im Hinblick auf die angebliche Verfolgung durch die Familie der getöteten schwangeren Frau als auch im Hinblick auf die Personen, denen sie angeblich Geld schulde, welches sie nicht durch Prostitution abbezahlt habe – sicher wäre (vgl. § 3e, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Die Klägerin kann sich beispielsweise in einer der zahlreichen Großstädte Nigerias, insbesondere in der Hauptstadt Abuja, oder in einer anderen Stadt niederlassen. Sie genießt Freizügigkeit in ganz Nigeria, so dass sie ihren Wohn- und Aufenthaltsort grundsätzlich frei bestimmen kann. Wenn die Klägerin ihren Heimatort meidet, ist es unwahrscheinlich, dass sie in einer anonymen Großstadt nach mehrjähriger Abwesenheit (seit dem Jahr 2016) außerhalb der Heimatregion aufgefunden würde, zumal Nigeria etwa 190 Millionen Einwohner hat, eine Fläche von 925.000 m² aufweist und dabei nicht über ein funktionsfähiges Meldesystem verfügt. Grundsätzlich besteht nach der Erkenntnislage in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Der Klägerin ist ein Umzug in einen anderen Landesteil Nigerias auch zumutbar. Zwar geht aus den vorliegenden Erkenntnissen hervor, dass ein Umzug in einen anderen Landesteil unter Umständen mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein kann, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem sie kein soziales Umfeld haben. Insbesondere familiären Bindungen kommt in der nigerianischen Gesellschaft eine gesteigerte Bedeutung zu (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 18.12.2019, S. 46 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 16, 21). Die Klägerin könnte jedoch im Fall der Rückkehr nach Nigeria – wie auch schon vom Bundesamt im streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid zutreffend ausgeführt – auch ohne solche Bindungen zusammen mit ihrem Kind ohne gravierende gesundheitlichen Einschränkungen in einer der zahlreichen Großstädte eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit aufnehmen und ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin im Falle einer freiwilligen Rückkehr sowohl Start- als auch Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen kann. Zudem hat sie sich auch schon in der Vergangenheit mit einfachen Arbeiten beholfen. Sie hat berufliche Erfahrungen gesammelt und ist auch mit den Umständen in Nigeria vertraut. Somit ist davon auszugehen, dass sich die Klägerin ihren Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums erwirtschaften kann (VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris; OVG NRW, B.v. 15.4.2020 – 19 A 915/19.A – juris; B.v. 18.3.2020 – 19 A 147/20.A – juris; B.v. 2.1.2020 – 19 A 183/18.A – juris; VG München, B.v. 20.3.2020 – M 8 S 19.34200 – juris; B. 13.12.2019 – M 12 S 19.34141 – juris; VG Augsburg, B.v. 10.3.2020 – Au 9 S 20.30327 – juris; B.v. 4.3.2020 – Au 7 K 18.31993 – juris; B.v. 20.2.2020 Au 9 K 17.35117 – juris; B.v. 16.1.2020 – Au 9 K 19.30382 – juris; VG Karlsruhe, B.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris; VG Kassel, B.v. 21.1.2020 – 6 L 2648/19.KS.A – juris).
Ergänzend ist anzumerken, dass Nigeria speziell hinsichtlich Frauen über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen verfügt, die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen kümmern, ihnen bei der Reintegration helfen, als zentrale Anlaufstelle fungieren und auch eine mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) sowie Berufstraining anbieten (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria vom 18.12.2019, S. 40 ff.; siehe dazu auch VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris).
An der vorstehenden Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass in die Betrachtung miteinbezogen wird, dass die Klägerin gegebenenfalls mit ihrem Kind und ihrem Lebensgefährten, der sie zudem zusätzlich unterstützen könnte, zurückkehrt. Auch insofern hält es das Gericht für möglich, dass sich die Klägerin eine Existenz für sich und ihr Kind in zumutbarer Weise sichern kann. Gegebenenfalls kann sie auch auf verwandtschaftliche Beziehungen zurückgreifen. Letztlich ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin und ihr Kind in einer extremen Situation befänden, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Nigeria sehenden Auges mit dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wären, wenn auch möglicherweise gewisse Anfangsschwierigkeiten zu überwinden sein mögen.
Des Weiteren ist auch in dem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, dass abgesehen von privaten Hilfemöglichkeiten und Hilfsorganisationen auch auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückgegriffen werden kann. So hat die Klägerin die Option, ihre finanzielle Situation in Nigeria aus eigener Kraft zu verbessern, um Startschwierigkeiten bei einer Rückkehr besser zu überbrücken. Gegen diese Möglichkeiten kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass Start- bzw. und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehr, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung, erfolgen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris).
Ernstliche Zweifel ergeben sich nach den vorstehenden Ausführungen des Weiteren nicht mit Bezug auf § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, auch nicht im Hinblick auf eventuelle gesundheitlichen Aspekte. Auch insofern kann das Gericht auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides Bezug nehmen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
An der Beurteilung ändert des Weiteren auch die weltweite COVID-19-Pandemie nichts.
Laut den allgemein zugänglichen Quellen gibt es in Nigeria im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt 12.486 (Deutschland 185.853) bestätigte Corona-Fälle; davon sind 3.959 (Deutschland 169.094) Personen genesen; außerdem gibt es 354 (Deutschland 8.776) Todesfälle (Stand: 8.6.2020; siehe etwa Nigeria Centre for Disease Control https://covid19.ncdc.gov.ng/ oder https://www…info/coronavirus/country/nigeria/). Jedoch bleibt der nigerianische Staat nicht tatenlos, wobei in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, Covid-19 – aktuelle Lage vom 23.3.2020, S. 2). So gelten angesichts der Corona-Pandemie in Nigeria in bestimmten Landesteilen bzw. Staaten – gerade in Hotspots – teilweise strenge bzw. strengere Ausgangssperren und Quarantäneregelungen, die von den nigerianischen Sicherheitskräften auch überwacht werden. Die Regierung hat hingegen mittlerweile etwa die Ausgangssperre für Lagos und Abuja wieder aufgehoben, allerdings an anderen Stellen (etwa in Kano) verlängert und erweitert (vgl. Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www…com/…html; New York Times vom 17.5.2020, https://www…com/…html; ferner n-tv.de vom 15.4.2020, https://www…de/…html oder ..de vom 16.4.2020 https://www…de/…html).
Dem Gericht fehlen vor diesem Hintergrund jegliche Anhaltspunkte für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes, weil nicht ersichtlich ist, dass – bezogen auf eine mögliche COVID-19-Erkrankung – eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG zugeordnet werden kann.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach Nigeria ergeben sich nach Vorstehendem des Weiteren nicht im Hinblick auf die Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen etwaiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG durch das Bundesamt.
Insbesondere rechtfertigt die weltweite COVID-19-Pandemie keine andere Sichtweise in Bezug auf das Vorliegen etwaiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG.
Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Nigeria aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandmie verschlechtert (vgl. auch Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www…com/…html), hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann. Schlechte humanitäre Verhältnisse können dabei nur in ganz außergewöhnlichen Fällen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn es sich hierbei um zwingende humanitäre Gründe handelt (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.). Aus der Rechtsprechung des EGMR (U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 und 11449/07 – BeckRS 2012, 8036 – Rn. 278) und des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12) ergibt sich, dass die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraussetzt. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind. Entscheidend ist, dass die Person keiner Situation extremer materieller Not ausgesetzt wird, die es ihr unter Inkaufnahme von Verelendung verwehrt elementare Bedürfnisse zu befriedigen.
Für den Eintritt einer dahingehenden Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Nigeria fehlen dem Gericht zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein Gegensteuern des nigerianischen Staates erkennbar ist. So wurde ein Notfallfonds für das „Nigeria Centre for Disease Control“ eingerichtet, ebenso wie Konjunkturpakete, um die Auswirkungen für Haushalte und Betriebe zu lindern (https://www…com/…/; vom 20.4.2020, zuletzt abgerufen am 8.6.2020). Darüber hinaus hat der internationale Währungsfonds Soforthilfen für Nigeria in Höhe von 3,4 Milliarden US-Dollar gewährt (https://www…org/…; vom 28.4.2020, zuletzt abgerufen am 8.6.2020). Das Gericht geht zudem davon aus, dass gerade der für viele Nigerianer als Einnahmequelle bedeutende informelle Sektor nach dem Aufheben der vorübergehenden, nicht landesweit gleich strikten und im Übrigen bereits wieder gelockerten Ausgangsbeschränkungen (vgl. etwa https://www…com/…/, zuletzt abgerufen am 8.6.2020; https://www…de/..; 29.4.2020, zuletzt abgerufen am 8.6.2020) auch der Klägerin wieder zur Verfügung stehen wird (vgl. Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www…com/politik/…html).
Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der COVID-19-Pandemie.
Zunächst ist insoweit festzustellen, dass die Klägerin mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht mit dem neuartigen SARS-CoV-2 („Coronavirus“) infiziert ist bzw. nicht an der hierdurch hervorgerufenen Ekrankung COVID-19 leidet.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Die derzeitige COVID-19-Pandemie stellt in Nigeria mangels einer solchen Abschiebestopp-Anordnung allenfalls eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn es zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke, d.h. zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage erforderlich ist (vgl. etwa BVerwG, 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerecht, 13. Auflage 2020, § 60 AufenthG, Rn. 100 m.w.N.). Die drohende Gefahr, dass die Klägerin sich in Nigeria mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert, muss nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. – juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage den baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – juris sowie VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris mit Bezug auf VG Bayreuth, U.v. 21.4.2020 – B 8 K 17.32211; OVG NRW – U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.; vgl. auch schon VG Würzburg, B.v. 4.6.2020 – W 8 S 20.30546; B.v. 28.5.2020 – W 8 S 20.30558, G.v. 14.5.2020 – W 8 K 20.30421; U.v. 6.5.2020 – W 8 S 20.30493; B.v. 17.4.2020 – W 8 S 20.30448 – juris; B.v. 27.3.2020 – W 8 S 20.30378).
Eine solche extreme, konkrete Gefahrenlage ist vorliegend für die Klägerin im Hinblick auf die Verbreitung des „Coronavirus“ für das Gericht derzeit nicht erkennbar. Die ca. 27 Jahre alte Klägerin ohne relevante Vorerkrankungen gehört nicht zu der Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der COVID-19 Erkrankung (vgl. RKI, Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf; abrufbar unter https://www…de/…html; Stand: 13.5.2020; zuletzt abgerufen am 8.6.2020). Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten tagesaktuellen Fallzahlen und des damit einhergehenden Ansteckungsrisikos besteht in Nigeria derzeit nach dem oben genannten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher die Klägerin angehört. Sie muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen, wie etwa Malaria, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung um ein Vielfaches höher liegt als bei dem „Coronavirus“ (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4479/19.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris), im Bedarfsfalle auf die Möglichkeiten des – zugegebenermaßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 18.12.2019, S. 48 ff. und 51 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 22 ff.) verweisen lassen.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Ansteckungsgefahr mit dem „Coronavirus“ auch in Nigeria nicht in allen Landesteilen gleich hoch ist. Vielmehr gibt es erhebliche regionale Unterschiede (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, Covid-19 – aktuelle Lage vom 23.3.2020, S. 2; New York Times vom 17.5.2020, https://www…com/…html) beim Risiko, angesteckt zu werden. Darüber hinaus bestehen – wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland – individuell persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske oder die Wahrung von Abstand zu anderen Personen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren.
Gegebenenfalls kann die Klägerin auch auf private Hilfsmöglichkeiten oder Hilfsorganisationen zurückgreifen, sodass sie nicht völlig mittellos wäre und sich in Nigeria etwa auch mit Medikamenten, Desinfektionsmittel oder Gesichtsmasken versorgen könnte. Abgesehen davon könnten der Klägerin bei Bedarf auch Medikamente, Desinfektionsmittel oder Gesichtsmasken für eine Übergangszeit mitgegeben werden (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris; BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Wie schon ausgeführt hat das Gericht weiter keine triftigen Anhaltspunkte, geschweige denn konkrete Belege, dass die Lebensverhältnisse und die humanitären Lebensbedingungen in Folge der Covid-19-Pandemie in Nigeria in der Weise verschlechtert hätten oder alsbald verschlechtern würden, dass generell für jeden Rückkehrer eine extreme Gefahr im oben zitierten Sinn mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen würde. Gerade angesichts der regionalen Unterschiede und dem unterschiedlichen Vorgehen der einzelnen Bundesstaaten bestehen weiterhin ausreichende Möglichkeiten, sich ein Existenzminimum zu erwirtschaften, so dass eine Rückkehr nach Nigeria zumutbar ist. Dies gilt auch unter Einbeziehung einer möglichen Rückkehr de Klägerin zusammen mit Mann und Kind.
Denn es gibt keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich Wirtschaft und Versorgungslage der Bevölkerung trotz internationaler humanitärer Hilfe, trotz Gegensteuerns des nigerianischen Staates und trotz lokaler Hilfsbereitschaft infolge der Pandemie derart verschlechtern würde, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich und gegebenenfalls ihr Kind in Nigeria sicherzustellen (ebenso VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris).
Das Gericht verkennt – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Nigeria. Diese betreffen jedoch nigerianische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Anordnung und Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.