Verwaltungsrecht

Verfolgung einer beschnittenen Frau in Elfenbeinküste als flüchtlingsschutzrechtlich relevante Gefahr

Aktenzeichen  W 2 K 18.32066

Datum:
10.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 9989
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 3e
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Als geschlechtsspezifische Verfolgung kann eine drohende Beschneidung zwar an das flüchtlingsschutzrechtlich relevante Merkmal der bestimmten sozialen Gruppe anknüpfen. Ist sie aber bereits erfolgt, droht – trotz der Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 HS. 1 der RL 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) – keine erneute Verfolgungsgefahr. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die zulässige Klage konnte ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 20. März 2019 zu Protokoll des Gerichts erklärte, auf eine weitere mündliche Verhandlung zu verzichten und die Beklagte mit der allgemeinen Prozesserklärung des Bundesamts für … vom 27. Juni 2017 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtete.
Der Bundesamtsbescheid vom 18. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
Das Gericht folgt der Begründung des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes vom 18. September 2018 und verweist gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG auf die zutreffenden Ausführungen. Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
1.1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Gemäß § 3a AsylG gelten dabei Handlungen als Verfolgung, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholungsgefahr so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichungen zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat die Klägerin eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsgefahr in der Elfenbeinküste nicht glaubhaft gemacht. Dabei wird der Vortrag zur von ihrer Herkunftsfamilie erzwungenen Beschneidung vor dem Hintergrund des dem Gericht vorgelegten frauenärztlichen Schreibens vom 10. April 2019 als glaubwürdig angesehen. Als geschlechtsspezifische Verfolgung kann eine drohende Beschneidung zwar an das flüchtlingsschutzrechtlich relevante Merkmal der bestimmten sozialen Gruppe anknüpfen. Im konkreten Fall ist sie jedoch bereits erfolgt und begründet zur Überzeugung des Gerichts – trotz der Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 Halbsatz 1 der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) – keine erneute Verfolgungsgefahr. Gem. Art. 4 Abs. 4 Halbsatz 1 der Richtlinie 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist. Diese Vermutung ist jedoch gem. Art. 4 Abs. 4 Halbsatz 2 RL 2011/95/EU dann erschüttert, wenn stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Antragsteller erneut von Verfolgung bedroht wird. In der Elfenbeinküste besteht – wie auch von der Klägerin so ausgeführt (vgl. Asylanhörungsprotokoll, S. 8) – keine dahingehende Tradition einer erneuten Verstümmelung, Beschneidung oder Verengung der Vaginalöffnung. Damit ist bei einer beschnittenen Frau grundsätzlich nicht mehr von einer flüchtlingsschutzrechtlich relevanten weiteren Beschneidungsgefahr auszugehen und die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 Halbsatz 2 RL 2011/95/EU erschüttert.
Zwar stellt die Genitalverstümmelung unstreitig eine schwerwiegende, geschlechtsspezifische Verletzung des grundlegenden Menschenrechts auf körperliche Integrität dar. Dieser war jedoch weder fluchtauslösend, noch ist mit einer Wiederholung zu rechnen.
Die Klägerin selbst benennt als fluchtauslösendes Ereignis die Angst vor der Rache der Familie ihres Mannes, die sie wegen dessen Vergiftung bestrafen wolle. Von diesem Vortrag der Klägerin konnte das Gericht keine Überzeugungsgewissheit erlangen.
Ob und in welchem Umfang diese Bestrafung erfolgen soll, lässt die Klägerin offen. Auch hat sie nach dem eigenen Vortag der Klägerin tatsächlich noch kein Familienmitglied auf die Vergiftung angesprochen. Ihr Vortrag beim Bundesamt wurde in der mündlichen Verhandlung erweitert bzw. gesteigert. Zunächst erklärte sie beim Bundesamt an, sie wisse nicht, ob die Vergiftung von den Ärzten entdeckt worden sei. Dagegen gab sie in der mündlichen Verhandlung am 20. März 2019 an, dass sie von den Ärzten des Krankenhauses, in das ihr Mann eingeliefert worden sei, losgeschickt worden sei, um Reste des vergifteten Essens zu holen.
Der Wahrheitsgehalt des Vortrags der Klägerin kann aber dahingestellt bleiben, da selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags die Klägerin den Schutz der ivorischen Sicherheitskräfte vor möglichen Racheaktionen der Familie ihres vergifteten Mannes hätte in Anspruch nehmen können. Denn nach §§ 3c Nr. 3, 3d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AsylG besteht eine flüchtlingsrechtlich relevante Gefahr durch nichtstaatliche Akteure nur dann, wenn der eigene Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens ist, wirksam und nicht nur vorrübergehend Schutz zu bieten. Gem. § 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG ist ein solcher Schutz generell gewährleistet, wenn die Staatsorgane geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndungen von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Das Gericht hält es in diesem Sinne nicht für erwiesen, dass die ivorischen Sicherheitskräfte, sei es Gendarmerie, Polizei oder andere Sicherheitsbehörden mit polizeilicher Zuständigkeit (vgl. zur Struktur der Sicherheitsbehörden im Einzelnen: österr. Bundesamt, Länderinformationsblatt, Stand: 28.10.2015, S. 8f.), nicht bereit oder in der Lage waren, der Klägerin wirksamen Schutz zu gewähren. In diesem Zusammenhang kann die Klägerin nicht damit gehört werden, dass sie nicht die Polizei habe einschalten können, weil sie wegen der Vergiftung ihres Mannes selbst eine Strafverfolgung befürchtete. In den Erkenntnismitteln ist kein ausreichender Hinweis darauf zu finden, dass die Elfenbeinküste nicht die grundlegenden Prinzipien eines Rechtsstaats einhalten würde. Es ist das legitime Interesse eines Rechtsstaats, ein Gewaltverbrechen aufzuklären und zu ahnden. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin bei den Stafverfolgungsbehörden die Misshandlungen durch ihren Ehemann als Motiv für die Vergiftung vortragen könnte und dass diese Notsituation je nach Beweislage auch entsprechend bei der Strafzumessung rechtstaatlich gewürdigt würde.
Des Weiteren wäre es für die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts möglich gewesen, vor der Rache der Familie innerhalb der Elfenbeinküste Zuflucht z.B. in Abidjan zu finden. Denn gemäß § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. In diesem Sinne war die Furcht der Klägerin in Abidjan von der Familie ihres vergifteten Mannes als private Dritte i.S. des § 3c Nr. 3 AsylG nicht begründet. Ihr drohte zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls dort nicht mehr die Gefahr einer Verfolgung. Dem Vortrag der Klägerin ist zu entnehmen, dass die Klägerin es gar nicht in Erwägung gezogen hat, in Abidjan oder einer anderen Großstadt innerhalb der Elfenbeinküste zu bleiben. Nach ihren eigenen Aussagen hat die Klägerin bei ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus sofort eine zuvor gepackte Tasche genommen und ist ausgereist. Daraus lässt sich schließen, dass die Flucht ins Ausland von vornherein geplant war.
Der Klägerin kann zugemutet werden, sich in einem anderen Landesteil oder in einem der zahlreichen Ballungsgebiete der Elfenbeinküste eine neue Existenz aufzubauen. Zwar verfügt sie über keine formale Schulbildung und kann nach eigenen Angaben nur wenig Lesen und Schreiben. Jedoch hat sie bereits als Verkäuferin für Stoffe gearbeitet und ihre Existenz so gesichert. So wäre es ihr möglich gewesen, sich auch ohne familiäres Netzwerk eine bescheidene Existenz durch den Verkauf von Stoffen aufzubauen. Zwar gehen die kanadischen Immigrationsbehörden davon aus, dass es für alleinlebende Frauen unter 30 Jahre etwas komplizierter ist, alleine zu leben, differenzieren dabei jedoch zwischen dem Leben in Großstädten wie Abidjan oder Bouaké und dem ländlichen Raum. Im Wesentlichen sei es eine Frage ihrer finanziellen und ökonomischen Verhältnisse (vgl. Immigration and Refugee Board of Canada, Côte d’Ivoire: Situation of educated women living alone, whether single or divorced, particularly in Abidjan and Bouké; whether they can find work and housing, support services available to them (2014-April 2016) [CIV105508.FE], 2. Mai 2016).
Die Klägerin hat mithin auch unter dem Gesichtspunkt der internen Fluchtalternative kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
1.2 Sie hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Weder die Vollstreckung noch die Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen in Betracht.
Auch im Hinblick auf eine eventuell drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bedingt durch die vorgetragene Verfolgungsgefahr durch die Familie ihres vergifteten Mannes kommt die Gewährung subsidiären Schutzes nicht in Betragt. Denn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Nr. 2 AsylG hat der interne Schutz auch im Rahmen des subsidiären Schutzes Vorrang, so dass die Klägerin sich darauf verweisen lassen muss, dass sie sich innerhalb der Elfenbeinküste an einem anderen Ort hätten niederlassen können. Es wird auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen des Flüchtlingsschutzes Bezug genommen. Schon aufgrund des Vorrangs internen Schutzes steht der Klägerin deshalb auch kein Anspruch auf den subsidiären Schutzstatus zu.
Ebenso begründet die Angst der Klägerin vor einer strafrechtlichen Verfolgung wegen der Vergiftung ihres Mannes keinen subsidiären Schutzstatus. Wie schon oben gezeigt, genügen die Strafverfolgungsbehörden in der Elfenbeinküste den grundlegenden Anforderungen eines Rechtsstaats. Ausreichende andere Hinweise kann den Erkenntnismitteln nicht entnommen werden.
1.3 Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24. Mai 2000 – 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v 27. Mai 2008 – 26565/05, U.v. 28. Juni 2011 – 8319/07).
Solche Umstände sind bei der Klägerin nicht ersichtlich. Die Klägerin konnte in ihrer Heimat ihre Existenz durch den Verkauf von Stoffen sichern. Sie verfügt damit über eine gewisse Erfahrung in diesem Bereich. So kann davon auszugegangen werden, dass sie sich – selbst ohne familiäres Netzwerk – bei einer Rückkehr jedenfalls durch Gelegenheitsarbeiten eine – wenn auch eine bescheidene – Existenz wird aufbauen können. Auch der Umstand, dass sie – wie das ärztliche Attest vom 10. April 2019 belegt – unter einer Miktionsstörung leidet, lässt keinen anderen Schluss zu. Unter dieser durch die Zwangsbeschneidung verursachte körperliche Fehlfunktion litt die Klägerin schon in ihrem Herkunftsland. Sie war dennoch in der Lage, ihre eigene Existenz durch Stoffverkauf zu sichern. Es ist nicht erkennbar, warum diese körperliche Fehlfunktion nun gravierendere Beeinträchtigungen erzeugen würde also vor der Ausreise der Klägerin. Auch in der mündlichen Verhandlung machte die Klägerin den Eindruck, dass sie durchaus gelernt hat, mithilfe von Hygieneartikel mit dieser körperlichen Beeinträchtigung klar zu kommen.
Im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland kann sie auch auf die staatliche Förderung der freiwilligen Rückkehr verwiesen werden. Da die Genitalverstümmelung und die Miktionsstörung eine gewisse Vulnerabilität bewirkt, kann sie auf erhöhte finanzielle Förderung hoffen. Diese Leistungen werden sie dabei unterstützen, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.
Die nachgewiesene Miktionsstörung erreicht nicht den für § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderlichen Schweregrad für eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung. Diesbezüglich fehlen entsprechende Hinweise im ärztlichen Attest vom 10. April 2019.
1.4. Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.5. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

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