Verwaltungsrecht

Verfolgungsgefahr im Iran durch Konversion zum Christentum

Aktenzeichen  W 6 K 15.30829

Datum:
21.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 25 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Ist der Vortrag zur Vorverfolgung im Iran widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, kann allein der in Deutschland vollzogene Übertritt zum Christentum kein Verfolgungsschicksal begründen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Zwar drohen zum Christentum konvertierten Muslimen durch die Glaubensausübung im Iran Verfolgungsmaßnahmen. Die konkrete Verfolgungsgefährdung setzt aber eine ernsthafte Hinwendung zu der angenommenen Religion voraus, die auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht und die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Geschieht die Hinwendung zum Christentum lediglich aus opportunistischen, asyltaktischen oder sozialen Gründen, kann ein ernsthafter und nachhaltiger Glaubenswandel und eine identitätsprägende Glaubensbetätigung und damit eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran nicht festgestellt werden. (redaktioneller Leitsatz)
4 Wegen des Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung droht bei einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 9. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – alle juris). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – alle juris). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – juris).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger seine Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen.
1.1 Soweit der Kläger ausführt, ihm drohe im Iran Verfolgung, weil er es abgelehnt habe „duale Produkte“ (die auch für das iranische Atomprojekt hätten verwendet werden können) von Russland in den Iran einzuführen, folgt das Gericht im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht. Der Kläger hat im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Verhandlung teils ungereimte, schwer nachvollziehbare, übersteigerte und widersprüchliche Angaben gemacht. Er stützt seine Verfolgungsfurcht im Wesentlichen auf Vermutungen und Spekulationen. Eine zweifelsfreie, in sich stimmige Verfolgungsgeschichte ließ er vermissen. Somit ist von keiner mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr auszugehen.
Gerade aufgrund des Aussageverhaltens des Klägers und seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung drängt sich dem Einzelrichter der Eindruck auf, dass der Kläger die von ihm geschilderten Geschehnisse im Iran und in Russland so nicht selbst erlebt hat, sondern ein konstruiertes und ausgedachtes Verfolgungsschicksals ohne eigenen Erlebnishintergrund vorgibt. Anders lassen sich die Haltung des Klägers, in der mündlichen Verhandlung aufgrund der jüngst vorgebrachten Konversion überhaupt keine Ausführungen zu den ursprünglich geschilderten Geschehnissen machen zu wollen, sowie die Unstimmigkeiten in seinem (dann doch erfolgten) Vortrag nicht erklären. Befragt zu der Durchsuchung der Wohnung seiner Mutter gab der Kläger widersprüchliche und fragwürdige Antworten. Auch hinsichtlich der Umstände der Verlängerung des klägerischen Reisepass erscheinen die klägerischen Aussagen nicht völlig stimmig. So bleiben letztlich nicht ausräumbare, durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens zu dessen Vorfluchtschicksal.
Der Vortrag des Klägers weist einen offensichtlichen, nicht aufgelösten Widerspruch auf hinsichtlich der Durchsuchung der Wohnung seiner Mutter. Nach der eigenen Darstellung des Klägers wurde ihm gerade durch diese Durchsuchung deutlich, dass er durch staatliche oder jedenfalls staatsnahe iranische Stellen massiv gefährdet sei. Es wäre also davon auszugehen, dass sich dieses Ereignis deutlich in die Erinnerung des Klägers eingeprägt hat und er dessen näheren Hergang detailliert, kohärent und ohne wesentliche Abweichungen immer wieder reproduzieren kann. Der Kläger schilderte jedoch gegenüber dem Einzelrichter zunächst abweichend von seinem detaillierten Vortrag beim Bundesamt, dass die Durchsuchung erst zwei Wochen nach seiner Rückkehr nach Russland (nach seinem Gespräch mit Herr K.) erfolgt sei. Von einer weiteren Durchsuchung sprach er überhaupt nicht. Erst auf Vorhalt des Einzelrichters, dass er zuvor beim Bundesamt von einer Durchsuchung schon während seines Rückflugs gesprochen habe, von der er am M.er Flughafen erfahren habe, erklärte der Kläger, es habe zwei Durchsuchungen gegeben. Dabei blieb der Kläger jedoch auf weitere Nachfrage jegliche plausible Erklärung schuldig, weshalb er diese zweite Durchsuchung beim Bundesamt nicht angegeben habe bzw. weshalb er auch vor dem Einzelrichter erst nach der Konfrontation mit dem offensichtlichen Widerspruch seines Vortrags von einer zweiten Durchsuchung gesprochen habe. Auch ein nachvollziehbarer Grund für zwei Durchsuchungen zeitnah hintereinander wurde nicht ersichtlich. Dabei beeinträchtigt dieser nicht nachvollziehbar aufgelöste Widerspruch im klägerischen Vortrag dessen Glaubwürdigkeit umso mehr, als der Kläger erst kurz vor diesem Vortrag betont hatte, dass er nach seiner tief empfundenen Überzeugung Christ sei und als Christ nicht lügen dürfe.
Es ist weiterhin nur schwer nachvollziehbar, dass der Kläger sich zunächst beim Bundesamt alleine auf eine Verfolgungsgefahr wegen der vorgeblichen Geschehnisse im Iran und in Russland vor dem Hintergrund des von ihm abgelehnten Imports verschiedener Güter in den Iran stützt, sich dann in der mündlichen Verhandlung aber alleine auf eine erstmals eineinhalb Wochen vor der Verhandlung geltend gemachte Konversion zum Christentum stützen will. So bedurfte es erst einer deutlichen Aufforderung des Einzelrichters, damit der Kläger entsprechende Ausführungen jenseits der neu vorgetragenen Konversion machte. Dieser Umstand fällt vorliegend auch deshalb umso mehr ins Gewicht, als der Kläger sich bei der anschließenden Schilderung, die er zunächst zu vermeiden suchte, in einen für den Einzelrichter nicht auflösbaren Widerspruch verstrickte, als er von der Durchsuchung der Wohnung seiner Mutter berichtete.
Auch im Übrigen blieb das entsprechende Vorbringen des Klägers vage, insbesondere mit Blick auf die vom Kläger geschilderte Bedrohung letzten Endes durch den iranischen Staat. Eine Verfolgung durch staatliche Stellen kann jedenfalls nicht in Folge der geschilderten Durchsuchung(en) angenommen werden. Diese Vorgänge erscheinen bereits nicht glaubhaft. Auch die dargelegte Wartezeit auf den Reisepass an sich lässt nicht ohne weiteres auf eine staatliche Verfolgung schließen. Es ist durchaus naheliegend, dass eine derartige Verzögerung ihre Wurzeln ganz einfach im alltäglichen Behördenablauf hat. Darüber hinaus ist dem Einzelrichter auch nicht nachvollziehbar, warum der Reisepass überhaupt und dann auch gleich für fünf Jahre verlängert wurde. Es wäre den iranischen Behörden nach dem Vortrag des Klägers ohne weiteres möglich gewesen, diesen zur Rückkehr in den Iran zu zwingen, indem sein Reisepass nicht verlängert worden wäre. Dem steht das geschilderte Interesse des Irans an einer bestehenden Aufenthaltsberechtigung des Klägers in Russland auch nicht entgegen. Der Kläger räumt selbst ein, dass es im Anschluss an eine derart erzwungene Rückreise in den Iran möglich gewesen wäre, eine erneute Aufenthaltserlaubnis für Russland zu erhalten. Schließlich ist es gerade vor dem Hintergrund der geschilderten Bedrohungsabsicht des iranischen Staates nicht nachvollziehbar, dass der Reisepass gleich für fünf Jahre verlängert wurde und dem Kläger damit eine weitreichende Bewegungsfreiheit eingeräumt wurde. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, dass dem Kläger sein Visum für Russland entzogen worden sein soll, ihm aber seine russische Arbeitserlaubnis vom 5. September 2012 verblieben sein soll, so dass er sie beim Bundesamt vorlegen konnte, wenn ihm doch klar gemacht werden sollte, dass er keinesfalls mehr nach Russland reisen solle, ehe er nicht in den Iran gereist sei.
Schließlich weist der Vortrag des Klägers neben dem Widerspruch hinsichtlich der Durchsuchungen weitere Steigerungen auf, etwa den neuen Umstand, dass „I.“ vom FSB besser Persisch spreche als der Kläger selbst und die damit angedeutete Verbundenheit von „I.“ mit dem Iran.
Insgesamt stützt der Kläger seine Verfolgungsfurcht im Wesentlichen auf Vermutungen und Spekulationen. Eine zweifelsfreie, in sich stimmige Verfolgungsgeschichte lässt er vermissen. Somit ist insoweit von keiner mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr auszugehen.
1.2 Soweit der Kläger nunmehr ausführt, er sei vom Islam zum Christentum konvertiert und ihm drohe deshalb Verfolgung im Iran, geht der Einzelrichter von keiner Verfolgungsgefahr für den Kläger mangels ernsthaften und nachhaltigen Glaubenswandels aus.
Zwar drohen den zum Christentum konvertierten Muslimen im Iran durch die Glaubensausübung landesweit vom iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgehende Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 a AsylG, weshalb dann regelmäßig die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG vorliegen. Die Annahme einer konkreten Verfolgungsgefährdung setzt im konkreten Einzelfall allerdings voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum neuen Glauben vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt z.B. zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht (VGH Mannheim, B.v. 23.4.2014 – A 3 S 269/14.; OVG Lüneburg, B.v. 7.3.2014 – 13 LA 118/13; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A; BayVGH, B.v. 7.5.2013 – 14 ZB 13.30082 – alle juris m.w.N). Vielmehr muss glaubhaft sein, dass der Betreffende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion entsprechend lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (zum Ganzen: OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris m.w.N.).
Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht jedoch nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht. Insbesondere hat er in der mündlichen Verhandlung, teils ungereimte und schwer nachvollziehbare Angaben gemacht. Einen ernsthaften und nachhaltigen Glaubenswandel sowie eine identitätsprägende Glaubensbetätigung ließ er vermissen. Somit sprechen die vorliegenden Erkenntnisse auch insoweit gegen eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr.
Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung besteht nach Überzeugung des Einzelrichters für den Kläger bei einer Rückkehr in den Iran keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bzw. keine reale Gefahr, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, da der Kläger nicht aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar den christlichen Glauben angenommen hat. Das Gericht erachtet nicht als glaubhaft, dass der Kläger auch bei einer Rückkehr in den Iran den christlichen Glauben leben will. Das Gericht hat nach der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und trotz der Aussage des Beistands den Eindruck, dass sich der Kläger bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) lediglich aus opportunistischen, asyltaktischen bzw. aus sozialen Gründen dem Christentum zugewandt hat. Die Würdigung der Angaben des Klägers zu seiner Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (VGH BW, B.v. 19.2.2014 – A 3 S 2023/12; OVG NRW, B.v. 11.11.2013 – 13 A 2252/13.A; BayVGH, B.v. 8.8.2013 – 14 ZB 13.30199 – alle juris).
Im Rahmen der Überzeugungsbildung sind zwar auch die Ausführungen des Beistands des Klägers zu berücksichtigen. Insoweit wurde u.a. ausgeführt, gerade die mehrfachen Besuche der Mutter des Klägers in der Gemeinde wiesen auf eine entsprechende Überzeugung des Klägers hin. Allerdings ist das Gericht hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des Glaubenswechsels eines Konvertiten nicht an die Beurteilung der (insbesondere bei der Taufe) beteiligten Pfarrer gebunden, vielmehr hat das Gericht sich bei der Prüfung der inneren Tatsache, ob der Kläger die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet, seine eigene volle Überzeugung zu bilden (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40/15 – juris).
Insoweit erscheint dem Einzelrichter auch durchaus nachvollziehbar, dass eine Mutter ihren Sohn durch ihre Besuche in einer christlichen Gemeinde unterstützt ohne von einer tiefen, neu gewonnenen Glaubensüberzeugung des Sohnes auszugehen – etwa um ihn allgemein auf seinem Lebensweg, unter Umständen auch hinsichtlich seines Asylverfahrens zu unterstützen, oder unter Umständen auch mit Blick auf ein mögliches eigenes Asylverfahren.
Schon die Begründung des Klägers, warum er im Verlauf des Behördenverfahrens sowie in weiten Teilen des gerichtlichen Verfahrens die nunmehr vorgebrachte Konversion nicht geltend gemacht habe, erscheint ungereimt und schwer nachvollziehbar. Bereits bei der Asylantragstellung liegt es nahe alle Umstände anzuführen, wegen denen der Antragsteller von einer Verfolgungsgefahr im Heimatstaat ausgeht. Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, wenn ein Antragsteller sein Interesse am Christentum, sofern er es zu diesem Zeitpunkt bereits als „Herzensangelegenheit“ ansah, wie es der Kläger nach eigenen Angaben tat, überhaupt nicht erwähnt. Dies gilt umso mehr als er auch bereits im Zeitpunkt seiner Anhörung bereits anwaltlich beraten wurde.
Zudem sind hinsichtlich der Hinwendung des Klägers zum Christentum dessen Angaben widersprüchlich. So bezeichnet er einerseits sein Interesse am Christentum jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Anhörung im März 2014 als Herzensangelegenheit. Gleichzeitig spricht er davon bereits in Russland so sehr am christlichen (orthodoxen) Glauben interessiert gewesen zu sein, dass er sogar in seinen Verkaufsräumen ein Kreuz aufgehängt habe – wenn er auch noch nicht zu 100% überzeugt gewesen sei. Andererseits führt er aus, er habe nach seiner Einreise nach Deutschland seine Mitbewohner, die regelmäßig den Internationalen Bibelkreis und Gottesdienste besucht hätten, nur sporadisch begleitet; seine Hinwendung zum Christentum sei eine etappenweise Entwicklung in den drei Jahren seines Aufenthalts in Deutschland gewesen. Es ist nicht nachvollziehbar, wie das ernsthafte Interesse des Klägers am Christentum bereits in Russland in nicht unerheblichem Umfang bestanden haben soll, so dass er sogar ein Kreuz aufgehängt haben will, gleichzeitig aber sich das Interesse des Klägers am Christentum nur in seiner Zeit in Deutschland (etappenweise) entwickelt haben soll. Auch der Verweis auf abschreckende „Förmlichkeiten“ des christlich-orthodoxen (bzw. christlich-katholischen) Glaubens kann diesen Widerspruch nicht aufklären. Insoweit stellt der Kläger einerseits den christlich-orthodoxen und den christlich-katholischen Glauben hinsichtlich der abschreckenden „Förmlichkeiten“ auf eine Stufe, andererseits blendet er die Zeit mit dem christlich-orthodoxen Glauben bei der „etappenweisen“ Entwicklung seines Glaubens völlig aus, die Zeit mit dem christlich-katholischen Glauben jedoch nicht. Wie der Beistand des Klägers ausführt, will der Kläger das Kreuz aufgehängt haben, weil ihn das Opfer Jesu für die Menschen berührt haben soll. Wenn der Kläger sich aber in Russland bereits in dieser Form mit dem Christentum auseinandergesetzt haben will, dann ist nicht nachvollziehbar, dass er lediglich von einer etappenweisen Entwicklung seines neuen Glaubens in Deutschland spricht.
Der Einzelrichter geht weiterhin nicht davon aus, dass der Kläger aus tieferer Verbundenheit mit dem christlichen Glauben in Russland ein Kreuz aufgehängt hat. Abgesehen von den obigen Widersprüchen hätte es in diesem Fall nahe gelegen, das Kreuz an einem privaten Ort aufzuhängen und nicht dort, wo u.a. die christlichen Geschäftspartner ein- und ausgehen. Insoweit hat auch der Kläger selbst ausgeführt, er habe sich in Russland nicht 100% mit dem Christentum identifizieren können.
Ebenso ist der Kläger auch auf Nachfragen des Einzelrichters eine schlüssige Darstellung schuldig geblieben, inwiefern sich sein nunmehr in Deutschland gewonnenes Verhältnis zum Christentum von seinem früheren Verhältnis zum Christentum in Russland unterscheide und nunmehr „hundertprozentig“ sei. Sein entsprechender Vortrag wies viele Aussagen auf, die in ihrer Allgemeinheit verbreitet im Rahmen von Konversion im Asylverfahren angebracht werden – wie den Besuch von Bibelkursen und Gottesdiensten, die Bedeutung der Liebe u.ä. Dabei ließ der Vortrag aber gleichzeitig jegliche nähere, innere Gefühlsregung des Klägers oder konkret fassbare Konsequenzen für das alltägliche Leben des Klägers vermissen. So trug der Kläger einerseits vor sein Leben sei nun zentral durch den Gedanken der Nächstenliebe geprägt. Andererseits verwies er hinsichtlich der Umsetzung der Nächstenliebe in seinem alltäglichen Leben lediglich darauf, dass er die Nächstenliebe lebe indem er die Zehn Gebote befolge. Auch unter Hinweis auf die Bedeutung der Zehn Gebote in anderen Religionen konnte der Kläger die konkrete Bedeutung der Nächstenliebe in seinem alltäglichen Leben nicht näher fassen.
Weiterhin blieb die vom Kläger dargestellte Auseinandersetzung mit der Thematik des Todes bzw. des Lebens nach dem Tod oberflächlich und ließ keine zugrundeliegenden, tiefgreifenden Überzeugungen des Klägers erkennen. Dabei stellte er dies teilweise als wichtigsten Punkt seiner Glaubensüberzeugungen dar. Insbesondere ließ der Kläger kaum eine nähere Vorstellung zu der Thematik unter dem Blickwinkel des Islam und davon ausgehend mit dem Christentum erkennen. Er meinte lediglich, im Islam komme man durch das Töten anderer (ungläubiger) Menschen in den Himmel und er habe befürchtet, seine Sünden Gott nicht erklären zu können. Im Christentum dagegen werde man gerettet – vor den Sünden und wenn man zuvor nicht den richtigen Weg gegangen sei. Es erscheint wenig nachvollziehbar, dass der Kläger sich mit diesem für ihn nach eigenen Angaben wichtigsten Punkt seiner Glaubensüberzeugungen nur derart oberflächlich auseinandergesetzt hat, wenn diese Auseinandersetzung aus seinen tiefsten Überzeugungen herrührt, oder dass der erkennbar intelligente Kläger nicht in der Lage sein sollte auch auf Nachfrage die Darstellung dieser Überzeugung zu vertiefen und nachvollziehbar darzustellen.
Auch hinsichtlich der vorgetragenen Missionierung eines ehemaligen Klassenkameraden bleibt die klägerische Darstellung vage. Insbesondere ist nicht recht ersichtlich, welche eigenen Überzeugungen der Kläger dem Missionierten vermittelt haben möchte, die diesen dazu gebracht haben sollen, von seinem ursprünglichen Glauben abzufallen und sich aus tiefster Überzeugung dem Christentum zu zuwenden. Dabei hätte gerade im Fall einer derart intensiven Auseinandersetzung mit dem Islam und dem Christentum, wie sie bei einer Missionierung üblicherweise erfolgt, nahe gelegen, dass der Kläger sich über die Bedeutung seiner eigenen Überzeugungen besonders klar wird und sich in die Lage versetzt, diese anderen Personen überzeugend zu vermitteln. Diesen Eindruck erweckte der Kläger in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht.
Weiterhin hat der Kläger ausdrücklich hervorgehoben, dass er als Christ nicht lügen könne. Entsprechend ist davon auszugehen, dass für den Kläger das Gebot zur Wahrheit einen hohen, für seinen Glauben und seine Überzeugungen wichtigen Stellenwert genießen sollte. Umso weniger nachvollziehbar erscheinen dann aber die offensichtlichen und nicht aufgelösten Widersprüche, in die sich der Kläger kurz nach dieser Aussage verwickelt hatte, als er über die Durchsuchung der Wohnung seiner Mutter sprach. Auch insoweit erschüttert das Aussageverhalten die Glaubwürdigkeit des Klägers und stellt den dargelegten tiefgehenden Glaubenswandel noch weiter in Frage.
Des Weiteren hat der Kläger eingeräumt, nur mit Freunden in Deutschland über seine Konversion gesprochen zu haben. Dabei hätte es bei einem tiefempfundenen Glaubenswandel nahe gelegen, auch mit den Freunden in anderen Ländern, etwa in Russland, über diese für den Kläger so bedeutsame Veränderung in seinem Leben zu sprechen.
Schließlich droht dem Kläger allein in Folge der Taufe keine Verfolgung. Selbst wenn die iranischen Behörden von dieser erfahren sollten, würden sie davon ausgehen, dass dies nicht erst gemeint war und allein der Förderung des Asylverfahrens dienen sollte (vgl. VG München, U.v. 22.7.2015 – M 2 K 14.30929 – juris; OVG Münster, U.v. 9.6.2011 – 13 A 947/10.A – juris). Auch sonst droht dem Kläger bei einer Rückkehr keine politische Verfolgung, etwa wegen seines Auslandsaufenthalts oder seiner Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Über eine Befragung durch die Sicherheitsbehörden in Einzelfällen hinausgehende staatliche Repressionen sind keiner westlichen Botschaft bisher bekannt geworden.
2. Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes.
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.

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