Verwaltungsrecht

Verfristeter Antrag auf mündliche Verhandlung gegen Gerichtsbescheid

Aktenzeichen  B 7 K 18.50715

Datum:
9.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2793
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84
AsylG § 78 Abs. 7
VwGO § 60, § 125 Abs. 2, § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Liegen innerhalb einer Rechtsmittelfrist Feiertage, führt dies – mit Ausnahme der Fälle des § 222 Abs. 2 ZPO – nicht dazu, dass eine längere Frist zu gewähren ist oder von einem fehlenden Verschulden hinsichtlich des Versäumens der Rechtsmittelfrist auszugehen ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung von Rechtsantragsstellen in Aufnahmeeinrichtungen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Wird ein verfristeter Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung durch Beschluss verworfen, so ist in diesem Rahmen aus Beschleunigungs- und Entlastungsgründen auch über einen (sinngemäß) gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird verworfen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger, äthiopischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben erstmals am 14.08.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 19.09.2016 in Deutschland einen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 19.01.2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1). Unter Ziff. 2 wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Es wurde die Abschiebung nach Italien angeordnet (Ziff. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4).
Das mit Schriftsatz vom 02.02.2017 eingeleitete Klageverfahren gegen den Bescheid vom 19.01.2017 wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 16.10.2017 unter dem Aktenzeichen B 4 K 17.50018 eingestellt, da der Kläger einer gerichtlichen Betreibensaufforderung nicht nachgekommen ist.
Am 02.07.2018 stellte der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland einen weiteren Asylantrag und gab dabei am 13.07.2018 gegenüber dem Bundesamt an, er sei zwischenzeitlich nach Italien ausgereist und am 26.06.2018 über Italien und Österreich erneut in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, da Deutschland sein Traumland sei.
Mit Bescheid vom 24.09.2018, dem Kläger zugestellt am 26.09.2018, lehnte die Beklagte den Antrag (erneut) als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Es wurde die Abschiebung nach Italien angeordnet (Ziffer 3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 24 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4).
Die am 26.09.2018 gegen den Bescheid vom 24.09.2018 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Gerichtsbescheid (Az. B 7 K 18.50715) vom 19.12.2018, dem Kläger zugestellt am 21.12.2018, ab.
Am 07.01.2019 beantragte der Kläger bei der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts Bayreuth in Bamberg,
die Durchführung der mündlichen Verhandlung.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine frühere Einlegung des Rechtsmittels sei ihm aufgrund der Feiertage nicht möglich gewesen. Im Übrigen habe er nicht gewusst, dass die Rechtsantragsstelle im Anker-Zentrum umgezogen sei. Sein Ziel sei es in Deutschland zu bleiben und hier eine Chance auf ein besseres Leben zu bekommen, da er sich – mit Unterbrechungen – bereits zwei Jahre in Deutschland aufhalte.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Behördenakte im hiesigen Verfahren (Az. …*) sowie auf die Behördenakte im früheren Asylverfahren (Az. …*) verwiesen. Daneben wird auf die Gerichtsakte des Eilverfahrens (Az. B 7 S 18.50714) und des Hauptsacheverfahrens (Az. B 7 K 18.50715) sowie auf die Gerichtsakten im früheren Asylverfahren (Az. B 2 S 17.50017 bzw. B 4 K 17.50018) Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
II.
Der gegen den Gerichtsbescheid vom 19.12.2018 gerichtete Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat keinen Erfolg, weil er nicht innerhalb der Antragsfrist des § 78 Abs. 7 AsylG gestellt worden ist und Wiedereinsetzungsgründe nicht vorliegen.
1. Gem. § 78 Abs. 7 AsylG ist ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 VwGO innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben. Die Zustellung des Gerichtsbescheids gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde am 21.12.2018. Der Antrag auf mündliche Verhandlung hätte daher gem. §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 BGB spätestens mit Ablauf des 04.01.2019 bei Gericht eingehen müssen. Die Antragstellung bei der Rechtsantragsstelle am 07.01.2019 war mithin verspätet.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 60 VwGO kann dem Kläger nicht gewährt werden. Es ist nicht ersichtlich – bzw. entsprechende Tatsachen sind nicht gem. § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO glaubhaft gemacht -, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist des § 78 Abs. 7 AsylG einzuhalten.
Insbesondere führt die Tatsache, dass sich die maßgebliche Zwei-Wochen-Frist des § 78 Abs. 7 AsylG teilweise über die „Weihnachtsfeiertage“ erstreckte nicht dazu, dass dem Kläger eine längere Frist zu gewähren ist bzw. von einem fehlenden Verschulden des Klägers hinsichtlich der fristgerechten Stellung des Antrags auf Durchführung der mündlichen Verhandlung auszugehen ist. Der Existenz von Feiertagen während des Fristlaufes wird durch die Regelung des § 222 Abs. 2 ZPO hinreichend Rechnung getragen. Es liegt daher – trotz der verringerten Anzahl von Werktagen im streitgegenständlichen Zeitraum – in der Verantwortung des Klägers, innerhalb der gesetzlichen Fristen den Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung zu stellen. Dass der Kläger – mit pauschalem Hinweis auf die Weihnachtsfeiertage – den Antrag erst am 07.01.2019 gestellt hat, ist daher ein schuldhaftes Versäumnis des Klägers, was nicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führt.
Auch die Tatsache, dass die Rechtsantragsstelle innerhalb der Ankereinrichtung Oberfranken umgezogen ist, schließt das klägerische Verschulden an der verspäteten Antragstellung nicht aus. Zum einen ist die Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts Bayreuth in der Ankereinrichtung lediglich ein zusätzlicher Service für die dort lebenden Asylbewerber. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung einer weiteren Rechtsantragsstelle in der Aufnahmeeinrichtung besteht gerade nicht. Im Übrigen ist die Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts Bayreuth in der Ankereinrichtung Oberfranken bereits zum 20.11.2018 in ein anderes Gebäude – lediglich unweit des bisherigen Gebäudes – umgezogen. Der Umzug wurde durch entsprechende Aushänge innerhalb der Ankereinrichtung bekannt gemacht, so dass es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen wäre, fristgerecht die neuen Örtlichkeiten der Rechtsantragsstelle aufzusuchen. Dies gilt umso mehr, da der Kläger offensichtlich am 07.01.2019 problemlos die Rechtsantragsstelle hat finden können. Lediglich ergänzend ist noch anzumerken, dass die Rechtsantragsstelle in der Ankereinrichtung während des maßgeblichen Zeitraums zu den üblichen Öffnungszeiten – mit Ausnahme der Feiertage – ordnungsgemäß besetzt war. Soweit es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, zu diesen Öffnungszeiten bei der Rechtsantragsstelle in Bamberg vorzusprechen, wäre es ihm darüber hinaus freigestanden, den Antrag auch zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle in Bayreuth aufnehmen zu lassen bzw. den Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung schriftlich zu stellen, zumal sich der Kläger im bisherigen Klageverfahren auch schon schriftlich gegenüber dem Gericht geäußert hat.
3. Der verfristete Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung war daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 125 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwGO analog). In diesem Rahmen war auch über den sinngemäß gestellten Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden (VG Regensburg, B.v. 30.3.2015 – RO 9 K 15.50006 – juris; VG Augsburg, B.v. 19.9.2018 – Au 4 K 18.31490 – juris; VG Aachen, B.v. 10.05.2011 – 4 K 1177.09 – juris; OVG Hamburg, B.v. 1.12.1997 – Bs IV 135.97 – juris; Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 84 Rn. 21). Der von dieser Ansicht für eine Entscheidung über einen verfristeten Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung im Beschlusswege zu Recht angeführte Beschleunigungs- und Entlastungszweck des § 84 VwGO gilt in asylrechtlichen Streitigkeiten umso mehr, als der Gesetzgeber hier mit § 78 Abs. 7 AsylG die Fristen für die Erhebung von Rechtsbehelfen nach § 84 Abs. 2 VwGO auf zwei Wochen verkürzt hat (vgl. VG Augsburg, B.v. 19.9.2018 – Au 4 K 18.31490 – juris).
4. Die Kostenentscheidung des gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahrens beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 154 Abs. 2 VwGO (VG Aachen, B.v. 10.05.2011 – 4 K 1177.09 – juris; VG Regensburg, B.v. 30.3.2015 – RO 9 K 15.50006 – juris). Der Kläger trägt dementsprechend die durch den Antrag entstandenen Kosten.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar (vgl. VG Augsburg, B.v. 19.9.2018 – Au 4 K 18.31490 – juris; Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 84 Rn. 21).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen