Aktenzeichen AN 17 S 20.50098
VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
Der Antrag nach Anträge nach § 80 Absatz 5 VwGo ist unzulässig, wenn er gemäß § 34a Abs. 2 S. 1 AsylG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids gestellt wurde. (Rn. 14 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Eilantrag gegen die ihn betreffende Abschiebungsanordnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) im Zuge eines Du.-Verfahrens mit dem Rückführungsstaat Sp..
Der … 1989 in Weißrussland geborene Antragsteller ist weißrussischer Staatsbürger. Er reiste per Bus am 28. Dezember 2019 in die Bundesrepublik D. ein und stellte am 31. Januar 2020 einen förmlichen Asylantrag. Die Ermittlungen des Bundesamts ergaben einen Treffer im Europäischen Visainformationssystem (VIS). Demnach wurde dem Antragsteller am 12. November 2019 in … durch das Königreich Sp. ein Visum für den Schengen-Raum für einen erlaubten Aufenthalt von 90 Tagen, gültig vom 13. November 2019 bis zum 11. November 2020, ausgestellt.
Das Bundesamt hörte den Antragsteller am 31. Januar 2020 und am 4. Februar 2020 zur Zulässigkeit des Asylantrags und ebenfalls am 4. Februar 2020 nach § 25 AsylG an. Der Antragsteller gab dort im Wesentlichen an, an einem schweren Schädeltrauma und Epilepsie zu leiden, weswegen er in D. in Behandlung gewesen sei und Medikamente einnehme. Seine Ehefrau und seine Kinder seien ebenfalls in D.. Er sei mit seiner Familie nach D. geflohen, weil die Brüder seiner Frau ihn und seine Frau bedroht und geschlagen hätten, weswegen er auch im Krankenhaus habe behandelt werden müssen. Die Brüder hätten seine Frau während seiner Zeit im Krankenhaus zwangsverheiratet und die Scheidung verlangt, andernfalls sie ihn töten würden.
Am 5. Februar 2020 richtete das Bundesamt hinsichtlich des Antragstellers ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Du. III-VO) an das Königreich Sp. unter Verweis auf Art. 12 Abs. 2 Du. III-VO. Sp. stimmte diesem Übernahmeersuchen am 14. Februar 2020 zu und erklärte seine Zuständigkeit für das Asylverfahren des Antragstellers.
Daraufhin erließ das Bundesamt am 14. Februar 2020 einen Bescheid, mit dem der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt wurde (Ziffer 1), das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint wurde (Ziffer 2), die Abschiebung nach Sp. angeordnet wurde (Ziffer 3) und das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 21 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet wurde (Ziffer 4). Hinsichtlich der Begründung wird im Einzelnen auf den Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Mit Schriftsatz vom 2. April 2020 erklärte das Bundesamt, die Vollziehung der Abschiebungsanordnung (Ziffer 3) gemäß § 80 Abs. 4 VwGO bis auf Weiteres auszusetzen.
Der Bescheid vom 14. Februar 2020 wurde am 19. Februar 2020 per Empfangsbestätigung zugestellt. Die Empfangsbestätigung vom 19. Februar 2020, welche auf den Namen und die Adresse des Antragstellers ausgestellt ist, ist im Feld „Unterschrift des Empfängers“ mit einer Paraphe signiert, die einen Namenszug nicht erkennen lässt. Auf dem Formblatt zur Empfangsbestätigung ist ein Stempel mit der Aufschrift „Aushang erfolgt am 19.2.20“ aufgebracht. Eine nahezu identische Paraphe befindet sich unter dem Schriftsatz des Antragstellers vom 9. April 2020 und auf unterzeichneten Dokumenten aus dem Asylverfahren (Bundesamtsakte Seiten 16, 17, 25, 34, 37, 41, 45, 70, 89, 95). Auf Seite 149 der Bundesamtsakte findet sich ein ausgefülltes Formblatt des Bundesamts vom 17. Februar 2020 adressiert an die Zentrale Aufnahmeeinrichtung …, in dem das Textfeld „Am 19.2.20 [Datum handschriftlich ergänzt] habe ich das Schriftstück gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG an den/die im Anschriftenfeld genannten Empfänger/in ausgehändigt und das Datum der Aushändigung auf dem Schriftstück vermerkt“ angekreuzt ist. Neben dem Vermerk „Urschriftlich zurück an: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“, der sich über dem angekreuzten Textfeld befindet, ist das „Eingangsdatum AE“ mit dem 19. Februar 2020 notiert und im Feld „Unterschrift AE“ eine Paraphe enthalten.
Gegen den Bescheid vom 14. Februar 2020 erhob der Antragsteller zu Protokoll der Rechtsantragsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach am 27. Februar 2020 um 10:29 Uhr Klage und stellte einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Eine Klage- bzw. Antragsbegründung erfolgte bislang nicht. Der Antragsteller teilte jedoch auf Nachfrage des Gerichts mit Schreiben vom 9. April 2020 mit, dass er den Bescheid am 19. Februar 2020 von den Hausmeistern der AnkER Dependance … ausgehändigt bekommen und den Empfang mit seiner Unterschrift bestätigt habe.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass die Klage bereits verfristet sei. Eine Unterschrift ohne vollen Familiennamen mache die Zustellung nicht unwirksam, sondern beeinträchtige allenfalls die Beweiskraft. Die Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis ähnele außerdem derjenigen auf dem Asylantrag. Im Übrigen bezieht sie sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte elektronische Behördenakte des Bundesamtes verwiesen.
II.
Die Entscheidung ergeht durch die stellvertretende Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG, da der Berichterstatter gemäß § 76 Abs. 5 AsylG rechtlich verhindert ist.
Der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Februar 2020 ist dahingehend sachgerecht auszulegen, dass er sich nur auf die Abschiebeanordnung in Ziffer 3 bezieht (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO).
Der Antrag ist bereits unzulässig, weil er nicht gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids gestellt wurde.
Der Bescheid vom 14. Februar 2020 wurde dem Antragsteller nach § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG durch Aushändigung am 19. Februar 2020 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt und damit bekannt gegeben. Das Zustellungserfordernis folgt aus § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylG, die Möglichkeit gegen Empfangsbekenntnis zuzustellen ergibt sich aus § 5 VwZG. Zwar enthielt das Empfangsbekenntnis vom 19. Februar 2020 entgegen § 5 Abs. 1 Satz 3 VwZG keine Unterschrift mit vollem Familiennamen (zu diesem Erfordernis Schlatmann in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, VwZG, 11. Aufl. 2017, § 5 VwZG Rn. 3), sondern nur eine Paraphe. Allerdings liegt darin nach neuem Zustellungsrecht keine Wirksamkeitsvoraussetzung nach § 5 VwZG mehr, der Nachweis des Zustellungszeitpunktes kann auch auf andere Weise erbracht werden (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.2006 – 2 B 10/06 – NJW 2007, 3223; Preisner in BeckOK OWiG, 25. Edition Stand 1.1.2020, § 5 VwZG Rn. 25; Schlatmann, a.a.O.). Hier ist in Zusammenschau der übrigen vorliegenden Unterschriften des Antragstellers auf Dokumenten während des Asylverfahrens (siehe die Seiten 16, 17, 25, 34, 37, 41, 45, 70, 89, 95 der Bundesamtsakte) und auf seinem Schreiben vom 9. April 2020 im Vergleich mit der Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis, seiner eigenen Angabe, den Bescheid am 19. Februar 2020 von den Hausmeistern der AnkER-Dependance in der … gegen Unterschrift erhalten zu haben und der behördlichen Bestätigung auf Seite 149 der Bundesamtsakte, den Bescheid am 19. Februar 2020 gegen Unterschrift an den Antragsteller ausgehändigt zu haben, von seiner eigenen Unterschrift unter dem Empfangsbekenntnis und damit vom 19. Februar 2020 als Zeitpunkt der Zustellung auszugehen.
Damit begann die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG zur Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gemäß § 56 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 20. Februar um 00:00 Uhr und endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB am 26. Februar 2020 um 24:00 Uhr. Der Antragsteller erhob jedoch erst am 27. Februar 2020 um 10:29 Uhr Klage und stellte den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 60 VwGO wurde bislang nicht gestellt. Zwar kann die Wiedereinsetzung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 VwGO auch ohne Antrag gewährt werden, wenn die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO) vorgenommen wird, allerdings fehlt es an einer Geltendmachung der Gründe für die Fristversäumung durch den Antragsteller. Wenn man spätestens mit Antragstellung am 27. Februar 2020 einen Wegfall des Hindernisses im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO annimmt, ist diese Frist von zwei Wochen zwischenzeitlich auch abgelaufen (vgl. auch Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 60 Rn. 66). Auch die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO greift nicht, da der Bescheid vom 14. Februar 2020 mit einer korrekten Rechtsbehelfsbelehrung:im Sinne des § 58 Abs. 1 VwGO versehen war.
Ebenso wenig ergibt sich durch die Erklärung des Bundesamts vom 2. April 2020, die Vollziehung der Abschiebungsanordnung bis auf Weiteres auszusetzen, ein Neubeginn des Fristlaufs hinsichtlich des Bescheids vom 14. Februar 2020, schon weil die Aussetzung der Vollziehung kein Verwaltungsakt, sondern unselbstständiger Annex des teilweise ausgesetzten Verwaltungsaktes ist (Koehl, JA 2016, 610, 615). Damit ist maßgeblich, ob dieser rechtzeitig angegriffen wurde.
Der Antrag bleibt somit, unabhängig von dessen inhaltlicher Prüfung, wegen Verfristung erfolglos.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.