Verwaltungsrecht

Verkürzung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots wegen gelebter Eltern-Kind-Beziehung

Aktenzeichen  Au 6 K 17.1429

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10826
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 3, § 11 Abs. 1, Abs. 4, § 25 Abs. 5, § 36, § 54 Abs. 1 Nr. 9
GG Art. 6
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbots von zweieinhalb Jahren ist im Fall einer gelebten Vater-Kind-Beziehung zu einem aufenthaltsberechtigten Kleinkind zu lang. (Rn. 80 – 81) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheids vom 7. September 2017 verpflichtet, über die Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu zwei Drittel und der Beklagte zu einem Drittel zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn letzterer nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet, soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, über die Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots neu zu bescheiden. Im Übrigen ist die Klage unbegründet und hat daher keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis oder auf Neuverbescheidung seines diesbezüglichen Antrags (§ 113 Abs. 5 VwGO) und auch keinen Anspruch auf Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Das Gericht konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten auf (weitere) mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO). Wenn – wie hier – die Beteiligten im Rahmen des Verhandlungstermins auf weitere mündliche Verhandlung verzichten, müssen an der Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht die Richter mitwirken, die an der Verhandlung teilgenommen haben. In einem solchen Fall liegt dem Urteil die mündliche Verhandlung nicht zugrunde; eine Auswertung des Sitzungsprotokolls ist demgegenüber zulässig (vgl. BVerwG, B.v. 21.3.2017 – 2 B 88/16 – juris Rn. 7 f.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 101 Rn. 11).
A.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
I. Ein Anspruch nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil das Kind des Klägers vietnamesischer, nicht aber deutscher Staatsangehöriger ist.
II. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 1 AufenthG scheitert schon daran, dass der Sohn des Klägers nicht in Besitz einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis ist.
Dem Sohn des Klägers wurde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG erteilt, nicht jedoch eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis, wie sie in § 36 Abs. 1 AufenthG genannt sind. Zudem hält sich die personensorgeberechtigte Kindsmutter ebenfalls im Bundesgebiet auf.
III. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kommt vor einer Ausreise des Klägers wegen der Titelerteilungssperre in § 10 Abs. 3 AufenthG nicht in Betracht.
Der Asylantrag des Klägers wurde mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 21. Februar 2017 abgelehnt.
Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 bzw. im Falle eines Anspruchs erteilt werden. Wurde der Asylantrag des Ausländers als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AufenthG abgelehnt, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden, also auch kein Aufenthaltstitel nach Maßgabe des Abschnitts 5 (§ 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Durch die Titelerteilungssperren des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG soll im Interesse einer effektiven Steuerung und Begrenzung der Einwanderung die missbräuchliche Stellung von Asylanträgen sanktioniert und der Anreiz für die Schaffung von Bleiberechten nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens reduziert werden. Ein „Anspruch“ auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG setzt einen strikten Rechtsanspruch voraus, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Das bedeutet, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Hierfür genügt weder eine Soll- noch eine Ermessensvorschrift, selbst wenn im Einzelfall ein atypischer Fall vorliegt oder das Ermessen „auf Null“ reduziert ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C-16.17 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 10 ZB 18.2188 -juris Rn. 7). Der für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 AufenthG erforderliche strikte Rechtsanspruch verlangt deshalb auch, dass der Ausländer alle allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG erfüllt (zur Nachholung des Visumverfahrens vgl. BayVGH, B.v. 23.09.2016 – 10 C 16.818 – juris Rn. 10). Fehlt es daran, genügen die in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgesehenen Möglichkeiten, in bestimmten atypischen Fällen oder im Ermessenswege vom Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen abzusehen, nicht, um einen Anspruch im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zu begründen (NdsOVG, B.v. 5.9.2017 – 13 LA 129/17 – juris Rn. 16 f.; zum Visumverfahren vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 22.10.2014 – OVG 11 S. 59.14 – juris Rn. 4). Ein Anspruch auf Grund einer Ermessensvorschrift genügt auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall „auf Null“ reduziert ist (BVerwG, B.v. 16.2.2012 – 1 B 22.11 – juris; BayVGH, B.v. 21.7.2015 – 10 CS 15.859 – juris Rn. 44 m.w.N.).
Zwar handelt es sich beim Vater eines Kindes ohne deutsche Staatsangehörigkeit um einen „sonstigen Familienangehörigen“ i.S.d. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und kann die Wahrnehmung des elterlichen Sorgerechts und einer gelebten familiären Lebensgemeinschaft in Form einer Beistands- und Betreuungsgemeinschaft eine außergewöhnliche Härte begründen (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 36 AufenthG Rn. 17, 48). Jedoch handelt es sich bei § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG um eine „Kann“- und damit um eine Ermessensnorm. Unabhängig von der Frage, ob im Einzelfall eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt und ob der Kläger – wie nicht (vgl. unten) – die allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen erfüllt, ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Ermessensnorm § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nach unanfechtbarem negativen Abschluss eines Asylverfahrens ohne vorherige Ausreise des Ausländers nach § 10 Abs. 3 AufenthG nicht möglich.
IV. Eine Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besteht ebenfalls nicht.
Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG soll die Aufenthaltserlaubnis dabei erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist.
Zunächst ist schon fraglich, ob § 25 Abs. 5 AufenthG als Auffangvorschrift für ein sich aus Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK ergebendes Ausreisehindernis herangezogen werden kann, wenn die Erteilungsvoraussetzungen der für die genannten Aufenthaltszwecke bestehenden Normen (hier: § 36 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG) nicht erfüllt sind (BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 10 CE 18.1871 u.a. – juris Rn. 24 m.w.N.).
Selbst wenn jedoch § 25 Abs. 5 als Auffangvorschrift neben den Aufenthaltstiteln des Abschnitts 6 anwendbar ist, besteht im vorliegenden Fall kein Erteilungsanspruch. Weder liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen noch eine Ermessensreduzierung auf Null vor.
1. Zwar ist die Ausreise des Klägers mangels abzusehender Zustimmung der Ausländerbehörde im Rahmen des Visumverfahrens und daher ungesicherter Rückkehrperspektive nach Deutschland derzeit wegen Art. 6 GG rechtlich unmöglich.
Art. 6 GG gewährt keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner oder Kind ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (vgl. BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 13 m.w.N.). Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 17.5.2011 a.a.O. Rn. 14 m.w.N.). Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (BVerfG, B.v. 17.5.2011 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Andernfalls sind dem im Bundesgebiet lebenden Familienmitglied grundsätzlich Anstrengungen zumutbar, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 10 CS 12.2679 – juris Rn. 33). Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die vorherige Durchführung eines Visumverfahrens wichtigen öffentlichen Interessen dient. In Fällen wie dem vorliegenden soll die vorherige Durchführung des Visumverfahrens gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2013 a.a.O. Rn. 35). Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BayVGH, B.v. 30.8.2018 – 10 C 18.1497 – juris Rn. 26 f. m.w.N.). Jedoch sind regelmäßig auch dem Vater eines deutschen Kindes die Nachholung des Visumverfahrens und die damit verbundene Trennung zumutbar, wenn sie eine gewisse Dauer nicht überschreitet oder keine besonderen Umstände (z.B. Pflegebedürftigkeit) vorliegen. Will ein ohne das erforderliche Visum eingereister Asylbewerber nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel erlangen, hat er daher grundsätzlich – nicht anders als jeder andere Ausländer – ein Sichtvermerkverfahren im Heimatland durchzuführen. Der Ausländer hat es zudem durch die Gestaltung seiner Ausreise selbst in der Hand, die für die Durchführung des Visumverfahrens erforderliche Dauer seine Abwesenheit im Bundesgebiet möglichst kurz zu halten, indem er z.B. eine Vorabzustimmung der zuständigen Ausländerbehörde nach § 31 AufenthV einholt; es liegt in seinem Verantwortungsbereich, die Nachholung des Visumverfahrens so familienverträglich wie möglich zu gestalten (BayVGH, B.v. 30.8.2018 – 10 C 18.1497 – juris Rn. 26 f. m.w.N.).
Im vorliegenden Verfahren ist zwar die Dauer eines Visumverfahrens bei der Deutschen Botschaft in Vietnam grundsätzlich auch im Hinblick auf die Beziehung zu einem Kleinkind zumutbar. Nach Auskunft der Botschaft liegen die Wartezeiten für eine Visumsbeantragung zum Familiennachzug bei zwei bis drei Wochen. Die Bearbeitungszeit hänge von der Bearbeitungszeit der nach § 31 AufenthV zuständigen Ausländerbehörde ab, diese betrage in der Regel sechs bis acht Wochen. Sollte eine Urkundenüberprüfung erforderlich sein – welche jedoch seit Februar 2018 nur noch in Ausnahmefällen (erhebliche Zweifel an der Echtheit der Urkunde oder Vorlage wiederregistrierter Geburtsurkunden) erforderlich sei – verlängere sich die Bearbeitungszeit auf ca. drei bis vier Monate. Sollte eine Vorabzustimmung der Ausländerbehörde vorliegen, betrage die Bearbeitungszeit – ohne Urkundenüberprüfung – ca. zwei bis drei Arbeitstage. Da der Kläger einen gültigen Reisepass besitzt, an dessen Echtheit keine Zweifel bestehen, ist mithin davon auszugehen, dass das Visumverfahren selbst ohne Vorabzustimmung regelmäßig höchstens zwölf Wochen dauert, oft auch kürzer. Insbesondere nur wöchentliche Treffen des Klägers mit seinem Sohn, bei denen er mit seinem Sohn oft draußen spielt, begründen keinen so intensiven Kontakt und keine derart enge Verbundenheit, dass eine auch nur vorübergehende Abwesenheit des Klägers zur Nachholung des Visumverfahrens als unzumutbar erscheine. Insbesondere wohnt der Kläger nicht mit seinem Sohn zusammen, sondern war sogar bis vor kurzem noch in Bayern untergebracht, sodass der Sohn des Klägers es gewohnt ist, den Kläger nicht regelmäßig zu sehen und seine Mutter den wesentlichen Teil der Betreuung und Erziehung übernimmt. In einem derartigen Fall ist eine kurzfristige Trennung von – wie hier – bis zu zwölf Wochen zumutbar (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 10 ZB 18.2188 – juris Rn. 11).
Die Visumerteilung bedarf jedoch nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV auch der Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde. Indes hat der Beklagte in seiner Klageerwiderung vorgetragen, dass eine Wiedereinreise des Klägers im Rahmen des Visumverfahrens zum Familiennachzug derzeit nicht möglich sei, da kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, auch kein Anspruch nach § 36 Abs. 2 AufenthG, bestehe (vgl. Schriftsatz vom 27.2.2019, S. 3). Es ist daher nicht sicher davon auszugehen, dass die Ausländerbehörde einer Visumserteilung zustimmen würde. Zwar handelt es sich bei der nun zuständigen Ausländerbehörde nach Umzug des Klägers um die Stadt … und nicht (mehr) um das Landratsamt …. Nachdem der Beklagte das Verfahren jedoch durch Zuständigkeitsübernahme sowie im Einvernehmen und Absprache mit der Stadt … führt (vgl. Bl. 63 der Gerichtsakte), sind die Stellungnahmen des Beklagten auch der nunmehr zuständigen Ausländerbehörde zuzurechnen. Zwar hat der Beklagte auch einen Vergleichsvorschlag angenommen, in dem er dem Kläger ein erfolgreiches Visumverfahren insbesondere durch Verzicht auf das Entgegenhalten von Ausweisungsinteressen, die Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf den Zeitpunkt der Ausreise und das Ausreichenlassen der derzeitigen finanziellen Lebensverhältnisse als gesicherten Lebensunterhalt ermöglichte. Ob der Beklagte bzw. die künftig zuständige Ausländerbehörde jedoch auch nach Widerruf des Vergleichs durch den Kläger noch zu diesen Zugeständnissen insbesondere im Hinblick auf die bestehenden Ausweisungsinteressen (vgl. unten) bereit sind, ist offen. Insoweit kann derzeit nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werde, dass die Ausländerbehörde im Rahmen eines Visumverfahrens eine Zustimmung erteilen würde und damit das Visumverfahren in absehbarer Zeit erfolgreich wäre.
Eine daher nicht auszuschließende längere oder gar dauerhafte Trennung des Klägers und seines Sohnes ist jedoch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG unzumutbar, da zwischen dem Kläger und seinem Sohn zwar keine räumliche Haushaltsgemeinschaft, aber zumindest wöchentlicher Umgang und damit eine schützenswerte Nähebeziehung besteht, die aus Gründen des Kindeswohls nicht dauerhaft unterbrochen werden darf.
Eine Ausreise ist dem Kläger daher derzeit ohne Zusicherung der zuständigen Ausländerbehörde, eine Zustimmung im Visumverfahren zu erteilen, rechtlich unmöglich.
2. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht jedoch wegen des Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht. Von dieser allgemeinen Erteilungsvoraussetzung ist auch nicht wegen eines atypischen Falles oder im Ermessenswege abzusehen.
a) Gegen den Kläger liegen schwere Ausweisungsinteressen vor.
Das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses ist zu bejahen, wenn der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. § 53 Abs. 1 AufenthG). Für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG kommt es demgegenüber nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte. Vielmehr reicht es aus, dass ein Ausweisungsinteresse gleichsam abstrakt – d.h. nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen – vorliegt, wie es insbesondere im Katalog des § 54 AufenthG normiert ist. Eine Abwägung mit den privaten Bleibeinteressen erfolgt – sofern sie nicht durch § 10 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen ist – erst im Rahmen der Frage, ob eine Abweichung vom Regelfall im Sinne des § 5 Abs. 1 AufenthG vorliegt (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – juris Rn. 15).
(1) Im vorliegenden hat der Kläger zahlreiche vorsätzliche Verstöße gegen Rechtsvorschriften begangen.
So reiste er im Jahr 2013 unerlaubt sowie passlos in das Bundesgebiet ein und hielt sich hier unerlaubt sowie passlos auf, ohne unverzüglich einen Asylantrag zu stellen. Hierdurch machte sich der Kläger nach § 95 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 3 AufenthG strafbar und wurde er deswegen bestandskräftig ausgewiesen.
Nach Bestandskraft der Ausweisung und des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG kam der Kläger seiner Ausreiseverpflichtung auch in der Folgezeit nicht nach, sondern hielt sich über zwei Jahre unerlaubt und untergetaucht in der Bundesrepublik auf (strafbewehrt nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AufenthG).
Am 28. Oktober 2015 wiederum stellte er einen offensichtlich unbegründeten Asylantrag ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen und zur Verhinderung seiner Abschiebung nach einem mehrjährigen unerlaubten und unbekannten Aufenthalt, was einen Missbrauch des Asylverfahrens darstellt.
Einen 2011 ausgestellten Reisepass legte der Kläger erst am 28. Oktober 2015 vor. Zuvor hatte er wahlweise angegeben, er habe den Reisepass in der Türkei verloren, er habe ihn vernichtet oder der Schleuser habe ihn einbehalten. All dies war gelogen und diente ersichtlich der Verhinderung einer Abschiebung des Klägers mit Hilfe eines gültigen Reisepasses und damit der Erzwingung einer Duldung wegen tatsächlicher Abschiebungshindernisse (strafbewehrt nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).
Am 24. Dezember 2015 verließ der Kläger die Asylbewerberunterkunft ohne die erforderliche Erlaubnis. Ab dem 5. Januar 2016 war er erneut für knapp zwei Monate unbekannten Aufenthalts. Er ist damit wiederholt seiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme und seinen räumlichen Aufenthaltsbeschränkungen nicht nachgekommen (strafbewehrt nach § 95 Abs. 6a AufenthG).
Ausweislich des Strafbefehls vom 30. März 2016 beging der Kläger eine Leistungserschleichung und hat sich nach § 265a StGB strafbar gemacht.
Am 3. September 2016 wurde er erneut in … und damit unter Verstoß gegen seine Aufenthaltsbeschränkung aufgegriffen, was nach § 95 Abs. 6a AufenthG strafbewehrt ist.
Am 11. August 2017 hielt sich der Kläger wieder nicht in der ihm zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft auf.
Gegen den Kläger besteht daher ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 9 AufenthG.
(2) Vom Kläger geht auch gegenwärtig noch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus.
Angesichts der Vielzahl der ausländerrechtlichen und strafrechtlichen Verstöße seit Beginn seines Aufenthalts besteht die konkrete Gefahr, dass der Kläger weiterhin jegliche ihm auferlegte ausländerrechtliche Pflicht und Beschränkung ignoriert und sich weiterhin rechtsuntreu verhält. Insbesondere führte auch die Geburt seines Sohnes am … 2015 nicht zu einem Einstellungswandel des Klägers, wie er selbst vortragen lässt. Er hat auch in der Folgezeit nur insoweit mitgewirkt, wie er meinte, dass es für die Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung erforderlich schien – insbesondere durch Beendigung seines Untertauchens, Stellung eines Asylantrags und Vorlage eines Reisepasses. Im Übrigen hat er weiterhin gegen ausländerrechtliche Beschränkungen (insbesondere die Aufenthaltsbeschränkung) verstoßen und eine Leistungserschleichung begangen. Ein Einstellungswandel ist daher nicht ansatzweise ersichtlich. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger weiterhin Verstöße gegen ausländerrechtliche, aber auch strafrechtliche Rechtsvorschriften begehen wird.
(3) Im Übrigen besteht auch ein generalpräventives Ausweisungsinteresse.
Generalpräventive Gründe können auch nach dem neuen Ausweisungsrecht ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – juris Rn. 15 ff., 20 m.w.N.; so auch BayVGH, B.v. 20.8.2018 – 10 C 18.1361 – juris Rn. 13). Das generalpräventive Ausweisungsinteresse muss allerdings noch aktuell sein. Dabei ist zu berücksichtigten, dass jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung verliert und ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr herangezogen werden kann. Das Aufenthaltsgesetz enthält allerdings keine feste Regeln, wie lange ein bestimmtes Ausweisungsinteresse, wie es etwa in den Tatbeständen des § 54 AufenthG normiert ist, verhaltenslenkende Wirkung entfaltet und einem Ausländer generalpräventiv entgegengehalten werden kann. Eine Heranziehung der in § 11 Abs. 3 AufenthG festgelegten Kriterien für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nicht möglich, da sie an die Ausreise des Ausländers anknüpfen. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung allerdings eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB zur Strafverfolgungsverjährung angezeigt. Diese verfolgen zwar einen anderen Zweck, geben dem mit zunehmendem Zeitabstand eintretenden Bedeutungsverlust staatlicher Reaktionen (die an Straftaten anknüpfen) aber einen zeitlichen Rahmen, der nicht nur bei repressiven Strafverfolgungsmaßnahmen, sondern auch bei der Bewertung des generalpräventiven Ausweisungsinteresses herangezogen werden kann. Dabei bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln. Bei abgeurteilten Straftaten bilden die Tilgungsfristen des § 46 BZRG zudem eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nach § 51 BZRG nicht mehr vorgehalten werden dürfen (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Dabei wird das Ausweisungsinteresse nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG objektiv bestimmt. Da es sich bei der Frage, ob die Erteilungsvoraussetzung des fehlenden Ausweisungsinteresses vorliegt, zudem um eine rechtlich gebundene Entscheidung handelt, sind die oben genannten Grenzen für die Aktualität eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses auch dann zu beachten, wenn die Behörde ihre aufenthaltsrechtliche Entscheidung allein auf spezialpräventive Gründe gestützt hat, objektiv aber zusätzlich ein generalpräventives Ausweisungsinteresse vorliegt (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – juris Rn.26).
Die vom Kläger begangenen Rechtsverstöße sind noch hinreichend aktuell. Die einfache Verjährungsfrist beträgt im Mindestmaß stets drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB), im Höchstmaß damit sechs Jahre (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB). Der Kläger beendete seine erste Tat, den unerlaubten Aufenthalt, frühestens im Oktober 2015, als er sich als Asylsuchender meldete und sich fortan gestattet aufhielt (vgl. § 78a Satz 1 StGB). Mithin ist bei keinem der Rechtsverstöße die doppelte Verjährungsfrist abgelaufen. Ein Ausweisungsinteresse besteht fort. Die Ausweisung führt zum Verlust etwaiger Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), hindert in der Regel die Erteilung eines Aufenthaltstitels insbesondere auch für abgelehnte Asylbewerber (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), beendet damit den erlaubten Aufenthalt in der Bundesrepublik und begründet demnach eine Ausreisepflicht des Ausländers. Des Weiteren wird bei einer fehlenden freiwilligen Ausreise besonders die Abschiebung von ausgewiesenen Straftätern forciert und fällt eine bestandskräftige Ausweisung bei etwaigen behördlichen Ermessensentscheidungen, beispielsweise bei der Prüfung einer Beschäftigungserlaubnis im Rahmen einer Duldung, regelmäßig als erheblicher, negativer Gesichtspunkt ins Gewicht. In Anbetracht dieser erheblichen Konsequenzen, die deutlich über eine strafrechtliche Verurteilung hinausgehen, erscheint eine drohende Ausweisung als geeignet, andere Ausländer zur Einhaltung ausländerrechtlicher Vorschriften anzuhalten und von der Begehung von Straftaten abzuhalten. Umgekehrt hat die Bundesrepublik ein großes Interesse daran, zu verhindern, dass sich Ausländer passlos und unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten, ihre Pässe nicht vorlegen sowie gegen Aufenthalts- und Wohnsitzbeschränkungen verstoßen.
b) Von der Regelerteilungsvoraussetzung des Nichtvorliegens eines Ausweisungsinteresses ist auch nicht wegen eines atypischen Falls abzusehen.
Ein derartiger Ausnahmefall ist nämlich nur gegeben, wenn ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, der so bedeutsam ist, dass er das jedenfalls sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelvoraussetzung beseitigt. Es muss sich um eine Abweichung handeln, die die Anwendung des Regelfalles nach Sinn und Zweck und unter Beachtung höherrangigen Rechts, wie z.B. des Schutzes von Ehe und Familie i.S.v. Art. 6 GG, als derart unverhältnismäßig erscheinen lässt, dass es unzumutbar wäre, an ihr festzuhalten (BayVGH, B.v. 14.2.2017 – 10 ZB 15.2059 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Kläger ist langjährig und mit einer Vielzahl ausländerrechtlicher und strafrechtlicher Verstöße aufgefallen. Insofern liegt hinsichtlich der begangenen Rechtsverstöße kein atypischer Sachverhalt vor. Da vorliegend zudem sowohl spezialpräventive als auch generalpräventive Ausweisungsinteressen bestehen, liegt auch insofern ein atypischer Ausnahmefall fern.
Die Beziehung zu seinem Kind ist wiederum durch die Duldung gesichert. Dem durch Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Interesse des Klägers und seines unterhaltsberechtigten Sohnes, die familiäre Beistandsbeziehung fortsetzen zu können, solange der Sohn auf den Kläger angewiesen ist (vgl. oben), hat der Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass er den unerlaubten Aufenthalt des Klägers im Hinblick auf diesen Umstand aus familiären Gründen bis auf Weiteres duldet. Dem Vortrag des Beklagten entnimmt das Gericht, dass die Duldung langfristig, nämlich für den Zeitraum, in dem der Sohn des Klägers auf diesen angewiesen ist, erteilt worden ist. Dies führt dazu, dass der Aufenthalt des Klägers zwar rechtswidrig und er selbst ausreisepflichtig ist, dass jedoch die Ausreisepflicht vorläufig – solange sich die Umstände, die bei Erteilung der Duldung gegeben waren, nicht ändern – nicht vollstreckt werden kann. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist dies nicht zu beanstanden (so zur sogar noch eingriffsintensiveren Ausweisung BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9/12 – juris Rn. 24). Zwar dient § 25 Abs. 5 AufenthG auch dem Zweck, Kettenduldungen zu vermeiden. In Fällen, in denen eine Vielzahl an Rechtsverstößen bestehen, werden die familiären Belange des Klägers indes auch durch eine Duldung hinreichend berücksichtigt.
Des Weiteren ist maßgeblich, dass alle Beteiligten vietnamesische, nicht aber deutsche Staatsangehörige sind. Nicht nur der Kläger, sondern auch sein Sohn und die Kindsmutter sind vietnamesische Staatsangehörige. Daher ist grundsätzlich dem Kläger wie auch seinem Sohn und seiner Kindsmutter die Führung der familiären Lebensgemeinschaft in Vietnam zumutbar. Dass der Kindsmutter (und damit auch dem Sohn des Klägers) eine Rückkehr nach Vietnam nicht zumutbar ist, liegt ausschließlich an ihren beiden deutschen Kindern, zu denen der Kläger jedoch keine familiäre oder sonstige Beziehung führt. Auch dieser Umstand rechtfertigt es, vorliegend keinen atypischen Sonderfall anzunehmen und es dem Kläger zuzumuten, im Status einer Duldung zu bleiben.
Die fehlende Atypik und damit die Zumutbarkeit des Verbleibs in der Duldung rechtfertigen sich auch insofern, als dass der Kläger bisher zu keinem Zeitpunkt mit seinem Kind zusammengelebt hat. Zwar ist ausweislich der vom Beklagten nicht widerlegten schriftlichen Stellungnahmen der Kindsmutter und des Klägers von einer tatsächlichen Nähebeziehung zwischen Vater und Kind auszugehen. Der Kläger besucht seinen Sohn wöchentlich und teilweise sogar noch öfters, dieser nennt ihn Papa und sie spielen gemeinsam. Auch hat der Kläger das gemeinsame Personensorgerecht inne und leistet – wenn auch geringen – Unterhalt für seinen Sohn. Eine Lebensgemeinschaft im selben Haushalt gab es indes nie. Die bestehende und von Art. 6 GG geschützte Vater-Kind-Beziehung ist daher nicht derart gefestigt, dass ein atypischer Fall vorläge und dem Kläger derzeit ein Verbleib in der Duldung unzumutbar sei.
c) Ebenso wenig hat der Kläger einen Anspruch auf Reduzierung des Ermessens des Beklagten nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auf Null.
Ein Absehen von den Regelerteilungsvoraussetzungen steht nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessen des Beklagten („kann“). Damit könnte sich ein zwingender Anspruch des Klägers nur dann ergeben, wenn das Ermessen im konkreten Einzelfall auf Null reduziert wäre. Eine solche Reduzierung des Ermessens auf Null kommt in den Fällen in Betracht, in denen die Entscheidung deshalb alternativlos ist, weil sich keine andere Entscheidung mit dem Zweck der Ermächtigung begründen ließe (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage 2016, § 40 Rn. 71). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Bei der Ermessensentscheidung, ob nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von den Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abgesehen wird, sind neben den Gesichtspunkten, die es nahelegen, an diesen Voraussetzungen festzuhalten, auch die Aspekte zu berücksichtigen, die dafür sprechen, auf ihre Einhaltung zu verzichten und die begehrte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Insbesondere ist abzuwägen, welches Gewicht dem öffentlichen Interesse an der Erfüllung der jeweiligen Regelerteilungsvoraussetzung gegenüber dem privaten Interesse des Ausländers an der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zukommt. Darüber hinaus sind die Wertungen des Gesetzgebers in Erwägung zu ziehen, die der Schaffung der Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG zugrunde liegen und die sich aus dem systematischen Zusammenhang ergeben, in dem diese Regelung steht (BayVGH, B.v. 4.4.2014 – 10 C 12.497 – juris Rn. 29). Der Beklagte hat im vorliegenden Fall auch im Hinblick auf § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG berücksichtigt, dass der Kläger Vater eines aufenthaltsberechtigten Kindes ist und für dieses die Personensorge ausübt (vgl. schon S. 6 des streitgegenständlichen Bescheids). Auf der anderen Seite hat der Beklagte in die Ermessenserwägung einfließen lassen, dass der Kläger unerlaubt einreiste und anschließend untertauchte, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam und erst während der Zeit des Untertauchens die Kindsmutter kennenlernte und sie ein Kind bekam, also kein schützenswertes Vertrauen in eine Legalisierung seines Aufenthalts entstand. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Die Nähebeziehung zu seinem Kind ist insbesondere auch durch die Duldung gesichert (vgl. oben).
3. Des Weiteren steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen.
Einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, darf selbst im Falle eines Anspruchs kein Aufenthaltstitel erteilt werden (§ 11 Abs. 1 AufenthG).
Gegen den Kläger besteht aufgrund der bestandskräftigen Ausweisung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot. Daher kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis selbst im Falle eines Anspruchs nicht in Betracht. Es besteht auch kein Anspruch auf Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 AufenthG (vgl. unten).
4. Im Übrigen besteht auch auf der Rechtsfolgenseite kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Nach § 25 Abs. 5 Satz 2 „soll“ eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung – wie hier – seit mehr als 18 Monaten ausgesetzt ist. Nach diesem intendierten Ermessen ist im Regelfall eine Aufenthaltserlaubnis insbesondere auch zur Vermeidung von Kettenduldungen zu erteilen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn besondere Gründe gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sprechen. Dies ist vorliegend wegen der zahlreichen ausländerrechtlichen Verstöße des Klägers der Fall. Auf die obigen Ausführungen zum Ausweisungsinteresse wird verwiesen. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist folglich nicht ersichtlich. Der Beklagte durfte daher ermessensfehlerfrei die Aufenthaltserlaubnis unter der Erwägung ablehnen, wegen wiederholter Verstöße insbesondere auch gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Aufenthaltsbeschränkungen den Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik nicht zu legalisieren, sondern ihn in der Duldung zu lassen.
B.
Ein Anspruch auf Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 AufenthG besteht nicht.
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen (§ 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Mit diesen Bestimmungen hat der Gesetzgeber eine spezielle Rechtsgrundlage für die nachträgliche Verlängerung oder Verkürzung der Frist und auch für die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots geschaffen, die einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausschließt. Eine Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann angezeigt sein, wenn Umstände eintreten, die das Gewicht des öffentlichen Interesses, den Ausländer aus dem Bundesgebiet fernzuhalten oder ihm die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet vorzuenthalten, verringern. Eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist insbesondere angezeigt, soweit die general- bzw. spezialpräventiven Gründe für die Sperrwirkungen es nicht mehr erfordern, oder zur Wahrung der schutzwürdigen Belange des Betroffenen (NdsOVG, B.v. 14.6.2018 – 13 ME 208/18 – juris Rn. 6).
I. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG aufgehoben wird.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
II. Ein Anspruch auf Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ergibt sich auch nicht zur Wahrung sonstiger schutzwürdiger Belange des Klägers nach § 11 Abs. 4 Satz 1 Var. 1 AufenthG.
Zwar ist der Kläger Vater eines in Deutschland aufenthaltsberechtigten Kindes und ist ihm eine länger andauernde Trennung von seinem Sohn wegen der Schutzwirkung von Art. 6 GG unzumutbar. Jedenfalls eine kurzfristige Ausreise zur Nachholung des Visumverfahrens ist ihm jedoch grundsätzlich zumutbar (vgl. oben). Dass derzeit wegen der Duldung und der verweigerten Zustimmung der Ausländerbehörde im Visumverfahren eine Abschiebung des Klägers rechtlich unmöglich ist, ist insoweit unbeachtlich, da die Befristung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG mit der Ausreise beginnt und damit nur im Falle einer dem Kläger zumutbaren Ausreise greift. Auch im Hinblick auf die bestehenden Ausweisungsinteressen (vgl. oben) ist eine Verpflichtung der Ausländerbehörde, das Einreise- und Aufenthaltsverbot vollständig aufzuheben, nicht ersichtlich.
III. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots entfallen wäre (§ 11 Abs. 4 Satz 1 Var. 2 AufenthG).
Von einem Entfallen des Zwecks des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nur dann auszugehen, wenn keine spezial- und generalpräventiven Gründe für die Ausweisung mehr bestehen (vgl. NdsOVG, B.v. 14.06.2018 – 13 ME 208/18 – juris, Rn. 6; BT-Drs. 18/4097, S. 36).
Dies ist hier nicht der Fall. Im Gegenteil sind nach der Ausweisung des Klägers noch weitere Ausweisungsinteressen hinzugekommen, sodass weiterhin sowohl spezialpräventive als auch generalpräventive Gründe für ein Einreise- und Aufenthaltsverbot bestehen. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Insbesondere ist im vorliegenden Fall beachtlich, dass der Ausweisung die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt des Klägers zu Grunde lagen. Der Zweck des daraus folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots erfordert es, dass dieses nicht durch bloßen Zeitablauf wegfällt, wenn sich der unerlaubt aufhaltende Ausländer – wie hier – weiterhin auch nach der Ausweisung in der Bundesrepublik unerlaubt aufhält und seiner Ausreiseverpflichtung durch Untertauchen entgeht.
C.
Jedoch hat der Kläger einen Anspruch darauf, dass der Beklagte über die Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet.
Zwar hat der Kläger keinen gebundenen Rechtsanspruch auf Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, da auch gewichtige Interessen an einer zumindest kurzfristigen Fernhaltung des Klägers vom Bundesgebiet bestehen (vgl. oben). Jedoch kann die Frist nach § 11 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 AufenthG bei Vorliegen schutzwürdiger Belange des Ausländers auch verkürzt werden. Die Verkürzung steht demnach grundsätzlich im Ermessen des Beklagten („kann“). Die Vorschrift eröffnet der Behörde damit mehrere Entscheidungsalternativen, weswegen die Ermessensentscheidung des Beklagten im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die gerichtliche Prüfungsdichte bemisst sich nach der Regelung des § 114 VwGO, was im Wesentlichen zur Folge hat, dass die Entscheidung lediglich daraufhin zu überprüfen ist, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, ob in diese Ermessensentscheidung alle maßgeblichen und keine unzulässigen Erwägungen Eingang gefunden haben und ob einzelne Belange entgegen ihrer objektiven Wertigkeit in die Abwägung eingestellt worden sind.
Im vorliegenden Verfahren wurde mit Bescheid vom 19. Juni 2013, bestandskräftig seit 22. Juli 2013, gegen den Kläger ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von drei Jahren ab der nachgewiesenen freiwilligen Ausreise und von fünf Jahren im Falle einer Abschiebung festgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war der Sohn des Klägers noch nicht geboren und bestand demzufolge auch noch keine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung. Mit Bescheid vom 21. Februar 2017, bestandskräftig seit 4. März 2017, wurde ein weiteres Einreise- und Aufenthaltsverbot von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung festgesetzt, da der Kläger das Aufenthaltsrecht seines Sohnes nicht nachgewiesen habe. Der Beklagte lehnte eine Aufhebung oder Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auch unter Würdigung der bestehenden Vater-Kind-Beziehung im Hinblick auf die Ausweisungsinteressen und die Sanktionierung missbräuchlicher Asylanträge zunächst ab, kündigte jedoch inzwischen eine Verkürzung an. Jedoch ist die bloße Ankündigung einer Verkürzung ohne entsprechenden Bescheiderlass, zu dem der Beklagte ausreichend Zeit gehabt hätte, nicht geeignet, das vorliegende Ermessensdefizit zu beseitigen. Die bisher noch nicht abgeänderten Befristungen auf fünf, drei und zweieinhalb Jahre sind im Hinblick auf die gelebte Vater-Kind-Beziehung sämtlich deutlich zu lang. Die Ermessenserwägungen verkennen dabei maßgeblich die Schutzwirkung von Art. 6 GG.
Im Rahmen der Entscheidung über eine Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nach Art. 6 GG maßgeblich zu berücksichtigen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Ein hohes gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BayVGH, B.v. 30.8.2018 – 10 C 18.1497 – juris Rn. 26 f. m.w.N.). Insbesondere bei betroffenen Kleinkindern ist daher nur eine kurzfristige Trennung zumutbar. Die Entscheidung des Beklagten, trotz inzwischen nachgewiesenem Aufenthaltsrecht des Sohnes und soweit ersichtlich gelebter Vater-Kind-Beziehung das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Falle einer (freiwilligen oder unfreiwilligen) Ausreise nicht (deutlich) zu verkürzen, ist demnach ermessensfehlerhaft.
D.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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