Aktenzeichen 22 ZB 16.1872
Leitsatz
1. Eine Beurteilung sicherheitsrechtlicher Sachverhalte anhand polizeilicher Feststellungen kann das Ergebnis einer nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Beweiswürdigung sein (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO). (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Bezug zwischen dem Gaststättenbetrieb und Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geht nicht dadurch verloren, dass alkoholisierte Gäste zwar aus anderen, bereits geschlossenen Lokalen kommen, aber die vom Nachtlokal angebotene Gelegenheit zum “Weiterfeiern” nutzen möchten und schon vor dem Betreten der Gaststätte Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auslösen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
16 K 15.5056 2016-07-26 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wehrt sich gegen eine gaststättenrechtliche Verfügung der Beklagten, mit der für ihren Betrieb die Sperrzeit verlängert wurde.
Die Klägerin betreibt die Gaststätte seit dem 30. Dezember 2011 als Nachtlokal; sie erhielt hierfür zunächst eine vorläufige Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 GastG und unter dem 22. Februar 2012 eine Erlaubnis nach § 2 GastG. Für das Lokal der Klägerin galt bislang die allgemeine Sperrzeit nach § 7 Abs. 1 GastV (§ 8 Abs. 1 GastV a.F.) zwischen 05:00 Uhr und 06:00 Uhr; mit dem angefochtenen zwangsgeldbewehrten Bescheid vom 20. Oktober 2015 wurde sie verlängert auf die Zeit von 03:00 Uhr bis 08:00 Uhr. Die Beklagte hat die angefochtene Sperrzeitverlängerung damit begründet, dass besondere örtliche Verhältnisse im Sinn von § 8 Abs. 1 GastV (§ 11 GastV a.F.) die Verlängerung erforderten. Seit dem Februar 2012 bis in die jüngste Zeit habe es zahlreiche Störungen und Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit in oder vor dem Nachtlokal oder in dessen Nähe gegeben; es habe sich um Fälle von Drogen- und übermäßigem Alkoholkonsum, Übergriffen und Körperverletzungsdelikten gegenüber anderen Gästen, lautstarkem und aggressivem Verhalten gegenüber Passanten vor dem Lokal gehandelt. Wiederholt habe die Polizei gerufen werden müssen; deren Einsatzzahlen seien bei der Gaststätte der Klägerin im Vergleich zu anderen Gaststätten ähnlicher Größe im Innenstadtbereich der Beklagten überdurchschnittlich hoch. Die Störungen der öffentlichen Sicherheit beruhten wesentlich darauf, dass das Lokal der Klägerin typischerweise in denjenigen nächtlichen Zeiten aufgesucht werde (vor 05:00 Uhr und ab 06:00 Uhr), zu denen Gaststätten in der Umgebung bereits bzw. noch geschlossen hätten. So habe die Klägerin in einer Äußerung selbst angegeben, dass ihre Gäste das Lokal um 5:00 Uhr verließen und dann warteten, bis es um 6:00 Uhr wieder öffne. Diese Gäste seien zum Teil sehr stark alkoholisiert; infolgedessen bestünden auch für Kinder auf dem an der Gaststätte vorbeiführenden Schulweg eine subjektiv bedrohliche Situation und ein Gefährdungspotenzial.
Gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2015 erhob die Klägerin Anfechtungsklage und beantragte zugleich, deren aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen. Diesen Antrag hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 2. Dezember 2015 abgelehnt; die Beschwerde der Klägerin hiergegen war erfolglos (BayVGH, B.v.13.1.2016 – 22 CS 15.2643).
Die Anfechtungsklage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 26. Juli 2016 abgewiesen.
Die Klägerin hat die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt und in der Begründung (Schriftsätze vom 10.10.2016 und 19.12.2016) ausdrücklich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht, hierbei auch eine nach ihrer Ansicht zu Unrecht unterlassene weitere Aufklärung durch das Verwaltungsgericht bemängelt.
Die Beklagte (Schriftsätze vom 9.11.2016 und 4.1.2017) hat beantragt, die Berufung nicht zuzulassen; der Vertreter des öffentlichen Interesses hat keinen Antrag gestellt, sieht indes keinen Grund für die Zulassung der Berufung (Schriftsatz vom 15.11.2016).
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Klägerin ausdrücklich geltend macht, bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem andern Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 7 und 7a, m.w.N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.). Mit anderen Worten: „Darlegen“ bedeutet mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis geben, nämlich „erläutern“, „näher auf etwas eingehen“ oder „etwas substantiieren“ (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 194 m.w.N.).
Gemessen an diesen Voraussetzungen ergeben sich aus den – für den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ausschließlich maßgeblichen – Darlegungen der Klägerin keine ernstlichen Zweifel daran, dass das angegriffene Urteil im Ergebnis richtig ist.
1.1. Die Klägerin meint, ernstliche Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden bezüglich des vom Verwaltungsgericht bejahten Tatbestandsmerkmals der „besonderen örtlichen Verhältnisse“ nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GastG i.V.m. § 8 Abs. 1 GastV (§ 11 GastV a.F.).
Die Klägerin stellt hierbei ausdrücklich nicht den rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts in Frage (Schriftsatz vom 10.10.2016, S. 2 Mitte). Dieses hat – in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgerichtshof – zum Einen einem solchen räumlichen Bereich, der als „sicherheitsrechtlicher Brennpunkt“ anzusehen ist, gaststättenrechtliche Relevanz bei der Annahme „besonderer örtlicher Verhältnisse“ beigemessen; es ist zum Andern davon ausgegangen, dass amtliche Schilderungen und Bewertungen von Polizeidienststellen im Weg des Urkundsbeweises eingeführt werden können. Dies hat zur Folge, dass eine Beurteilung sicherheitsrechtlicher Sachverhalte an Hand polizeilicher Feststellungen das Ergebnis einer nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sein kann. Je nach der Aussagekraft der polizeilichen Schilderungen einerseits und der ggf. hiergegen erhobenen Einwände andererseits kann eine weitere gerichtliche Aufklärung von Amts wegen entbehrlich sein (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 13.1.2016 – 22 CS 15.2643 – GewArch 2016, 160, juris Rn. 9 und 10 m.w.N.).
Die Klägerin beanstandet indes die vorliegend von der Beklagten und – ihr folgend – vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten polizeilichen Feststellungen sowie die Einschätzung, dass die unstreitig festgestellten sicherheitsgefährdenden Vorkommnisse ursächlich der Klägerin bzw. ihrer Gaststätte zuzuordnen seien. Sie bemängelt, es gebe im nahen Umfeld mehrere Lokale, teilweise sogar mit einer „Sperrzeitaufhebung“, zwischen denen Gäste auch in der Nacht wechselten und auf der Straße feierten. Diese würden dabei auch die vor der Gaststätte der Klägerin gelegene Straßenbahnhaltestelle nutzen, um sich dort zu unterhalten und mitgebrachten Alkohol zu konsumieren. Es fehle an Feststellungen, inwieweit bestimmte Vorfälle von Gästen, die das Lokal der Klägerin aufsuchten oder dort herauskämen, verursacht worden seien und ob die Zahl der Störungen vor oder in diesem Lokal im Vergleich zu Störungen an oder in anderen Nachtlokalen ungewöhnlich groß sei (Schriftsatz vom 10.10.2016 ab S. 2 unten).
Dies überzeugt nicht. Die Klägerin bleibt bei ihren Einwänden, die sie auf annähernd zwei Seiten variierend wiederholt, weitestgehend vage und belässt es bei bloßen Behauptungen. Sie unterlässt dagegen die gebotene konkrete und substanzielle Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten polizeilichen und gaststättenrechtlichen Feststellungen, die über drei Seiten der Entscheidungsgründe wiedergegeben sind (Urteilsabdruck – UA – S. 11 oben bis S. 14 oben) und besagen, dass es im Zeitraum seit etwa März 2012 bis zum Erlass des angegriffenen Bescheids in unmittelbarer Nähe der Gaststätte der Klägerin, vor dieser Gaststätte und in der Gaststätte selbst wiederholt Polizeieinsätze gegeben hat, auch solche wegen teils schwerer Körperverletzungsdelikte und Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, und außerdem zahlreiche Einsätze wegen Lärmbelästigungen der Nachbarschaft. Diese Feststellungen entsprechen dem Bild eines „sicherheitsrechtlichen Brennpunkts“, das von der Gaststätte der Klägerin aufgrund der ungezählten, im angefochtenen Bescheid konkret geschilderten sicherheitsrechtlichen Vorfälle (S. 2 bis 10) gewonnen werden muss. Das Verwaltungsgericht ist der Bewertung der Beklagten gefolgt, wonach die Zahl der durch die Gaststätte der Klägerin veranlassten polizeilichen Einsätze im Vergleich zu Gaststätten ähnlicher Größe im Innenstadtbereich überdurchschnittlich hoch sei und sich das Lokal der Klägerin als Brennpunkt von Betäubungsmittelkriminalität und Gewaltdelikten deutlich gegenüber anderen Lokalen abhebe (UA S. 15 Mitte).
Soweit die Klägerin demgegenüber in ihrer Antragsbegründung (u.a. S. 3 unten) bemängelt, es fehle hinsichtlich dieser Feststellung an Vergleichszahlen, ist dem nicht zu folgen. Die von der Klägerin in den Raum gestellte Annahme, es komme bei vielen anderen Gaststätten mit Öffnungszeiten nach Mitternacht zu den gleichen Problemen innerhalb der Gaststätte und im Bereich um die Gaststätte, wird schon durch den eigenen erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin widerlegt, wonach ihr Lokal in der Nacht vor etwa 02:00 Uhr nur vereinzelt von Gästen besucht werde, sich etwa ab 03:00 Uhr zu füllen beginne und dass dann das Hauptgeschäft bis 08:00 Uhr gemacht werde, unterbrochen nur von der allgemeinen Sperrstunde zwischen 05:00 Uhr und 06:00 Uhr (Schriftsatz vom 12.11.2015, S. 3 unten, S. 4 oben). Dass Gaststätten mit einem solchen Geschäftsmodell entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Münchner Innenstadt oder im betroffenen Stadtteil die Mehrzahl bilden würden, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Sie stellt insoweit – wie schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – selber nicht substantiiert in Abrede, dass die Lokale im Umgriff ihres Lokals und im Stadtviertel die gesetzliche Sperrzeitregelung größtenteils nicht in Anspruch nehmen, sondern nur bis 03:00 Uhr geöffnet haben. Lediglich in Bezug auf ein etwa 200 m entferntes anderes (von der Klägerin schon erstinstanzlich benanntes) Lokal wendet die Klägerin ein, dessen Inhaber nutze – entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts – die gesetzliche Sperrzeitregelung in den Nachtstunden aus (Schriftsatz vom 10.10.2016, S. 4 oben). Dies mag zwar zutreffen. Es stellt aber die in der Gesamtschau gewonnene Einschätzung nicht durchgreifend in Frage, wonach das Nachtlokal der Klägerin in erheblich stärkerem Maß als die meisten anderen Gaststätten im Viertel eine Gelegenheit zum „Weiterfeiern und Weitertrinken“ nach dem Ausschankende der Lokale in der Umgebung bietet (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 13.1.2016 – 22 CS 15.2643 – juris Rn. 9 a.E.) und dass hieraus die von der Beklagten geschilderten Probleme erwachsen.
Die Klägerin bemängelt, der vom Verwaltungsgericht angestellte Vergleich zwischen den polizeilichen Einsatzzahlen vor Erlass des angefochtenen Bescheids einerseits und unter Geltung der verfügten längeren Sperrzeit andererseits sei ungeeignet, die Entwicklung der öffentlichen Sicherheit im Bereich der Gaststätte zu dokumentieren (Schriftsatz vom 10.10.2016, S. 3 oben), daher sei auch die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts fehlerhaft (Schriftsatz vom 19.12.2016, S. 2 Mitte). Damit kann sie nicht durchdringen. Zum Einen hat das Verwaltungsgericht hierauf nicht maßgeblich abgestellt, sondern nur “im Übrigen“ darauf hingewiesen, dass die verfügte längere Sperrzeit seit ihrer Einhaltung ab dem 1. Februar 2016 positive Wirkung gezeigt habe (UA S. 18 oben). Zum Andern trifft der Vorwurf der Klägerin, der Vergleich „vorher – nachher“ sei deswegen nicht aussagekräftig, weil nicht vergleichbare Sachverhalte gegenübergestellt worden seien (Zahl der polizeilichen Einsätze nur innerhalb der Gaststätte ab Anwendung der verfügten längeren Sperrzeit – Zahl der Einsätze innerhalb und außerhalb der Gaststätte vor diesem Zeitpunkt), auch sachlich nicht zu. Denn wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich die Stellungnahme der Polizeiinspektion 11 vom 6. Juli 2016 nicht auf die Polizeieinsätze „in der Gaststätte“ der Klägerin, sondern „im Zusammenhang mit“ der Gaststätte; nicht anders hat sich auch der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2016 beigezogene Polizeibeamte geäußert (vgl. Niederschrift vom 26.7.2016, S. 2).
1.2. Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dahingehend geltend, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Sperrzeitverlängerung bejaht und hierbei nicht geprüft habe, ob andere gleichermaßen geeignete, aber die Interessen der Klägerin besser berücksichtigende Maßnahmen in Betracht gekommen wären; sie meint insbesondere, statt der angeordneten Sperrzeit (03:00 Uhr bis 08:00 Uhr) hätte auch eine Sperrzeit von 05:00 Uhr bis 10:00 Uhr ausgereicht (Schriftsatz vom 10.10.2016, S. 4 unten, Schriftsatz vom 19.12.2016, S. 2 unten, S. 3). Dies überzeugt nicht. Das Verwaltungsgericht hat seinem Urteil die Erfahrungen der Polizeiinspektion 11 und deren besonderen Hinweis in der Stellungnahme vom 9. Juni 2015 zugrunde gelegt, wonach es gerade in den Stunden zwischen 03:00 Uhr und 09:00 Uhr zu den meisten Ordnungsstörungen im Zusammenhang mit der Gaststätte der Klägerin gekommen ist. Eine Beschränkung der Sperrzeit von 05:00 Uhr bis 10:00 Uhr wäre erkennbar weniger wirksam als die streitgegenständliche längere Sperrzeit (wobei dieser Endzeitpunkt ohnehin in der Gaststättenverordnung nicht vorgesehen ist, vgl. § 11 GastV a.F., entspricht § 8 Abs. 2 GastV vom 23.2.2016, GVBl S. 39: Hinausschieben der Sperrzeit nur bis 08:00 Uhr). Mit ihr könnte zwar den von der Beklagten befürchteten Belästigungen von Schulkindern und Eltern auf dem an der Gaststätte der Klägerin vorbeiführenden Schulweg begegnet werden. Dagegen könnte die von der Klägerin vorgeschlagene Sperrzeit nicht verhindern, dass bereits angetrunkene Gaststättenbesucher mangels anderer Möglichkeiten in den frühen Morgenstunden (03:00 Uhr bis 05:00 Uhr) im Lokal der Klägerin noch weiteren Alkohol konsumieren. Wirkungslos wäre eine erst ab 05:00 Uhr einsetzende Sperrzeit gegenüber den Lärmbeeinträchtigungen, die von alkoholisierten Gästen einer um diese Uhrzeit geöffneten „Kneipe“ ausgehen und den Schlaf der Anwohner in der Nachbarschaft in gesundheitsschädlichem Ausmaß stören können. Für einen – von der Klägerin vermissten – „gerechten Interessenausgleich“, der vorliegend auf eine stärkere Berücksichtigung des Interesses der Klägerin an einer wirtschaftlichen Betriebsführung und auf ein Zurückstehen des Sicherheitsinteresses der Öffentlichkeit hinausliefe, ist deshalb angesichts der zu schützenden Rechtsgüter kein Raum. Mit der von der Klägerin geltend gemachten Gefahr, die Sperrzeitverlängerung gefährde angesichts der Konzeption ihrer Gaststätte als Nachtlokal ohne Speisenzubereitung die wirtschaftliche Existenz des Betriebs, hat sich das Verwaltungsgericht befasst (UA S. 19) und in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 22. August 2013 (22 CS 13.1530 – BayVBl 2014, 244, juris Rn. 33) hingewiesen. Dort ist ausgeführt, dass der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb von vornherein dem Risiko etwaiger nachträglicher gaststättenrechtlicher Anordnungen und von Sperrzeitverlängerungen, ggf. auch ohne Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit des Gaststättenbetriebs, unterliegt, und dass deshalb das wirtschaftliche Interesse am Betrieb einer Gaststätte gerade in einer bestimmten Konzeption (dort: als Diskothek für „After Hour“-Veranstaltungen) gegenüber gewichtigen öffentlichen Sicherheitsbelangen nicht schwer wiegt. Hierzu verhält sich die Antragsbegründung der Klägerin (Schriftsatz vom 19.12.2016) nicht.
2. Die Klägerin hat geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, die erforderlichen weiteren Ermittlungen dazu anzustellen, ob die dem streitgegenständlichen Bescheid zugrunde gelegten sicherheitsrelevanten Vorfälle alle der Gaststätte der Klägerin ursächlich zugeordnet werden könnten und ob sich das Ausmaß solcher Vorfälle entscheidungserheblich von demjenigen unterscheide, das auch anderen Gaststätten “angelastet“ werden könne. Damit kann sie nicht durchdringen.
Zwar können Verfahrensfehler bei der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts wie ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses einer gerichtlichen Entscheidungsfindung begründen (vgl. z.B. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 80 ff. m.w.N.). Dies ändert aber nichts daran, dass – im ersten Schritt – ausreichend substantiiert (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der Verfahrensmangels einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung darzulegen ist. Dies erfordert die Darlegung, welche Tatsachen das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung, auf die es insoweit ausschließlich ankommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 51 m.w.N.), noch hätte klären müssen, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Vornahme der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären. Weiter muss entweder dargelegt werden, dass schon im Verfahren vor dem Tatsachengericht insbesondere durch die Stellung eines unbedingten Beweisantrags oder zumindest durch eine bloße Beweisanregung in Gestalt eines sogenannten Hilfsbeweisantrags auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben gerügt wird, hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.2013 – 7 B 16/13 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Dass sich weitere Aufklärung von Amts wegen dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen, ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht. Die von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht herangezogenen und von der Klägerin – was das rein tatsächliche Ereignis angeht – auch nicht angezweifelten polizeiaktenkundigen Vorfälle haben sich entweder im Lokal der Klägerin, direkt vor dem Lokal oder in einer solchen Nähe zum Lokal ereignet, dass an der Ursächlichkeit des klägerischen Betriebs für die Vorfälle vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann, solange die Ursächlichkeit nicht durch substanziellen konkreten Gegenvortrag in Frage gestellt worden ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass – wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 13. Januar 2016 (22 CS 15.2643 – a.a.O. – Rn. 13) ausgeführt hat, der Bezug zwischen dem Gaststättenbetrieb der Klägerin und Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht dadurch verloren geht, dass alkoholisierte Gäste zwar aus anderen, nach 03:00 Uhr bereits geschlossenen Lokalen kommen, aber die vom Nachtlokal der Klägerin angebotene Gelegenheit zum „Weiterfeiern“ nutzen möchten und schon vor dem Betreten der streitgegenständlichen Gaststätte Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auslösen, z.B. in Streit geraten (mit den einschlägigen Folgen wie etwa Körperverletzungen, Beleidigungen, Lärmbeeinträchtigungen).
Hätte die anwaltlich vertretene Klägerin greifbare andere Anhaltspunkte dafür gehabt, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten sicherheitsrelevanten Vorfälle in tatsächlicher Hinsicht so gelagert waren, dass sie nicht dem Gaststättenbetrieb der Klägerin hätten angelastet werden können, so hätte sie vor dem Verwaltungsgericht einen Beweisantrag stellen müssen; dies hat sie nicht getan. Insoweit hat der Vertreter des öffentlichen Interesses zu Recht angemerkt (Schriftsatz vom 15.11.2016), dass mit einer Aufklärungsrüge nicht die Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, behoben werden können (BVerwG, B.v. 19.1.2010 – 4 B 2.10 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dem steht – entgegen der Ansicht der Klägerin (Schriftsatz vom 19.12.2016, S. 2 oben) – nicht entgegen, dass das Berufungsverfahren eine zweite Tatsacheninstanz ist. Denn diese zweite Tatsacheninstanz ist erst eröffnet, nachdem die Berufung zugelassen worden ist, weil einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt (wie Vorinstanz).