Aktenzeichen M 7 E 16.1499
Leitsatz
Art. 18a Abs. 8 BayGO vermittelt den vertretungsberechtigten Personen eines Bürgerbegehrens keinen Anspruch auf eine bestimmte, aus ihrer Sicht zweckmäßige oder gar “optimierte” Verfahrensgestaltung bei der Durchführung eines Bürgerentscheids; insbesondere sind die Regelungen aus dem Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz bei der Durchführung eines Bürgerentscheids (auch) nicht (analog) anwendbar. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist der Vertretungsberechtigte des Bürgerbegehrens gegen einen geplanten Supermarkt in B. und wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen den festgelegten Termin für die Durchführung des Bürgerentscheids.
Mit Bescheid vom 29. März 2016 hat die Beklagte das Bürgerbegehren betreffend den Einkaufsmarkt B. Nord (Fragestellung: „Sind Sie dafür, dass KEIN Lebensmittelmarkt (SB Markt) auf der Fl.Nr. 1186, 1187 gebaut wird?) zugelassen. In der Gemeinderatssitzung am 22. März 2016 wurde der Termin für die Durchführung des Bürgerentscheids auf den 24. April 2016 bestimmt.
Am 31. März 2016 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, den mit Gemeinderatsbeschluss vom 22.3.2016 auf den 24.04.2016 festgesetzten Termin für den Bürgerentscheid aufzuheben und einen neuen Termin für den Bürgerentscheid zu bestimmen.
Zur Begründung führt er aus, dass nach § 16 des Landkreis- und Gemeindewahlgesetzes die Gemeinde die Durchführung eines Bürgerentscheids spätestens am 28. Tag vor der Abstimmung öffentlich bekannt zu machen habe. Dieser Verpflichtung sei die Gemeinde nicht nachgekommen, so dass der Bürgerentscheid am 24. April 2016 nicht mehr ordnungsgemäß durchgeführt werden könne. Es sei unterlassen worden, die amtliche Bekanntmachung öffentlich durch Aushang anzukündigen, wie durch das Landkreis- und Gemeindewahlgesetz vorgegeben. Am 31. März 2016 sei eine Bekanntmachung über Bürgerverzeichnisse und die Erteilung von Abstimmungsscheinen in den für Bekanntmachungen vorgegebenen Aushang beim Rathaus platziert worden. Es sei zu vermuten, dass dies auf Anweisung der Aufsichtsbehörde geschehen sei. Es werde mit unlauteren Methoden vorgegangen, um schnellstmöglich für den Investor Baurecht zu schaffen. Die Frist von 28 Tagen sei jedenfalls nicht gewahrt und stelle für die Bürgerinitiative unzumutbare Behinderungen dar.
Mit Schreiben vom 7. April 2016 nahm die Antragsgegnerin zu dem Begehren des Antragstellers Stellung. Die einschlägigen Vorschriften seien diejenigen der Gemeindeordnung, der Gemeinde- und Landkreiswahlordnung und des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes. Nach Art. 18a Abs. 17 Satz 1 GO könnten Gemeinden näheres durch Satzung regeln, eine solche gebe es bei der Antragsgegnerin nicht. Somit gebe es keine gesetzlich festgelegten Fristen für die Durchführung eines Bürgerentscheids. Die Antragsgegnerin lehne sich an die Fristen der GLkrWO an, eine Bekanntmachung für die Bekanntgabe des Abstimmungstages gebe es hier nicht. Die erste Bekanntmachung sei nach § 17 GLkrWO die Bekanntmachung über die Einsicht in die Wählerverzeichnisse und die Erteilung von Wahlscheinen am 24. Tag vor der Wahl. Aus dem beigefügten Terminkalender ergebe sich, welche Vorgänge wann veranlasst würden. Der vom Antragsteller zitierte § 16 beziehe sich wahrscheinlich auf eine Mustersatzung aus dem Kommentar von Thum, „Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern“.
Aus den von der Behörde vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass von 31. März bis 8. April 2016 ein Aushang an der Gemeindetafel angeschlagen wurde unter der Überschrift „Bekanntmachung über die Bürgerverzeichnisse und die Erteilung von Abstimmungsscheinen für den Bürgerentscheid Einkaufsmarkt – B. – Nord* am 24.04.12016“ (in einer Fußnote: * Gegenstand des Bürgerentscheids). Ferner wurden im Zeitraum zwischen 29. bis 31. März 2016 an die im Bürgerverzeichnis eingetragenen Personen persönliche Wahlbenachrichtigungskarten versendet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, den festgesetzten Termin für den Bürgerentscheid aufzuheben und einen neuen Termin zu bestimmen, hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch eine Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, nach § 920 Abs. 2 i. V. m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.
Im vorliegenden Fall kann fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg eine Verletzung von Verfahrensvorschriften betreffend die Ankündigungsformalitäten des Bürgerentscheids geltend machen.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (zu den inhaltsgleichen Regelungen eines Bürgerbegehrens und Bürgerentscheids auf Kreisebene) können die vertretungsberechtigten Personen eines Bürgerbegehrens auch nach der Zulassung des Bürgerbegehrens nach Art. 18a Abs. 8 GO in der sich anschließenden Phase bis zur Abstimmung das in dieser Norm verankerte subjektive öffentliche Recht, die auf die Durchführung des Bürgerentscheids gerichteten Belange im eigenen Namen wahrzunehmen. Art. 18a Abs. 8 GO vermittelt den vertretungsberechtigten Personen eines Bürgerbegehrens jedoch keinen Anspruch auf eine bestimmte, aus ihrer Sicht zweckmäßige oder gar „optimierte” Verfahrensgestaltung bei der Durchführung eines Bürgerentscheids. Sie können vielmehr nur eine solche Verfahrensgestaltung verlangen, die erforderlich ist, um den Abstimmungsberechtigten zuverlässig die Möglichkeit zu verschaffen, an der Abstimmung in zumutbarer Weise teilzunehmen. Dieser „Mindeststandard” bezeichnet die Schwelle, bei deren Unterschreiten von einem Bürgerentscheid mit einem demokratisch legitimierten Abstimmungsergebnis keine Rede mehr sein könnte (BayVGH, B. v. 16.8.2004 – 4 CE 04.2253 – NVwZ-RR 2005, 347 f.; BayVGH, B. v. 22.7.2005 – 4 CE 05.1908 – juris Rn. 2).
Dies hat der Verwaltungsgerichtshof zum einen aus den gesetzlichen Vorschriften hergeleitet. Die Durchführung eines Bürgerentscheids ist in der Gemeindeordnung nicht abschließend geregelt. Art. 18a Abs. 10 GO bestimmt lediglich, dass der Bürgerentscheid an einem Sonntag innerhalb von drei Monaten nach der Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durchzuführen ist und diese Frist nur im Einvernehmen mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens um höchstens drei Monate verlängert werden kann (Satz 1 GO), dass die Gemeinde die Kosten des Bürgerentscheids trägt (Satz 2) und dass die Möglichkeit zur brieflichen Abstimmung zu gewährleisten ist (Satz 4). Weitere gesetzliche Regelungen – insbesondere zu der hier in Streit stehenden Frage der Bekanntmachung des Abstimmungstags – fehlen. Eine Verweisung auf die Bestimmungen des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes enthält das Gesetz nicht; die wahlrechtlichen Vorschriften können auch nicht im Wege der Analogie angewendet werden, weil eine unbeabsichtigte Regelungslücke nicht vorliegt und zudem beide Regelungsbereiche erhebliche Unterschiede aufweisen. Die Gemeinde kann das Verfahren im Einzelnen durch Satzung regeln (Art. 18a Abs. 17 GO), muss es aber nicht; sie hat einen weiten Gestaltungsspielraum. Zum anderen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof betont, dass in der Entscheidungsphase im Ausgangspunkt nicht das Individualinteresse derjenigen Bürger, die das zur Abstimmung anstehende Bürgerbegehren durch ihre Unterschrift unterstützt haben, sondern das objektive Allgemeininteresse geschützt wird. Damit können die Vertreter des Bürgerbegehrens lediglich verlangen, dass ein Bürgerentscheid überhaupt durchgeführt wird und dabei ein verfahrensrechtlicher „Mindeststandard“ eingehalten wird. Dieser Rechtsauffassung schließt sich das Gericht an.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin keine Satzung zur Durchführung des Bürgerentscheids erlassen, sondern orientiert sich an den Vorgaben in der Gemeinde- und Landkreiswahlordnung. An die in das Bürgerverzeichnis eingetragenen Bürger erfolgte der Versand einer „Amtlichen Abstimmungsbenachrichtigung zum Bürgerentscheid“ unter Nennung des Abstimmungsthemas („Einkaufsmarkt-B.-Nord“) sowie unter Mitteilung des Abstimmungstags (Sonntag, 24. April 2016) und der Abstimmungszeit (8.00 bis 18.00 Uhr) sowie des Abstimmungsorts. Der Versand dieser persönlich ausgestellten Benachrichtigungskarten erfolgte im Zeitraum zwischen 29. und 31. März 2016. Ferner wurde von 31. März bis 8. April 2016 an der Stelle der gemeindeüblichen Aushänge eine Bekanntmachung veröffentlicht („Bekanntmachung über die Bürgerverzeichnisse und die Erteilung von Abstimmungsscheinen für den Bürgerentscheid Einkaufsmarkt – B.- Nord* (* Gegenstand des Bürgerentscheids) am 24.04.2016“).
Durch diese Verfahrensgestaltung werden die Abstimmungsberechtigten in angemessener Zeit vor dem Abstimmungstag über die Durchführung des Bürgerentscheids in einer Weise in Kenntnis gesetzt, die die Möglichkeit der Teilnahme an der Abstimmung gewährleistet. Die Antragsgegnerin hat vorliegend individuelle Benachrichtigungskarten versendet und nicht lediglich eine öffentliche Bekanntmachung gewählt, was als Mindeststandard ausreichend wäre (vgl. BayVGH, B. v. 16.8.2004 – 4 CE 04.2253 – NVwZ-RR 2005, 348). Die Benachrichtigung der Abstimmungsberechtigten erfolgte auch in ausreichender Zeit vor dem Abstimmungstag. Der Versand der Wahlbenachrichtigungskarten fand Ende März und damit über drei Wochen vor dem Abstimmungstag am 24. April 2016 statt. Weiter war auch dem während einer Woche vom 31. März bis 8. April 2016 ausgehängten gemeindlichen Aushang der Abstimmungstag und das Thema des Bürgerentscheids zu entnehmen. Die Art der Benachrichtigung der Abstimmungsberechtigten und die Vorlaufzeit sind nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B. v. 16.8.2004 – 4 CE 04.2253 – NVwZ-RR 2005, 348 f. „Benachrichtigung drei bis vier Wochen und damit eine (mehr als) ausreichende Zeit vor dem Abstimmungstag“).
Soweit der Antragsteller darauf abstellt, es müsse eine Vorlaufzeit von 28 Tagen eingehalten werden und eine öffentliche Bekanntmachung der Durchführung eines Bürgerentscheids erfolgen, ist dem nicht zuzustimmen. Die Regelungen aus dem Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz sind, wie ausgeführt, bei der Durchführung eines Bürgerentscheids (auch) nicht (analog) anwendbar. Soweit der Antragsteller einen Auszug aus einer Satzung beilegt, aus der sich eine öffentliche Abstimmungsbekanntmachung mit einer Vorlaufzeit von 28 Tagen ergibt, handelt es sich dabei wohl um einen Auszug aus einer Mustersatzung (vgl. Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, 21.00, S. 23 f.), deren Erlass für die Gemeinde nicht verpflichtend ist.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nummer 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG.