Verwaltungsrecht

Verletzung des rechtlichen Gehörs bei Stellenbesetzung im Hinblick auf Einstellungshöchstaltersgrenze

Aktenzeichen  3 CE 17.43

Datum:
22.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 152a
GG GG Art. 33 Abs. 2, Art. 103 Abs. 1
BeamStG § 9
BayLlBG Art. 16
BayHO BayHO Art. 48
BayBG BayBG Art. 48, Art. 49 Abs.1

 

Leitsatz

1. Eine Überraschungsentscheidung, die zum Verstoß gegen das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG führt, ist nicht gegeben, wenn das Gericht sich mit den Ausführungen beider Parteien auseinandergesetzt hat, dann aber den Ausführungen der einen Partei folgt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit der Ablehnung eines Bewerbers aufgrund der in Art. 23 BayBG und Art. 48 BayHO normierten Altershöchstgrenze, mit der Folge, dass dies faktisch nachträglich zur Beschränkung eines Auswahlverfahrens für einen Beförderungsposten auf das eigene Ressort führt, bewegt sich der Dienstherr im Rahmen seiner pflichtgemäßen Ermessensausübung, wenn er einen hinreichenden sachlichen Grund in Form personalwirtschaftlicher und haushaltsrechtlicher Belange darlegt. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Grundsätze zu den Einstellungshöchstgrenzen ins Beamtenverhältnis gelten gleichermaßen bei der Übernahme eines Beamten durch einen anderen Dienstherrn (ebenso BVerwG BeckRS 2016, 113754; BVerwG BeckRS 2005, 21895). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 CE 16.1658 2016-12-23 Bes VGHMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG wird durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2016 (Az. 3 CE 16.1658) nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht‚ sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfG‚ B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 Rn. 35). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht‚ die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG a.a.O. Rn. 39), nicht aber dazu, den Vorstellungen eines Beteiligten zu folgen (BVerwG, B.v. 1.8.2011 – 6 C 15/11 – juris Rn. 1; BayVGH‚ B.v. 13.11.2013 – 10 C 13.2207 – juris Rn. 2). Voraussetzung für einen Erfolg der Anhörungsrüge ist weiter, dass der Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist (vgl. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Gemessen an diesen Maßstäben und dem Vortrag der Antragstellerin im Rahmen des vorliegenden Verfahrens verletzt der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2016 (Az. 3 CE 16.1658) nicht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.
Die Antragstellerin lässt im Wesentlichen vortragen, im Beschluss des Senats vom 23. Dezember 2016 sei entscheidend auf einen Gesichtspunkt abgestellt worden, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht habe rechnen müssen. Dies sei als Überraschungsentscheidung zu werten. Das Gericht habe den eigenen Vortrag des Antragsgegners im Schriftsatz vom 5. August 2016 verkannt, worin dieser betont habe, dass sich die Ausschreibung der streitgegenständlichen Stelle nicht auf die Statusbeamten des eigenen Ressorts beschränkt hätte. Er habe ausdrücklich erklärt, dass die Antragstellerin grundsätzlich in den Bewerberkreis mit aufgenommen worden sei, da sie die Ausschreibungskriterien erfüllt habe. Soweit das Gericht im Beschluss von einer unbewussten nachträglichen Beschränkung des Bewerberkreises durch den Antragsteller ausgehe, weiche es insofern vom übereinstimmenden Sachvortrag beider Parteien ab. Damit unterstelle es dem Antragsgegner einen sachfremden und seinen Interessen entgegenstehenden Willen. Dies sei überraschend, wenn nicht gar willkürlich. Der Senat habe damit einen für die Antragstellerin günstigen Vortrag der Gegenpartei nicht gehört und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Dem Antrag der Antragstellerin hätte stattgegeben werden müssen, dieser hätte nicht an der Altersgrenze scheitern dürfen.
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise vermag der Senat nicht zu erkennen. Das Gebot rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht nämlich nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Beteiligten inhaltlich zu folgen. Dementsprechend stellt die Anhörungsrüge keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung dar (vgl. BVerwG, B.v. 18.3.2016 – 1 A 1.16 – juris Rn. 2).
Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin hat der Senat die Ausführungen des Antraggegners in der Antragserwiderung vom 11. Juli 2016 und im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBWK) vom 5. August 2016 zur Kenntnis genommen und im Rahmen der Entscheidung vom 23. Dezember 2016 umfassend gewürdigt. Der Senat hat hierzu umfangreich ausgeführt, dass die Stellenausschreibung – auch aus seiner Sicht – (zunächst) unbeschränkt erfolgte und dabei ausdrücklich auf den im Schriftsatz des Antragsgegners vom 5. August 2016 erklärten Willen des StMWBK abgestellt, wonach die Antragstellerin grundsätzlich in den Bewerberkreis aufgenommen gewesen sei, da sie die Anforderungskriterien erfüllt habe. Der Senat hat zudem ausgeführt, dass sich eine Beschränkung auf das Personal des Ressorts auch nicht dem Wortlaut der Ausschreibung vom 27. Januar 2016 entnehmen lasse, die sich nach dem Anforderungsprofil sowohl an Schulaufsichtsbeamte als auch an sonstige Beamte mit entsprechenden Qualifikationen, die nicht auf den staatlichen Bereich beschränkt sind, gerichtet habe. Hieraus lässt sich erkennen, dass sich der Senat mit dem Vorbringen des Antragsgegners ausführlich auseinander gesetzt hat und mit der Auffassung der Antragstellerin übereinstimmt.
Den Ausführungen des Antragsgegners im Besetzungsvermerk vom 20. April 2016 (gebilligt durch den Staatsminister am 10. Mai 2016) und dem Schreiben des StMWBK vom 14. Juni 2016 ist jedoch eindeutig zu entnehmen, dass die Antragstellerin als Kommunalbeamtin letztlich trotz (zunächst) unbeschränkter Ausschreibung nicht in die sich an den Grundsätzen der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) orientierende Auswahlentscheidung um die streitgegenständliche Stelle miteinbezogen wurde, da aufgrund ausreichend eigener qualifizierter Bewerber aus dem staatlichen Bereich die aufgrund des Überschreitens der Altersgrenze notwendige Zustimmung des Finanzministeriums nicht erteilt werden würde. Soweit der Senat hieraus den logischen Schluss zieht, dass die Auswahlentscheidung durch den Antragsgegner faktisch auf Ressortbeamte beschränkt wurde, ist dies nicht als überraschend zu bezeichnen, sondern folgt insoweit gerade den Ausführungen des Antragsgegners. Eine den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung ist insoweit nicht ersichtlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (BayVGH, B.v. 8.9.2016 – 10 C 16.1214 – juris Rn. 13; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 108 Rn. 24 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat das Gericht jedoch lediglich den Vortrag des Antragsgegners zu seiner Vorgehensweise im Rahmen der Auswahlentscheidung, die auch bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens (Az. M 5 E 16.2830) war und dort entsprechend gewürdigt wurde (s. S. 8 des Beschluss des VG München vom 16. August 2016: „…die Erteilung einer Ausnahme von der Altersgrenze wurde unter Hinweis auf die fehlenden Voraussetzungen hierfür abgelehnt mit der Folge, dass die Antragstellerin nicht in einen Leistungsvergleich mit den weiteren Bewerberinnen einbezogen wurde.“), in seiner Wirkung aufgezeigt.
Nach Auffassung des Senats ist diese Entscheidung des Antragsgegners nach der gebotenen summarischen Überprüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Ergebnis auch nicht zu beanstanden. Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin hat der Senat hierbei dem Antragsgegner auch keine unbewusste nachträgliche Beschränkung entgegen seinem eigentlichen Interesse unterstellt. Für die Antragstellerin als Beförderungsbewerberin, die zugleich auch die Versetzung zu einem anderen Dienstherrn anstrebt, bestimmt sich der zu beachtende gesetzliche Rahmen für die Auswahl nicht nur nach den für die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung maßgeblichen Bestimmungen des Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 94 BV, § 9 BeamtStG, Art. 16 BayLlBG, sondern auch nach dem gemäß Art. 49 Abs. 1, 48 BayBG eingeräumten Ermessen, das im Rahmen des Einvernehmens zur Versetzung auszuüben ist. Der Senat hat ausführlich dargelegt, dass der aufnehmende Dienstherr grundsätzlich nicht verpflichtet ist, sein Einvernehmen zur Übernahme von Beamten anderer Dienstherrn zu erteilen (BVerwG, U.v. 13.11.1986 – 2 C 33.84 – juris Rn. 16). Dieses kann nach obergerichtlicher Rechtsprechung aus allen Gründen unterbleiben, die die Ablehnung einer Einstellung rechtfertigen (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2004 – 2 C 37/03 – juris Rn. 25 m.w.N; U.v. 13.11.1986 a.a.O. Rn. 17; OVG NW, B.v. 3.7.2001 – 1 B 670/01 – juris Rn. 14 ff.), also vorliegend auch aus Altersgründen (vgl. Art. 23 BayBG, Art. 48 BayHO). Der Antragsgegner hat mehrfach (u.a. im Schreiben des StMBWK vom 14.6.2016) ausgeführt, dass aufgrund weiterer geeigneter Bewerber im Staatsdienst ein dringendes öffentliches Interesse an der Versetzung der Antragstellerin nicht vorgelegen hat. Soweit der Antragsgegner im Rahmen seiner pflichtgemäßen Ermessensausübung gemäß Art. 48, 49 BayBG für die Erteilung des Einvernehmens zur beantragten Versetzung zunächst auf die in Art. 23 BayBG und Art. 48 BayHO normierte Altersgrenze abstellt und aufgrund vorhandener eigener geeigneter Bewerber von einer dort festgelegten Ausnahmemöglichkeit absieht, führt dies zur (nachträglichen) Beschränkung des Auswahlverfahrens für den streitgegenständlichen Beförderungsdienstposten auf das Personal des eigenen Ressorts. Nach Auffassung des Senats hat der Antragsgegner hierfür einen hinreichend sachlichen Grund in Form von personalwirtschaftlichen und haushaltsrechtlichen Belangen dargelegt. Ermessensfehler waren im Rahmen der gebotenen Prüfung nicht ersichtlich, insbesondere hat der Antragsgegner gerade nicht nur formelhaft auf die Altersgrenze abgestellt, sondern geprüft, ob ausnahmsweise ein dringendes öffentliches Interesse für die Versetzung der Antragstellerin vorgelegen hat. Einen Gehörsverstoß gemäß Art. 103 Abs. 1 GG kann die Antragstellerin hieraus jedenfalls nicht herleiten.
Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 23. Dezember 2016 festgestellt hat, dass es aus seiner Sicht auch möglich gewesen wäre, das Auswahlverfahren für einen Beförderungsdienstposten von vornherein auf die Beamtinnen/Beamten des staatlichen Bereichs zu beschränken (vgl. BayVGH, B.v. 16.5.2013 – 3 CE 13.307 – juris für die Begrenzung der Bewerber auf Beschäftigte der Staatlichen Forstverwaltung sowie der Bayerischen Staatsforsten), so sind diese Ausführungen lediglich als Ergänzung im Zusammenhang mit der aus seiner Sicht zulässigen nachträglichen Beschränkung der Auswahlentscheidung auf bereits im Staatsdienst stehende Beamte zu sehen. Ein Gehörsverstoß wird damit nicht aufgezeigt.
Im Zusammenhang mit der vom Antragsgegner in Bezug genommenen Altersgrenze hat der Senat in seinem Beschluss vom 23. Dezember 2016 auf die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vereinbarkeit von Einstellungshöchstaltersgrenzen (s. BVerwG, U.v. 11.10.2016 – 2 C 11/15 – juris zu § 14 Abs. 3 LBG NRW) mit dem Grundgesetz und Unionsrecht verwiesen. Dort ist ausdrücklich festgehalten, dass Einstellungshöchstaltersgrenzen im Rahmen bestimmter Vorgaben der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung (durch formelles Gesetz oder aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage) vor dem Hintergrund des beamtenrechtlichen Lebenszeitprinzips dem berechtigten Interesse des Dienstherrn an einem angemessenen Verhältnis zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit dienen. Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Verweis auf die o.g. Rechtsprechung würde in keinerlei Bezug zum streitgegenständlichen Sachverhalt stehen, da es bei der Antragstellerin nicht um eine Neueinstellung, sondern um eine Versetzung zu einem früheren Dienstherr gehe, übersieht sie die vorangegangenen Ausführungen des Senats, der unter Hinweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung bei der Versetzung die gleichen Grundsätze für anwendbar hält, die auch für die erstmalige Begründung eines Beamtenverhältnisses gelten (s.o.; BVerwG, U.v. 23.9.2004 – 2 C 37/03 – juris Rn. 25 m.w.N.). Der Senat war deshalb im Beschluss vom 23. Dezember 2016 zu der Auffassung gelangt, dass das Einvernehmen zur Übernahme eines versetzungsbereiten Beamten aus allen Gründen unterbleiben kann, die die Ablehnung einer Einstellung rechtfertigen, also auch aufgrund des Erreichens der – vom Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich mit höherrangigem Recht für vereinbar erklärten – Höchstaltersgrenze, wenn eine Ausnahme aufgrund eigener qualifizierter Bewerber nicht im dienstlichen Interesse liegt. Im Übrigen wird durch dieses Vorbringen der Antragstellerin kein Gehörsverstoß gemäß Art. 103 Abs. 1 GG aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge eine Festgebühr nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).

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