Verwaltungsrecht

Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt – Keine unzureichende Würdigung der sozialen oder familiären Bindungen

Aktenzeichen  10 C 17.2548

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4345
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
FreizügG/EU § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3
BayVwVfG Art. 23 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Der Kläger kann nicht mit Erfolg beanstanden, das Verwaltungsgericht habe in der Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten Belange unzureichend gewürdigt, insoweit er sich auf soziale oder familiäre Bindungen im Bundesgebiet beruft, zu denen er bisher noch keine Angaben hat, weil er dies erst in der mündlichen Verhandlung tun wolle. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 K 17.852 2017-11-29 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, ihm für seine beim Verwaltungsgericht anhängige Klage Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen. Die Klage richtet sich gegen der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2017, mit dem festgestellt wurde, dass der Kläger sein Recht auf Einreise und Aufenthalt verloren hat, und ihm die Einreise und der Aufenthalt für sechs Jahre untersagt sowie ihm unter Bestimmung einer Ausreisefrist die Abschiebung angedroht wurde.
Die Beschwerde ist zulässig. Die Zweifel der Beklagten in Bezug auf eine ladungsfähige Anschrift ergaben sich erkennbar aus der Wohnungssituation des Klägers in unmittelbarem Anschluss an seine Entlassung aus dem Strafvollzug. Mittlerweile hat der Kläger unbestritten eine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen dafür nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife hatte die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach der damaligen – und im Übrigen auch jetzt noch zutreffenden – Sach- und Rechtslage hat die Beklagte nach einer summarischen Überprüfung zu Recht festgestellt, dass der Kläger sein Recht auf Einreise und Aufenthalt verloren hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 FreizügG/EU). Die Straftat, wegen der der Kläger verurteilt wurde, lässt ein persönliches Verhalten erkennen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt; der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts. Auch eine fehlende oder unzutreffende Würdigung der in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten Belange des Klägers ist nicht erkennbar. Wenn der Kläger sich insoweit darauf beruft, er habe bisher noch keine Angaben zu seinen sozialen oder familiären Bindungen im Bundesgebiet gemacht, weil er dies erst in der mündlichen Verhandlung tun wolle, so kann er andererseits nicht beanstanden, das Verwaltungsgericht habe diese unzureichend gewürdigt.
Auch die im Hinblick auf den Ablauf der Anhörung vor dem Erlass des Bescheids erhobenen Einwände führen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Erfolg der Klage. Die Beklagte hat nach dem Eingang des in slowakischer Sprache abgefassten 35seitigen Schriftsatzes des Klägers diesen in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG unverzüglich aufgefordert, eine Übersetzung vorzulegen, und die Äußerungsfrist verlängert. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht dargelegt, dass hier die Jahreszahl „2016“ ein offensichtliches Versehen war, das den Kläger nicht an einer rechtzeitigen Stellungnahme oder zumindest an einer Bitte um weitere Verlängerung der Äußerungsfrist gehindert hätte.
Der Kläger war nicht gehindert – und ist dies auch weiterhin nicht –, im Klageverfahren seiner Meinung nach relevante persönliche Umstände, insbesondere zu seinen sozialen und familiären Bindungen im Bundesgebiet vorzutragen, hat dies jedoch bisher nicht getan. Er kann dann im Hinblick auf die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage durch das Verwaltungsgericht anhand der bisher bekannten Umstände nicht beanstanden, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt. Gleiches gilt hinsichtlich der Erwähnung der in Österreich ergangenen Verurteilungen durch das Verwaltungsgericht; wenn er bemängelt, dass die österreichischen Strafakten nicht beigezogen worden seien, müsste er darlegen, welche bisher nicht berücksichtigten, aber für das Verfahren relevanten Gesichtspunkte sich daraus ergeben könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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