Aktenzeichen B 4 S 17.81
Leitsatz
1 Eine besondere Härte in Gestalt einer erheblichen Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung (§ 31 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 AufenthG) besteht nicht, wenn eine Ausländerin auch ohne familiären Rückhalt selbständig in anderen Teilen der Türkei leben und sich damit einer behaupteten Ausgrenzung durch die Familie entziehen kann. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Annahme der Unzumutbarkeit, an der ehelichen Lebensgemeinschaft weiter festzuhalten, setzt einen substantiierten und belegten Vortrag voraus. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, türkische Staatsangehörige, reiste am 16.09.2015 mit einem nationalen Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt auf ihren Antrag vom 01.10.2015 eine bis zum 30.09.2016 befristete Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem im Bundesgebiet lebenden deutsch-türkischen Ehemann, deren Verlängerung sie am 08.09.2016 beantragte. Laut Abmeldung der Meldebehörde R. vom 01.12.2016 zog die Antragstellerin am 15.11.2016 aus der ehelichen Wohnung aus. Seitdem wohnt sie bei der Schwiegermutter ihrer Schwester in der Stadt H..
Mit Schreiben vom 12.12.2016 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin erneut die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis und gab an, ihr Ehemann habe sie genötigt, die eheliche Wohnung zu verlassen und für den Fall einer Rückkehr mit körperlicher Gewalt gedroht. Sie könne auch nicht in die Türkei zurückkehren, weil im Osten der Türkei, wo sie herkomme, eine geschiedene Frau Grund für eine Familienfehde oder einen Ehrenmord sei.
Mit Anwaltsschreiben vom 29.12.2016 gab der Ehemann der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin an, die Trennung sei durch den Auszug der Antragstellerin erfolgt, die zu ihren Verwandten nach H. gezogen sei. Für ihn sei damit die Ehe gescheitert, er sehe keine Hoffnung auf eine Versöhnung. Bei ihm habe sich nach der Trennung der Eindruck verstärkt, dass die Eheschließung seitens der Antragstellerin allein im Hinblick auf einen möglichen Aufenthalt in Deutschland erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 17.01.2017 gab die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin an, nachdem sie nach ihrer Heirat in der Türkei am … 2015 nach Deutschland gekommen sei, habe sich das Verhalten ihres Ehemannes ihr gegenüber geändert, er sei gewalttätig geworden, sie habe psychische und physische Gewalt erlitten und sei sehr isoliert gehalten worden. Am 17.11.2016 sei die Situation eskaliert und ihr Mann habe sie vor die Tür gesetzt. Sie habe dann Aufnahme bei der Schwiegermutter ihrer Schwester gefunden. Wie sich aus den beigefügten SMS-Auszügen ergebe, existiere eine Bedrohung durch den Ehemann immer noch. Bei einer Rückkehr in ihr Heimatdorf …, das an der syrischen Grenze liege und sehr religiös sei, würde ihr Gefahr für Leib und Leben drohen. Sowohl die eigene als auch die angeheiratete Familie wollten sie umbringen. Da sie nach deren Vorstellungen die Ehre beschmutzt/verletzt habe, gebe es nur eine Lösung – ihren Tod. Ihr Bruder in der Türkei habe ihr mitgeteilt, dass er sie nicht die ganze Zeit beschützen könne.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.01.2017 trug die Antragstellerin ergänzend vor, da das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei, dürfe sie auf Grund des Schutzes von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG derzeit nicht abgeschoben werden. Unabhängig davon sei sie zur Zeit der Ehe seitens ihres Ehemannes und dessen Familie erheblicher psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt worden. Eine Rückkehr ins Elternhaus oder dergleichen sei der Antragstellerin nicht zumutbar. Sie habe in der Türkei keine formalisierte Ausbildung genossen, sodass es ihr nicht möglich sei, ein ausreichendes Einkommen an einem dritten Ort in der Türkei zu erwirtschaften. Die Rückkehr in die Familie sei nicht möglich, da sie mit ihrem Ehemann verwandt sei (ihre Mütter seien Cousinen) und ihre Eltern für die Beendigung der Ehe kein Verständnis hätten. Sie seien davon ausgegangen, dass die Tochter zu verstoßen wäre. Auch weitere Familienangehörige hätten wegen der Haltung der Eltern und des Zusammenhalts innerhalb der Familie bereits Hilfe abgelehnt. Die Antragstellerin hätte also keinerlei Möglichkeit, sich selbst zu unterhalten. Ferner sei davon auszugehen, dass bei dem derzeitigen Umbruch in der Türkei die früheren Regelungen der Rechtsstaatlichkeit nur sehr eingeschränkt Anwendung fänden. Ein Verlassen werden durch die Ehefrau könne nach dortigem Moralverständnis sowie nach der teilweise in den Provinzen noch angewendeten Scharia geahndet werden. Bei einer Rückkehr in die Türkei habe die Antragstellerin daher keinerlei materielle Grundlage für die Fortsetzung des Lebens, sondern sei Nachstellungen durch Dritte ausgesetzt.
Mit Bescheid vom 31.01.2017 wurden von der Antragsgegnerin der Antrag der Antragstellerin vom 08.09.2016 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziffer 1) und die Antragstellerin unter Fristsetzung bis zum 17.02.2017 und Abschiebungsandrohung in die Türkei zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert (Ziffern 2 und 3). Begründet wird die Entscheidung damit, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann nicht mehr bestehe, im Bundesgebiet keine drei Jahre bestanden habe und dass keine Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG vorliege. Auf die diesbezüglichen umfangreichen Ausführungen wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.02.2017, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, hat die Antragstellerin zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf entsprechenden Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz vom 14.02.2017 nunmehr beantragt,
die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Ferner hat sie Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … beantragt.
Zur Begründung wird vorgetragen, die Antragstellerin werde in der Hauptsache gegen den Bescheid vom 31.01.2017 vorgehen. Die aufschiebende Wirkung sei anzuordnen, weil diese Klage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben werde. Ca. zwei Monate nach Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet sei es zu ersten körperlichen Übergriffen und Gewaltandrohungen durch den Ehemann gekommen. Dieser habe wiederholt die Antragstellerin an den Oberarmen gepackt, geschüttelt und an den Haaren gezogen und mit Ohrfeigen gedroht. Hierzu sei es stets gekommen, wenn die Antragstellerin es gewagt habe, eine andere Ansicht zu vertreten oder sich gegen die haltlosen Vorwürfe des Ehemannes bzw. seiner Schwester und Mutter, sie würde nicht ausreichend und nicht gut kochen und sei untauglich, weil sie keine Kinder gebären könne, zur Wehr zu setzen. Hierdurch sei die Antragstellerin in einen Zustand dauerhafter Angst und Bedrückung mit nächtlichem Grübelzwang, Angstausbrüchen und dergleichen geraten, der mittlerweile einen Krankheitswert im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer Anpassungsstörung im Sinne einer Angststörung erreicht habe. Insoweit werde auf die beigefügte eidesstattliche Versicherung sowie die ärztliche Bescheinigung des behandelnden Arztes Dr. med. K. verwiesen. Die Antragstellerin sei in dauernder ärztlicher Behandlung, sowohl durch die Hausärzte als auch durch Dr. med. K., die im Falle einer Abschiebung abgebrochen werden müsste. Da es sich um eine vermittelte Ehe handele, könne die Antragstellerin nicht zu ihren Eltern zurückkehren. Diese hätten ihre Wiederaufnahme bereits abgelehnt. Die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft sei aufgrund der Verhaltensweise, die für die Antragstellerin zu einer Gefahr für Leib und Leben geführt habe, unzumutbar gewesen. Daher habe sie die eheliche Wohnung verlassen und sei zu Verwandten nach H. gezogen.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 16.02.2017 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus, das Attest des Dr. med. K. gebe im Wesentlichen die Aussagen der Antragstellerin wieder. Es entspreche nicht den Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung. Aus ihm ergebe sich nicht, dass eine psychologische Behandlung der Antragstellerin in Deutschland erfolgen müsse. Diese könne ebenso in der Türkei erfolgen, zumal die Antragstellerin nach eigenen Aussagen der deutschen Sprache kaum mächtig sei, was gerade eine psychologische Behandlung erheblich erschwere. Auch sei eine ärztliche bzw. psychologische Behandlung offenbar erst eingeleitet worden, als aufenthaltsbeendende Maßnahmen bereits unmittelbar bevorgestanden hätten. Die eidesstattliche Versicherung vom 03.02.2017 enthalte ebenfalls keine neuen Erkenntnisse. Es würden lediglich die bisherigen Aussagen der Antragstellerin wiederholt und pauschal körperliche und psychische Misshandlungen angeführt, ohne diese detailliert darzulegen oder beispielsweise durch Zeugenaussagen zu untermauern. In der Gesamtbetrachtung habe die Antragstellerin weder das Vorliegen einer Unzumutbarkeit im Hinblick auf die Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft noch eine aus der Rückkehrverpflichtung erwachsende erhebliche Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange schlüssig dargelegt. So sei im Schreiben vom 12.12.2016 zunächst mitgeteilt worden, der Ehemann habe die Antragstellerin zum Verlassen der Wohnung genötigt. Eine Rückkehr in die Türkei sei aufgrund der Gefahr einer Familienfehde bzw. Ehrenmordes nicht möglich. In der Äußerung vom 17.01.2017 werde allgemein angeführt, dass es seitens des Ehemannes zu psychischer und physischer Gewalt gekommen sei. Gleichzeitig werde jedoch erneut bekräftigt, dass die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft vom Ehemann ausgegangen sei, mithin eine Unzumutbarkeit im Hinblick auf deren Fortführung für die Antragstellerin offenbar nicht vorgelegen habe. Weiter werde ausgeführt, dass einzelne Familienmitglieder die Antragstellerin schützen würden. Ohne dies detailliert darzulegen, gebe die Antragstellerin auch an, dass ihr gegenüber Morddrohungen sowohl seitens der eigenen als auch der angeheirateten Familie ausgesprochen worden seien, von wem und in welcher Form werde nicht dargelegt. Im Rechtsanwaltsschreiben vom 26.01.2017 werde erneut pauschal geäußert, die Antragstellerin sei in der Ehe psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt gewesen. Weiterhin werde hier angeführt, die Antragstellerin besäße keine Möglichkeit, sich im Heimatland eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Etwaige Bedrohungen kämen hier nicht zu Sprache. Gepaart mit den erst nach Bescheiderlass dem Gericht übermittelten Unterlagen führe die Antragstellerin eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte zur Begründung eines Härtefalles an, ohne auch nur einen davon näher darzulegen und durch für die Antragsgegnerin nachprüfbare Umstände zu belegen. Eine mit der Rückkehrverpflichtung einhergehende Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange der Antragstellerin sei nicht ersichtlich. Sie habe weder dargelegt, weshalb ihr eine eigenständige wirtschaftliche Existenz gegebenenfalls auch in einem anderen Teil der Türkei nicht möglich sei, noch habe sie die angeblich ihr gegenüber ausgesprochenen Drohungen dezidiert dargelegt. Vielmehr würden von Schriftsatz zu Schriftsatz immer wieder neue Gründe und Sachverhalte angeführt. Auch werde nicht erläutert, weshalb der Antragstellerin aufgrund der Trennung gedroht werde, wenn diese doch vom Ehemann ausgegangen sei und dieser auch bekräftige, dass er an einer Fortsetzung nicht interessiert sei. Unabhängig davon bestünde die Bedrohung im Bundesgebiet ebenfalls. Festzuhalten bleibe, dass die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht von der Antragstellerin ausgegangen sei. Werde die eheliche Lebensgemeinschaft von dem stammberechtigten Ehegatten beendet, werde für den ausländischen Ehegatten die Aufrechterhaltung unmöglich, aber nicht unzumutbar.
Mit Schriftsatz vom 15.02.2017 trug die Antragsgegnerin ergänzend vor, die Darstellung im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 14.02.2017, sie sei aufgrund physischer und psychischer Gewalt vor ihrem Ehemann geflüchtet, widerspreche den eigenen früheren Aussagen der Antragstellerin. So habe ihre damalige Verfahrensbevollmächtigte der vorher zuständigen Ausländerbehörde wiederholt mitgeteilt, dass der Ehemann die Antragstellerin der Wohnung verwiesen habe. Diese Aussage habe die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin mehrfach wiederholt. Auch aus der Stellungnahme der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 26.01.2017, in der die Aussetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen während des Trennungsjahres gefordert werde, lasse sich schließen, dass seitens der Antragstellerin offenbar zumindest die Möglichkeit gesehen werde, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Originalakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Absatz 1 Satz 1 ZPO abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (siehe dazu 2.). Infolgedessen scheidet auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO aus.
2. Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31.01.2017 ist unbegründet, weil das Interesse der Antragstellerin, bis zur Entscheidung in der Hauptsache in Deutschland zu bleiben, das öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit ihrer Ausreisepflicht nicht überwiegt. Ausschlaggebend für das Ergebnis der gebotenen Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage wird eine Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht und gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben, weil diese Entscheidungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sind und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt zunächst der umfassenden und zutreffenden Begründung des Bescheides vom 31.01.2017 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Zu Recht hält es die Antragsgegnerin nicht gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zur Vermeidung einer besonderen Härte für erforderlich, der Antragstellerin trotz Nichterfüllung der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Eine besondere Härte liegt gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist.
Eine besondere Härte in Gestalt einer erheblichen Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG kann sich nur aus solchen Beeinträchtigungen ergeben, die mit der Ehe oder ihrer Auflösung in Zusammenhang stehen (BVerwG, Urteil vom 09.06.2009 – 1 C 11/08, juris Rn. 24 ff).
Ein solcher Zusammenhang besteht zwar zwischen der Auflösung der Ehe und den geltend gemachten familiären Konsequenzen in der Türkei – Versagung von Wiederaufnahme/Unterstützung seitens der eigenen Familie und Gefahr eines Ehrenmordes. Aber abgesehen davon, dass die Antragstellerin keine konkreten objektiven und nachprüfbaren Anhaltspunkte für die Begründetheit der von ihr geäußerten Befürchtungen angegeben hat und in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 03.02.2017 von der Gefahr eines Ehrenmordes nicht mehr die Rede ist, sondern nur noch von einer Mitteilung ihrer Mutter, sie müsse bei ihrem Mann bleiben, muss sie sich auf die Möglichkeit verweisen lassen, nicht zu ihrer Familie, sondern in einen anderen Teil der Türkei zurückzukehren. Der 25-jährigen Antragstellerin ist es möglich und zumutbar, selbständig ohne familiären Rückhalt zu leben und auch ohne eine qualifizierte Berufsausbildung ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mit ihren – nach eigenen Angaben rudimentären – Deutschkenntnissen dürfte dies in der Türkei vielleicht sogar leichter sein als in Deutschland. Eine erhebliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange, die mit der Auflösung der Ehe in Zusammenhang steht, droht der Antragstellerin wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung demnach nicht.
Die Feststellung gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG, dass der Antragstellerin wegen der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar – und nicht (nur) unmöglich – war, setzt voraus, dass sie selbst und nicht ihr Ehemann die eheliche Lebensgemeinschaft beendet hat. Insoweit sind die Aussagen der Antragstellerin widersprüchlich. Zunächst wurde der Sachverhalt von ihr und ihrer ursprünglichen Verfahrensbevollmächtigten wiederholt so dargestellt, dass die Antragstellerin von ihrem Ehemann genötigt wurde, aus der ehelichen Wohnung auszuziehen. Erst der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin spricht davon, dass sie ihren Ehemann verlassen habe bzw. aus der Ehe geflüchtet sei. In ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 03.02.2017 vermeidet die Antragstellerin eine Aussage dazu, wie es konkret zur Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft gekommen ist, sondern zieht aus der Schilderung der familiären Situation nur den Schluss, dass sich hierdurch bei ihr eine Erkrankung entwickelt habe. Unabhängig davon, dass wohl eher die erste, spontane und vom Gang des Verfahrens noch unbeeinflusste Darstellung den Tatsachen entsprechen dürfte, ist weder durch den Arztbrief des Dr. med. K. vom 20.01.2017 noch durch die eidesstattliche Versicherung hinreichend belegt, dass der Antragstellerin als einem Opfer häuslicher Gewalt wegen der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar gewesen wäre. Die Eingriffe des stammberechtigten Partners müssen auf Seiten des Opfers zu einer Situation geführt haben‚ die maßgeblich durch Angst vor physischer oder psychischer Gewalt geprägt war. Insoweit kommt es nicht auf die subjektiv empfundene Unzumutbarkeit an‚ sondern die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange muss objektiv eine gewisse Intensität erreicht haben (BayVGH, Beschluss vom 23.07.2015 – 10 ZB 15.1026, juris Rn. 6). In ihrer eidesstattlichen Versicherung beschreibt die Antragstellerin nur eine konkrete Situation, in der es zur Anwendung körperlicher Gewalt seitens des Ehemannes im Rahmen einer Auseinandersetzung wegen seiner Schwester gekommen sei. Ihr Mann habe sie an beiden Oberarmen gepackt und geschüttelt und an den Haaren gezogen und ihr mitgeteilt, sie habe kein Recht, etwas über seine Schwester zu sagen. Dieser Vorfall ist für sich und objektiv betrachtet noch kein Grund für eine dauernde Angst vor physischer oder psychischer Gewalt. Die weitere pauschale Aussage der Antragstellerin, sie sei wiederholt körperlich angegangen worden und habe Angst gehabt, dass sie misshandelt werde, ist zu unsubstantiiert, um daraus eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange, die das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar machte, abzuleiten. Die geschilderten ständigen Vorwürfe ihres Ehemannes und seiner Mutter bzw. Schwester wegen angeblicher Unzulänglichkeiten der Antragstellerin mögen zwar unerfreulich und belastend gewesen sein, erreichten aber bei objektiver Betrachtung nicht die für die Annahme einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange erforderliche Intensität. Dass dies doch der Fall sei, weil die familiäre Situation zu einer psychischen Erkrankung der Antragstellerin geführt habe, sieht das Gericht nicht als erwiesen an. Der vorgelegte Arztbrief des Dr. med. K. vom 20.01.2017 erfüllt nicht ansatzweise die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung (vgl. § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG). Er gibt im Wesentlichen die Aussagen der Antragstellerin wieder, ohne sie zu hinterfragen, und stützt allein darauf die Diagnose, dass die Voraussetzungen für eine posttraumatische Belastungsstörung, zumindest auch die Voraussetzungen für eine Anpassungsstörung erfüllt seien, sowie die Schlussfolgerung, dass eine Psychotherapie dringend notwendig sei. Insbesondere die außerhalb des ärztlichen Beurteilungsrahmens liegende Empfehlung, dass eine Rückkehr in die Türkei um jeden Preis vermieden werden sollte, weil nach den Angaben der Patientin geschiedene Frauen aus ihrer Gegend als Rechtlose behandelt würden und deshalb als hochgradig gefährdet einzustufen seien, erweckt den Eindruck einer Gefälligkeitsbescheinigung. Dass eine Behandlung in der Türkei, wie von der Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung unter Bezugnahme auf Dr. med. K. vorgetragen, mangels ausreichender Grundlagen nicht möglich sei, ergibt sich aus dem Arztbrief vom 20.01.2017 nicht.
3. Nach alledem wird der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach die Antragstellerin als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abgelehnt.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).