Verwaltungsrecht

Vermittlung von Lotterien im Internet – Feststellungsinteresse nach Erledigung durch Rechtsänderung

Aktenzeichen  10 BV 13.1006

Datum:
12.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GlüStV 2008 § 4, § 19, § 25, § 29
VwGO VwGO § 43 Abs. 1, § 44
AEUV AEUV Art. 56
GG GG Art. 12, Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

Bei Feststellungsklagen sind bei vergangenen Rechtsverhältnissen in Bezug auf das Feststellungsinteresse strengere Anforderungen zu stellen. Es muss entweder die Gefahr der Wiederholung, ein Rehabilitierungsinteresse, ein schwerwiegender Grundrechtseingriff oder die Präjudizwirkung für einen angestrebten Staatshaftungsprozess vorliegen. Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Feststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, also der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 5 K 12.1196 2013-02-28 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Si-cherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet
Die Feststellungsklage mit ihren verschiedenen Anträgen (1.a bis e) für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2012 wurde vom Verwaltungsgericht (im Ergebnis) ebenso zu Recht abgewiesen (I.) wie die Feststellungsklage (Klageanträge 2.a bis e) für den Zeitraum der ab 1. Juli 2012 eingetretenen neuen Rechtslage (II.).
Die Klägerin hat ihre in fünf Anträge untergliederte Feststellungsklage bereits am 20. August 2012 derart umgestellt, dass sie mit ihr nicht nur eine auf die gegenwärtige Rechtslage bezogene Feststellung (hierzu: II.), sondern zugleich auch die Feststellung eines vergangenen, bis 30. Juni 2012 bestehenden Rechtsverhältnisses (hierzu: I.) begehrt. Jede der beiden Feststellungsklagen umfasst fünf voneinander grundsätzlich unabhängige Anträge, die hier gemäß § 44 VwGO „in einer Klage“ zusammengefasst verfolgt werden. Im Kern bezieht sich das Feststellungsbegehren auf die Erlaubnisfreiheit der von der Klägerin schon vor 2008 ausgeübten Tätigkeit der Vermittlung von in Deutschland zugelassenen Lotterien im Internet und die Werbung hierfür auch im Internet. Einer getrennten Prüfung und Beurteilung der fünf verschiedenen Anträge bedarf es weder für den („vergangenheitsbezogenen“) Zeitraum bis 30. Juni 2012 noch für den („gegenwartsbezogenen“) Zeitraum ab 1. Juli 2012, denn die zur Unzulässigkeit der Klagen führenden Erwägungen haben für alle fünf Feststellungsanträge jeweils gleichermaßen Gültigkeit. Der Klägerin geht es also nicht (mehr) nur um die Feststellung der Erlaubnisfreiheit ihrer Betätigung zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern zusätzlich um eine entsprechende Feststellung des bis 30. Juni 2012 bestehenden Rechtsverhältnisses.
I.
Soweit sich die Klage auf das Jahr 2008 bezieht, fehlt es bereits am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin (1.). Ungeachtet dessen ist die auf das Jahr 2008 und den weiteren Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2012 bezogene Klage auf Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO) eines vergangenen Rechtsverhältnis zwar grundsätzlich statthaft (2.); die Klägerin besitzt jedoch im für die Beurteilung der Zulässigkeit ihrer umgestellten Klage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht das in Anlehnung an § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses (3.).
1. Soweit sich die begehrte Feststellung auf das Jahr 2008 bezieht, hat die Klägerin schon kein Rechtsschutzbedürfnis, das allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung für sämtliche Klagearten ist (vgl. hierzu Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Vorb § 40 Rn. 30). Denn sie hat ihre Vermittlungstätigkeit im Internet über das ganze Jahr 2008 hinweg ungeachtet des Umstandes, dass die von ihr auf der Grundlage der Übergangsvorschrift des § 25 Abs. 6 GlüStV 2008 am 29. November 2007 beantragte, auf ein Jahr befristete Erlaubnis versagt worden war, fortgeführt, ohne dass die Glücksspielaufsicht hiergegen etwa mit einer Untersagungsverfügung vorgegangen wäre. Die Klägerin hat die Internetvermittlung in Bayern, wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt, erst zum 1. Januar 2009 eingestellt. In dieser Situation, in der sie sich tatsächlich noch in unverändertem Umfang wirtschaftlich betätigt hat, besteht kein Bedürfnis an der Klärung der von ihr (auch) für das Jahr 2008 aufgeworfenen und grundsätzlich feststellungsfähigen Rechtsfragen. Diesem Umstand hat die Klägerin im Übrigen bereits Rechnung getragen, indem sie den Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht einer Erledigung zugeführt hat, soweit es um den – zunächst ebenfalls streitgegenständlichen – Bescheid des Beklagten vom 4. April 2008 ging, mit dem die Erlaubnis zur Internetvermittlung nach der genannten Übergangsvorschrift abgelehnt worden war. Ungeachtet des insoweit fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses gelten die folgenden Ausführungen (I. 2.) auch für die auf das Jahr 2008 begehrte Feststellung.
2. Die am 21. April 2008 erhobene und später umgestellte, auf den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2012 bezogene Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Sie ist statthaft, denn ihr liegt ein konkretes feststellungsfähiges, auf die Vergangenheit bezogenes Rechtsverhältnis zu Grunde (2.1). Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage steht nicht entgegen (2.2).
2.1 Es besteht ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Es liegt hier ein bestimmter Sachverhalt – die näher umrissene wirtschaftliche Betätigung der Klägerin – vor, aus dem sich aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen bestimmte rechtliche Beziehungen zwischen der Klägerin als Normadressatin und dem Beklagten als Normanwender ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.2007 – 7 C 13.06 – juris Rn. 21; U.v.. 30.11.2011 – 6 C 20.10 – juris Rn. 12). Dieser Streit betrifft die sich aus bestimmten Normen des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrags 2008 ergebenden Rechtsbeziehungen. Während der Beklagte die Notwendigkeit einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die Vermittlungstätigkeit der Klägerin behauptet, geht diese aus verschiedenen Gründen von einer fortdauernden, wie bis zum Inkrafttreten des Staatsvertrags unstreitig bestehenden Erlaubnisfreiheit aus. Damit haben sich die rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, weil die Anwendung bestimmter Normen des öffentlichen Rechts auf einen überschaubaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 19.94 – juris).
Die Klägerin konnte auch ihre ursprünglichen, auf Feststellung eines aktuellen Rechtsverhältnisses gerichteten Anträge auf die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses umstellen, nachdem sich infolge des Inkrafttretens des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags am 1. Juli die bisher maßgebliche Rechtslage wesentlich verändert hatte. Mit einer Feststellungsklage kann nämlich auch ein vergangenes Rechtsverhältnis zur Klärung gestellt werden (Wolff in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 113 Rn. 305, 319). Dies gilt insbesondere, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung wegen des zwischenzeitlichen Übergangs auf ein neues Rechtssystem das ursprünglich für das (strittige) Rechtsverhältnis maßgebliche Rechtssystem bedeutungslos geworden ist. Ist jedoch – wie hier – das ursprüngliche Rechtsverhältnisses wegen einer grundlegenden Änderung der Rechtslage nach Erhebung der Feststellungsklage beendet (vgl. hierzu: II.1), kann diese Klage unter Beachtung der zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entwickelten Grundsätze fortgeführt werden (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1997 – 1 C 2.95 – juris Rn. 15 ff.; BayVGH, U.v. 4.2.2014 – 10 B 10.2913 – juris Rn. 33). Damit bleibt einem Kläger grundsätzlich die Möglichkeit erhalten zu verhindern, dass der mit der Klage unter entsprechendem Aufwand bereits erreichte Stand nutzlos wird. Die Sachlage ist mit dem Übergang von einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage vergleichbar (OVG BB, U.v. 30.6.2016 – OVG 1 B 2. 14 – juris Rn. 52; eine Analogiemöglichkeit verneinend: Wolff in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 113 Rn. 319, der für das Feststellungsinteresse gleichwohl auf § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zurückgreift; ähnlich: Schenke in Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 25).
Mit der vorgenommenen Umstellung ist keine Klageänderung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO) verbunden. Denn mit der ursprünglich erhobenen Feststellungsklage wurde nicht die Feststellung der Erlaubnisfreiheit auch für den Fall künftiger, inhaltlich nicht vorhersehbarer Rechtsänderungen begehrt; vielmehr bildeten die seinerzeit gültigen Rechtsnormen des Glücksspielstaatsvertrags 2008 die konkrete Grundlage des zwischen den Beteiligten festzustellenden Rechtsverhältnisses (SächsOVG, U.v. 2.12.2013 – 3 A 242/11 – juris Rn. 44). Bezieht die Klägerin also ihren Feststellungsantrag ausdrücklich auf die zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (hier: infolge des Außerkrafttretens des Glücksspielstaatsvertrags 2008) nicht mehr geltende Rechtslage, verfolgt sie damit nur ihren ursprünglich gestellten Klageantrag – ohne Klageänderung – fort.
2.2 Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht der Vorrang der Gestaltungs- oder Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) entgegen. Denn die Klägerin konnte ihre Rechtsbehauptung, weiterhin ohne Erlaubnis im Internet Lotterien vermitteln zu dürfen, nicht in gleicher Weise effektiv im Wege der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage verfolgen, ohne damit von ihrem eigentlichen Rechtsschutzziel abzugehen. Gerade mit Blick auf die von der Klägerin bestrittene Wirksamkeit des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Erlaubnisvorbehalts (§ 4 Abs. 1 GlüStV 2008) vermittelt die erhobene Feststellungsklage gegenüber einer auf die Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis gerichteten Verpflichtungsklage einen weitergehenden und damit effektiveren Rechtsschutz und ist daher nicht subsidiär (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, 22. Aufl. 2016, § 43 Rn. 29). Deshalb spielt auch keine Rolle, dass die Klägerin am 19. September 2008 bei der Beklagten einen Antrag, ihr für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 eine Erlaubnis für die gewerbliche Vermittlung verschiedener Lotterien (ungeachtet des Vertriebswegs) gemäß § 4 Abs. 1, 2 GlüStV 2008 zu erteilen, gestellt hat, der mit Bescheid vom 2. März 2009 abgelehnt wurde und den sie im parallel geführten Rechtsstreit (10 BV 13.1005) hilfsweise weiterverfolgt hat. Die Klägerin hat auch im dortigen Verfahren keine Zweifel daran gelassen, dass sie als vorrangiges Rechtsschutzziel nach wie vor die Feststellung der Erlaubnisfreiheit ihrer Betätigung verfolgt, und nur hilfsweise für den Fall der Erfolglosigkeit dieses Begehrens eine Erlaubnis anstrebt.
3. Die demnach in prozessual statthafter Weise im Laufe des Klageverfahrens umgestellte Feststellungsklage ist jedoch in Anlehnung an die von der Rechtsprechung zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entwickelten Grundsätze unzulässig.
Bezieht die Klägerin ihre Klage nach § 43 Abs. 1 VwGO auf die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses, hängt deren Zulässigkeit nicht – wie im Fall einer unmittelbaren Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO – davon ab, ob sich das ursprüngliche Klagebegehren tatsächlich mit Ablauf des 30. Juni 2012 erledigt hat (vgl. SächsOVG, U.v. 2.12.2013 – 3 A 242/11 – juris Rn. 45; hierzu: II. 1.), so dass diese Frage hier keiner weiteren Erörterung bedarf. Die Klägerin besitzt jedenfalls (wie bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts) kein berechtigtes Interesse an der Feststellung für das in der Vergangenheit liegende Rechtsverhältnis; es liegt keine der Fallgruppen vor, in denen ein berechtigtes Interesse an der Fortführung der Klage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses nach Maßgabe der bis 30. Juni 2012 geltenden Normen anzuerkennen ist.
Während für eine Feststellungsklage grundsätzlich ein berechtigtes Interesse erforderlich, aber auch ausreichend ist, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein kann und für das lediglich entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 41.12 – juris Rn. 20), sind bei vergangenen Rechtsverhältnissen strengere Anforderungen zu stellen (BayVGH, U.v. 4.2.2014 – 10 B 10.2913 – juris Rn. 33; Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 43 Rn. 25: das seinerzeitige Rechtsverhältnis muss über seine Beendigung hinaus anhaltende Wirkung in der Gegenwart äußern). Die Rechtsprechung geht in diesen Fällen in Anlehnung an die Voraussetzungen bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO davon aus, dass entweder die Gefahr der Wiederholung, ein Rehabilitierungsinteresse, ein schwerwiegender Grundrechtseingriff (3.1) oder die Präjudizwirkung für einen angestrebten Staatshaftungsprozess (3.2) vorliegen muss (BayVGH, U.v. 4.2.2014, a.a.O., Rn. 33, 43 ff.). Im Fall der Klägerin kommen nur die beiden letztgenannten Gruppen in Betracht, auf die sie sich auch bezieht. Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Feststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, also der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein (BVerwG, U.v. 16.5.2013 a.a.O.; BVerwG, B.v. 30.4.1999 – 1 B 36.99 – juris Rn. 5).
3.1 Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich ein berechtigtes Feststellungs-interesse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten begründen.
3.1.1 Ein ideelles Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Verwaltungsmaßnahme (übertragen auf die vorliegende Situation: an der Feststellung der Erlaubnisfreiheit nach den seinerzeitigen Vorschriften) kommt nicht nur dann in Betracht, wenn eine nachwirkende Diskriminierung besteht, sondern auch dann, wenn die Art des Eingriffs, insbesondere in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordert, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. BVerwG, B.v. 3.2.1999 – 1 PKH 2.99 – juris Rn. 4). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe gegeben, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung vorgegebenen Instanz kaum erlangen kann (stRspr, BVerfG, B.v. 6.7.2016 – 1 BvR 1705/15 – juris Rn. 14; B.v. 30.4.1997 – 2 BvR 817/90 u.a. – juris Rn. 49). Ein solcher Eingriff kann sowohl in der Maßnahme selbst als auch in der Art des durch die erledigte Maßnahme bewirkten Eingriffs liegen.
3.1.2 An diesen Grundsätzen gemessen kann hier dahinstehen, ob allein die Weigerung des Beklagten, die geltend gemachte Erlaubnisfreiheit der Vermittlungstätigkeit der Klägerin (für den Zeitraum bis 30. Juni 2012) anzuerkennen, mit einem „Eingriff“ in ihre Berufsausübungsfreiheit (hier: in Gestalt der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG) sowie in ihre unionsrechtlichen garantierte Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV verbunden ist, und ob ein darin liegender Rechtseingriff schwerwiegender Natur ist (verneint für ein vergleichbares Feststellungsbegehren: BayVGH, U.v. 4.2.2014 – 10 B 10.2913 – juris Rn. 43 ff.). Offenbleiben kann weiter, ob sich die Klägerin mit ihrem Feststellungsbegehren nicht im Kern gegen einen legislativen Eingriff wendet, den sie in der Einführung eines Genehmigungsvorbehalts für ihre Vermittlungstätigkeit und des Internetverbots (vgl. Art. 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2008) durch den zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag begründet sieht, oder ob sie eine feststellende Entscheidung über „exekutives Unrecht“ erreichen will, das sich aus ihrer Sicht daraus ergibt, dass der Beklagte die zitierten Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags 2008 angewendet hat, obwohl sie nach Auffassung er Klägerin gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten (hier: Art. 56 AEUV) verstoßen und daher unanwendbar sind.
Denn selbst bei unterstellter Annahme eines tiefgreifenden Rechtseingriffs im dargelegten Sinn ist hier ein berechtigtes Feststellungsinteresse zu verneinen, weil keine Situation besteht, in der die Klägerin mit ihrem Feststellungsbegehren wegen der sich aus seiner Eigenart ergebenden kurzfristigen Erledigung ohne wirksamen Rechtsschutz geblieben wäre (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 40.12 – juris Rn. 27 ff.; BVerfG, B.v. 6.7.2016 – 1 BvR 1705/15 – juris Rn. 14). Im vorliegenden Fall besteht kein berechtigtes Feststellungsinteresse, weil sich die verweigerte Anerkennung der Erlaubnisfreiheit nicht als Hoheitsakt darstellt, dessen Wirkung nach seinem typischen Verfahrensablauf auf eine so geringe Zeitspanne beschränkt ist, dass eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangt werden kann. Die Zulässigkeit dieser Einschränkung des Feststellungsinteresses in der hier maßgeblichen Fallgruppe haben das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 16.5.2013 – 8 C 15.12 – juris) sowie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B.v. 6.7.2016, a.a.O.) bestätigt. Zur weiteren Begründung kann auf die ausführliche Darstellung der hier maßgeblichen Problematik im zwischen den Parteien ergangenen Urteil vom 12. Dezember 2016 im Parallelverfahren (10 BV 13.1005 – UA, 2.2.1) in entsprechender Weise Bezug genommen werden.
Auch im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, dass im Hinblick auf das ursprüngliche Feststellungsbegehren kein wirksamer Rechtsschutz im hierfür verfügbaren Zeitraum zu erlangen war (BVerfG, B.v. 6.7.2016, a.a.O., Rn. 14). Die Klägerin hatte am 21. April 2008 beim Verwaltungsgericht Regensburg Feststellungsklage erhoben, weshalb an der grundsätzlichen Möglichkeit wirksamen Rechtsschutzes keine Zweifel bestehen können. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es tatsächlich erst nach Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags zum 1. Juli 2012 und damit nicht mehr unter Geltung des Glücksspielstaatsvertrags 2008 zu einer gerichtlichen Sachentscheidung (Urteil vom 28.2.2013) über die Feststellungsklage gekommen ist. Die Verfahrensdauer ist hier verschiedenen, im Hinblick auf die Frage einer wirksamen Rechtsschutzgewährung aber nicht entscheidenden Umständen geschuldet; die tatsächliche Dauer des Verfahrens ändert nichts daran, dass sich das Feststellungsbegehren nicht wegen seiner Eigenart innerhalb so kurzer Zeit erledigt hat, dass eine gerichtliche Entscheidung ausgeschlossen war. Im Ergebnis erweist sich, dass im vorliegenden Fall zur Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses nicht geboten ist, denn im Hinblick auf die reale Möglichkeit, die beantragte Feststellung gerichtlich zu erstreiten, bestand keine Rechtsschutzlücke.
Nichts anderes ergibt sich aus unionsrechtlicher Sicht. Auch aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRCh folgt keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu Gunsten der Klägerin weiter auszulegen.
3.2 Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses ergibt sich auch nicht aus der Präjudizwirkung für einen von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Zwar kann sich ein solches Interesse wohl auch dann ergeben, wenn mit einer Feststellungsklage zunächst das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden sollte (dazu 3.2.1); die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs liegen jedoch nicht vor (dazu 3.2.2).
3.2.1 Ein Feststellungsinteresse unter Hinweis auf die konkrete Absicht, Ersatzansprüche gegen den Staat geltend zu machen, kann grundsätzlich im Rahmen einer auf die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichteten Klage nach § 43 Abs. 1 VwGO bestehen. Vor Erhebung einer Schadensersatzklage bei den ordentlichen Gerichten muss ein Kläger, gegen den ein belastender Verwaltungsakt ergangen ist, zunächst im Wege des Primärrechtsschutzes versuchen, die Belastung durch Anfechtungs- oder Versagungsgegenklage bei den Verwaltungsgerichten zu beseitigen. Erst dann kann er im Wege des sekundären Rechtsschutzes Ersatzansprüche bei den ordentlichen Gerichten mit Aussicht auf Erfolg einklagen. Erledigt sich der belastende Verwaltungsakt während des Verwaltungsprozesses, sieht die Rechtsprechung ein schutzwürdiges Interesse des Klägers darin, dass ihm die Früchte des bisherigen notwendigen Prozessierens erhalten bleiben, und gibt ihm deshalb das Recht, feststellen zu lassen, ob der von ihm angefochtene Hoheitsakt rechtmäßig war oder nicht (vgl. BVerwG, U.v. 11.3.1993 – 3 C 90.90 – juris Rn. 37).
Bei einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO könnte dies deshalb anders sein, weil hier nicht zunächst ein rechtswidriger Verwaltungsakt aufgehoben werden muss, vielmehr ein Kläger seinen Amtshaftungsanspruch unmittelbar vor dem Zivilgericht verfolgen könnte, welches dann über die öffentlich-rechtlichen Vorfragen mitzuentscheiden hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt ein berechtigtes Feststellungsinteresse jedenfalls in den Fällen, in denen sich ein Verwaltungsakt – entsprechend auf den vorliegenden Fall übertragen: das Feststellungsbegehren zur seinerzeitigen Rechtslage – bereits vor Klageerhebung erledigt hat (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.1997 – 8 C 23.96 – juris Rn. 21). So liegt der Fall hier aber nicht.
Das Rechtsverhältnis, das die Klägerin mit ihrer bereits im Jahr 2008 erhobenen Feststellungsklage geklärt haben wollte, erstreckte sich bis zum 30. Juni 2012 und endete zu diesem Zeitpunkt. Es lagen besondere Umstände vor, die auch bei einer derartigen Feststellungsklage grundsätzlich ein berechtigtes Interesse wegen der beabsichtigten Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Staat begründen könnten. Denn der Klägerin ging es mit der Feststellungsklage (zunächst) um den primären Rechtsschutz, weil sie die Fortführung des Vermittlungsgewerbes ohne Erlaubnis erreichen wollte. Ob hier aus diesem Grund ein besonderes Feststellungsinteresse besteht, ihr die Früchte des bisherigen Prozessierens zu erhalten, kann aber offen bleiben. Denn ein Präjudizinteresse der Klägerin besteht jedenfalls aus anderen Gründen nicht (vgl. 3.2.2).
3.2.2 Ein Feststellungsinteresse wegen der Präjudizialität für Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche besteht nur dann, wenn ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint (z.B. BayVGH, U.v. 4.2.2014 – 10 B 10.2913 – juris Rn. 51 ff.; Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 Rn. 136). Von einer offenbaren Aussichtslosigkeit ist nur dann auszugehen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1992 – 4 C 29.90 – juris Rn. 14).
Im vorliegenden Fall ist von der offensichtlichen Aussichtslosigkeit eines nachfolgenden Schadensersatz- oder Entschädigungsprozesses auszugehen. Soweit die Klägerin die Feststellung von „legislativem Unrecht“ begehrt, würde ein hieran anknüpfender Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (offensichtlich) bereits daran scheitern, dass sich die Beschränkungen der Tätigkeit der Klägerin unmittelbar aus dem Gesetz (§ 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2008) ergeben, hoheitliches Handeln im Bereich der Gesetzgebung aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. BGH, U.v. 24.10.1996 – III ZR 127/91 – juris Rn. 9) im Regelfall keine Ansprüche aus Amtshaftung begründet, da den Amtsträgern insoweit keine drittbezogenen Amtspflichten obliegen, sondern diese in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Gemeinwesen dienen (OVG Saarl, U.v. 26.11.2013 – 3 A 106/12 – juris Rn. 113). Gesetze und Verordnungen enthalten generell-abstrakte Regelungen, sodass der Gesetzgeber insoweit ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahrnimmt. Soweit die Klägerin die Feststellung der Erlaubnisfreiheit ihrer Vermittlungstätigkeit für die Vergangenheit vor dem Hintergrund der Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs wegen rechtswidriger Verwaltungstätigkeit verfolgt, scheidet ein solcher Anspruch schon nach der sog. Kollegialgerichtsregel (BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37.04 – juris Rn. 27) aus.
Auch die Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs liegen offensichtlich nicht vor, weil ein etwaiger Verstoß des Erlaubnisvorbehalts (§ 4 Abs. 1 GlüStV 2008) und seiner Anwendung durch die Behörden gegen Unionsrecht schon nicht hinreichend qualifiziert ist. Zur weiteren Begründung der vorstehenden Ausführungen kann der Senat auf seine Ausführungen im Parallelverfahren (U.v. 12.12.2016 – 10 BV 13.1005 – UA, 2.3) zur gleichgerichteten Problematik im Hinblick auf die dort begehrte Feststellung, die Versagung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis unter dem bis 30. Juni 2012 geltenden Rechtszustand sei rechtswidrig gewesen, Bezug nehmen. Dort heißt es u.a.:
„2.3.1 Das Feststellungsinteresse der Klägerin besteht in der vorliegenden Situation nicht, weil es schon an dem für eine erfolgreiche Amtshaftungsklage erforderlichen Verschulden eines Amtswalters des Beklagten fehlt, dem keine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Diese Aussage hat auch dann Gültigkeit, wenn man von der Rechtswidrigkeit des zur Begründung des Ablehnungsbescheids herangezogenen Verbots der Vermittlung von Lotterien über das Internet gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 ausgehen wollte. Einem Amtswalter ist nämlich auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (BVerwG, U.v. 16.5.2013, a.a.O., juris Rn. 45; Decker in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Posser/Wolff, Stand 1.1.2017, § 113 Rn. 87.3). Dies gilt sogar dann, wenn das Verwaltungshandeln nur in der ersten Instanz als rechtmäßig beurteilt wurde und dieses Urteil im Berufungsverfahren keinen Bestand hatte (BVerwG, U.v. 3.6.2003 – 5 C 50.02 – juris Rn. 9; U.v. 27.8.1992 – 2 C 29.90 – juris). Der sog. Kollegialgerichtsregel liegt die Erwägung zugrunde, dass von einem Beamten keine bessere Rechtseinsicht als von einem mit mehreren Richtern besetzten Gericht erwartet und verlangt werden kann (BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37.04 – juris Rn. 27).
Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die Versagung der Erlaubnis in seinem Urteil vom 28. Februar 2013 (UA, S. 12, 20) mit ausführlicher Begründung in der Sache für rechtmäßig gehalten, weil die für die Vermittlung von Lotterien erforderliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV 2008 wegen des mit Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht in Einklang stehenden Internetverbots (§ 4 Abs. 4 GlüStV 2008) nicht habe erteilt werden können. Zur Begründung hat es sich u.a. auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 1.6.2011 – 8 C 5.10 – juris) und des Bundesgerichtshofs (B.v. 28.9.2011 – I ZR 30/10 – juris) berufen. Auch der Senat hat das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 für rechtmäßig gehalten (vgl. etwa B.v. 24.1.2012 – 10 CS 11.1290 – juris Rn. 17 m.w.N.). Dass zum Zeitpunkt des Erlasses des ablehnenden Bescheids vom 2. März 2009 noch keine Rechtsprechung zu dem erst am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Internetverbot vorlag, spielt im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Jedenfalls ist die handelnde Behörde des Beklagten von der später durch ein Kollegialgericht bestätigten Rechtsauffassung ausgegangen, § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 entspreche sowohl Verfassungsals auch Unionsrecht.“
Damit ist ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung für den Zeitraum bis 30. Juni 2012 nicht erkennbar.
II.
Die Berufung bleibt auch ohne Erfolg, soweit sie sich auf die gegenwartsbezogenen Feststellungsanträge (2.a bis e) bezieht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit zu Recht mit Prozessurteil abgewiesen. Die Klageanträge sind unzulässig, weil sich das Feststellungsbegehren, das sich nach der zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Rechtsänderung richtet, als Änderung des ursprünglichen Streitgegenstands darstellt (1.), die als Klageänderung nicht die Voraussetzungen des § 91 VwGO erfüllt (2.).
1. Das auf die aktuelle, seit dem 1. Juli 2012 geltende Rechtslage bezogene Feststellungsbegehren stellt gegenüber dem ursprünglichen Klagebegehren eine Klageänderung in Form einer Klageerweiterung dar, weil die Klägerin ihr Feststellungsbegehren nun auf zwei verschiedene Zeiträume bezieht. Eine Klageänderung wird definiert als Veränderung des Streitgegenstandes durch Disposition des Klägers; der Streitgegenstand wird bestimmt durch Klageanspruch und Klagegrund, also durch den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch und den ihm zugrunde liegenden Sachverhalt (stRspr, BVerwG, U.v. 24.10.2013 – 7 C 13.12 – juris Rn. 28 f.; Schmid in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 91 Rn. 5 bis 15). Wird der Klageanspruch, der Klagegrund oder beides verändert, handelt es sich demzufolge um eine Klageänderung. Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ist eine Erweiterung des Klageantrags nur dann nicht als Klageänderung anzusehen, wenn der Klagegrund unverändert bleibt. Auch wenn neu zur Entscheidung gestellte tatsächliche Umstände geltend gemacht werden, zu denen mangels Entscheidungserheblichkeit für den ursprünglichen Klageantrag noch keine Feststellungen getroffen wurden, liegt eine Antragserweiterung im Sinne einer Klageänderung vor.
Im Fall einer Feststellungsklage ist der Streitgegenstand die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines konkreten Rechtsverhältnisses, welches durch die sich aufgrund von bestimmten Normen des öffentlichen Rechts ergebende rechtliche Beziehung zwischen den beteiligten Personen gekennzeichnet ist. Im Unterschied zur Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, die auf die Abwehr eines belastenden Verwaltungsakts oder die Einräumung einer bestimmten Begünstigung gerichtet sind, ist für den Streitgegenstand einer Feststellungsklage das nach dem Begehren des Klägers konkret anzuwendende Recht maßgeblich, das der Klärung der strittigen Rechte und Pflichten zu Grunde zu legen ist. Dabei führt der Umstand, dass sich das im Zeitpunkt der Klageerhebung „gegenwärtige“ Rechtsverhältnis im Laufe des Verfahrens in ein (grundsätzlich ebenso feststellungsfähiges) vergangenes Rechtsverhältnis wandelt, für sich allein betrachtet noch nicht zu einer Klageänderung. Verliert jedoch das für die begehrte Feststellung maßgebliche Recht seine Gültigkeit und tritt an seine Stelle grundlegend neues Recht, erledigen sich das in der Vergangenheit liegende Rechtsverhältnis und das darauf bezogene Feststellungsbegehren; seine Umstellung auf die neue Rechtssituation bedeutet eine Änderung des Klagegegenstands (zu einer nicht unerheblichen, aber nicht grundlegenden Änderung des Streitgegenstandes einer Feststellungsklage während des Klageverfahrens: BVerwG, B.v. 4.5.2005 – 4 C 4. 04 – juris Rn. 22; vgl. a. BVerwG, U.v. 26.11.2003 – 9 C 6. 02 – juris Rn. 25, 26, jeweils zur geänderten Festlegung von Anflugverfahren durch Rechtsverordnung).
So liegt der Fall hier. Der Klagegrund der (erweiterten) Feststellungsklage hat sich durch die zum 1. Juli 2012 wirksam gewordene Neuregelung des Glücksspielrechts in grundlegender Weise geändert. Die Neuregelung hat das ursprünglich zum Gegenstand der Feststellungsklage erhobene seinerzeitige Rechtsverhältnis beendet bzw. erledigt (vgl. SächsOVG, U.v. 2.12.2013, a.a.O., Rn. 44, 45; OVG Saarl, U.v. 26.11.2013 – 3 A 106/12 – juris Rn. 56). Sie hat den ursprünglichen Klagegrund nicht lediglich modifiziert, sondern ihn vielmehr im Sinne eines „aliud“ verändert (Wolf in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.10.2016, § 91 Rn. 9 bis 11). Dies ergibt sich aus Folgendem:
Zwar gilt für die ab 1. Juli 2012 geltend gemachte Erlaubnisfreiheit, dass die (allgemeine) Erlaubnispflicht der gewerblichen Spielvermittlung durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht aufgehoben wurde, sondern im Grundsatz über den 30. Juni 2012 hinaus fortbesteht (SächsOVG, U.v. 2.12.2013 – 3 A 242/11 – juris Rn. 45 bis 47; OVG Hamburg, B.v. 11.8.2016 – 4 Bf 244/13.Z – juris); dementsprechend strebt die Klägerin nach wie vor (nur hilfsweise) eine Vermittlungserlaubnis für den Freistaat Bayern unter Geltung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags (§ 4 Abs. 1, 2 GlüStV) an (vgl. Parallelverfahren 10 BV 13.1005).
Gleichwohl ist das ursprünglich zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehenden Rechtsverhältnis beendet. Dies folgt bereits aus dem ab 1. Juli 2012 geltenden neuen § 19 Abs. 2 GlüStV, der für die nach § 4 Abs. 1, 2 GlüStV erforderliche (vertriebswegunabhängige) Vermittlungserlaubnis vorsieht, dass gewerblichen Spielvermittlern, die – wie die Klägerin – in allen oder mehreren Bundesländern tätig werden, die für die einzelnen Bundesländer zu erteilenden Erlaubnisse gebündelt von der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde in Niedersachsen erteilt werden (vgl. zum sog. vereinfachten Erlaubnisverfahren: Schmitt in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2013, § 19 Rn. 34 bis 36). Dementsprechend ist für die Erteilung von Vermittlungserlaubnissen – ungeachtet der fortbestehenden Glücksspielhoheit der Länder – ab dem 1. Juli 2012 das Land Niedersachsen zuständig, bei dem weiterhin für jedes Bundesland, in dem öffentliche Glücksspiele vermittelt werden sollen, eine Erlaubnis zu beantragen ist. Hieraus folgt, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten aktuell kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zur Frage der geltend gemachten Erlaubnisfreiheit mehr besteht, weil diese Frage ausschließlich im Verhältnis zum Land Niedersachsen geklärt werden kann. Als Konsequenz aus § 19 Abs. 2 GlüStV hat die Klägerin im Übrigen bereits am 25. Januar 2013 bei der Glücksspielaufsicht des Landes Niedersachsen die Erteilung der Vermittlungserlaubnisse nach § 4 Abs. 1, 2 GlüStV (auch für Bayern) beantragt und diesen Anspruch im Rahmen einer bereits Anfang 2014 beim Verwaltungsgericht Hamburg (4 K 376/14) erhobenen Untätigkeitsklage rechtshängig gemacht.
Weiterhin haben sich die für die Beurteilung der gewerblichen Spielvermittlung maßgeblichen rechtlichen Bedingungen mit dem Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags zum 1. Juli 2012 in wesentlichen Punkten geändert. So darf nun insbesondere nach § 4 Abs. 5 GlüStV erstmals im Wege einer von der zuständigen Landesbehörde zu erteilenden Befreiung vom Verbot der Vermittlung von Glücksspielen im Internet dispensiert werden, um die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags wirksamer zu erreichen. Auf der Grundlage dieser Bestimmung ist in Bayern – anders als nach dem bis 30. Juni 2012 geltenden absoluten Internet-Verbot – eine kontrollierte Zulassung des Vertriebsweges Internet grundsätzlich möglich (vgl. dazu im Einzelnen: Postel in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2013, § 4 Rn. 80 ff.), nachdem der Beklagte von der Länderöffnungsklausel in § 4 Abs. 5 GlüStV Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 2 Abs. 3 AGGlüStV). Damit wird ein eigenständiges, vom Beklagten durchzuführendes Erlaubnisverfahren eröffnet. § 4 Abs. 5 GlüStV enthält eine Reihe neuer Tatbestandsvoraussetzungen, bei deren Vorliegen von einer Sicherstellung der Erreichung der Ziele des geänderten Glücksspielstaatsvertrags ausgegangen werden kann und daher eine Ausnahmeerlaubnis erteilt werden darf. Auch die in § 5 GlüStV 2008 festgelegten Grenzen zulässiger Werbung wurden nicht in den neuen § 5 GlüStV übernommen; nach § 5 Abs. 1 GlüStV ist Werbung an den Zielen des geänderten Staatsvertrages auszurichten, wobei die Aufklärungspflichten durch § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV konkretisiert werden. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV besteht zudem die Möglichkeit, ausnahmsweise auch die zuvor nach § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 verbotene Werbung im Fernsehen oder Internet zuzulassen (vgl. SächsOVG, U.v. 2.12.2013 – 3 A 242/11 – juris Rn. 47). All dies führte zu einem völlig veränderten materiell-rechtlichen Rahmen für die hier inmitten stehende gewerbliche Spielvermittlung, der es ausschließt, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage und damit einem im Wesentlichen unveränderten Rechtsverhältnis auszugehen.
Die grundlegende gesetzgeberische Bedeutung dieser Änderungen kommt auch in der Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 1, 2 GlüStV zum Ausdruck. Danach galten vor dem 1. Juli 2012 erteilte Vermittlererlaubnisse mit bestimmten Maßgaben längstens bis zum 31. Dezember 2012 fort, neue Erlaubnisse nach § 4 Abs. 1 GlüStV waren spätestens zum 1. Januar 2013 einzuholen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Dies zeigt, dass nach der Neuregelung selbst eine vor dem 1. Juli 2012 erteilte Vermittlungserlaubnis keine über den 31. Dezember 2012 hinausgehenden Rechtswirkung zukommen konnte, sondern ein erneutes Erlaubnisverfahren vor dem Hintergrund der ab 1. Juli 2012 geltenden Rechtslage durchgeführt werden musste. Das zeigt die grundlegende Natur der erfolgten Rechtsänderungen und der damit einhergehenden Änderung des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten auf.
Schließlich benötigt die Klägerin nach der aktuellen Rechtslage zur Erreichung ihres Rechtsschutzziels, Lotterien im Internet vermitteln zu dürfen, neben der (hilfsweise beantragten) allgemeinen Vermittlungserlaubnis ab 1. Juli 2012 erstmals eine (rechtlich eigenständige) Befreiung vom Verbot der Internetvermittlung nach § 4 Abs. 5 GlüStV (vgl. Postel in Dietlein/Hecker/Ruttig, a.a.O., § 4 Rn. 80 ff.). Für ihre Erteilung ist der Beklagte zuständig. Die Klägerin hat diese – bisher auch nicht hilfsweise beim Beklagten beantragte – Befreiung bzw. die Feststellung, dass die Befreiung nicht erforderlich sei, schon nicht zum Streitgegenstand des Feststellungsbegehrens gemacht.
Am Vorliegen einer Klageänderung vermag schließlich auch der vom Kläger angeführte Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (B.v. 29.10.2014 – 4 L 98/13 – nicht veröff.) in einem Zulassungsverfahren nichts zu ändern, in dem ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des eine Klageänderung bejahenden erstinstanzlichen Urteils damit begründet wurden, die Rechtslage habe sich im Hinblick auf den dortigen Antrag der Feststellung der glücksspielrechtlichen Erlaubnisfreiheit „nicht grundlegend geändert“, weil den Rechtsgrund des Antrags nach wie vor die der Klägerin zustehende Dienstleistungs- und Berufsfreiheit bildeten. Wollte man jedoch eine Klageänderung schon dann verneinen, wenn bei der Erteilung einer beantragten Erlaubnis die gleichen verfassungs- oder unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen sind, wäre bei gleichzeitiger grundlegender Umstellung der einfachrechtlichen Erlaubnisvoraussetzungen – wie im vorliegenden Fall – praktisch niemals eine Änderung des Klagegrundes anzunehmen. Die Frage nach einer grundlegenden Änderung der Rechtssituation ist immer einzelfallbezogen zu beantworten und nicht danach, ob die geltend gemachten verfassungs- und unionsrechtlichen Rechte identisch geblieben sind. Die hier inmitten stehende Frage nach der Erlaubnisfreiheit einer glücksspielrechtlichen Betätigung wird nicht unmittelbar auf der Grundlage verfassungs- oder unionsrechtlicher Vorschriften beantwortet, sondern primär nach einfachrechtlichen Vorschriften (vgl. a. OVG Hamburg, B.v. 11.8.2016 – 4 Bf 244/13.Z – nicht veröff.).
Liegt demnach eine wesentliche Änderung des gesamten glücksspielrechtlichen Regimes vor, muss auch die für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses (hier: Erlaubnisfreiheit) maßgebliche Frage, ob die (bestrittene) Erlaubnispflicht gegen den unionsrechtlichen Anwendungsvorrang verstößt, einer völlig neuen Prüfung unterzogen werden.
2. Die Klageänderung ist nicht zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO), weil weder der Be-klagte eingewilligt hat noch die Änderung sachdienlich ist.
Der Beklagte hat sich bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich gegen eine Klageänderung gewandt. Der Senat hält sie – mit dem Verwaltungsgericht Regensburg (UA, S. 12, 13) – auch nicht für sachdienlich (vgl. zum Begriff: BayVGH, U.v. 3.2.2015 – 10 BV 13.421 – juris Rn. 32, 33; VG Bremen,U.v. 17.7.2014 – 5 K 4084/08 – juris Rn. 66 f.). Denn es wird hier zum einen eine wesentlich veränderte Rechtslage (vgl. II. 1.) zum Prüfungsmaßstab gemacht, über die zu entscheiden der Beklagte bisher schon deshalb keinen Anlass hatte, weil hinsichtlich der allgemeinen Vermittlungserlaubnis nunmehr der – von der Klägerin bereits eingeschlagene – Weg über die Glücksspielaufsicht des Landes Niedersachsen geboten ist und die Zuständigeit des Beklagten nur noch für die Befreiung vom Internetverbot gegeben ist. Aus diesen Gründen kann nicht die Rede davon sein, dass die Änderung des Feststellungsbegehrens bei im Wesentlichen identischem Streitstoff zur endgültigen Streitbeilegung beitragen könnte (BVerwG, U.v. 18.8.2005 – 4 C 1304 – juris Rn. 22 m.w.N.; BayVGH, U.v. 3.2.2015 – 10 BV 13.421 – a.a.O.) und aus diesem Grund sachdienlich wäre.
3. Nachdem die Klage auch mit ihren „für die Gegenwart“ zur Entscheidung gestellten Feststellungsanträgen unzulässig ist, erübrigt sich eine Eingehen auf die Frage, in welchem Verhältnis die hier gestellten Klageanträge zu den im Klageverfahren 10 BV 13.1005 gestellten stehen. Auf die weiteren materiellen Ausführungen der Klägerin im Hinblick auf das behauptete Bestehen der Feststellungsansprüche muss schließlich wegen ihrer unzulässigen prozessualen Geltendmachung nicht mehr eingegangen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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