Aktenzeichen M 1 K 17.43568
Leitsatz
Gibt die Auskunft des sicheren Drittstaats nichts zur Frage nach der Gewährung oder Ablehnung von Asyl oder internationalem Schutz her, ist das Bundesamt verpflichtet, bei den Behörden des Drittstaats nachzufragen. Die unklare Erkenntnislage reicht nicht aus, um von einem erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens auszugehen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Juni 2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage hat Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Zu Unrecht stützt der Bescheid die Ablehnung des in Deutschland gestellten Asylantrags als unzulässig auf § 71a AsylG und unterlässt damit die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens des Klägers, auf die er einen Anspruch hat.
Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Andernfalls ist der Asylantrag als unzulässig abzulehnen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 29) setzt die Annahme eines erfolglosen Abschlusses des im sicheren Drittstaat betriebenen Asylverfahrens voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Eine Einstellung ist nicht in diesem Sinne endgültig, wenn das (Erst-)verfahren noch wiedereröffnet werden kann. Ob eine solche Wiedereröffnung bzw. Wiederaufnahme möglich ist, ist nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist.
Nach diesen Maßstäben durfte das Bundesamt nicht vom Vorliegen eines im Drittstaat (hier Griechenland) erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens ausgehen. Hinreichend sichere Erkenntnisse zu einem Asylverfahren in Griechenland, insbesondere zu einer negativen Sachentscheidung oder einer endgültigen Einstellung, liegen nicht vor. Zwar hat das Bundesamt im sog. Inforequest vom 2.1.2017 an Griechenland vom 2.1.2017 präzise nach dem genauen Asylstatus des Klägers und danach gefragt, ob ihm irgendeine Form internationalen Schutzes in Griechenland gewährt worden sei. Die Antwort Griechenlands vom 8.3.2017 war jedoch keineswegs klar. Sie verhielt sich nur dazu, dass dem Kläger bis zu seiner Volljährigkeit, also bis zum …, ein humanitärer Status („humanitarian status“) und eine Aufenthaltserlaubnis („residence permit“) gewährt worden sei. Diese Auskunft besagt nichts zur maßgeblichen Frage nach der Gewährung oder Ablehnung von Asyl oder internationalem Schutz in Griechenland. Das Bundesamt hätte hier nachfragen müssen. Der Kläger, der gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylG zur Frage seines Asylstatus in Griechenland angabepflichtig ist, hat in seiner Befragung durch die Regierung von Oberbayern vom *.4.2017 angegeben, in Griechenland eine „rote Karte“ besessen zu haben; er wisse aber nicht, ob sein Asylantrag nun genehmigt oder nicht genehmigt worden sei. In der Anhörung vor dem Bundesamt vom …12.2016 hatte der Kläger schon von einer „Karte“ gesprochen, die ihm die griechischen Behörden gegeben hätten, die aber nach zweieinhalb Jahren wieder eingezogen worden sei. In der mündlichen Verhandlung führte der Kläger aus, er habe in Griechenland Asyl erhalten und habe statt der roten Karte eine weisse Karte erhalten. Allerdings hätten die griechischen Behörden vergessen, die erforderlichen Stempeleinträge in der weissen Karte vorzunehmen, so dass die Asylanerkennung nach einem halben Jahr ausgelaufen sei. Diese unklare Erkenntnislage genügt nicht, um einen erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in Griechenland annehmen zu können. Ein Asylantragsteller ist auch in der Regel nicht in der Lage, über den Verfahrensablauf tragfähige Auskünfte zu geben (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 – juris Rn. 22). Das Bundesamt hätte hier weiter nachforschen müssen; allein von der Ausreise des Klägers aus Griechenland (zur Weiterreise nach Deutschland) auf eine (stillschweigende) Rücknahme seines dortigen Asylantrags oder seine Absicht, das dortige Asylverfahren nicht weiter zu betreiben, zu schließen, ist nicht tragfähig. Die fehlende Aufklärung geht zu Lasten des Bundesamts, das Bundesamt trägt die Feststellungslast für das Vorliegen eines im Drittstaat erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens (vgl. BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris Rn. 41; siehe auch Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2016, § 71a AsylG, Rn. 3 und 9 m.w.N.).
Da die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts auch nicht auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestands aufrecht erhalten bleiben kann (siehe hierzu BVerwG aaO., Rn. 21 und 41) ist die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (Nr. 1 des Bescheides) aufzuheben. Damit sind auch die Entscheidungen in Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheides aufzuheben (siehe BVerwG aaO., Rn. 21), wie auch die zu Nr. 3 des Bescheides akzessorische Nr. 4 des Bescheides, also der Bescheid insgesamt. Mit der Kassation des Bescheides ist dem Rechtsschutzbegehren des Klägers Genüge getan; eine inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens durch das Gericht (sog. „Durchentscheiden“) findet nicht statt (BVerwG aaO., Rn. 16 und 17). Das ist nun Sache des Bundesamts.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO.