Verwaltungsrecht

Verpflichtung eines Ausländers zur Beantragung eines Reisepasses

Aktenzeichen  B 6 K 17.661

Datum:
14.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15615
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 3 Abs. 1 S. 1, § 46 Abs. 1, § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, § 82 Abs. 1 S. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 1
AufenthV § 56 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2
VwZVG Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1, 5

 

Leitsatz

Die Anordnung der Mitwirkung an der Passbeschaffung ist eine Maßnahme zur Förderung der Ausreise. Die Anordnung gegenüber dem auf seine Passpflicht hingewiesenen Ausländer ergeht nach Ablauf der Ausreisepflicht im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung, ohne dass es mehrfacher vorheriger Aufforderungen bedarf. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage, über die gemäß § 84 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden kann, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, ist zulässig, aber unbegründet.
1.1 Für die Anfechtungsklage besteht (noch) ein umfassendes Rechtsschutzbedürfnis, weil Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 24.07.2017 sich weder durch Zeitablauf noch auf sonstige Weise – durch irreversible Erfüllung – erledigt haben (vgl. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG).
1.1.1 Ziffern 1 und 2 haben sich nicht durch Zeitablauf erledigt, weil die darin bestimmten Fristen – „bis zum 22.08.2017“ bzw. „bis spätestens 25.08.2017“ – ersichtlich nicht so zu verstehen sind, dass sich mit ihrem Ablauf die Erfüllung der auferlegten Verpflichtungen erübrigt hätte. Vielmehr bringt die Androhung von Zwangsgeldern für den Fall der Nichterfüllung in Ziffer 4 des Bescheides vom … zweifelsfrei zum Ausdruck, dass die Verpflichtungen auch nach Ablauf der bestimmten Fristen fortbestehen. Rechtssystematisch sind die Fristbestimmungen dieser Zwangsgeldandrohung zuzuordnen, welche dadurch dem Erfordernis des Art. 36 Abs. 1 VwZVG genügt, wonach bei der grundsätzlich gebotenen schriftlichen Androhung der Zwangsmittel für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen ist, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann.
1.1.2 Nach gegenwärtigem Kenntnisstand haben sich die Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom … auch nicht deshalb durch irreversible Erfüllung erledigt, weil mit Schriftsatz vom 19.10.2017 ein als „Bestätigung des Konsulats der Republik Irak über die Beantragung eines Reisepasses für den Kläger“ bezeichnetes Schreiben des Generalkonsulats der Republik Irak, Frankfurt, vorgelegt wurde. Dieses Schreiben wurde bereits – nach Erlass des Bescheides, aber vor Klageerhebung – mit Schreiben der „ehrenamtlichen Betreuerin“ vom 14.08.2017 bei der ZAB vorgelegt. Hätte der Kläger damit die Verpflichtungen gemäß Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom … als erfüllt angesehen, hätte sich insoweit die Klageerhebung erübrigt. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat das Schreiben dann – nach Klageerhebung – laut Schriftsatz vom 19.10.2017 am 01.09.2017 der ZAB übermittelt, ohne dem Bedeutung für das laufende Gerichtsverfahren beizumessen, weil eine gleichzeitige Information des Gerichts offensichtlich nicht für erforderlich gehalten wurde. Erst mit Schriftsatz vom 19.10.2017 wurde das Schreiben im gerichtlichen Verfahren vorgelegt, aber – in Ermangelung einer entsprechenden Erklärung – nicht im Sinne eines den Verwaltungsakt und damit den Rechtsstreit teilweise erledigenden Ereignisses. In diesem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten wurde das Schreiben auch erstmals vom Kläger selbst als „Bestätigung des Konsulats der Republik Irak über die Beantragung eines Reisepasses für den Kläger“ bezeichnet, während in der Klage- und Antragsschrift noch die Rede davon war, der Kläger habe einen Reisepass beim Konsulat in Frankfurt beantragt, sei aber aufgrund der Tatsache, dass er seinen alten Reisepass verloren habe, an die Botschaft in Berlin verwiesen worden. Trifft das zu, würde die Erfüllung der Verpflichtungen gemäß Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 24.07.2017 den Nachweis einer entsprechenden Antragstellung bei der Botschaft in Berlin voraussetzen. Unter diesen Umständen kann derzeit von einer teilweisen Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts durch irreversible Erfüllung nicht ausgegangen werden.
1.2 Ziffern 1, 2, 3 und 4 des Bescheides vom … sind gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht aufzuheben, weil sie rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.
1.2.1 Die Pflichten des Klägers, deren Erfüllung durch Verwaltungsakt gemäß Ziffern 1 und 2 angeordnet wurde – Beantragung eines Reisepasses und Vorlage einer entsprechenden Bestätigung bei der ZAB –, ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AufenthG dürfen Ausländer nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen. Die Ausnahmen von diesem Grundsatz – Befreiung von der Passpflicht durch Rechtsverordnung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) oder Erfüllung der Passpflicht durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 3 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 AufenthG) – liegen beim Kläger unstreitig nicht vor. Den besonderen Stellenwert der Passpflicht unterstreicht § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach der Aufenthalt im Bundesgebiet entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 AufenthG einen Straftatbestand erfüllt. Dementsprechend ist ein Ausländer, der keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken. § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV verpflichtet einen Ausländer, der sich im Bundesgebiet aufhält und keinen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzt, ganz konkret, unverzüglich die Neuausstellung eines Passes oder Passersatzes zu beantragen. Ist dem Ausländer der bisherige Pass oder Passersatz abhandengekommen, ergibt sich die Verpflichtung zur unverzüglichen Beantragung eines neuen Passes oder Passersatzes aus § 56 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV. Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist ein Ausländer verpflichtet, erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die in Ziffer 2 des Bescheides vom 24.07.2017 verlangte Bestätigung ist ein erforderlicher Nachweis in diesem Sinne, weil mit ihr die Erfüllung der Verpflichtungen gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und § 56 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AufenthV und damit Bemühungen um die Erfüllung der Passpflicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nachgewiesen werden sollen.
Das Bestehen dieser den Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom … zugrunde liegenden Verpflichtungen bestreitet der Kläger nicht, vielmehr macht er geltend, der Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes sei unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, weil er sich nie geweigert habe, an der Passbeschaffung mitzuwirken. Zunächst fragt es sich, warum der Kläger den Bescheid (und seine sofortige Vollziehbarkeit) so vehement bekämpft(e), wenn er vorbehaltslos bereit ist, die auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen. In diesem Fall belastet ihn der Bescheid, für den keine Kosten erhoben wurden, faktisch nicht, weil nur verlangt wird, was der Kläger ohnehin zu tun beabsichtigt hatte, die Zwangsgeldandrohung also gewissermaßen ins Leere geht. Davon abgesehen ermächtigt § 46 Abs. 1 AufenthG die Ausländerbehörde ausdrücklich, im Wege einer Ermessensentscheidung („kann“) gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer Maßnahmen zur Förderung der Ausreise zu treffen. Die Anordnung der Mitwirkung an der Passbeschaffung ist zweifelsfrei eine Maßnahme zur Förderung der Ausreise. Nachdem der Kläger die im …bescheid bestimmte Ausreisefrist ohne entsprechende Aktivitäten hatte verstreichen lassen und bereits mit Schreiben vom 19.07.2017 auf seine Pass(beschaffungs) pflicht hingewiesen worden war, entspricht der Erlass eines diesbezüglichen Verwaltungsakts nach Ablauf der Ausreisefrist einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Mehrfache vorherige rechtlich unverbindliche Aufforderungen sind nicht erforderlich.
Die Verpflichtung zur Abgabe des ausgestellten Reisepasses bei der ZAB in Ziffer 3 des Bescheides vom 24.07.2017, gegen deren Rechtmäßigkeit keine ausdrücklichen Einwände erhoben werden, ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, wonach ein Ausländer verpflichtet ist, seinen Pass auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Da der Kläger offensichtlich nicht bereit ist, seine vollziehbare Ausreisepflicht freiwillig zu erfüllen – dafür spricht, dass er die bestimmte Frist für die freiwillige Ausreise von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens verstreichen ließ, ohne sich wenigstens um ein Heimreisedokument zu bemühen – ist die Aushändigung des ausgestellten Reisepasses zur Sicherung von Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung erforderlich.
1.2.2 Auch die Zwangsgeldandrohung gemäß Ziffer 4 des Bescheides vom 24.07.2017 ist rechtmäßig.
Gemäß Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 VwZVG können Verwaltungsakte, mit denen – wie hier – die Vornahme einer Handlung gefordert wird, im Wege des Verwaltungszwangs mit dem Zwangsmittel Zwangsgeld vollstreckt werden, indem der Pflichtige, wenn er die Handlungspflicht nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt, durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung angehalten wird. Gemäß Art. 36 Abs. 1 VwZVG müssen die Zwangsmittel im Regelfall schriftlich angedroht werden, wobei für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Wie bereits dargelegt, genügt die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheides vom 24.07.2017 diesem Erfordernis. Weiter entspricht sie Art. 36 Abs. 2 Satz 2 VwZVG, wonach die Zwangsmittelandrohung mit dem Verwaltungsakt verbunden werden soll, wenn der sofortige Vollzug angeordnet ist. Schließlich wurde auch entsprechend Art. 36 Abs. 5 VwZVG der Betrag des Zwangsgeldes in bestimmter Höhe angedroht („jeweils“). Erweisen sich – wie dargelegt – die Anordnungen in Ziffern 1, 2 und 3 des Bescheides vom … trotz des Vorbringens des Klägers, er habe sich nie geweigert, einen Reisepass zu beantragen, als rechtmäßig, verstößt auch die Androhung von Zwangsgeldern für den Fall der Nichterfüllung nicht – wie geltend gemacht – aus diesem Grund gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
2. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

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