Verwaltungsrecht

Verpflichtung zur Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen an die Steuerberaterkammer

Aktenzeichen  7 ZB 15.1661

Datum:
25.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GmbH-Stpr – 2017, 159
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
StBerG StBerG § 3, § 74 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ist der Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft zugleich Rechtsanwalt, verstößt es nicht gegen die Berufsfreiheit, wenn er Mitgliedsbeiträge sowohl an die Rechtsanwalts- als auch an die Steuerberaterkammer entrichten muss. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Steuerberaterkammer ist nicht verpflichtet, die Zugehörigkeit eines Mitglieds zu anderen Berufskammern beitragsmindernd zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 14.477 2015-05-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.102 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger ist Rechtsanwalt (Fachanwalt für Steuerrecht) und seit 2. November 2010 Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft. Er wendet sich gegen Beitragsbescheide der Beklagten (Steuerberaterkammer) vom 29. August 2013 für das Jahr 2010 (anteilig in Höhe von 58 Euro) und die Jahre 2011 bis 2013 (jeweils in Höhe von 348 Euro). Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2014 zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der Bescheide Bezug genommen.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat die auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 29. August 2013 und vom 8. Januar 2014 gerichtete Klage mit Urteil vom 19. Mai 2015 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren sinngemäß sämtliche Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 VwGO) geltend. Die Beklagte könne ihn nicht zu einem Mitgliedsbeitrag heranziehen, weil die Regelung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), kraft derer der Kläger als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft Mitglied der Steuerberaterkammer ist (§ 74 Abs. 2 StBerG), wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) verfassungswidrig und damit nichtig sei. Das Verwaltungsgericht habe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2014 (Az. 1 BvR 2998/11 u. a.) missachtet. Daraus ergebe sich (mittelbar), dass die Zwangsmitgliedschaft in der Steuerberaterkammer beim Kläger, der als Rechtsanwalt bereits Mitglied der die Einhaltung seiner Berufspflichten überwachenden Rechtsanwaltskammer ist, zur Erreichung legitimer gesetzlicher Zwecke nicht erforderlich sei. Im Übrigen verstoße die Höhe des Mitgliedsbeitrags gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Kläger habe als Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft, welche ihrerseits Mitglied der Steuerberaterkammer sei, keinen eigenständigen Nutzen aus der Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer. Das Verwaltungsgericht habe schließlich unterlassen, den Einwänden des Klägers im Hinblick auf eine etwaige „unzulässige Vermögensbildung“ der Beklagten nachzugehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 26. August 2015 Bezug genommen.
Die Beklagte widersetzt sich dem Begehren des Klägers.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren ist ergänzend zu bemerken:
a) Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Mitgliedschaft des Klägers in der Steuerberaterkammer.
Der Kläger ist als Rechtsanwalt zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt (§ 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes [StBerG] in der Fassung der Bekanntmachung vom 4.11.1975 [BGBl I S. 2735], zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.4.2014 [BGBl I S. 886]). Er ist kraft Gesetzes Mitglied der für ihn zuständigen Rechtsanwaltskammer (§ 60 Abs. 1 Satz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung). Er ist allerdings nicht aufgrund seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt Mitglied der Steuerberaterkammer. Seine Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer gründet sich vielmehr kraft Gesetzes auf den Umstand, dass der Kläger am 2. November 2010 Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft wurde. Die Steuerberatungsgesellschaft ist zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen ebenfalls befugt (§ 3 Nr. 3 StBerG) und hat – wie die Steuerberater und Steuerbevollmächtigten – die in § 33 StBerG umschriebene Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten (§ 33 Satz 1 StBerG). Sie bedarf der Anerkennung (§§ 49 ff. StBerG) und unterliegt denselben allgemeinen Berufspflichten des Steuerberatungsgesetzes wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte (§ 72 Abs. 1 StBerG). Diese allgemeinen Berufspflichten gelten auch für Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft, die – wie im Fall des Klägers – nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind (§ 72 Abs. 1 StBerG). Die Überwachung der Erfüllung der im Steuerberatungsgesetz geregelten beruflichen Pflichten ist Aufgabe der Steuerberaterkammer (§ 76 Abs. 1 StBerG). Folgerichtig ordnet das Gesetz die Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer auch für Steuerberatungsgesellschaften und für diejenigen Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft an, die nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind (§ 74 StBerG).
Der Einwand des Klägers, die für ihn zuständige Rechtsanwaltskammer überwache die Erfüllung seiner Berufspflichten bereits umfassend, ist nicht begründet. Denn die Rechtsanwaltskammer ist lediglich für die Überwachung der Erfüllung der dem Kläger nach Maßgabe der einschlägigen Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung obliegenden Berufspflichten zuständig. Die Überwachung der den Kläger infolge seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft nach Maßgabe des Steuerberatungsgesetzes treffenden Berufspflichten steht nicht der Rechtsanwaltskammer, sondern im Verhältnis der Berufskammern zueinander ausschließlich der Steuerberatungskammer zu. Diese Folgewirkung der Entscheidung des Gesetzgebers, die Berufsbilder des Rechtsanwalts und der steuerberatenden Berufe rechtlich zu ordnen und festzuschreiben, ist vom Kläger hinzunehmen. Sie verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, weil die Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer lediglich der freien Entscheidung des Klägers folgt, Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft zu werden und damit die freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt um eine weitere Tätigkeit im Geltungsbereich des Steuerberatungsgesetzes zu ergänzen.
Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus dem Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der gemeinsamen Berufsausübung von Rechts- und Patentanwälten eine Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit in einzelnen gesetzlichen Regelungen gesehen hat, welche zugunsten einer der beteiligten Berufsgruppen deren Anteils- und Stimmenrechtsmehrheit sowie deren Leitungsmacht und Geschäftsführermehrheit vorschreiben und im Fall der Missachtung eine Zulassung als Rechtsanwalts- oder Patentanwaltsgesellschaft ausschließen (BVerfG, B. v. 14.1.2014 – 1 BvR 2998/11 u. a. – BVerfGE 135, 90), im vorliegenden Fall nichts anderes. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft den Sonderfall einer interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaft verschiedener sozietätsfähiger Berufe. Sie lässt jedoch die Anforderungen, welche das Gesetz grundsätzlich an die Zulassung (Anerkennung) einer Berufsausübungsgesellschaft des jeweiligen freien Berufs stellt, unberührt. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, weshalb die Forderung des Steuerberatungsgesetzes, dass die Zahl der nach § 50 Abs. 2 und Abs. 3 StBerG als Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftenden Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft zugelassenen Personen (Angehörige bestimmter freier Berufe sowie besonders befähigte Personen) die Zahl der Steuerberater (im Vorstand, unter den Geschäftsführern oder unter den persönlich haftenden Gesellschaftern) nicht übersteigen darf, verfassungswidrig sein und welchen Einfluss eine etwaige Verfassungswidrigkeit dieser Regelung auf die Mitgliedschaft des Klägers in der Steuerberaterkammer haben sollte.
b) Der Einwand des Klägers, die Höhe des Mitgliedsbeitrags verstoße gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), ist ebenfalls nicht begründet.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn eine Steuerberaterkammer grundsätzlich von allen Mitgliedern Beiträge in gleicher Höhe fordert (vgl. OVG NRW, U. v. 17.11.1989 – 5 A 865/88 – juris) und dass eine Steuerberaterkammer, die von ihren Mitgliedern grundsätzlich einheitliche Beiträge erhebt, nicht verpflichtet ist, die Zugehörigkeit eines Mitglieds zu anderen Berufskammern beitragsmindernd zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U. v. 2.10.1973 – I C 42.70 – juris). Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, er habe als Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft, welche ihrerseits Mitglied der Steuerberaterkammer ist, keinen eigenständigen „Nutzen“ aus der Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer. Denn die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder zu wahren, d. h. nicht nur die beruflichen Belange der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und der Steuerberatungsgesellschaften, sondern auch die der Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftenden Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft, die nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind. Sie hat außerdem die gesetzliche Aufgabe, die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen (§ 76 Abs. 1 StBerG). Dies bedeutet in Bezug auf den Kläger als Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft und dessen eigenständigen Tätigkeitsbereich als Geschäftsführer, dass die Steuerberaterkammer ihn hinsichtlich der Erfüllung der ihm nach dem Steuerberatungsgesetz obliegenden Berufspflichten ebenso in den Blick zu nehmen hat wie die Steuerberatungsgesellschaft hinsichtlich ihrer gesamten Tätigkeit.
c) Entgegen der Ansicht des Klägers bestand für das Verwaltungsgericht schließlich auch kein Anlass, Einwänden im Hinblick auf die vom Kläger unterstellte etwaige „unzulässige Vermögensbildung“ der Beklagten nachzugehen. Den im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen zum Haushalt der Beklagten mit detaillierter Aufstellung einzelner Einnahmen- und Ausgabenpositionen lässt sich nicht der geringste Hinweis auf eine etwaige „unzulässige Vermögensbildung“ der Beklagten entnehmen. Der Kläger, der als Mitglied der Steuerberaterkammer im Rahmen der jährlichen Kammerversammlung an der Beschlussfassung über die Haushalts- und Beitragsordnung und deren Änderungen teilnimmt, hat in diesem Zusammenhang ohnehin die Möglichkeit, Einfluss auf die künftige Beitragsgestaltung zu nehmen.
2. Die weiteren vom Kläger sinngemäß angesprochenen Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 VwGO) sind ebenfalls nicht gegeben. Die Rechtssache weist weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf noch hat sie grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen stellen sich im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts weicht auch weder von der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch von einer vom Kläger ebenfalls genannten Entscheidung des Bundesfinanzhofs (B. v. 16.5.2000 – VII B 200/98) ab, welche sich mit vorliegend nicht einschlägigen Rechtsfragen befasst. Sie beruht außerdem nicht auf einem Verfahrensmangel, weil für das Verwaltungsgericht kein Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung bestand.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 und 3 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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