Verwaltungsrecht

Versäumung der Begründungsfrist

Aktenzeichen  3 ZB 17.1724

Datum:
28.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 128088
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 4, § 124a Abs. 4 S. 4
ZPO § 78b, § 87 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine Mandatsniederlegung während der Begründungsfrist nach § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO beendet die Bevollmächtigung nicht, da die Mandatsniederlegung aufgrund des Vertretungszwangs erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtlich wirksam wird (§ 173 VwGO iVm § 87 Abs. 1 Hs. 2 ZPO; Bestätigung von BayVGH BeckRS 2014, 55862). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der bloße Verweis auf eine Mandatsniederlegung und die Erklärung, sich selbst verteidigen zu wollen, genügen nicht den Darlegungsanforderungen für die Bestellung eines Notanwalts (§ 173 VwGO iVm § 78b ZPO); gleiches gilt für eine nicht substantiiert dargelegte Erkrankung, aufgrund derer ein Kläger sich geindert sah, einen neuen Rechtsanwalt zu suchen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2017, 110084). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 16.3064 2017-05-11 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 13.656,- €
festgesetzt.

Gründe

1. Der am 10. Juli 2017 innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin beim Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO) gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 11. Mai 2017 ist unzulässig und deshalb abzulehnen, weil er nicht innerhalb der (gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 Hs. 2 ZPO nicht verlängerbaren, BayVGH, B.v. 13.4.2015 – 3 ZB 15.459 – juris Rn. 4) Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO durch einen postulationsfähigen Vertreter (§ 67 Abs. 4 VwGO) begründet wurde (BayVGH, B.v. 30.4.2013 – 6 ZB 11.1982 – juris Rn. 2).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 12. Juli 2017 zugestellt (§ 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 174 ZPO). Die zweimonatige Begründungfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, über die im Urteil ordnungsgemäß belehrt wurde, lief deshalb nach § 57 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am Montag, den 14. August 2017 ab. Bis dahin ist jedoch keine von einem postulationsfähigen Prozessvertreter gefertigte Begründung beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen (§ 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO). Gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO müssen sich die Beteiligten vor dem Verwaltungsgerichtshof, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (sog. Vertretungszwang). Nur ein als Prozessbevollmächtigter zugelassener Vertreter (§ 67 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 7 VwGO) kann wirksam Prozesserklärungen abgeben und Rechtshandlungen vornehmen. Der Vertretungszwang, auf den ebenfalls in der Rechtsmittelbelehrungdes Urteils hingewiesen wurde, gilt auch für die nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderliche Darlegung der Zulassungsgründe.
Das von der Klägerin verfasste, an das Verwaltungsgericht gerichtete Schreiben vom 29. Juli 2017 wurde von diesem zwar noch innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt. Es genügt jedoch nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO, da es nicht durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten erstellt wurde. Dieser Mangel ist nach Ablauf der Begründungsfrist auch nicht mehr heilbar.
Die mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten an die Klägerin vom 28. Juli 2017 erklärte Mandatsniederlegung hat die Bevollmächtigung auch nicht beendet, da die Mandatsniederlegung aufgrund des Vertretungszwangs erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtlich wirksam wird (§ 173 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 Hs. 2 ZPO), so dass bis zu diesem Zeitpunkt von einem Fortbestand des Mandats auszugehen ist (BayVGH, B.v. 19.8.2014 – 7 ZB 14.1416 – juris Rn. 4).
Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO hinsichtlich der versäumten Begründungsfrist scheidet insoweit aus. Die Klägerin hat innerhalb der Begründungsfrist keinen Antrag auf Bestellung eines Notanwalts (§ 173 VwGO i.V.m. § 78b ZPO) gestellt und auch nicht dargelegt, dass sie sich erfolglos um eine anwaltliche Vertretung bemüht hat (BVerwG, B.v. 28.3.2017 – 2 B 4.17 – juris Rn. 9). Sie hat nur auf die Mandatsniederlegung verwiesen und erklärt, sich „nach Rückkehr“ selbst verteidigen zu wollen, sowie um Verlängerung der Begründungsfrist gebeten. Das genügt jedoch nicht den Darlegungsanforderungen für die Bestellung eines Notanwalts; gleiches gilt auch im Hinblick auf die von der Klägerin behauptete, jedoch nicht substantiiert dargelegte Erkrankung, aufgrund der sie ggf. gehindert gewesen wäre, einen neuen Rechtsanwalt zu suchen (BVerwG, B.v. 28.3.2017 a.a.O. Rn. 10).
Zudem erschiene die Rechtsverfolgung der Klägerin auch aussichtslos i.S.d. § 78b Abs. 1 ZPO, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das erstinstanzliche Urteil unrichtig sein oder ein sonstiger Zulassungsgrund vorliegen könnte (vgl. § 124 Abs. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat sich vielmehr mit dem Sachvortrag der Klägerin auseinandergesetzt und anhand der obergerichtlichen Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 30.7.2015 – 14 ZB 14.1891 – juris) zutreffend dargelegt, weshalb der Klägerin gemäß Art. 113 Abs. 2 i.V.m. Art. 35 Abs. 2 Nr. 2 BayBeamtVG kein Witwengeld, sondern lediglich ein Unterhaltsbeitrag i.S.d. Art. 38 BayBeamtVG zusteht, auf den eigenes Einkommen der Klägerin anzurechnen ist.
Im Übrigen wäre die Fristversäumnis vorliegend auch nicht unverschuldet i.S.d. § 60 Abs. 1 VwGO, da die Klägerin bereits aufgrund des Hinweises ihrer Bevollmächtigten im Schreiben vom 28. Juli 2017 Kenntnis davon hatte, dass die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung innerhalb der nicht verlängerbaren Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO von einem anderen Anwalt eingereicht werden hätte müssen (VGH BW, B.v. 7.7.2017 – 2 S 1435/17 – juris Rn. 15). Da sie dem nicht rechtszeitig nachgekommen ist, besteht kein Anhaltspunkt für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dasselbe gilt mit Blick auf die von ihr behauptete, aber nicht glaubhaft gemachte Erkrankung (BVerwG, B.v. 28.3.2017 a.a.O. Rn. 21).
2. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 10.4 Streitwertkatalog (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen