Verwaltungsrecht

Versagung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis

Aktenzeichen  M 27 S 18.1984

Datum:
25.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20422
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 2, § 28 Abs. 2 S. 3, § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 36 Abs. 2 S. 1
FreizügG/EU § 3

 

Leitsatz

1 Eine lediglich beabsichtigte Eheschließung erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG. Diese Vorschrift kommt nur zur Anwendung, wenn eine eheliche Lebensgemeinschaft bereits besteht. Zwar kann eine beabsichtigte Eheschließung zu einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung führen; dies setzt aber voraus, dass der Eheschließungstermin im Bundesgebiet feststeht oder bestimmbar ist, was bei einem laufenden Scheidungsverfahrens nicht der Fall ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte (§ 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG) besteht nicht, wenn ein Vater mit seiner Tochter nicht in häuslicher Gemeinschaft lebt, sie auf seine Lebenshilfe nicht angewiesen ist und das Kind über keinen  gesicherten Aufenthaltsstatus verfügt, so dass die Lebensgemeinschaft nicht nur in Deutschland Bestand haben kann. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein am … März 1988 geborener tunesischer Staatsangehöriger, wendet sich mit seinem Antrag gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 18. April 2018 erfolgte Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Er schloss am … November 2012 in Tunesien die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen. Am … Dezember 2014 stellte er bei der Deutschen Botschaft in … einen Antrag auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Dieses Visum wurde ihm am … März 2015 mit einer Gültigkeit bis zum … Juni 2015 erteilt. Am … April 2015 reiste der Antragsteller nach Deutschland ein und stellte am … April 2015 bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Diese Aufenthaltserlaubnis wurde ihm am selben Tag, befristet bis zum … Juli 2017, erteilt.
Am 1. Juni 2017 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und legte einen auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag als Sicherheits- und Servicemitarbeiter bei der … vor. Der Antragsgegner erteilte dem Antragsteller daraufhin eine Fiktionsbescheinigung, welche in der Folge fortlaufend verlängert wurde.
Am … Juli 2017 meldete der Antragsteller sich unter einer neuen Adresse an. Seine Ehefrau erstattete am … Juli 2017 gegen ihn Anzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung und teilte dem Antragsgegner am … Juli 2017 per E-Mail mit, dass sie sich vom Antragsteller getrennt habe. Er sei ihr gegenüber gewalttätig gewesen und hätte sie im vorangegangenen Jahr betrogen, woraus ein Kind entstanden sein. Das Kind lebe mit seiner Mutter zusammen. Beide stammten aus dem ehemaligen Jugoslawien und hätten nicht die deutsche Staatsangehörigkeit.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2017 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis an. Am … August 2017 meldete sich die Ehefrau des Antragstellers telefonisch bei dem Antragsgegner und teilte mit, dass sie und der Antragsteller seit dem … Juni 2017 getrennt voneinander leben würden, er sie aber gebeten habe, gemeinsam mit ihm beim Antragsgegner vorzusprechen und vorzugeben, sie seien noch ein Paar. Gleichzeitig habe er ihr jedoch mitgeteilt, dass er im kommenden Jahr seine neue Lebensgefährtin heiraten wolle und dann wieder nach Deutschland zurückkehren werde, falls er ausreisen müsse.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom … Oktober 2017 wurde der Antragsteller wegen Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen verurteilt. Nach Einspruch des Antragstellers wurde er mit Urteil des Amtsgerichts … vom 1. Februar 2018 freigesprochen. Am 20. März 2018 erhielt der Antragsgegner durch die Polizeiinspektion … Mitteilung über eine weitere Strafanzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Das Verfahren wurde in der Folge eingestellt.
Am … April 2018 meldete sich der Antragsteller unter der Adresse seiner jetzigen Lebensgefährtin, einer deutschen Staatsangehörigen, in … an. Mit Schreiben vom 10. April 2018 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Antragsgegner mit, dass sich das Scheidungsverfahren des Antragstellers schwieriger gestalte als angenommen. Es werde sich noch ein paar Monate hinziehen. Der Antragsteller könne das Verfahren nicht vom Ausland aus betreiben, weshalb um Verlängerung der Fiktionsbescheinigung gebeten werde.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 18. April 2018 wurde der Antrag des Antragstellers vom 1. Juni 2017 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Nr. 1), der Antragsteller verpflichtet, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Vollziehbarkeit dieses Bescheids zu verlassen (Nr. 2) und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Tunesien angedroht (Nr. 3). Die Wirkungen der angeordneten Abschiebung wurden auf einen Zeitpunkt von drei Jahren nach einer nachgewiesenen Ausreise aus dem Bundesgebiet befristet (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG mangels Fortbestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht in Betracht komme. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG scheitere an der Nichterfüllung der erforderlichen Dreijahresfrist. Eine besondere Härte sei vorliegend nicht erkennbar.
Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten am 23. April 2018 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den Bescheid vom 18. April 2018 Klage erheben, im Wesentlichen mit dem Antrag,
den Antragsgegner zu verpflichten, unter Aufhebung dieses Bescheids die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers zu verlängern (M 27 K 18.1983).
Außerdem ließ er beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 23. April 2018 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. April 2018 anzuordnen.
Zur Begründung wurde vorgebracht, dass der Antragsteller nach Abschluss des Scheidungsverfahrens seine neue Lebensgefährtin heiraten werde. Er sei außerdem Vater einer am … März 2017 geborenen Tochter, welche mit der Kindsmutter in … lebe. Der Antragsteller besuche seine Tochter dort wöchentlich. Der Umgang finde an den Wochenenden statt und dauere zwischen drei und vier Stunden. Es habe sich schon eine sehr gute Vater-Kind-Beziehung eingestellt. Ein Umgang sei nur möglich, wenn der Antragsteller seinen Wohnsitz in Deutschland habe. Der Antragsteller zahle außerdem regelmäßig Kindesunterhalt. Dies sei nur aufgrund seines unbefristeten Arbeitsplatzes in Deutschland möglich. Vorgelegt wurden unter anderem eine von der Republik Kroatien am … April 2018 ausgestellte kroatische Geburtsurkunde der Tochter des Antragstellers, auf welcher sich keine Angabe zur Nationalität befindet, eine Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Mutter seiner Tochter betreffend den wöchentlichen Umgang im Umfang von drei Stunden sowie die Zahlung des Kindesunterhalts durch den Antragsteller, eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, in welcher das Vorbringen zum Umgang bestätigt wird und eine Vereinbarung des Antragstellers mit seinem Arbeitsgeber über die Entfristung des Arbeitsvertrags.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt aus, dass weder das laufende Scheidungsverfahren noch die geplante Eheschließung einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begründeten. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG komme trotz der erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Vater-Kind-Beziehung mangels Bestehens einer außergewöhnlichen Härte nicht in Betracht.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erwiderte, er habe das Bestehen einer Vater-Kind-Beziehung gegenüber dem Antragsgegner vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nicht geltend machen können, da die Kindsmutter mit der Tochter des Antragstellers zunächst in Kroatien gelebt und sich erst am … April 2018, mithin nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides, in … angemeldet habe.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig. Er ist dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Nr. 1 des Bescheids vom 18. April 2018 erfolgte Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und gegen die in Nr. 3 dieses Bescheids erfolgte Abschiebungsandrohung begehrt wird.
Die Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO ist in einem solchen Fall, dass mit der Ablehnung der Verlust einer verfahrensrechtlichen Rechtsposition eintritt, was lediglich im Anwendungsbereich des § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG gegeben ist. Denn nur in diesen Fällen kann die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO mit der Folge angeordnet werden, dass die Versagung des beantragten Aufenthaltstitels und die dadurch begründete Ausreisepflicht nicht vollziehbar sind (BayVGH, B. v. 22.7.2014 – 10 CS 14.1534, 10 C 14.1535 – juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 14. 6 2013 – 10 C 13.848 – juris Rn. 3). Dies ist hier der Fall, da der von dem Antragsteller am 1. Juni 2017 gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst hat.
Die Statthaftigkeit hinsichtlich der in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids ausgesprochenen Abschiebungsandrohung ergibt sich aus Art. 21a BayVwZVG.
2. Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt der Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage zu treffen. Dabei sind die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Maßgeblich bei der Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Abzustellen ist hierbei auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Antrag unbegründet.
a) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Die familiäre Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seiner Ehefrau besteht nach übereinstimmenden Angaben der Eheleute nicht mehr fort.
b) Aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG lässt sich ebenfalls kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis herleiten, da die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seiner Ehefrau nicht mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Umstände, die eine besondere Härte nach § 31 Abs. 2 AufenthG begründen könnten, ergeben sich aus dem Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers nicht.
c) Die beabsichtigte erneute Eheschließung des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen begründet zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls kein Aufenthaltsrecht. Eine lediglich beabsichtigte Eheschließung erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Diese Vorschrift kommt lediglich dann zur Anwendung, wenn eine eheliche Lebensgemeinschaft bereits besteht. Zwar kann eine beabsichtigte Eheschließung zu einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung führen, dies wäre aber zum einen mit einem Antrag auf Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG geltend zu machen und würde zum anderen voraussetzen, dass der Eheschließungstermin im Bundesgebiet feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist, was vorliegend aufgrund des noch laufenden Scheidungsverfahrens nicht der Fall ist (BayVGH v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 – juris Rn. 11). Die persönliche Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet zur Durchführung des Scheidungsverfahrens ist nicht erforderlich, weil der Antragsteller im Bundesgebiet anwaltschaftlich vertreten ist (BayVGH, B. v. 11.11.2002 – 24 CS 02.2166 – juris Rn. 22).
d) Aus § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ergibt sich nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ebenfalls kein Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Nach dieser Vorschrift kann sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Damit ist der Nachzug auf seltene Ausnahmefälle beschränkt, in denen die Verweigerung des Aufenthaltsrechts und damit der Familieneinheit im Lichte des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen widerspräche (BayVGH, B. v. 19.11.2014 – 19 CS 14.1899 – juris Rn. 5). Die von § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG geforderte außergewöhnliche Härte kann nur dann angenommen werden, wenn nach Art und Schwere so ungewöhnlich große Schwierigkeiten für den Erhalt der Gemeinschaft zu befürchten sind, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als schlechthin unvertretbar anzusehen ist (BVerwG, B. v. 25.6.1997 – 1 B 236/96 – juris Rn. 8). Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück. Anderenfalls sind dem im Bundesgebiet lebenden Familienmitglied hingegen grundsätzlich Anstrengungen zumutbar, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10, B.v. 25.3.2011 – 2 BvR 1413/10, BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 15/12 – jeweils juris).
Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist vorliegend eine außergewöhnliche Härte nicht anzunehmen. Der Antragsteller lebt mit seiner Tochter nicht in häuslicher Gemeinschaft; der Umgang findet nach dem Vortrag des Antragstellers lediglich an den Wochenenden für drei bis vier Stunden statt. Bis Ende April 2018 hat die Tochter des Antragstellers nach dessen Vortrag zudem mit der Kindsmutter in Kroatien gelebt. Es kann in Anbetracht dieser Umstände nicht davon ausgegangen werden, dass die Tochter des Antragstellers auf dessen Lebenshilfe dringend angewiesen ist und ein eigenständiges Leben nicht führen kann. Da nicht einmal klar ist, ob das Kind in Deutschland über einen gesicherten Aufenthaltsstatus verfügt, kann auch nicht angenommen werden, dass eine familiäre Lebensgemeinschaft nur in Deutschland Bestand haben kann.
Zudem wäre vor der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG grundsätzlich das Visumverfahren durchzuführen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Ein Absehen von dieser allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Antragsteller schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine solche Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde nicht erfüllt (vgl. BVerwG, U. v. 16. 11. 2010 – 1 C 17/09 – juris Rn. 27). Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann von dem Erfordernis des Durchführung eines Visumverfahrens abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Ebenso wie im Rahmen von § 39 Nr. 3 AufenthV setzt die erste Alternative der Vorschrift einen strikten Rechtsanspruch voraus, der im Fall des Antragstellers nicht besteht. Der Antragsteller erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der zweiten Alternative der Vorschrift. Besondere Umstände, die zu einer Unzumutbarkeit des lediglich vorübergehenden Verlassens des Bundesgebiets zwecks Nachholung des Visumverfahrens führen könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
e) Die Voraussetzungen für ein von der Tochter des Antragstellers abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach §§ 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU), für dessen Vorliegen der Antragsteller die materielle Beweislast trägt, lassen sich auf der Basis des dem Gericht vorliegenden Sachverhalts ebenfalls nicht annehmen. Dies würde zunächst das Feststehen der Vaterschaft des Antragstellers, etwa durch Vorlage eines Vaterschaftsanerkenntnisses (vgl. § 1592 Nr. 2 BGB) sowie des Weiteren voraussetzen, dass die Tochter des Antragstellers freizügigkeitsberechtigt ist. Sollte die Tochter des Antragstellers die kroatische Staatsangehörigkeit besitzen, was nicht vorgetragen wurde und sich auch aus der vorgelegten Geburtsurkunde, die keine Angaben zur Nationalität des Kindes macht, nicht ergibt, könnte sie freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 Satz 1 FreizügG/EU sein. Hierfür müsste ausreichender Krankenversicherungsschutz bestehen und die Tochter des Antragstellers über ausreichende Existenzmittel verfügen. Auch hierzu hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Lediglich bei Bejahung der angesprochenen Punkte käme für den Fall, dass der Antragsteller selbst die Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU erfüllt, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in Betracht.
f) Auch der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der Abschiebungsandrohung ist unbegründet. Die Rechtsgrundlage hierzu findet sich in § 59 AufenthG. Der Antragsteller ist mit der Ablehnung des Antrags auf Aufenthaltserlaubnis vollziehbar ausreisepflichtig (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Der Bescheid erfüllt die formalen Voraussetzungen des § 59 AufenthG. Die dem Antragsteller vorsorglich gewährte Frist zur freiwilligen Ausreise von 30 Tagen ist angemessen und ausreichend zur Regelung der persönlichen Angelegenheiten (§ 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog.

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