Verwaltungsrecht

Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG – Verweigerung der Mitwirkung bei der Passbeschaffung

Aktenzeichen  B 6 K 17.447

Datum:
29.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20577
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1a, 4, § 25b Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 Nr. 1, § 48 Abs. 3 S. 1, § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG ist rechtmäßig, wenn die Erfüllung der Voraussetzung eines mindestens achtjährigen ununterbrochenen geduldeten, gestatteten oder erlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet ganz überwiegend auf dem tatsächlichen Abschiebungshindernis einer verschuldeten Passlosigkeit des Ausländers beruht. (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO ist der Bescheid vom 12.05.2017 nicht aufzuheben und weder die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG zu erteilen, noch die Verpflichtung, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, auszusprechen, weil die Versagung der Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist.
Der Tatbestand des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis einem „geduldeten“ Ausländer erteilt werden soll, ist schon deshalb nicht erfüllt, weil im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Abschiebung der Klägerin nicht mehr ausgesetzt ist und weder der ursprüngliche Duldungsgrund der Passlosigkeit vorliegt noch andere Duldungsgründe im Rechtssinne ersichtlich sind.
Auch unabhängig davon wurde die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG, wie sich aus dem Prozesskostenhilfebeschluss vom 27.06.2018 ergibt, zu Recht versagt. Insoweit verweist das Gericht zunächst auf die im Tatbestand wiedergegebenen Gründe des Prozesskostenhilfebeschlusses und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Zusammenfassend bzw. ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
Von der Nichterfüllung der regelmäßigen Integrationsvoraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG (überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts) ist nach wie vor auszugehen, nachdem die Klägerin hierzu nichts weiter vorgetragen hat, obwohl dies angesichts der Ausführungen im Prozesskostenhilfebeschluss angezeigt gewesen wäre (so auch BayVGH, Beschluss vom 29.08.2018 – 19 CE 18.1829, Rn. 4).
Davon abgesehen ist die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG rechtmäßig, wenn die Erfüllung der Voraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG eines mindestens achtjährigen ununterbrochenen geduldeten, gestatteten oder erlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet ganz überwiegend auf dem tatsächlichen Abschiebungshindernis einer verschuldeten Passlosigkeit des Ausländers beruht (so auch Zühlcke, HTK-AuslR / § 25b AufenthG / zu Abs. 1 Rn. 5, Stand: 21.08.2018).
Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass § 25b AufenthG die Legalisierung eines rechtswidrigen humanitären Aufenthalts bezweckt (vgl. zu § 25a AufenthG BayVGH, Beschluss vom 07.08.2018 – 19 CE 18.1628 Rn. 8). Beruht der Aufenthalt nicht auf humanitären Duldungsgründen, sondern wurde die Aussetzung der Abschiebung durch eine gesetzwidrige Mitwirkungsverweigerung bei der Passbeschaffung gewissermaßen „erzwungen“, liegt ein Ausnahmefall vor, der es rechtfertigt, abweichend vom Soll-Anspruch des § 25b Abs. 1 AufenthG keine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (vgl. zu einer anderen, nach Auffassung des erkennenden Gerichts im Ergebnis vergleichbaren Fallkonstellation des § 25a AufenthG BayVGH, a.a.O. Rn. 9 und 10: Dort wird als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG gefordert, dass humanitäre, spezifisch die Antragstellerin betreffende Duldungsgründe vorliegen, die eine Legalisierung des Aufenthalts nahelegen; eine Duldung allein wegen fehlender Ausreisepapiere wird als nicht ausreichend erachtet).
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass sie im Falle einer pflichtgemäßen Mitwirkung bei der Passbeschaffung schon vor Ablauf der Achtjahresfrist und erst recht vor Inkrafttreten des § 25b AufenthG am 01.08.2015 einen Pass erhalten hätte mit der Folge, dass eine freiwillige Ausreise bzw. eine Abschiebung nicht mehr unmöglich gewesen wäre. Auf die diesbezügliche gerichtliche Nachfrage gab die Klägerin an, die Passbeschaffung im Jahr 2017 habe nicht plötzlich geklappt, sondern sei das Ergebnis eines langen Prozesses gewesen. Sie habe nicht arbeiten dürfen und kein Geld für die Passbeschaffung gehabt. Für die Geburtsurkunde brauche man die Unterschrift des Clans. Ohne die Unterschrift des Clans gebe es keine Geburtsurkunde und die Beschaffung sei aufwendig. Vor der Passausstellung im Jahr 2017 habe sie der ugandischen Botschaft keine besonderen Unterlagen vorgelegt. Sie habe nur Briefe an die Kirche im Heimatort geschrieben und keine Antwort erhalten. Man habe ihr dann bei der Botschaft gesagt, sie brauche zumindest die Nummer einer Geburtsurkunde. Die Mutter habe dann die Nummer der Geburtsurkunde in Uganda an die Botschaft, gemeint sei die entsprechende ugandische Verwaltungsbehörde, geschickt. Das sei 2013 oder 2014 gewesen.
Diese Ausführungen sind im Wesentlichen unsubstantiiert und nicht geeignet, den aus der Ausländerakte gewonnenen und im Prozesskostenhilfebeschluss dargelegten Eindruck, dass die Klägerin über ein Jahrzehnt hinweg eine zielführende Mitwirkung bei der Passbeschaffung verweigert hat, zu entkräften. So ist nicht ersichtlich bzw. nachvollziehbar, was letztendlich für die Ausstellung eines Passes im Jahr 2017 ausschlaggebend war, welche Rolle die Unterschrift des Clans spielt, wo doch offensichtlich die Angabe der Nummer der Geburtsurkunde bei der Botschaft ausreicht, warum eine Kontaktaufnahme mit der Mutter jahrelang nicht und dann im Jahr 2013 oder 2014 auf einmal doch gelungen sein soll und wofür genau das Geld gefehlt hat (der Schriftsatz vom 07.08.2018, in dem von ungenügenden finanziellen Mitteln die Rede ist, bezieht sich nur auf die Beantragung eines neuen Passes nach dem Verlust im Mai 2017). Sollte es zutreffen, dass die Mutter der Klägerin im Jahr 2013 oder 2014 die Nummer der Geburtsurkunde der Klägerin an irgendeine Behörde in Uganda übermittelt hat, ist nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin dies trotz engmaschiger behördlicher Hinweise erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen und offensichtlich nicht auf eine Bekanntgabe gegenüber einer mit ihrem Fall befassten Behörde hingewirkt hat.
Soweit die Prozessbevollmächtigte der Klägerin betont, die Klägerin habe von Anfang an zutreffend angegeben, ugandische Staatsangehörige zu sein, liegt es auf der Hand, dass diese Angabe zur Identitätsklärung nicht ausreicht. Auch der Umstand, dass der Klägerin nun ein ugandischer Pass ausgestellt worden ist, ist kein hinreichender Beleg für eine (auch nur im Wesentlichen) pflichtgemäße Mitwirkung. Der späte Zeitpunkt der Passausstellung spricht vielmehr dafür, dass diese Mitwirkung in den davorliegenden zahlreichen Jahren nicht stattgefunden hat (so auch BayVGH, Beschluss vom 29.08.2018 – 19 CE 18.1829, Rn. 3, mit dem die Beschwerde der Klägerin (Antragstellerin) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 29.08.2018 – B 6 E 18.906 zurückgewiesen wurde).
Ist somit davon auszugehen, dass der mindestens achtjährige Aufenthalt im Bundesgebiet überwiegend auf der gesetzwidrigen Verweigerung einer zielführenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung beruht, gilt dies zwangsläufig auch für sonstige Integrationsleistungen, die in diesem Zeitraum erbracht wurden. Abgesehen davon, dass solche weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren einschließlich der mündlichen Verhandlung geltend gemacht wurden, wären sie demzufolge auch nicht geeignet, fehlende regelmäßige Integrationsvoraussetzungen auszugleichen (vgl. Zühlcke, HTK-AuslR / § 25b AufenthG / zu Abs. 1 Rn. 38, Stand: 21.08.2018) bzw. eine positive Ermessensentscheidung zu rechtfertigen.
Die Klage wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach die Klägerin als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abgewiesen. Die Kostenentscheidung ist gemäß § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO vorläufig vollstreckbar.

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