Verwaltungsrecht

Versand von Waffen und Munition durch DHL

Aktenzeichen  21 CS 17.1077

Datum:
25.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 34 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 45 Abs. 2 Satz 1
VwGO VwGO § 146 Abs. 4, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 158 Abs. 1

 

Leitsatz

Die bei Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit vorzunehmende Prognose hat sich an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dieses Vertrauen kann einer Person nicht mehr entgegengebracht werden, wenn sie eine waffenrechtliche Verpflichtung missachtet hat, die einem vordringlichen und wesentlichen Ziel des Waffengesetzes dient. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 S 17.407 2017-05-17 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.875,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und seines Kleinen Waffenscheins sowie dazu ergangener Nebenentscheidungen.
Am 23. September 2013 informierte ein Waffenbesitzer das Ordnungs- und Verkehrsamt der Stadt A* … unter anderem davon, dass ihm der Antragsteller in Abwicklung eines Waffenkaufs ein Gewehr und 100 Schuss Munition zugesandt habe. Das Gewehr und die Munition hätten sich nicht ordnungsgemäß verpackt in einem Karton ohne Absendervermerk befunden.
Nachdem die Ehefrau des Antragstellers gegen diesen wegen verschiedener Delikte Anzeige erstattet hatte, durchsuchten Beamte der Polizeiinspektion A* … am 9. Februar 2017 aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts A* … die Räume der vom Antragsteller in A* … betriebenen …schule. In einem vom Schulungsraum durch einen Vorhang abgetrennten Nebenraum konnten die Waffen des Antragstellers jeweils in einem Tresor aufgefunden werden. Demgegenüber befand sich die in großen Mengen vorhandene Munition teilweise außerhalb der Waffentresore. Des Weiteren konnten etwa 1,3 kg Schwarzpulver sowie ein feststehendes Springmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm aufgefunden werden.
Das Landratsamt Miltenberg widerrief mit Bescheid vom 16. März 2017 die Waffenbesitzkarten Nrn. 078/2008, 089/2008, 3786/2008 und 3787/2008 des Antragstellers, in die insgesamt 5 Schusswaffen und eine Wechseltrommel eingetragen sind (Nr. 3), ebenso dessen Kleinen Waffenschein Nr. 196 (Nr. 5). Des Weiteren enthält der Bescheid die Anordnung, dass der Antragsteller den am 2. April 2014 abgelaufenen Europäischen Feuerwaffenpass Nr. 0019280 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids dem Landratsamt zu übergeben hat (Nr. 6 Buchst. a).
2. Der Antragsteller hat dagegen im Verfahren W 5 K 17.348 Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat mit Beschluss vom 17. Mai 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 8 des angefochtenen Bescheids angeordnet, soweit darin ein Zwangsgeld für die nicht fristgerechte Abgabe des Europäischen Feuerwaffenpasses angedroht wird. Im Übrigen wurde der Eilantrag abgelehnt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, von der im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung getroffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts abzuweichen, die Klage werde voraussichtlich keinen Erfolg haben.
1. Mit dem Verwaltungsgericht ist nach derzeitigem Sachstand davon auszugehen, dass der auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG gestützte Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse rechtmäßig ist, weil nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass daran zu zweifeln, dass der Antragsteller die für eine waffenrechtliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen oder Munition Personen überlassen wird, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG).
1.1 Das Verwaltungsgericht führt im angegriffenen Beschluss unter anderem aus, mit der Versendung von Waffe und Munition in einem Wertpaket mit dem Aufkleber „Gefahr“ oder „Gefahrgut“ sei schon nicht sichergestellt, dass die Sendung ausschließlich an den waffenrechtlich befugten Adressaten abgegeben wird und nicht etwa an einen Familienangehörigen oder sonstigen Dritten.
Die Beschwerde setzt sich damit nicht substantiiert auseinander und sieht den Antragsteller dadurch entlastet, dass er mit dem Paketdienst DHL einen auch für Gefahrgut als zuverlässig bekannten Beförderer gewählt habe und Vorkehrungen gegen das Abhandenkommen getroffen habe; insbesondere sei das Repetiergewehr und die Munition sorgfältig verpackt und so ein schadensfreier Transport gewährleistet worden.
Das übergeht die jedem Waffenbesitzer obliegende Pflicht, Waffen und Munition nur berechtigten Personen zu überlassen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Der Antragsteller überließ bereits mit der Übergabe des Pakets an den Transporteur DHL die Waffe und die Munition dem Empfänger (§ 34 Abs. 1 Satz 5 WaffG). Der Antragsteller hätte deshalb den Transporteur anweisen müssen, die waffenrechtlich relevanten Gegenstände nur an die berechtigte Person im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG nach Prüfung ihrer waffenrechtlichen Legitimation auszuhändigen, um so insbesondere die Zustellung an einen unberechtigten „Ersatzempfänger“ auszuschließen (vgl. Lehmann/v. Grotthuss, Aktuelles Waffenrecht, Stand Juni 2017, § 34 Rn. 19). Indem der Antragsteller dem nach Aktenlage ersichtlich nicht nachgekommen ist, verstieß er gegen eine grundlegende waffenrechtliche Verpflichtung, die im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern soll, dass Waffen oder Munition in die Hände unberechtigter Dritter und damit solcher Personen gelangen, bei denen insbesondere die waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde nicht überprüft wurden.
1.2 Das rechtfertigt die Annahme, dass der Antragsteller künftig nicht die Gewähr dafür bietet, Waffen oder Munition nur solchen Personen zu überlassen, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände berechtigt sind. Die bei Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit vorzunehmende Prognose hat sich an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dieses Vertrauen kann einer Person nicht (mehr) entgegengebracht werden, wenn sie wie der Antragsteller eine waffenrechtliche Verpflichtung missachtet hat, die einem vordringlichen und wesentlichen Ziel des Waffengesetzes dient (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30.13 – NJW 2015, 1127).
Entgegen der Beschwerde ist eine dem Antragsteller günstige Prognose auch nicht deshalb veranlasst, weil der Sachverhalt bezüglich des Waffenversands im maßgeblichen Zeitpunkt des angefochtenen Widerrufs ungefähr dreieinhalb Jahre zurücklag. Der Verstoß gegen die Verpflichtung des § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG durfte angesichts seines erheblichen Gewichts auch mit Blick auf die seitdem verflossene Zeit zur Beurteilung der Zuverlässigkeit herangezogen werden. Unabhängig davon bestätigt bei der gebotenen summarischen Prüfung das Ergebnis der Durchsuchung der …schulräume am 9. Februar 2017 eine grundlegende persönliche Fehleinstellung des Antragstellers im Umgang mit Waffen. Insoweit genügt es bereits, dass beim Antragsteller ein Springmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm vorgefunden wurde. Der Umgang mit einer solchen Waffe und damit auch deren Besitz ist verboten (§ 2 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.1 Satz 1, § 1 Abs. 3 WaffG) und nach § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG unter Strafe gestellt. Einer Würdigung des Umstands, dass bei der Durchsuchung auch Munition außerhalb der Waffentresore sowie 1,3 kg Schwarzpulver vorgefunden wurden, bedarf es nach allem jedenfalls im Eilverfahren nicht mehr.
2. Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten (§ 158 Abs. 1 VwGO) ist zulässig, weil der Antragsteller gegen die Entscheidung in der Hauptsache eine zulässige Beschwerde eingelegt hat. Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Der Antragsteller wendet sich dagegen, dass ihm das Verwaltungsgericht nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Kosten ganz auferlegt hat. Er meint, er habe zu 50 v.H. obsiegt. Denn er habe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der Nr. 8 des angegriffenen Bescheids erwirkt, wohingegen er bezüglich Nr. 2 des Bescheids unterlegen sei.
Das greift nicht durch. Nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Ein solches geringfügiges Unterliegen des Antragsgegners hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen. Der Eilantrag hatte in erster Instanz lediglich bezüglich eines gänzlich untergeordneten Teils Erfolg, nämlich hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung, die das Landratsamt mit Blick auf die Verpflichtung zur Rückgabe des Europäischen Feuerwaffenpasses verfügte (Nr. 8 des Bescheids vom 16.3.2017). Die wesentlichen Maßnahmen und hier insbesondere der Widerruf der Waffenbesitzkarten, der Widerruf des Kleinen Waffenscheins und die sofortige Sicherstellung der Waffen blieben demgegenüber sofort vollziehbar.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 50.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anhang zu § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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