Aktenzeichen Au 2 K 15.953
Leitsatz
1 Gesetzliche Vorgaben zur Mindestdauer des Beobachtungszeitraums für die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung existieren nicht. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass sich der Beurteiler ein Bild von der Leistungsfähigkeit des Beamten machen kann, wofür auch ein relativ kurzer Zeitraum ausreichend sein kann (hier: 23 Tage). (redaktioneller Leitsatz)
2 Mit welchem Gewicht der Beurteiler eine Zwischenbeurteilung in die periodische dienstliche Beurteilung einfließen lässt, ist Teil des Bewertungsspielraums und unterliegt nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle. Die Zwischenbeurteilung muss berücksichtigt werden, aber nicht etwa in Form einer „Fortschreibung“. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn die periodische Beurteilung vor dem Hintergrund einer anderen (stärkeren) Vergleichsgruppe, des andersartigen Dienstpostens und der Beförderung des Beamten im Beurteilungszeitraum gegenüber dem Ergebnis der Zwischenbeurteilung absinkt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Plausibilisierung des Gesamturteils und der Einzelbewertungen einer Beurteilung kann noch im Verwaltungsstreitverfahren nachgeholt werden (BVerwG BeckRS 2015, 55140). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wen nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die periodische dienstliche Beurteilung vom 24. Juli 2014 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Juni 2011 bis 31. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Polizeipräsidiums … vom 5. Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch, den Beklagten unter Aufhebung der streitgegenständlichen periodischen dienstlichen Beurteilung zu verpflichten, sie für den Beurteilungszeitraum vom 1. Juni 2011 bis 31. Mai 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen, nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO analog).
Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten – ihrem Wesen als persönlichkeitsbedingte Werturteile entsprechend – nur beschränkt überprüfbar (BVerfG, B. v. 29.5.2002 – 2 BvR 723/99 – NVwZ 2002, 1368; BVerwG, U. v. 21.3.2007 – 2 C 2.06 – DÖD 2007, 281; U. v. 19.12.2002 – 2 C 31.01 – NVwZ 2003, 1398/1399; BayVGH, B. v. 17.3.2011 – 3 ZB 10.1242 – juris Rn. 6). Allein der Dienstherr bzw. der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung (Art. 54 ff. LlbG) ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den – ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden – fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist in Anbetracht der den normativen Regelungen des Beurteilungsverfahrens immanenten Beurteilungsermächtigung darauf beschränkt, zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Sie kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U. v. 26.6.1980 – 2 C 8.78 – BayVBl 1981, 54; VG Augsburg, U. v. 7.7.2011 – Au 2 K 09.1684 – juris Rn. 14).
Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zudem zu prüfen, ob diese – vermittels Art. 3 Abs. 1 GG den Dienstherrn gegenüber den Beamten rechtlich bindenden – Richtlinien eingehalten sind und ob die Richtlinien mit den normativen Regelungen über die dienstliche Beurteilung – speziell denen der (Leistungs-)Laufbahnvorschriften in der zum Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung geltenden Fassung – im Einklang stehen (BVerwG, U. v. 21.3.2007 – 2 C 2.06 – DÖD 2007, 281; U. v. 30.4.1981 – 2 C 8.79 – NVwZ 1982, 101; BayVGH, U. v. 17.12.2015 – 3 BV 13.773 – juris Rn. 12). Maßgebend für die vorliegend zu überprüfende Beurteilung sind Art. 54 ff. LlbG, Abschnitt 3 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR – Allgemeine Beurteilungsrichtlinien – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2009, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 24. April 2014, FMBl S. 62) sowie die zur Beurteilung der Beamten und Beamtinnen der bayerischen Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz ergangene Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 8. April 2011 (Nr. IC3-0371.0-41, AllMBl S. 129). Die Vereinbarkeit der vom Beklagten zugrunde gelegten rechtlichen Grundlagen mit höherrangigem Recht wird von der Klagepartei nicht in Frage gestellt. Anhaltspunkte diesbezüglich ergeben sich auch aus Sicht des Gerichts nicht.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hält die streitgegenständliche periodische dienstliche Beurteilung einer rechtlichen Überprüfung stand. Sie begegnet weder in formeller Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken, noch ist sie unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten als rechtswidrig anzusehen.
Vorliegend ist die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung unter Beachtung der einschlägigen Verfahrensvorschriften zustande gekommen, insbesondere war der Beurteiler, PD …, als Leiter der PI … gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 1 LlbG nach Nr. 11.1.1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 8. April 2011 zuständig für die Erstellung der Beurteilung. Auch erfolgte die nach Nr. 11.1 Satz 2 VV-BeamtR erforderliche Beteiligung des unmittelbaren Vorgesetzten, da der Beurteilung eine Stellungnahme des unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin, EPHK …, zugrunde liegt.
Die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil der Zeitraum der tatsächlichen Dienstleistung bei der PI … nur relativ kurz war. Gesetzliche Vorgaben zur Mindestdauer des Beobachtungszeitraums existieren nicht. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass sich der Beurteiler ein Bild von der Leistungsfähigkeit des Beamten machen kann (VG Augsburg, U. v. 7.7.2011 – Au 2 K 09.1684 – juris Rn. 22). Dafür, dass dies hier nicht der Fall gewesen sein könnte, liegen keine Anhaltspunkte vor. Die Zeugen haben nachvollziehbar erläutert, dass sie wegen ihren Erfahrungen mit (teilzeitbeschäftigten) schwangeren Beamtinnen in der zur Verfügung stehenden Zeit eine belastbare Wertung abzugeben in der Lage waren. Deswegen war auch keine Zurückstellung der Beurteilung nach Art. 56 Abs. 2 Nr. 2 LlbG veranlasst.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die dienstliche Beurteilung mit Blick auf die Zwischenbeurteilung der Klägerin durch das Bayerische Landeskriminalamt vom 17. April 2013, die zu einem Gesamturteil von 12 Punkten gekommen war. Nach den Bekundungen der Zeugen war ihnen die Zwischenbeurteilung bekannt und wurde bei der Erstellung der periodischen dienstlichen Beurteilung zum Stichtag 31. Mai 2014 berücksichtigt. In welchem Umfang und mit welchem Gewicht der Beurteiler eine Zwischenbeurteilung in die periodische dienstliche Beurteilung einfließen lässt, ist Teil des Bewertungsspielraums des Beurteilers und unterliegt nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle (VG Augsburg, U. v. 7.7.2011 – Au 2 K 09.1684 – juris Rn. 26). Weiter war der Beurteiler nach den allgemeinen Beurteilungsrichtlinien nicht verpflichtet, mit dem Beurteiler der Zwischenbeurteilung Kontakt aufzunehmen und das Ergebnis der dienstlichen Beurteilung nochmals abzustimmen. Die Zwischenbeurteilung muss berücksichtigt werden, aber nicht etwa in Form einer „Fortschreibung“ (VG Augsburg, U. v. 7.7.2011 – Au 2 K 09.1684 – juris Rn. 26). Deshalb ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die periodische Beurteilung vor dem Hintergrund einer anderen (stärkeren) Vergleichsgruppe, des andersartigen Dienstpostens und der Beförderung der Klägerin im Beurteilungszeitraum gegenüber dem Ergebnis der Zwischenbeurteilung absinkt.
Der Beklagte hat die bei der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung vorgenommenen Punktebewertungen auch hinreichend plausibilisiert. Eine Plausibilisierung des Gesamturteils und der Einzelbewertungen ist zunächst durch die Erläuterungen des Beklagten im Rahmen der Klageerwiderung vom 13. Oktober 2015 erfolgt. Insofern bestehen keine Bedenken, dass die Plausibilisierung noch im Verwaltungsstreitverfahren nachgeholt wird (BVerfG, B. v. 29.5.2002 – 2 BvR 723/96 – NVwZ 2002, 1368; BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – BVerwGE 153, 48). In den der Klageerwiderung zugrunde liegenden dienstlichen Stellungnahmen von PD … und EPHK … wird näher erläutert, wie die Bewertung der Klägerin zustande gekommen ist und warum sie unter Auswertung sämtlicher Erkenntnisse dienststellenintern auf Platz 28 von 39 Polizeihauptmeistern sowie im Besoldungsgruppenvergleich mit den anderen Beamten der Besoldungsgruppe A 9 auf Ebene des Beurteilungssprengels auf Platz 85 von 124 Beamten gereiht und dann unter Zugrundelegung der fachlichen Leistung, Eignung und Befähigung unter Berücksichtigung der vorgegebenen Quote mit zehn Punkten bewertet wurde. Plausibilisierungsdefizite ergaben sich auch nicht im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung. Die einvernommenen Zeugen haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, weshalb die Klägerin auch unter Berücksichtigung der Leistungen als Sachbearbeiterin der zweiten Qualifikationsebene beim Bayerischen Landeskriminalamt im Bereich der … im Zeitraum 1. Juni 2011 bis 28. Februar 2013 mit einem Gesamturteil von 10 Punkten zu beurteilen war und inwiefern die Zwischenbeurteilung, in welcher die Klägerin das Gesamturteil „12 Punkte“ erhalten hat, in die Beurteilung eingeflossen ist. Von den Zeugen wurde auch schlüssig dargelegt, warum der Zeitraum von 23 Tagen, in welchem die Klägerin tatsächlich mit einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden im Dienst bei der PI … stand, ausreichend war, um sich ein Bild von deren fachlicher Leistung, Eignung und Befähigung zu machen. Schließlich wurde im Rahmen der Beweiserhebung verständlich dargelegt, wieso die Klägerin insbesondere in dem Einzelmerkmal „Eigeninitiative“, für welches sie beim Bayerischen Landeskriminalamt im Rahmen der Zwischenbeurteilung 13 Punkte erhalten hat, in der streitgegenständlichen periodischen Beurteilung mit 9 Punkten bewertet wurde. Insgesamt hat die Beweiserhebung keine rechtlichen Mängel erkennen lassen. Die Darlegungen der Zeugen dazu, welche Gesichtspunkte den Ausschlag für die Gesamtreihung der Klägerin gegeben haben und wie die beurteilungsrelevanten Merkmale der Beamten untereinander gewichtet wurden, lassen keine Rechtsfehler erkennen.
Da im Ergebnis keine Anhaltspunkte ersichtlich waren, die zur Rechtsfehlerhaftigkeit der angegriffenen dienstlichen Beurteilung führen könnten, konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124, § 124a VwGO).