Aktenzeichen 6 ZB 16.249
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5
VwVfG § 40, § 46
SGB IX § 95 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1 Da für die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung keine Form vorgeschrieben ist, kann sie auch telefonisch erfolgen. Eine mangelhafte Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Zurruhesetzungsverfügung wegen Dienstunfähigkeit, weil es sich um eine gebundene Entscheidung handelt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Gericht kann ein amtsärztliches Gutachten auch dann verwerten, wenn die Aufforderung zur Untersuchung nicht berechtigt war. Da die Frage der Dienstunfähigkeit der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt und das Gericht deshalb den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären hat (§ 86 Abs. 1 VwGO), kann es sich ein als “defizitär” angesehenes amtsärztliches Gutachten in der Verhandlung erläutern lassen (§ 411 Abs. 3 ZPO) und dann seiner Entscheidung zugrunde legen. Wegen seiner Neutralität kommt dem Gutachten eines Amtsarztes Vorrang vor dem Gutachten des behandelnden Privatarztes zu. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Ursachen der zugrundeliegenden Erkrankungen sind für die Feststellung der Dienstunfähigkeit unerheblich, auch wenn es sich um behinderungsbedingte Folgeerkrankungen handelt. Ebenso hat es auf die objektiv festzustellende Dienstunfähigkeit keinen Einfluss, ob eine Vereinbarung zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen eingehalten wurde; denn sie ermöglicht keine Beschäftigung schwerbehinderter Beamter trotz bestehender Dienstunfähigkeit. (redaktioneller Leitsatz)
4 Für einen vollständig dienstunfähigen Beamten besteht keine “Suchpflicht” des Dienstherrn hinsichtlich einer anderen Verwendung. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 11 K 14.1468 2015-11-18 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. November 2015 – AN 11 K 14.1468 – wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 43.998,36 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.
Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B. v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger macht geltend, dass bereits die Untersuchungsaufforderung der Beklagten vom 15. August 2013 zur Abklärung seiner Dienstfähigkeit durch eine amtsärztliche Untersuchung rechtswidrig gewesen sei. Das amtsärztliche Gutachten vom 6. Februar 2014 sei auch nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts defizitär gewesen. Trotzdem habe das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit mit Verfügung vom 23. Mai 2014 (Widerspruchsbescheid vom 7.8.2014) auf der Grundlage dieses Gutachtens nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG festgestellt. Die Beklagte habe jedoch den Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum in § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG nicht ausgeübt. Insbesondere sei der tatsächliche Krankheitsverlauf seit 2009 nicht berücksichtigt worden. Zu dieser vertieften Prüfung hätten auch zuletzt vorgelegte ärztliche Begutachtungen Anlass gegeben. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass ursächlich für die Beschwerden und Beeinträchtigungen bei seiner Arbeit am Bildschirm nicht die Sitzposition, sondern aufgrund seines Sehleidens erfolgende Ausgleichs- und veränderte Haltungsmuster gewesen seien, denen er entgegen „DGUV Grundsatz für arbeitsmedizinische Untersuchungen ‚Bildschirmarbeitsplätze‘ G 37“ über 13 Jahre lang ausgesetzt gewesen sei. Der Besserungsverlauf in seinen Erkrankungszeiten in den Jahren 2010 bis 2012/13 zeige, dass die Arbeitsanpassungen eine signifikant positive Wirkung erbracht hätten. Behinderungsbedingte kompensatorische Abläufe könnten die Prognose der dauernden Dienstunfähigkeit nicht rechtfertigen. Gleiches gelte für die psychiatrischen Erkrankungen, die ebenfalls behinderungsbedingt seien, wie auch der Amtsarzt ausgeführt habe. Das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob eine mangelhafte behindertenspezifische Situation des Arbeitsplatzes, des Arbeitsumfeldes, des Arbeitsrythmus usw. seine letzte psychiatrische Krankheitsphase (mit-)verursacht habe. Im Gutachten des Psychiaters vom 11. Dezember 2013 seien für das psychiatrische Krankheitsbild temporäre, arbeitsbedingte Beeinträchtigungen maßgeblich gewesen. Die Prognose der dauernden Dienstunfähigkeit sei daher nicht zu rechtfertigen. Die Beklagte habe seine anderweitige dienstliche Verwendbarkeit nicht in der gebotenen Weise geprüft. Personalvertretung und Schwerbehindertenvertretung seien nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
Diese Einwände überzeugen nicht und bedürfen keiner weiteren Prüfung in einem Berufungsverfahren.
a) Die Zurruhesetzungsverfügung ist nicht wegen formeller Mängel rechtswidrig.
aa) Der Kläger will die fehlende ordnungsgemäße Beteiligung der Personalvertretung daraus herleiten, dass der Personalrat T. erfolglos vorgeschlagen habe, dem Amtsarzt die Schreiben des Beamten mit der Bitte um Stellungnahme vorzulegen. Das kann nicht überzeugen.
Die Erhebung von Einwendungen bedarf eines Beschlusses des Personalrats gemäß § 37 BPersVG (Koch in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, § 79 BPersVG Rn. 39). Die telefonische Äußerung des Personalrats T. erfolgte aber bereits bei der Unterrichtung des Personalrats gemäß § 68 Abs. 2 BPersVG (Bl. 42 d. Verfahrensakte A 116) und kann daher nicht auf einem Beschluss des Personalrats beruhen. Da im Folgenden vom Personalrat keine Einwendungen erhoben wurden, gilt die beabsichtigte Maßnahme nach § 72 Abs. 2 Satz 1 BPersVG als gebilligt.
bb) Entgegen der Ansicht des Klägers wurde auch die Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß beteiligt.
Gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen schwerbehinderten Menschen berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Das Gesetz schreibt keine Form für die Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor, so dass die telefonische Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung (Bl. 42 d. Verfahrensakte A 116) nicht zu beanstanden ist. Im Übrigen würde eine mangelhafte Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach dem Rechtsgedanken des § 46 VwVfG nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führen. Die Zurruhesetzungsverfügung wegen Dienstunfähigkeit ist eine uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegende gebundene Entscheidung (s. unten c.), auf die der Rechtsgedanke des § 46 VwVfG Anwendung findet (BVerwG, B. v. 20.12.2010 – 2 B 39.10 – juris Rn. 6).
b) Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich auch keine Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung. Das Verwaltungsgericht ist mit überzeugenden Erwägungen davon ausgegangen, dass der Kläger dienstunfähig ist.
aa) Die vom Zulassungsantrag behauptete Rechtswidrigkeit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, wäre für die Verwertbarkeit eines gleichwohl erstellten Gutachtens ohne Bedeutung. Unterzieht sich der betroffene Beamte der angeordneten Untersuchung, so kann das Gutachten entgegen der Ansicht des Klägers auch verwendet werden, wenn sich die Aufforderung als solche bei einer gerichtlichen Prüfung als nicht berechtigt herausstellen sollte (BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – NVwZ 2012, 1483 ff.).
bb) Das Verwaltungsgericht war nicht gehindert, das seiner Auffassung nach defizitäre amtsärztliche Gutachten sich in der mündlichen Verhandlung erläutern zu lassen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Bei der Dienstunfähigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Beamten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U. v. 19.3.2015 – 2 C 37.13 – ZBR 2015, 379 ff.). Erweist sich die von der Behörde für die Annahme der Dienstunfähigkeit gegebene Begründung als nicht tragfähig, so hat das Verwaltungsgericht zu klären, ob der betroffene Beamte zu dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich dienstunfähig war (BVerwG, B. v. 21.2.2014 – 2 B 24.12 – juris Rn. 11).
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Dabei entscheidet das Tatsachengericht über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Dies gilt auch für die Ergänzung vorhandener Gutachten (BVerwG, B. v. 27.4.2016 – 2 B 23.15 – juris Rn. 11).
Das Verwaltungsgericht durfte sich mithin nach § 86 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 411 Abs. 3 ZPO das aus seiner Sicht defizitäre amtsärztliche Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutern lassen und es mit der Erläuterung seiner Entscheidung zugrunde legen.
cc) § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG gewährt der Behörde entgegen der Auffassung des Klägers weder ein Ermessen i. S. v. § 40 VwVfG noch einen Beurteilungsspielraum, das oder den die Behörde auszuüben hätte.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 kann als dienstunfähig auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG erleichtert die Feststellung der (dauernden) Dienstunfähigkeit nach Satz 1, indem bei Vorliegen der Voraussetzungen zu prognostizieren ist, ob Aussicht besteht, dass der Beamte innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden wird (BayVGH, B. v. 15.2.2016 – 3 B 15.534 – juris Rn. 22). Trotz der Verwendung des Wortes „kann“ räumt die Vorschrift kein Ermessen oder einen Beurteilungsspielraum in dem Sinne ein, dass der Dienstherr trotz bejahter Dienstunfähigkeit von einer Zurruhesetzung absehen könnte (vgl. OVG NW, U. v. 3.2.2015 – 6 A 371/12 – juris Rn. 106).
Das Verwaltungsgericht durfte danach diese Regelung zur Feststellung der Dienstunfähigkeit heranziehen. Im Übrigen wird auch im Widerspruchsbescheid vom 7. August 2014 auf die Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG abgestellt.
dd) Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Feststellung der Dienstunfähigkeit ist derjenige der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Sach- und Rechtsstand zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (BVerwG, B. v. 5.11.2013 – 2 B 60.13 – NVwZ 2014, 530). Die vorgetragene positive Fehlzeitenentwicklung im Zeitraum 2010 bis Mai 2013 weist als solche keinen Zusammenhang mit der Frage auf, ob der Kläger am 7. August 2014 dienstunfähig war. Sie ist daher nicht entscheidungserheblich.
ee) Die ärztlichen Bescheinigungen des Orthopäden vom 27. Januar 2015 (S. 52 d. VGH-Akte) und des Neurologen vom 17. Dezember 2015 (S. 53 f. d. VGH-Akte) erwecken entgegen der Auffassung des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Feststellung der Dienstunfähigkeit des Klägers durch das Verwaltungsgericht.
Ein weiteres Gutachten ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats einzuholen, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen konnten, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, B. v. 14.4.2011 – 2 B 80.10 – juris Rn. 7; BayVGH, B. v. 8.4.2016 – 6 ZB 15.2678 – juris Rn. 9).
Der medizinischen Beurteilung eines Amtsarztes kommt ein eingeschränkter Vorrang vor der Beurteilung des behandelnden Privatarztes zu, wenn beide Beurteilungen hinsichtlich desselben Krankheitsbildes des Beamten voneinander abweichen (BVerwG, B. v. 15.2.2010 – 2 B 126.09 – juris Rn. 16). Dies findet seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht Beamten und Dienststelle gleichermaßen fern. Die Tatsachengerichte können sich im Konfliktfall aber nur auf die Beurteilung des Amtsarztes stützen, wenn keine Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bzw. eines von ihm hinzugezogenen Facharztes bestehen, seine Beurteilung auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruht und in sich stimmig und nachvollziehbar ist.
Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Bescheinigung des Orthopäden vom 27. Januar 2015 keine Zweifel an der Beurteilung des Amtsarztes begründet, nicht zu beanstanden. Die Bescheinigung hält ohne nähere, konkrete Darlegung eine Teildienstfähigkeit für gegeben, eine Restverfügbarkeit von 80% erscheine möglich. Sie ist damit nicht geeignet, Zweifel an der Beurteilung des Amtsarztes auszulösen. Die neurologische Bescheinigung vom 17. Dezember 2015 äußert sich mittels einer neuropsychologischen Testung zu der Frage, welche Arbeitsplätze für den Kläger geeignet wären. Sie kann die für die Feststellung der Dienstunfähigkeit maßgeblichen Krankheitsbefunde jeweils auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet nicht in Frage stellen.
ff) Das Verwaltungsgericht musste nicht auf die Behinderung des Klägers als Ursache für die Dienstunfähigkeit eingehen.
Der Dienstherr und die Gerichte haben im Zurruhesetzungsverfahren wegen Dienstunfähigkeit zu prüfen, ob der Beamte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides dienstunfähig ist. Die Ursachen für die der Dienstunfähigkeit des Klägers zugrundeliegenden Erkrankungen sind für die Feststellung der Dienstunfähigkeit unerheblich (OVG Lüneburg, B. v. 20.12.2012 – 5 LA 139/10 – ZBR 2011, 258; BayVGH, B. v. 12.9.2016 – 6 ZB 15.2386 – juris Rn. 8), auch wenn es sich um behinderungsbedingte Folgeerkrankungen handelt.
gg) Das Verwaltungsgericht hat die dauerhafte Dienstunfähigkeit des Klägers aus psychiatrischen Gründen auf der Grundlage der Ausführungen des Amtsarztes mit der Begründung bejaht, dass auch der Psychiater im Verlaufsbericht vom 11. Dezember 2013 von einer dauerhaften Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit des Klägers ausgegangen sei und der Kläger eine psychopharmakologische Behandlung abgelehnt habe. Diese Beurteilung ist nach den unter ee) genannten Grundsätzen nicht zu beanstanden.
hh) Ohne Erfolg bleibt der Einwand, die Beklagte habe eine anderweitige dienstliche Verwendbarkeit des Klägers nicht in der gebotenen Weise geprüft.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG wird in den Ruhestand nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Nach dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ scheidet ein Beamter nur dann aus dem aktiven Dienst aus, wenn er dort nicht mehr eingesetzt werden kann (§ 44 Abs. 2 bis 5 BBG). Die Pflicht zur Suche des Dienstherrn nach einer anderweitigen Verwendung besteht im Einzelfall nicht, wenn ihr Zweck von vornherein nicht erreicht werden kann. Dies ist anzunehmen, wenn die Erkrankung des Beamten von solcher Art und Schwere ist, dass dieser für sämtliche Dienstposten der betreffenden oder einer anderen Laufbahn, in die der Beamte wechseln könnte, ersichtlich gesundheitlich ungeeignet ist (BVerwG, U. v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – BVerwGE 150, 1 ff.).
Nach den – nicht zu bezweifelnden – Feststellungen des Verwaltungsgerichts war der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden vollständig dienstunfähig und konnte nicht anderweitig verwendet werden. Eine Suchpflicht des Dienstherrn nach § 44 Abs. 2 bis 5 BBG bestand demnach nicht.
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.
Voraussetzung für die Zulassung nach dieser Vorschrift ist, dass der Kläger mit seinen Angriffen gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Fragen aufwirft, die von solcher Schwierigkeit sind, dass sich die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht im Zulassungsverfahren, sondern erst im Rechtsmittelverfahren selbst klären und entscheiden lassen. Das ist aus den oben dargelegten Gründen nicht der Fall.
3. Die mit Schreiben vom 9. Juni und 18. August 2016 erhobenen weiteren Rügen des Klägers sind nicht innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt worden (Urteilszustellung am 28.12.2015) und damit unbeachtlich. Es handelt sich nicht lediglich um nähere Erläuterungen des fristgerecht Vorgebrachten.
Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass die – verspäteten – Einwände auch in der Sache nicht überzeugen können:
Die Rahmenintegrationsvereinbarung zur Eingliederung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in der Bundesfinanzverwaltung („RIV“) hat ebenso wie die Schwerbehinderung des Klägers als solches keinen Einfluss auf die objektive Feststellung der Dienstunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 BBG. Sie ermöglicht nicht, trotz objektiv bestehender Dienstunfähigkeit einen schwerbehinderten Beamten weiter zu beschäftigen. Ihre etwaige Verletzung ist daher für dieses Verfahren nicht von Bedeutung.
Das neurologische Gutachten vom 25. September 2012 steht der Annahme einer vollständigen Dienstunfähigkeit nicht entgegen. Zum einen äußert es sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, zur Erwerbsfähigkeit des Klägers zum genannten Zeitpunkt und nicht zu seiner Dienstfähigkeit. Zum anderen greift der Vorrang des amtsärztlichen Gutachten nach den unter 1. ee) genannten Maßstäben.
Ohne Erfolg muss die Rüge bleiben, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es dem Kläger keine fachliche Reaktionsmöglichkeit auf die Erläuterungen des Amtsarztes in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe. Auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann sich nur berufen, wer zuvor (erfolglos) sämtliche verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, ausgeschöpft hat (BVerwG, B. v. 4.8.2016 – 8 B 24.15 – juris Rn. 16). Das hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers unterlassen, weil er ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. November 2015 keinen Vertagungsantrag zwecks Beibringung fundierter ärztlicher Atteste zu den Erläuterungen des Sachverständigen gestellt hat.
Ebenso wenig hat der Kläger die Aushändigung der Anforderungsprofile für die Laufbahn des gehobenen Zolldienstes beantragt. Die entsprechende Gehörsrüge im Berufungszulassungsantrag geht deshalb ebenfalls fehl.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass kein betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt worden ist. Zum einen hat er auf das Angebot vom 21. Juni 2014 nach erneuten Fehlzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2013 nicht reagiert. Zum anderen wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – BVerwGE 150, 1 ff.) eine Zurruhesetzungsverfügung wegen Dienstunfähigkeit nicht deshalb rechtswidrig, weil kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt wurde. Das betriebliche Eingliederungsmanagement und das Dienstunfähigkeitsverfahren sind jeweils eigenständige Verfahren, die in rechtlicher Hinsicht nicht verknüpft sind. Gleiches gilt für die Rüge, die Beklagte habe entgegen der RIV fürsorgepflichtwidrig das Integrationsamt nicht eingeschaltet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).